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Ueber künstliche Körperverunstaltungen bei den

Eingeborenen im Süden

der deutsch-ostafrikanischen Colonie.

(Die Untersuchungen wurden theilweise mit Unterstützung der Hermann- und Elise- geb. Heckmann-Wentzel-Stiftung ausgeführt.)

Von Dr. F. Fülleborn.

(Hierzu Tafel I—VI.)

In den folgenden Mittheilungen beabsichtige ich einiges über die künstlichen Verunstaltungen des Körpers, die ich gelegentlich meiner Reisen im Süden der deutsch-ostafrikanischen Colonie 1) wahrgenommen habe, zu berichten, ohne jedoch auf irgend welche Vollständigkeit Anspruch erheben zu wollen, da ich naturgemäss in jenen weiten

Gebieten nicht alle Volksstämme kennen lernen konnte und auch in den von mir durchzogenen Ländern mein Aufenthalt zu kurz war, um erschöpfende Beobachtungen anstellen zu können, endlich Kriegszeiten und andere ungünstige Verhältnisse vielfach die Untersuchungen erschwerten. Die Volksstämme, von denen mir Beobachtungsmaterial zur Verfügung steht, sind die Wayao, Makua, Wamuera, Makonde-Leute, Wangindo, Wandonde, Wangoni, Wahehe, Wabena, Wasangu, Wandamba (UlangaEbene) Wanyakyusa und deren Verwandte, ferner Wantali, Warambia, Wanyika, Wabungu, Wanyamwanga, Wasafua, Wawanyi, Wakinga, Wakisi, Manda-Leute (Gegend von Wiedhafen), Wampoto (Ostufer des Nyassa- südlich Wiedhafen) und Amanganya (am Shire im englischen Gebiet).

Zu dem, was über die künstlichen Verunstaltungen im engeren Sinne zu sagen ist, will ich am Schlusse Einiges über die Behandlung des Körper- und Haupthaares und künstliche Körperfärbungen hinzufügen.

Von den dieser Arbeit beigefügten Zeichnungen verdanke ich Fig. 2, 3, 9, 10, 21, 30, 32a, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, der grossen Liebens

1) Die Strecke von Lindi über Massasi zum Ruwuma-Fluss, diesen, aufwärts nach Ungoni von hier nach Ubena und Uhehe, ferner das ganze deutsche Nyassa-Ufer, das Livingstone-Gebirge, Konde-Land, Untali, (Bundali der Karten), Urambia, Unyika, Ubungu, Usafua und Usangu, endlich durch das englische und portugiesische Gebiet auf dem Wasserwege Shire-Zambezi zur Küste des indischen Oceans zurück.

würdigkeit von Fräulein Helene Ziegenhagen, welche dieselben nach meinen Photographien und Tagebuchskizzen mit der grössten Sorgfalt ausführte.

Fig. 41a u. 41b ferner 42-51; 56, 61, hat mir Herr Kunstmaler Frohse, die Figuren 62-80 u. 82 Herr Ankermann auf das sorgsamste gezeichnet. Fig. 60 verdanke ich einer mir freundlichst überlassenen Aufnahme des Herrn Finkelstein.

Die übrigen Figuren sind von mir hergestellte photographische Aufnahmen.

An eigentlichen Körperverunstaltungen beobachtete ich:

1. Narben-Tätowirungen,

2. Ausschlagen der Zähne und Abschlagen resp. Abfeilen eines Zahntheils.

3. Durchbohrung der Ober- und Unterlippe.

4. Durchbohrung eines Nasenflügels.

5. Durchbohrung der Ohren am Ohrläppchen und den höhergelegenen Abschnitten der Ohrmuschel.

Ausserdem wurden noch Körperverstümmelungen beobachtet, die zu Strafzwecken an den betreffenden Individuen vorgenommen waren. 1)

Was zunächst die Tätowirungen aubelangt, so werden dieselben, soweit meine Beobachtungen reichen, hauptsächlich zur Verschönerung« angewandt. Ich glaube, dass durchaus nicht so häufig, wie man anzunehmen geneigt ist2), bei den in Frage kommenden Stämmen die bewusste Absicht besteht, sich durch bestimmte Tätowirungen. Unterscheidungs-Zeichen gegenüber anderen Volksstämmen beizulegen, obgleich auch solches zuweilen vorkommt. 3)

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1) Da, wie ich vermuthe, das Anlegen der Riemen der Kinderschurze über den oberen Theil der Brüste hinweg (Fig. 1) mit zur Entstehung der Hängebrüste beiträgt, so würde auch dieses unter die künstlichen Verunstaltungen zu rechnen sein.

2) Johnston (Sir Harry Johnston, British CentralAfrica, London 1897, S. 423) sagt: „and the tatoo marks certainly serve both among the Anyanja, the Wayao, and the Wankonde to distinguish tribe from tribe."

Fig. 1. Frau aus dem oberen Kondeland mit Kinderschurz.

3) So sagte mir ein Atonga (aus Uchicha am nördlichen Abschnitt des Nyassa-Ufers) dass den Kindern gewisse Stammesabzeichen eintätowirt werden, um sie wieder zu erkennen, falls sie von räuberischen Stämmen entführt würden (Fig. 2).

Etwas anderes ist es, dass bei einem Stamm diese, beim anderen jene Tätowirungsmuster gebräuchlich sind, und dass es daher oft möglich ist, aus der Tätowirung zu erkennen, welchem Stamme der Betreffende angehört.

Fig. 2. Tätowirter Atonga-Junge aus Uchicha.

Ein wichtiger Grund für das Anbringen von Tätowirungen scheinen auch sexuelle Rücksichten zu sein; so ist es ganz auffällig, wie oft bei Weibern die untere Rumpfhälfte und besonders die durch die Kleidung gewöhnlich verdeckten Abschnitte

in der Genitalgegend mit Tätowirung bedeckt sind, besonders bei den

Wayao und Makua (s. Fig. 9, 10, Tab. II Fig. 12 und
Tab. I Fig. 28). Auf mein Befragen, warum man jene Körper-
theile so sorgsam geschmückt hätte, wurde mir die Antwort:

> dass es für den Mann ein angenehmeres Gefühl
sei, mit der Hand über eine durch die vorspringenden
Narben verzierte Fläche zu streichen, als über
eine glatte<<.1)

Ferner findet man überall im Süden der Deutsch Ostafriknischen Kolonien mit Ausnahme des Konde-Landes die als Daua ya bunduki (Flinten-Zauber) bezeichnete Tätowirung, welche dem Jäger Jagdglück bringen soll.

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Fig. 3.

Dieselbe wird auf der Rückseite der Hand und dem Unterarm angebracht und besteht aus mehreren wie aus Fig. 3 ersichtlich angeordneten Gruppen von einander parallelen Schnittreihen, welche oft durch Kohle schwarz gefärbt sind und die Oberfläche reliefartig überragen. Daua ya bunduki. Bei den Wahehe (und vermuthlich auch bei den Anderen), wird nach den mir gemachten Angaben dieser Jagdzauber in der Weise ausgeführt, dass man vor dem Jagdunternehmen die Narben durch einen Kundigen wieder

1) Herr Lissauer machte mich darauf aufmerksam, dass in der Schrift:,,Les stations de l'age du Renne, Girot et Massénat, Paris 1900 IV. I" Penis-förmige Schnitzereien aus Rennthier-Geweih abgebildet sind, auf denen als Tätowirungen gedeutete Muster sich befinden.

anfrischen lässt, welcher in die frische Wunde seine aus dem Herzen der zu jagenden Thier-Art, Oel und Zauberhölzern bestehende Medizin einreibt; nach Glauning (Uhehe, Verh. d. Ahth. Berlin-Charlottenburg d. Deutschen Colonialgesellschaft, Band II, S. 61) soll es sich nur um Erkennungszeichen handeln, doch widerspricht dieser Annahme die Bezeichnung als Flinten-Zauber«.

Ferner findet man sehr oft Narben, die von Schnitten herrühren, welche aus medicinischen Gründen zur Blutentziehung resp. Schröpfung angelegt werden und in die man eventuell auch Heilmittel einreibt.')

Am häufigsten finden sich, und zwar sowohl im Innern wie an der Küste jederseits an den Schläfen zwei oder drei solcher etwa 1 cm langer senkrechter einfacher Schnitt-Narben, die angeblich im Bedarfsfalle immer von Neuem aufgefrischt werden (wie Fig. 21).

Mit der eigentlichen Tätowirung haben derartige Narben an und für sich nichts zu thun, doch mögen sie in manchen Fällen immerhin den Anstoss zu wirklichen Tätowirungen gegeben haben.

Es sei übrigens an dieser Stelle betont, dass mit der fortschreitenden Civilisation die Tätowirung, sowie die übrigen Körperverunstaltungen rapide abnehmen und dass sie jetzt schon schon in vielen Theilen ganz aus der Mode Mode gekommen sind und sich dort nur noch bei alten Leuten vorfinden. Der Grund hierfür ist der, dass sich die Küstenleute über die z. Theil scheusslichen Verunstaltungen mokiren, und dass die verunstalteten Weiber bei benachbarten Stämmen, bei denen Derartiges nicht im Gebrauch ist, an Werthschätzung verlieren. Es wird daher nothwendig sein, in den nächsten Jahren ebenfalls auf diesem Gebiete der Völkerkunde auf das intensivste zu arbeiten, um künftigen Generationen auch über diese schnell unter der Kultur verschwindenden Eigenthümlichkeiten der Racen berichten zu können.

I. Die Tätowirung der Wajao und Makua.

Die Tätowirungsmuster sind bei den Wajao und Makua im Allgemeinen dieselben, auch fand ich am Ruwuma mehrere nach Makua-Wayoo Art tätowirte Wandonde und ebenso einige Wayao, welche Zeichen trugen, die für gewöhnlich von diesem Volksstamm nicht tätowirt werden; wie denn überhaupt die Muster eines Stammes öfter von Angehörigen

1) So wurde mir z. B. Folgendes berichtet: Wenn Jemand bei den Wanyakyusa einen Anderen verderben will, so lässt er sich von einem Zauberer eine Nadel und ein Zauberholz geben und steckt die Nadel in das Holz hinein; der Verzauberte ist dann so lange krank als die Nadel im Holz steckt. Um sich nun von diesem Zauber zu befreien geht man zu einem Zauberer und lässt sich von ihm eine bestimmte Medizin, Namens Kiraso, in kleinen Schnittwunden auf Brust oder Schläfen einreiben.

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