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Die Wohnungen der den Pol umwohnenden Völker, die Winterhäuser der Eskimos und Grönländer und die Jurten der Sibirier erinnern nach Lubbock*) auffallend an die ältesten scandinavischen Tumuli oder Ganggräber. Dasselbe gelte auch von den Wohnungen und Schneehütten der Lappländer, daher die Ansicht des berühmten schwedischen Archäologen, Professors Nilsson, nämlich dass diese Ganggräber eine Copie, eine Nachahmung der Wohnhäuser seien, sehr viel Wahrscheinlichkeit für sich habe. **)

>Nach Mr. Bateman, dessen Urtheil von grossem Werth ist, da er über die systematische Oeffnung von mehr als 400 Gräbern, die zum grössten Theil in seinem Beisein untersucht wurden, berichtet hat, stimmen fast alle brittischen Tumuli im Wesentlichen mit einander überein. Eine Ausnahme hiervon bilden nur einige wenige Gang- und Grabkammern in Berkshire, Gloucestershire, Wiltshire, Irland u. s. w., wie New Grange, die Höhle Wieland's des Schmiedes, Uleybury und andere ähnliche, sowie ferner die der viel späteren sächsischen Periode angehören. Die hauptsächlichsten Kennzeichen der gewöhnlichen Todtenhügel sind, dass sie ein kunstloses Steingewölbe, eine Kammer oder eine mehr oder weniger sorgfältig gebaute Steinkiste, die man auch wohl einen Kistvaen zu nennen pflegt, bedecken. Zuweilen enthalten sie aber statt dessen eine etwas in die Erde gegrabene und, wenn es erforderlich schien, mit Steinplatten ausgemauerte Gruft, in die der Leichnam entweder zu Asche verbrannt oder völlig unversehrt hineingesetzt worden war. < ***)

In Bezug auf die Waffen und Geräthe der verschiedenen Völkerschaften sagt Lubbock: †)

> Die Betrachtung dieser und ähnlicher Thatsachen, die ich noch hätte erwähnen können, macht es mir wahrscheinlich, dass viele der einfachen Waffen. Werkzeuge u. s. w. von verschiedenen wilden Völkern selbstständig erfunden worden sind, obgleich es auch zweifelsohne vorgekommen ist, dass ein Stamm sie von dem andern entlehnte.<

*) Ebendas. S. 124.

**) Ebendas. S. 126 und 127. ***) Ebendas. S. 128 und 129.

†) Ebendas. II, 1874, S. 254 und 255.

Gedanken über die Socialwissenschaft der Zukunft. II.

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>Die entgegengesetzte Ansicht ist von vielen Schriftstellern in Folge der unbestreitbaren Aehnlichkeit, die in sehr verschiedenen Theilen der Welt zwischen den Waffen der Wilden herrscht, ausgesprochen. Und doch bekunden die Waffen und Werkzeuge der Wilden, so paradox es klingen mag, trotz ihrer merkwürdigen Uebereinstimmung auch zugleich eine auffallende Verschiedenheit. Die nothwendigen Lebensbedürfnisse sind unfraglich auf der ganzen Welt einfach und gleichartig. Ebenso gleicht sich das Material, das dem Menschen gegeben ist, in hohem Grade. Das Holz, der Knochen und in gewisser Weise auch der Stein haben überall die nämlichen Eigenschaften.<

>So weichen die Sitten und Gebräuche der Wilden, während sie viele Gleichartigkeiten bekunden, die, nach meiner Ansicht, in hohem Grade die Einheit des Menschengeschlechts beweisen, doch wieder bedeutend von einander ab und liefern uns daher starke Belege von ihrem selbstständigen Entwickelungsgange. Freilich sind eine Menge der Verschiedenheiten, welche einem Jeden, der den vorhergehenden Theil dieses Capitels las, aufge fallen sein müssen, eine offenbare directe Folge der äusseren Be dingungen, unter deren Einfluss sich die verschiedenen Racen befinden. Die Sitten und Gebräuche eines Eskimo und eines Hottentotten können unmöglich dieselben sein. Doch nehmen wir ein Moment, das vielen Völkern gemeinsam ist und das sich in mehrfacher Weise ausführen lässt. So leben z. B. die meisten Wilden zum Theil von Vogelfleisch; wie erlangen sie dasselbe? Gewöhnlich durch Bogen und Pfeil; während aber die Australier die Vögel mit der Hand fangen oder mit einem einfachen Speer oder dem Boomerang erlegen, haben die Feuerländer sowohl Schleudern wie Bogen, wohingegen die Eskimos einen complicirten Speer mit mehreren Spitzen oder eine Schleuderwaffe anwenden. die aus einer Anzahl Walrosszähnen besteht, welche durch kurze Riemen mit einander verbunden sind und auf diese Weise eine Art Bolas bilden. Die von Kane besuchten nördlicheren Stämme hatten ein anderes Verfahren. Sie fingen eine grosse Menge Vöge - besonders kleine Alke in kleinen Netzen, die den Landungsnetzen glichen und lange eiserne Stiele hatten. Und doch ver stand gerade dieses Volk nichts vom Fischfang. <

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> Der hölzerne Bohrer, sagt Tylor*), >um durch Reibung

*) Die Urgeschichte der Menschheit, I, S. 10.

Feuer zu erlangen, welcher bekanntlich im allgemeinen Gebrauch des Hauswesens bei vielen uncultivirten oder alten Volksstämmen war und noch bei den Hindus der Neuzeit als zu Zeiten geheiligtes Mittel gehalten wird, um das reine Opferfeuer zu entzünden, wird noch als Tradition in der Schweiz, gewissermaassen als Spielerei, vorgefunden, womit die Kinder zum Scherz so Feuer anzünden, wie es etwa die Eskimos beim Frost thun würden. <

Wenn man somit den allmäligen Uebergang von den ökonomischen Verhältnissen, in welchen diese Völker lebten, bis zur Industrie der ökonomisch am höchsten entwickelten europäischen Staaten verfolgt, so findet man sowohl in der Geschichte der Industrie, als auch in der jetzt noch lebenden Menschheit eine ununterbrochene Kette von Uebergängen vom Niederen zum Höheren in der Entwickelung der Interzellularsubstanz.

Das Gesetz des Parallelismus zwischen der paläontologischen und der systematischen oder specifischen Entwickelung hat also volle Gültigkeit auch in Betreff der Zwischenzellensubstanz, und zwar nicht allein im socialen Organismus, sondern auch durch Analogie in den Einzelorganismen.

Endlich schliesst ein jeder höher entwickelte sociale Organismus gleichzeitig auch übereinander alle Entwickelungsstufen der Interzellularsubstanz in sich, wie sie in der Geschichte nacheinander gefolgt sind und wie sie die jetzt lebende Menschheit noch im Nebeneinander bietet.

Der Irländer arbeitet noch mit dem Spaten und denkt als Ackerbauer oft, gleich dem Wilden, nicht an den morgenden Tag, obgleich sein Nachbar, der Grossgrundbesitzer, schon Dampfpflug und Säemaschine in Anwendung bringt. Auf den Landmärkten in sehr vielen Gegenden Europas hat sich noch der Tauschhandel, besonders von Pferden und anderem Vieh, erhalten, obgleich Werthzeichen aller Art im Ueberfluss vorhanden sind. Der Lastträger ist in England, trotz der allgemeinen Verbreitung von vervollkommneten Verkehrsmitteln und Maschinen, noch zahlreich vertreten.

In den grossen Städten, diesen Centralbrennpunkten der Cultur, lebt neben einer bis ins Fabelhafte gehenden Anhäufung von Reichthümern und Kapitalien, inmitten einer bis ins Ueberschwängliche gehenden Verfeinerung in der Befriedigung aller Bedürfnisse, eine grosse Zahl von Menschen, die, gleich umherirrenden Wilden, obdachlos, halbnackend, der Einwirkung aller Elemente

schutzlos preisgegeben, von Tag zu Tag nur kümmerlich sich ernähren, oft auch wie die Wilden auf Raub und Mord ausgehen, um ihre elende Existenz zu fristen oder den rohesten Begierden und Leidenschaften auf Kosten Anderer Befriedigung zu verschaf fen. Und zwischen dieser untersten socialen Stufe und den höchsten Schichten jeder hoch entwickelten Gemeinschaft giebt es, gleichwie im Nacheinander der Geschichte und im Nebeneinander der jetzt lebenden Menschheit, eine ununterbrochene Stufenleiter von übereinander geschichteten ökonomischen Sphären, die im Grossen und Ganzen den Entwickelungsepochen der Zwischenzellensubstanz im Nacheinander und Nebeneinander entsprechen. Die biologische, individuelle oder embryologische Entwickelung der Zwischenzellensubstanz schliesst sich also als dritte Parallele der paläontologischen und systematischen an und somit muss das Gesetz des dreifachen Parallelismus auch in Betreff der Entwickelung der Interzellularsubstanz, sowohl der socialen, als auch derjenigen der Naturorganismen, als erwiesen anerkannt werden. Dass das Gesetz der Divergenz und der Anpassung gleichfalls auf die Interzellularsubstanz Anwendung findet, haben wir be reits hervorgehoben.

Bis jetzt haben wir das Gesetz des dreifachen Parallelismus und der Divergenz getrennt, zuvörderst in Betreff des socialen Nervensystems und alsdann in Betreff der Zwischenzellensubstanz. durchzuführen gesucht. Eine solche Trennung könnte jedoch nur als Erleichterungsmittel für den Beobachter, um den Kausalzusammenhang der socialen Erscheinungen zusammenzufassen, ihre Rechtfertigung finden; in der Wirklichkeit befinden sich Nervensystem und Zwischenzellensubstanz im socialen Organismus in beständiger Wechselwirkung. Das Nach-, Neben- und Uebereinander des socialen Nervensystems muss auch dem der Interzellularsubstanz im Grossen und Ganzen entsprechen. Denn die Entwickelung der einzelnen Zelle und des Zellengewebes wird, wie bereits dargethan, von der Entwickelung der Zwischenzellensubstanz bedingt und umgekehrt wird letztere durch diejenige der Zellen und Zellengewebe bestimmt. Dass bei der gegenseitigen Wechselwirkung zwischen den Zellen und Zellengeweben einerseits und der Zwischenzellensubstanz andererseits Schwankungen stattfinden; dass in einer socialen oder organischen Gemeinschaft die Zellen und Zellengewebe in ihrer Entwickelung der Interzellularsubstanz vorauseilen oder nachstehen, ist möglich.

aber im Grossen und Ganzen müssen diese Abweichungen mit der Zeit sich dennoch ausgleichen. Daher kann man mit Bestimmtheit behaupten, dass im Durchschnitt eine geistig und ethisch höher entwickelte Gemeinschaft gewöhnlich auch eine reichere und dass umgekehrt die Entwickelung des Handels, der Industrie und des Gewerbes Hand in Hand mit der geistigen und ethischen Entwickelung einer Gesellschaft fortschreitet. Und im Grossen und Ganzen gilt das auch von den Einzelorganismen in der Natur. Denn die mit höher organisirten Geweben versehenen Thiere besitzen im Durchschnitt auch die an Umfang und Mannigfaltigkeit reichste Zwischenzellensubstanz und umgekehrt ist eine solche nothwendig zur Erhaltung und Fortbildung der Zellen und Zellengewebe. Durch diesen Parallelismus zwischen dem Nach-, Neben- und Uebereinander der Zellen und Zellengewebe einerseits und der Zwischenzellensubstanz andererseits wird der enge Zusammenhang und die unzertrennliche Wechselwirkung zwischen diesen beiden Erscheinungssphären: den Zellengeweben und der Zwischenzellensubstanz, die wir der Erleichterung wegen isolirt betrachtet haben, wieder hergestellt und das ganze organische Leben, sowohl in der Natur, als auch in der menschlichen Gesellschaft, zu einem auf gemeinschaftliche Gesetze gegründeten, in gegenseitigem Kausalzusammenhange stehenden harmonischen Ganzen eng verknüpft.

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