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anderen und der junge Einsiedler trat an die Verwundeten heran, um ihnen vielleicht noch Hilfe zu leisten. Aber alle waren schon tot, nur der Häuptling lebte noch. Schnell begab sich der Einsiedler an den nahen Bach, holte in seinem Geschirr frisches Wasser und reichte es dem Sterbenden. Magaduta öffnete die Augen und sagte mit knirschenden Zähnen:

Wo sind diese undankbaren Hunde, die ich so oft zu Sieg und Erfolg geführt? Ohne mich werden sie bald untergehen wie von Jägern geheßte Schakale!"

Denke jest nicht an deine Kameraden, die einem fündigen Leben verfallen find," sagte Pantakka, sondern denke an deine Seele und benüße diese leßte Stunde, fie, soweit als es noch möglich ist, zu retten. Trinke, und laß mich deine Wunden verbinden, vielleicht gelingt es mir sogar, dein Leben zu retten!"

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Das ist unnötig!" erwiderte Magaduta. „Ich bin verurteilt. Die Elenden haben mich tötlich verlegt, haben mich in ihrer Undankbarkeit mit denselben Streichen erlegt, die ich sie gelehrt habe!"

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Du erntest das, was du gefäet hast," fuhr der Einsiedler fort. Wenn du deine Kameraden gelehrt hättest, das Gute zu üben, so hätten sie dir nur Gutes getan. Du hast sie aber Mord gelehrt und deshalb fielst du von ihrer Hand.“

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„Du hast recht," antwortete der Häuptling, ich habe mein Los verdient; aber wie schwer ist mein Schick fal, daß ich die Früchte meiner schlechten Taten noch im zukünftigen Dasein werde ernten müssen! Belehre mich, heiliger Vater, was ich tun kann, um mein Geschick zu erleichtern

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Pantakka sagte:

Vernichte alle deine sündigen Wünsche und bösen Leidenschaften und erfülle deine Seele mit Güte gegen alle Wesen!"

Mit schwacher Stimme erwiderte der Häuptling:

Ich habe hier viel Böses und nichts Gutes getan. Wie kann ich mich aus den Neßen des Leides herauswickeln, die ich aus den bösen Wünschen meines Herzens verfertigt habe? Mein Karma wird mich in die Hölle führen, und ich werde nicht imstande sein, den Weg des Heils zu betreten."

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„Ja, dein Karma wird in zukünftigen Verförpe rungen die Früchte des Samens ernten, den du gefäct hast. Wer Schlechtes säete, muß Schlechtes ernten. Aber verzweifle nicht, jeder Mensch kann sich retten, unter der Bedingung, daß er den Irrtum des Glaubens an seine abgesonderte Persönlichkeit vernichtet. Als Beispiel kann ich dir die Geschichte des großen Räubers Kadatta erzählen, der, ohne zu bereuen, gestorben war und als Teufel in die Hölle kam, wo er auf die entsetz lichste Weise für seine schlechten Taten büßte. war schon viele Jahre in der Hölle und konnte fich aus seiner entsetzlichen Lage nicht befreien, als Buddha auf Erden erschien und den seligen Zu stand der Verklärung erreichte. In jener denkwürdigen Zeit fiel auch ein Stral des Lichtes in die Hölle und erweckte in allen Dämonen neues Leben und Hoffnung. Kadatta aber rief laut:, seliger Buddha, erbarme dich mein! Ich leide fürchterlich. Aber obgleich ich Böses getan habe, will ich jetzt den Weg des Gerechten wandeln, doch ich kann mich nicht aus dem Neße des Bösen lösen! Hilf mir, o Herr, und erbarme dich mein! Und als Buddha die Bitte des in der Hölle lebenden Dämons vernahm, sandte er zu ihm eine Spinne in einem Spinn gewebe. Diese Spinne sagte: Greife nach meinem Gewebe, halte dich daran fest und klettere daran aus der Hölle heraus! Die Epinne verschwand. Kadatta er griff das Spinngewebe und begann daran zu klettern.

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Das Gewebe war äußerst stark und er hob sich immer höher und höher. Plöglich fühlte er das Gewebe zittern und wanken, hinter ihm begannen noch andere Dulder daran zu klettern. Kadatta erschraf, als er das dünne Gewebe sah und bemerfte, wie es sich infolge der vergrößerten Last ausdehnte. Aber es hielt ihn noch immer. Bis zu diesem Augenblick hatte er nur nach oben ge= sehen. Jegt aber sah er nach unten und bemerkte, daß hinter ihm auf dem Gewebe eine zahllose Menge der Bewohner der Hölle kletterte. Wie kann dieser feine Faden die Schwere all dieser Menschen aushalten?" dachte er mit Entseßen, und laut schrie er auf: Laßt das Gewebe los, es gehört mir! In demselben Augenblick riß plöglich der Faden und Kadatta stürzte hinunter in die Hölle zurück. In ihm lebte noch der Irrtum der Persönlichkeit. Er fannte noch nicht die wunderbare Kraft des innigen Strebens nach oben, um den Weg der Wahrheit zu gehen. Dieses Streben ist so dünn wie ein Spinngewebe, aber es erhebt Millionen von Menschen, und je mehr daran klettern, um so leichter wird es jedem von ihnen. Sobald aber im Herzen eines Menichen der Gedanke entsteht, daß das Gewebe sein ist, daß das Wol des Gerechten ihm allein gehört und es niemand mit ihm teilen soll, so reißt der Faden, und er fällt zurück in den früheren Zustand der vereinzelten Person. Die Einzelheit, die Unabhängigkeit, das ist der Fluch, und die Gemeinsamkeit ist der Segen! Was ist die Hölle?... Die Hölle ist nichts anderes als die Eigenliebe, und Nirwana ist das gemeinsame Leben..."

„Laß mich auch an diesem Gewebe emporklimmen," sagte der sterbende Magaduta, „und du wirst sehen, ich werde nicht straucheln!" Und nach einer Pause fuhr er fort: Höre mir zu, ich will dir alles bekennen! Ich war Diener bei Pandu, dem Juwelier in Kolschambi. Ganz ungerechter Weise ließ er mich eines Tages grausam züchtigen. Ich entlief und wurde Räuberhauptmann. Vor einiger Zeit erfuhr ich durch meine Kundschafter, daß er durch die Berge fahre. Ich beraubte ihn und nahm ihm einen großen Teil seines Vermögens. Erweise mir Erweise mir einen Dienst, geh zu ihm und teile ihm mit, daß ich ihm seine ungerechte Beleidigung im Herzen ganz verzeihe und ihn bitte, auch mir zu verzeihen, daß ich ihn beraubt habe. - Als ich bei ihm lebte, war sein Herz so grausam wie ein Stein, und bei ihm lernte ich es, nur der Eigenliebe zu fröhnen. Ich hörte, daß er jetzt fromm geworden, und daß man ihn als Muster der Güte und Gerechtigkeit hinstellt. Auch in diesem Falle will ich nicht hinter ihm zurückbleiben, und deshalb sage ihm, daß ich die goldene Krone für den König sowie die übrigen Schäße in einem unterirdischen Gewölbe verborgen habe. Nur zwei Räuber wußten außer mir den Ort, und diese beiden find tot. Möge fich Pandu mit bewaffneten Lenten dahin begeben und sein Eigentum nehmen, welches ich ihm geraubt habe." Mit immer schwächer werdender Stimme bezeichnete der Unglückliche noch näher die Lage des Gewölbes und starb dann in Bantaffas Armen.

Pantakka kehrte nach Kolschambi zurück, begab sich eilig zum Juwelier und erzählte ihm, was sich im Walde zugetragen. Mit freudigem Staunen hörte Pandu die Nachricht und verfuhr dann so, wie der sterbende Räuber gesagt hatte.

Darauf begruben Pandu und seine Leute den erschlagenen Häuptling und seine toten Kameraden. An feinem Grabe wiederholte Pantakka, der Lehre Buddhas gemäß:

„Die Persönlichkeit tut das Böse und muß selöst die Folgen tragen. Die Persönlichkeit enthält sich des Bösen und gelangt zur Reinheit. Die Reinheit und Unreinheit

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Bandu hatte seine Schäße nach Kolschambi zurückgeführt, machte selbst nur einen mäßigen Gebrauch davon und lebte ruhig und glücklich sein ganzes Leben. Als er in hohem Alter zum Sterben kam, und sich seine Söhne, Töchter und Enkel um sein Sterbebett versammelt hatten, sagte er:

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Teure Kinder, schiebt nie die Schuld eines Miserfolgs einem anderen zu. Sucht die Gründe eures Unglücks in euch selbst. Und wenn ihr nicht vom Ehrgeiz geblendet seid, so werdet ihr die Ursache finden und es verstehen, euch vom Uebel zu befreien. Das Mittel gegen jedes Unglück liegt in euch selbst. Möge euer geistiges Auge niemals durch den Schleier Majas verdunkelt werden... Seid nun folgender Worté eingedenk, sie waren der Talisman meines Lebens: Wer anderen schadet, fügt sich selbst Leid zu, und wer anderen hilft, erweist sich selbst Gutes." Höret auf, euch für besondere, unabhängige Wesen zu halten, und ihr werdet den Weg der Wahrheit wandeln.“

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Wir erhalten folgende Zuschrift von eingeweihter Seite mit dem Ersuchen um Abdruck zugesandt:

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Die seit April d. J. unternommenen Versuche des durch eine Reihe von Bühnenarbeiten, besonders aber durch sein von der Polizeizenfur verbotenes Schauspiel Die Sitte" bekannten Redakteurs und Schriftstellers Hans von Janußkiewicz - Reinfels. eine vornehmlich die Interessen der Bühnendichter wahrende Vereinigung dramatischer Schriftsteller zu schaffen, sind nach vielen Bemühungen jezt zu einem guten Abschlusse gelangt. Eine neue Genossenschaft ist unter dem Namen Gesellschaft Deutscher Dramatiker" begründet und in das Genossenschaftsregister eingetragen worden. Herr von Reinfels ist ihr Vorsigender. Das Geschäftslokal befindet sich Schiffbauerdamm 37. Bis heute zählt die Gesellschaft nahezu 40 Mitglieder Sie befigt in der Monatsschrift Das deutsche Drama" ihr eigenes Gesellschaftsorgan. Es lag aber dem Begründer nicht blos daran, einen neuen litterarischen Verein zu schaffen, sondern eine neue Wirtschaftsgenossenschaft zum Zwecke der Selbsthilfe ins Leben zu rufen, und dazu bedurfte es, wie heute die Theaterverhältnisse liegen, mehr als bloße Vereinsmeierei zu treiben. So suchte man der Gesellschaft eine Bühne dienstbar zu machen. In Gemeinschaft mit dem ehemaligen großherzoglich hessischen Hofsekretär und technischen Leiter verschiedener Bühnen, Heinrich Bloch er ift unter anderem als Verfasser der Pantomimen Helgoland" und „Berliner Kinder" bekannt geworden erwarb Herr v. Janußkiewicz den am Friedrich Karl-Ufer gelegenen eisernen Zirkus Schumann fäuflich. Beide Herren haben die Vorarbeiten energisch betrieben, um aus dem Zirkus ein hübsches und gemütliches Volkstheater schaffen zu können. Das Schiller-Theater hat den Beweis erbracht, daß Berlin an billigen Theatern Mangel leidet. So wissen wir, daß bei einzelnen Abonnements nur 6 Prozent der Reflektanten berüdsichtigt werden konnten, also 94 Prozent abgewiesen werden mußten. Das befagt so viel, daß bei der Fülle kostspieliger Theater, Berlin Publikum für noch 15 Volkstheater zu billigen Preisen befigt. Die Idee, aus dem erworbenen Zirkusgebäude ein Volkstheater im Nordwesten zu schaffen, ist also nicht so zu verwerfen, wir es Uebereiferer schon getan haben. Nach den vorliegenden Plänen und Zeichnungen wird das Deutsche Volkstheater", so wollen die Leiter ihr Institut benennen, sowol außen wie innen einen sehr hübschen Anblick gewähren. Durch eine zweistöckige Blendfaçade wird der eigentliche Birfusbau den Blicken der Passanten entrückt. Das Bühnenhaus soll nach hinten angebaut werden. Man gedenkt im Innern die Zirkusform dadurch zu beseitigen, daß man den Zirkus halb durchschnitten gedacht die nach der Bühne zu gelegenen Logen

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und Ränge beseitigt. Die dadurch fret werdenden hohen eisernen Wände werden Malereien erhalten, während der durch Abtragung Sperrsit - Stuhlpläge schafft. der Size frei gewordene Play Raum für über 700 Parketts und Sperrsit Stuhlpläße schafft. Die Bühne ist etwas größer als die des Lessing Theaters gedacht und wird mit allen technischen Neuheiten ausgerüstet sein, so daß das Theater allen Zweden, selbst dem großen Ausstattungsstüd, dienen fann. Man hofft das Deutsche Volkstheater schon zum Herbst eröffnen zu können, da der Umbau höchstens drei Monate in Anspruch nehmen wird. Dieses neue Theater nun wird gleichzeitig die Versuchsbühne der Gesellschaft Deutscher Dramatiter" werden. In Nachmittags-Vorstellungen sollen im Laufe der ganzjährig geplanten Saison 20-25 Novitäten, wie sie von der Jury der Gesellschaft bestimmt werden, von Mitgliedern des Deutschen Volkstheaters aufgeführt werden, wobei man die Usance einführen will, daß der Name der Verfasser erst nach Schluß der Vorstellung dem Publikum bekannt gegeben wird. Man will dadurch der in Berlin oft schon durch den bloßen Namen des Dichters hervorgerufenen, sehr gefährlichen Borkritik vorbeugen. Sofern diese Prob aufführungen von Erfolg begleitet sind, behält sich die Direktion des Deutschen Volkstheaters das Recht vor. die betreffenden Werke ihrem Spielplan einzuverleiben. Man darf wol aussprechen, daß, wenn es den Herren von Reinfels und Bloch gelingt, ihre Theatergründung durchzuführen, das Deutsche Volkstheater dem Publikum wie dem dramatischen Autor willkommen sein wird. Intimus.

Vom Herbst d. I. ab wird auch Breslau sein Schiller-Theater haben. Herr Mar Weidlich, Mitglied der Lobe-Bühne, hat trok aller Schwierigkeiten hervorragende Männer aller Parteien für sein Unternehmen derart zu interessiren gewußt, daß nunmehr das ProTheaters geleitete Thalia-Theater in der Schwertstraße wird nach jeft gesichert scheint. Das bisher als Filiale des breslauer Stadt einem zweckentsprechenden Umbau mit Beginn der neuen Saison als Schiller-Theater seine Pforten öffnen, um fortan eine Stätte der Kunst zu sein, würdig des Genius, dessen Namen es tragen soll. L. S.

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Balduin Möllhausen feierte am 27. Januar feinen 70. Geburtstag; mit ihm das litterarische Berlin, repräsentirt durch den Verein Berliner Preffe", und ein kleiner Kreis von Personen, der zu der feltsam zusammengesezten Tafelrunde des Prinzen Friedrich Karl zu Dreilinden und Glienicke gehörte. Möllhausen hat 155 Romanbände und ein paar Bände Reisebeschreibungen verfaßt. Sie alle find Ausflüsse der persönlichen Anschauungen, die Möllhausen von seinen abenteuerreichen Reisen nach Amerika mitbrachte. Sein bester, jedenfalls interessantester Roman, Die Halbindianer", behandelt eine Menschenklasse, zu der er auch einmal gehörte, als er als Versprengter einer verunglückten Expedition mehrere Monate unter den OmahaIndianern zurückbleiben mußte. Wenn man die Fähigkeit, in die deutlich aufgenommene und anschaulich wiedergegebene Szenerie, hier die farbige Szenerie der amerikanischen Steppen, immer dieselben Typen in immer wesentlich gleichen Abenteuern, nur in stets verschiedenen Variationen, anzubringen, Fabulirtalent nennen will, dann hat Möllhausen ein Fabulirtalent bewiesen, das dem des älteren Alexander Dumas gleich ist. Er gehört zur Familie der Gerstäder; ein Vergleich mit Sealsfield ist nicht angebracht. Möglich, daß ein posthumes Werk alle seine bei Lebzeiten veröffentlichten Bücher überlebt. Es ist das das „Blaubuch von Dreilinden", das Gedichte enthält, die sich auf Möllhausens Freundschaft mit Friedrich Karl und die Tafelrunde des Prinzen beziehen. Das Blaubuch wird wol noch manches Jahr der Veröffentlichung harren. Zweifellos wird das Charakterbild des Prinzen sehr modifizirt werden durch die Vers öffentlichungen seiner litterarischen Vertrauten, von denen einer, Heinrich Brugsch-Pascha, vor kurzem dahingegangen ist. Dem andern, Balduin Mölhausen, der eine der schönsten und rüstigsten Greifen gestalten besigt, mag noch manches Jahr beschieden sein. T. B.

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Neue litterarische Erscheinungen, Die Romanlitteratur hat im Januar kaum nennenswerte Bereicherungen erfahren. Der Geltung nach, die der Name des Verfaffers hat, ist an erster Stelle zu nennen August Niemanns Agitator", ein Roman in zwei Bänden (89, 82 Bg., Dresd., Pierson). Im gleichen Verlage wird ein Roman von Arthur 3app angezeigt: Ein Leutnant a D." (8°, 20 g.). Die Litterarische Gesellschaft" in Wien (Verlag: M. Breifenstein) zeigt als 2. Band ihres zweiten Jahrgangs an: Resurrexit, neue Geschichten und Skizzen aus der Klosterwelt von Oskar Teuber, dem Verfasser des vor drei Jahren erschienenen Buches Im Kreuzgang", welches insofern Interesse erregte, als es ein neues Milieu, das heutige Kloster, behandelte.

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Nur einen neuen Versband gibt es für den Januar zu verzeichnen, allerdings einen, dessen splendide äußere Ausstattung im deutschen Buchhandel schlechterdings ohne gleichen dasteht; er enthält eine Sammlung Gedichte von Adolf Frey, dem bekannten aarauer Litterarhistoriker, unter dem Titel „Totentanz" (gr. 4° 84 G. H. R. Sauerländer). Dagegen find vier Dramen zu verzeichnen: Kupfer", ein Lustspiel in 3 Aufzügen von Theodor Duimchen.

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dem geistvollen Verfasser der Romanskizze „Das stärkere Geschlecht", die neulich im Magazin erschien (Lpz., Rob. Friese; sodann: Agnes Korn", Drama in 3 Akten von Wilhelm Weigand (0 100 S, München, Herm. Lukaschik) — beide Stücke behandeln moderne soziale Probleme. Ein Zeitdrama“ in 5 Aften ist Wolfgang Kirchbachs "Gordon Pascha" (Dresden, Pierson) und ein Trauerspiel in 4 Aften Mar Ernst Mayers Ewiger Friede“ (Ebd), das schon in Mannheim erfolgreich aufgeführt wurde.

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Zahlreich wie immer find die litterarhistorischen und verwanten Erscheinungen. Wir sind nicht das Volk der Dichter und Denker, sondern vielmehr das Volk der Schreiber und Leser über die Dichter und Denker. An der Spite steht der erste Band von Michael Bernays Schriften zur Kritik und Litteraturgeschichte Vernays hat sich endlich zu dieser langerwarteten Publikation ent schloffen, in der Ungedrucktes neben älteren bekannten Arbeiten stehen soll. Die Sammlung ist auf vier Bände berechnet. Der herausgekommene erste Band betitelt sich: Zur neueren Litteraturgeschichte". Er beschäftigt sich ausschließlich mit Goethe und Schiller und enthält zwei neue Abhandlungen. (Stuttgart, G. I. Göschen.)

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Schulte vom Brühl gibt in Otto Müller" ein deutsches Dichterleben, dargestellt aus des Dichters Briefen“, ein kleines Heftchen mit Müllers Porträt, den im vorigen Jahr gestorben n Romanschriftsteller behandelnd. (Stuttg., Bonz & Co.) Friedrich Wilhelm Gotter, sein Leben und seine Werke, ein Beitrag zur Geschichte der Bühne und Bühnendichtung im 18. Jahrhundert" von Rudolf Schlößer bildet den zehnten Band der von B. Lizmann herausgegebenen Theatergeschichtlichen Forschungen". Das Buch gibt sich als Quellenwerk, das zum guten Teil auf handschriftlichem Material beruhe. Den (Hamburg, 2. Voß.) Wiener Goethe Verein und seine Denkmalsgeschichte von 1878-1895 (gr. 80, Wien, Gg. Szelinski), das berühmte tragikomische Thema des perennirenden Loastes des verstorbenen L. A. Frankl bei den weimarer Goethetagen, behandelt eine Broschüre. Der Anklang, den Anton Bettelheim mit seiner BiographienSerie „Geisteshelden" gefunden, hat ihn ermutigt, eine der Biographie gewidmete Vierteljahrsschrift zu begründen, im Verein mit bewährten Hilfskräften wie Bernays, F. v. Bezold, Al. Brandl, Aug. Fournier, L. Geiger, Guglia, Sigm. Günther, Ottokar Lorenz, K. v. Lüzom, 3. Minor, Fr. Razel, Er. Schmidt, Ant. E. Schönbach. Sie heißt Biographische Blätter", Bierteljahrsschrift für lebensgeschicht liche Kunst und Forschung". Sedes Heft soll 7 Bogen im Format der Deutschen Rundschau" umfaffen. Das erste Heft wird im März erscheinen. Berlin, Ernst Hofmann & Co.)

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Von Profeffor O. Weise erscheint als Preisschrift des Allg. deutschen Sprachvereins eine populäre Darstellung der Entwickelung des Neuhochdeutschen unter dem Titel: Unsere Muttersprache, ihr Werden und ihr Wesen“ (8°, 14 Big., Lpz., Teubner).

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Zahlreich sind auch die Erscheinungen zur Zeitgeschichte und zu den sozialen Fragen der Gegenwart. Die Erscheinungen dieser Art machen einen von Jahr zu Jahr sich steigernden Prozentsaz des Büchermarktes aus und beweisen, daß der Deutsche immer mehr und mehr fic 3um ξωον πολιτικον entwidelt. Die deutschen KoIonien werden in folgenden neuen Publikationen behandelt: Deutschlands Kolonien, ihre Gestaltung, Entwickelung und Hilfsquellen von Hptm. Rochus Schmidt, mit einem Vorwort von Major von Wißmann. 1. Band: Ostafrika (8°, 100 Bild., 25 Orig-Beichn. von Hellgrewe, Karten; Berlin, Schall & Grund). Das Buch erscheint als 3. Band des 4. Jahrgangs der Veröffentlichungen des Vereins der Bücherfreunde.“ Der Band umfaßt die Kolonialunternehmung des großen Kurfürsten in Westafrika, das jezige Deutsch-Ost-Afrika und eine Kritik unserer Kolonial-Verwaltung. Der zweite Band, der zu Ostern erscheinen soll, wird Westafrifa und die Südsee behandeln. Diesem Werke zur Seite steht die im amtlichen Auftrag" verfaßte voluminöse Schrift Daz Deutsch-Ostafrikanische Schuhgebiet von Karl Peters (Ler.-8°, 3 Karten, 23 Vollbilder und viele Illustrationen gleichfalls von Hellgrewe, 30 Bog., München, Oldenbourg). Ueber „Land und Leute im Bismarc-Archipel" schreibt Georg Müller (mit 3 Abbild., Leipzig, Gust. Uhl). Hieran anschließend sei das Schriftchen eines Japaners, Herrn Kinza Riugé M. Hirai, Japan, wie es wirklich ist," erwähnt (mit 9 Orig.-Abb., Leipzig, Uhl.) Zur Zeitgeschichte gehört das Buch: Die ersten Regirungsjahre König Wilhelms I., Tagebuchblätter aus dem Jahre 1860 bis 1863 von Theodor von Bernhardi." Es ist dies Buch der vierte Teil des Memoirenwerkes Aus dem Leben Th. von Bernhardis" (Leipzig, S. Hirzel.) Eine Reihe von Publikationen be schäftigt sich mit dem Hauptproblem unseres Zeitalters, der sozialen Frage, und eine andere mit aktuellen politischen Gegenständen. Das Emile de Laveleyesche Buch Der Sozialismus der Gegenwart" erscheint in einer deutschen Ausgabe von Chr. Jasper, mit einem Anhang: der Sozialismus in England von Goddard H. Organ, als Nr. 825-9 der Bibliothef der Gesamt litteratur" (Halle, Otto Hendel). - Das Enrico Ferrische Buch Sozialismus und moderne Wissenschaft (Darwin

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behandelnd. (Lpz., Sch. H. Wigand.) - Georg Sulzer, ein schweizerischer Jurist, gibt die wirtschaftlichen Grundgesege in der Gegenwartsphase ihrer Entwicklung" heraus (80, 636, Zürich, Alb. Müller). Sulzer trennt, im Gegensatz zu den meisten neueren nationalökonomischen Schriftstellern, die Wirtschaftslehre scharf von der Gesellschaftswissenschaft. Für Staatsbeamte, Juristen, Journa listen. Politiker, Finanzleute und berufsmäßige Beobachter der wirtschaftlichen Entwicklung. Keine Tendenzschrift, sondern rein wiffenschaftlich. Heinz Starkenburg gibt heraus: Die Bevölkerungs-Wissenschaft und ihre praktische Bedeutung für die Gegenwart. Eine kritische Studie (ca. 9 Bog., Lpz., W. Friedrich.) Der Grundbegriff der Bevölkerungs-Wissenschaft ist bis heute un untersucht geblieben, weil man ihn als eine einfache ursächliche Teilerscheinung des Kulturlebens auffaßte. Starkenburg sucht eine neue Methode der genannten Disziplin, er erklärt, daß der Grundbegriff der Bevölkerungsbewegung eine komplizirte Folgeerscheinung ist, die sich in eine große Reihe von Faktoren auflösen läßt. Die Ehefrage im deutschen Reich" behandelt Profeffor Mar Haushofer in einer Broschüre, die das 8. Heft der von Gustav Dahms herausgegebenen Serie „Der Existenzkampf der Frau im modernen Leben, seine Ziele und Aussichten“ bildet. (Berlin, R. Tändler.) Der Pfarrer Weber in Gladbach, der neulich im Reichstag von einem brutalen Schlotjunker als Krypto Sozialist vers dächtigt wurde, veröffentlicht einen Vortrag, der seinen von vielen Amts- und Gefühlsgenossen heut geteilten Gedankenkreis, eine Art sozialer Hilfsorganisation auf Grundlage der christlichen Nächstenliebe, entwickelt: Selbsthilfe, Staatshilfe, Gotteshilfe auf sozialem Gebiet." (Leipzig, Reinhold Werther). Wetterleuchten der Reaktion" betitelt sich eine Broschüre (gr. 80, 3 Bg., München, Staegmehr). in der zwei Betrachtungen über die Umsturzvorlage" von L. Quidde und M. G. Conrad enthalten sind. Der bekannte Erjefuit Graf Paul von Hoensbroech beweist in einer Der Jesuitenantrag und das Zentrum" betitelten Broschüre (gr. 80, 2 Bg., Berlin, H. Walther), daß das beständige Wirken des Jesuitenordens darauf gerichtet ist, das deutsche Reich zu stürzen.

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Reine Historika find nie zahlreich. Der leipziger Profeffor. Kurt Wachsmuth veröffentlicht eine streng fachwissenschaftliche Einleitung in das Studium der alten Geschichte", ein dicleibiges hiftor -philolog. Kompendium (Lpz., S. Hirzel). Frédéric Massons Buch Napoléon und die Frauen“, das in Frankreich so vielfach kommentirt, gelesen und gekauft worden ist, erscheint jest auch in einer deutschen Lebertragung von Oskar Marschall von Bieberstein (80, ca 20 Bg., Lpz., H. Schmidt u. C. Günther). Das Buch erlebte in Frankreich im ersten Jahr seines Erscheinens 17 Auflagen; wann wird die erste Auflage der deutschen Ueberseßung verkauft sein?

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Von der fünften Auflage des Meyerschen KonversationsLexikons ist der siebente Band erschienen. Er reicht von Gain bis Großkophta. Die Vorzüge des Meyerschen Lerikons habe ich vor einiger Zeit in einem längeren Aufsaß an dieser Stelle auseinandergesegt, so daß ich mich nur wiederholen könnte, wenn ich die charakteristischen Eigenschaften des neuen Bandes hervorheben wollte. Nur ein paar Bemerkungen will ich machen. Im allgemeinen fann man sagen, daß das Ausland keine Encyklopädie des Wissens für den Handgebrauch der Gebildeten besigt, die sich mit Meyers Lexikon messen könnte. Das beweist der siebente Band wieder vorzugsweise durch solche Artikel, welche zu den Gebieten gehören, in denen der Meyer ers zellirt, also besonders durch naturwissenschaftliche und technische Artikel und politisch-historische Darstellungen. Man lese im siebenten Bande die Artikel, die mit dem Galvanismus und den Gasen zusammenhängen, oder die Artikel Griechenland und Großbritanien, und man wird staunen über die hier aufgewante Fähigkeit, Vollständigkeit mit summarischer Darstellung zu verbinden. Auch die Schwächen des Meyer sind nicht imstande, das obige Urteil wesentlich zu modifiziren; nichtsdestoweniger hat man doch gerade, weil man dieses Werk encyklopädischen Fleißes und bibliographischen Unternehmungsgeistes so liebt, den Wunsch, jene kleinen Schwächen verschwinden zu sehen. Unter diesen ist der geringere Wert, den der Meyer, im Gegensatz zu anderen ähnlichen Unternehmungen, auf geographisch statistische Angaben legt, mir am wenigsten fühlbar; auch nehme ich es noch hin, wenn Artikel über Männer, wie Gauß, vor lauter Daten der Charakteristik des Mannes entbehren; fatal aber ist mir vor vor allem die Trockenheit der litterarhistorischen Artikel und die Aussprachebezeichnung des Französischen. Was jene anbelangt, so ist ein Mitarbeiter, der einen Dichter ohne Gefühl für Stil und Abrundung behandelt, tein Segen für ein bevorzugtes Hausbuch,

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das der Meyer sein will und zu sein verdient. Was das andere
anbelangt, so waltet Nachlässigkeit und Schrullenhaftigkeit: es ist
Nachlässigkeit, den französischen Nasallaut durch deutsches ng zu bes
zeichnen; es ist Schrullenhaftigkeit, den französischen Diphthong oi
mit ua zu bezeichnen, wie z. B. in dem Wort Geoffroy. Was in
jenem Diphthong neben dem a-Laut zu hören ist, ist zwar ein
dumpfes, aber doch entschiedenes o; es ist jedenfalls derselbe Laut
der in den Wörtern poète und moi zu hören ist. Wem würde es
einfallen, diese beiden Wörter mit puät und m a zu bezeichnen?
Auch Malvin-Cazal, der sich sonst geneigt zeigt, in vielen Fällen die
Aussprache des dumpfen vorschlagenden o durch ein kurzes u zu bes
zeichnen, erklärt die Aussprache puät ausdrücklich für veraltet Ich
wiederhole, daß das sehr geringe Schwächen im Vergleich zu den
leuchtenden Vorzügen des Meyerschen Lexikons find; da uns aber
gerade dieses Werk durch sein rastloses Streben, sich von Auflage zu
Auflage zu vervollkommnen, daran gewöhnt hat, Schwächen in Vor-
züge verwandelt zu sehen, so sucht man gern nach den geringsten
Flecken, in der Hoffnung, auch diese beseitigt und das Ziel der Voll-
kommenheit näher gerückt zu sehen.
TH. Br.

England hat in den letzten Monaten seine beiden charakteristischsten Historiker verloren. James Anthony Froude, der im Oktober starb, ging um vier Monate seinem oxforder Kollegen Si: John Seeley voraus, der am 14. Januar d. I. starb. Charakteristisch für beide und für England zugleich ist es, daß sie von der Theologie ausgingen und daß sie nach schweren Kämpfen gegen die hochkirchliche Orthodoxie einige ihrer Bücher wurden öffentlich von den Fakultäten zu Orford und Cambridge verdammt wiederum in die Theologie mündeten, allerdings in eine etwas freiere, in eine sektirerische, ja auffässige. Es ist charakteristisch, daß die Gelehrten Englands im 19. Jahrhundert sich selten von den Schürzenzipfeln des Konfessionalismus losmachen fonnten. Die bedeutendsten derer, die man in England,,moderne Denker“ nennt, sind theologische Denker. Auf dem Kontinent ist der Einfluß eines Mannes, wie des Kardinals Newman, auf das gesamte Denken der gebildeten Engländer von heute unverständlich. Die Aufrührer gegen die starre Theologie bleiben immer doch noch in theologischem Denken befangen. So auch die erzbrittischen Historiker Froude und Seeley. Froudes „Shadows of the Cloud" und „Nemesis of Faith, die mit ihrem Rationalismus die cambridger Universitätsbehörden so mächtig | aufregten, verseßen uns wie ins vorige Jahrhundert zurück. Dasjenige Buch Seeleys, das das meiste Aufsehen erregte, Ecce homo, a survey of the life and work of Jesus Christ ist ein freireligiöser Traktat, ziemlich flach, ohne jede wissenschaftliche Bedeutung. Uebrigens war Froude die in jeder Bezichung bedeutendere Persönlichkeit; er war ein Historiker von großem Wurf, ein unermüdlicher und scharfsinniger Quellenforscher und ein glänzender Schriftsteller. Das alles kann man Seeley nicht nachrühmen; höchstens kann man ihm bedeutenden Fleiß und Aufmerksamkeit in der Benuzung des Materials zugestehen; im übrigen war er ein Durchschnittsgelehrter. Aber auch Froude steckte so im theologischen Bann, der das Geistesleben Englands im 19. Jahrhundert schändet, daß die wütige Oppofition gegen die Hochkirche ihn zu offenbaren Ungerechtigkeiten in seinem großangelegten Hauptwerf History of England from the Fall of Wolsey to the death of Elizabeth (12 Bände) verleitet. Er ist zu sehr theologisch interesfirt, um die ruhige Gerechtigkeit des Historikers zu erlangen. Ueberhaupt war historische Gerechtigkeit nicht seine Sache; das beweist schon sein geradezu kindisches Bemühen in seinem Hauptwerke, den geilen Blutrünstling Heinrich VIII. weißwaschen zu wollen.

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Charakteristisch für Froude und Seeley ist es auch, daß beide waschechte Konservative und Imperialisten waren und in dieser Eigenschaft als wissenschaftliche Gewährsmänner Lord Beaconsfield flankirten. Während Froude die Großmachtspolitik vertrat aus dem Instinkt und der durch historische Studien gefestigten Ueberzeugung, daß der Kampf um die Macht die Größe der Völker verbürgt, stand Seeley ganz einfach auf dem Standpunkt des hochmütig-bornirten John Bullismus: dem Engländer gebührt die Herrschaft über die Welt, aus keinem anderen Grunde, als weil er Engländer ist. Ein Denk

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mal dieses Standpunkts ist Seeleys Hauptwerf Expansion of England". Demgemäß hatte er einen besonderen Haß auf Napoleon I. Sein furzes Life of Napoleon läßt Walter Scotts bekanntes Pamphlet weit hinter sich. Navoleon ist ihm in metaphysischer Hinsicht der leibhaftige Satan, in historischer Beziehung ein italienischer Räuberhauptmann. Dieses Bild des Korsen kommt noch deutlicher heraus in den Biographien der beiden Erzfeinde Napoleons, die Seeley schrieb: „Life and times of Stein" (3 Bde.) und „Life and adventures of Ernst Moritz Arndt". Durch diese beiden Werke rückt Seeley unserem deutschen Interesse näher. Sein Leben Steins" ist sowol hinsichtlich der Bewältigung und Durchdringung des historischen Materials als auch hinsichtlich der Darstellung sein bestes Buch. Sein Entwurf der Grundlagen des modernen Preußens ist durch keine Leistung deutscher Historiker antiquirt. Besonders plastisch tritt aber auch hier Napoleon hervor; man merkt es, wie der Haß hier zum einzigen Male der Feder des englischen Historikers Leuchtkraft gibt und ihn zum Künstler macht.

Froude und Seeley, die beiden geschichtsschreibenden Träger der
Idee des Greater Britain, besetzten die beiden großen historischen
Lehrkanzeln des Reiches, Froude den zu Cambridge, Seeley den zu
Orford. Sie waren als solche gewiffermaßen das, was man bei uns
Reichshistoriographen nennt. Aber während Seeley nur ein würdiger
und tüchtiger Gelehrter war, war Froude cine entschieden groß an-
gelegte Natur; er fühlte sich als Nachfolger Carlyles, dessen littera-
rischer Testamentsvollstrecker er auch war; und wäre er nicht zufällig
Engländer des 19. Jahrhunderts gewesen, 10 hätte er der Geschichte
wahrscheinlich das Bild einer vollentwickelten originellen Persönlichkeit
hinterlassen.
G. W.

Chronik der bildenden Künste.
Biglhein in der National-Galerie.

Nun Bruno Piglhein tot ist, erinnert man sich seiner auch
in der National-Galerie, indem man dort, wie es seit bald zehn
Jahren zu einem recht pietätvoll wirkenden Brauch gemacht worden
ist, eine Sonderausstellung von den Werken des verstorbenen Künstlers,
soweit sie erreichbar waren, veranstaltet. Daß es für die Herren,
welche im öffentlichen Kunstwesen tätig sein sollen, erst des äußersten
Anlasses bedurfte, um zur Erkenntnis zu gelangen! Daß jemand
erst sterben muß, um für unsterblich gehalten zu werden! Denn bei
Lebzeiten des fruchtbaren Schöpfers hat man es versäumt, den Künstler
zu ehren und die Kunst zu fördern. Jenes herrliche Gemälde, die
Blinde, welche durch ein farbenprangendes Blütenfeld schreitet, ließ
der Staat vor seinen Augen in die unzugänglichen Gemächer irgend
eines amerikanischen Liebhabers wandern, und erst der großmütigen
Zuwendung eines Privatmannes verdankt nunmehr die königliche
Galerie den Besit eines Werkes von Piglhein. Dies Moritur in
deo", so groß und gewaltig die Schöpfung ist, kann doch nicht von
der vielseitigen Gestaltungsgabe den vollen entsprechenden Begriff
geben. Für immer aber ruhen jeßt die schaffensfrohen Hände, und
zum besten Teile ungenügt ist eine mächtige Kraft verkümmert.
|| Auch in München stand man beschämt vor einem reichen Nachlaß
der sich in der Werkstätte gehäuft hatte. Weder Staat noch Stadt
hatten bisher darnach verlangt; nun auf einmal beeilten sie sich,
nachzuholen, was doch nicht mehr gut zu machen war.

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Das vollständige Lebenswert repräsentiren die Arbeiten nicht welche hier zusammengetragen wurden. Das Hauptsächlichste fehlt im Original. Aber die Nachbildungen dieser vornehmsten Werke, dann die teils von Ausstellungen her bekannten Delgemälde aus frühen und den lezten Jahren und die zahlreichen Pastellzeichnungen geben die Geschichte dieses Künstlerlebens voll vielfacher Sensationen in ihrem oft widerspruchsvoll erscheinenden jähen Wechsel der Anschauungen. Eigentlich aber ist Piglhein sich immer der gleiche, der eben alles konnte; der die religiöse Passion darstellte mit ihren heiligsten Leiden und darauf die weltlichsten Weiber in ihrer höchsten Eleganz und dreistesten Pifanterie malte, oder keusche Anmut lieblich verkörperte und mit harmlosem Humor drollige Idyllen schilderte. Auch wenn er durch die Malweise anderer, einerlei ob von Hals, van Dyd, Feuerbach oder Böcklin angeregt worden war, Piglhein behielt immer seinen eigenen Stil. Technische Schwierigkeiten gab

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es für ihn nicht. Er entdeckte neue Wirkungen; die Pastelltechnik brachte er durch geschickte und stilgemäße Anwendung zu den Ehren von heute. Sein Werk entstand schnell oder niemals, in einem Zuge, dessen Schwung für die großen, ernsten Dinge manchmal zu flott dünken will, zu bewust künstlerisch. Piglhein war der prädestinirte Monumentalmaler für Dekoration im würdigsten, höchsten Sinne. Damit hätte er seine große Aufgabe gefunden, die ihn befriedigt haben würde. Denn das, was hier als Werk seines Lebens vor uns steht, hat den Mann, der es in schnellen Jahren schaffte, nicht ausgefüllt; er wußte, daß er mit seiner Kraft nur spielte, tändelte. Man bot ihm keine Gelegenheit, sie in aller Freiheit, mit aller Wucht zu äußern. Wo steht das Theater, deffen Vorhang Piglhein gemalt hätte, und wo kann man in Staatspalästen Wandgemälde von Piglhein bewundern? F. F.

Die taiserlichen Stiftungen. In dem Wettbewerb, zu welchem der Kaiser an seinem Geburtstage des vergangenen Jahres aufrief, ist der Vorbestimmung gemäß am entsprechenden Tage dieses Jahres das Urteil gefällt worden. Auf Anregung des Professors Reinhold Begas sollte durch die Preisaufgabe die Ergänzung des verstümmelten jugendlichen Frauenkopfes aus Pergamon im berliner Museum der Sinn und das Verständnis für die antike Plastik in der heutigen Bildhauergeneration gefördert werden. Die Summe von 1000 Mark aus der kaiserlichen Schatulle war in diesem Falle für die schönste Nase, die jenem Kopfe angesezt würde, ausgesezt. Von den 59 Künstlern, die sich mit künstlerischem Ernst an den rhinoplastischen Versuch gewagt hatten, ist der Begasschüler Reinhold Felderhoff mit dem einzigen Preise ausgezeichnet worden; und seinem Jagdfreunde, dem Grafen von Goerg, genannt von Schlig, in Weimar hat der Kaiser, welcher sich die selbständige persönliche Entscheidung vorbehalten hatte, für seine ebenfalls ausgezeichnete Arbeit eine ehrenvolle Anerkennung zugesprochen. Für den nächsten Wettbewerb ist als Aufgabe bestimmt: Die Ergänzung eines Abgusses der antiken Marmorstatue einer tanzenden Mänade in Meinen Museen zu Berlin." Soweit ich mich im Augenblick erinnere, sind diesem Fragment einer leichtbekleideten Marmorfigur von ungefähr halber Lebensgröße der Kopf, ein Teil der Arme und ein Fuß anzufügen, also mehr als jenem Frauenkopf, der an einer Seite sogar, wie der Schliff zeigt, an einer Wand befestigt gewesen ist. Dem größeren Defekt entsprechend ist der Preis auf 2000 Mark erhöht worden. Ob sich für diese Reparaturarbeit auf die unsicheren Gewinnchancen hin wieder eine so große Zahl von Ehrgeizigen finden wird? Und ob die Betreffenden für dies Opfer ihres selbständigen Empfindens und Schaffens durch die klassischen Anregungen entschädigt werden? Und ob die alten. beschädigten Kunstwerke selbst durch die orthopädischen Ersegungen heil und ganz und lebendiger werden? Und ob . . . .

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Dankenswertere Aufgaben stellt der kaiserliche Mäcen der Bildhauerkunst durch ein Geschenk, welches er der Stadt Berlin zugedacht hat. Sein Plan geht dahin, in der Sieges allee die Marmorstandbilder der Fürsten Brandenburgs und Preußens, beginnend mit dem Markgrafen Albrecht dem Bären und schließend mit dem Kaiser und König Wilhelm I., und neben ihnen die Bildwerke je eines für seine Zeit besonders charakteristischen Mannes, sei er Soldat, Staatsmann oder Bürger, in fortlaufender Reihe errichten zu lassen. Als Zeichen seiner Anerkennung für die Stadt stiftet ihr der Kaiser diese Hohenzollerngallerie im königlichen Tiergarten. Die Bildhauer schauen also in eine goldene Zukunft. Möge ihnen nur für ihre Schöpfungen die Zeit gelassen werden, welche zur Reife eines dauernden Kunstwerkes unbedingt erforderlich ist. Gewiß wird die Ausschmückung der Siegesallee nicht gar so arg preffiren, wie im Schloß die Renovation des weißen Saales". F. F.

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Ueber die Entstehungsgeschichte von Böcklins, Susanne im Bade" erzählt die Neue Zürcher Zeitung eine so köstliche Geschichte, daß es verlohnt, fie aus der Tagespreffe in die Wochenpresse hinüberzuretten. Sie fällt ganz aus dem Rahmen modernen industriellen

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Kunstbetriebs heraus und erinnert an Zeiten ungebundeneren Kunstwirkens. Und ist sie nicht wahr, verdiente sie wahr zu sein:

Kam da eines Tages ein berliner Herr nach Zürich, der sich dem Meister als ein großer Verehrer seiner Werke vorstellte und den Jehnsüchtigen Wunsch äußerte, ein Bild von ihm zu besigen. Freilich, füate der Herr bei, als ein schlichter Privatmann vermöge er leider nicht die hohen Preise von Kunsthändlern zu bezahlen. Böcklin erbarmte fich des armen Mannes und verkaufte ihm ein Bild zu einem sehr mäßigen Preise. Nach ein paar Wochen las man in den berliner Zeitungen, daß dieses Bild bei einem Kunsthändler ausgestellt, und nach einigen Monaten, daß es von diesem um einen mehrfach höheren Betrag an eine Galerie verlauft worden sei. Ein Jahr später erschien derselbe berliner Herr wieder am züricher Horizont, um dem Künstler ein langes Klagelied vorzusingen, wie schlimm es ihm mit jenem Bilde ergangen fei und wie schmerzlich er bedauere daß er es sich von jenem Kunsthändler habe entwinden laffen; nun komme er mit der flehentlichen Bitte, ihm doch ein anderes Bild abtreten zu wollen. Böcklin ließ sich nochmals erweichen und überließ dem freundlichen Herrn wiederum ein Gemälde. Selbstverständlich nahm diefes alsbald denselben Weg, wie jenes frühere: es wanderte wieder zu jenem Kunsthändler und wurde von ihm um eine gewaltige Summe weiter verkauft. Es war klar, jener angeb liche Verehrer Böcklins war nur ein Unterhändler jenes Kunsthändlers und, wie man später erfuhr, an deffen Geschäft sogar direkt beteiligt. Als wir einmal mit jenem berliner Herrn in Zürich beim Abendschoppen um den Stammtisch saßen, bemerkte Böcklin u. a, daß er am liebsten auf Bretter von Mahagoniholz male, daß es aber sehr schwer halte, große und gut gearbeitete Mahagonibretter zu bekommen. Wenn ich Ihnen ein Mahagonibrett schicke, malen Sie mir dann ein Bild darauf?" fragte der berliner Geschäftsmann Böcklin willigte ein. Nach einiger Zeit traf in Zürich ein Mahagonibrett ein, und der berliner Absender bat zugleich, der Meister möge ihm darauf ein Bild malen, das als Geschenk zum Geburtstage seiner (des Berliners) Frau bestimmt sei. Böcklin fann auf eine Künstlerrache, um sich von jenem Bilderschacherer eine Genugtuung zu verschaffen, und malte die Susanna im Bade", jene humorvollste Satire, welche je ein Künstler in seinem Grimme entworfen hat. Das Bild wurde zum Geburtstage der Gattin des Herrn nach Berlin gesandt. Selbstverständlich entstand große Aufregung; das Bild wurde abgelehnt und mit der Aufforderung an den Künstler zurückgesandt, er möge dem Herrn auf sein" Brett etwas anderes malen oder ihm dieses unversehrt zurückerstatten! Es kam zu Auseinandersetzungen, die nicht immer in streng diplomatisch höflichen Formen sich bewegt haben sollen, und schließlich zu einer gerichtlichen Schlichtung des Handels, deren Folge war, daß das Bild ich nicht irre, gegen eine für das Brett bezahlte Entschädigung dem Künstler verblieb. Bald meldete sich ein anderer berliner Geschäftsmann, der das sensationelle" Bild kaufte und seinerzeit auf der Ausstellung zu Berlin ausstellte, wo es großes Aufsehen machte. Seither ist die, Susanne im Bade" ein begehrter Handelsartikel geworden, der mehrere Male den Besizer gewechselt und hohe Preise erzielt hat. Das ist die Geschichte der Susanne im Bade. Wenn man die Entstehung dieses in übermütiger Künstlerlaune geschaffenen Bildes kennt, das man am besten mit einem boshaften Wig vergleichen kann, wird man es erst richtig zu würdigen wiffen."

Litterarische Gesellschaft zu Hamburg.

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Es bedeutet nicht etwa einen Stillstand in der Tätigkeit der litterarischen Gesellschaft zu Hamburg", wenn schon seit längerer Zeit ein Bericht über dieselbe nicht erfolgt ist. Es gilt diesesmal, drei Abende" in wenige Säge zusammenzufassen. Mitte Dezember hatten wir einen Friedrich Niezsche- Abend. Herr Dr. Bruno Wille hielt über Niezsche einen Vortrag, deffen Hauptvorzüge auf pädagogischem Gebiete lagen. Es war eine Rede von musterhafter Klarheit und Durchsichtigkeit, welche ein dankbares und angeregtes Publikum fand. Eine Vorlesung Willes aus „Also sprach Zarathustra“ machte durch die hinreißende Schönheit des sprachlichen Pathos dieses Werkes starken Eindruck. Ueber Heinrich von Kleist sprach Mitte Januar Herr Dr. J. Loewenberg. Er hatte reiches Material gesammelt und verwandte es in der schon oft geschäßten Weise als warmherziger und formgeranter Sprecher. Es war ein gründlicher Vortrag, der den großangelegten, vom deutschen Volke nicht in seiner ganzen Genialität erfaßten Dramatiker voll würdigte. Zum Schluß rezitirte Herr Otto Ernst in rühmlich bekannter Weise das lezte Lied" von Kleist, Szenen aus dem Prinzen von Homburg und Liliencrons schönes Gedicht „An Heinrich v. Kleist". Am 24. Jan. sprach Herr Hans Land-Berlin über Werther fin de siècle". Leider konnte der Unterzeichnete dem Vortrage, welcher eine Parallele zog zwischen Goethes Werther" und Arne Garborgs Müde Seelen“, nicht beiwohnen. Eine mit dramatischer Verve erzählte und von Hans Land sehr wirksam vorgelesene eigene Novelle „Brautfahrt“ machte großen Eindruck. 2. G.

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