Billeder på siden
PDF
ePub

rasch, damit wir recht lange zeigen können, was der John Bull für Geld hat und wie viel er vertragen kann." Solche Betrachtungen liest man um die Holzschnitte herum. Was mit diesen Opfern erreicht werden solle und müsse, das kümmert sie nicht. Die allgemeine Phrase: John Bull hat das Geld, damit muß er die Ruffen niederschmettern, foste es, was es wolle, genügt. Von einem bestimmten Friedens Objekte, von einem Werthe, wie er etwa der,,Civilisation" zu Gute kommen und die Opfer aufwiegen könnte, hat man keine Vorstellung, geschweige, daß solch ein Objekt Geist und Begeisterung zu liefern im Stande wäre. Deshalb ist der Krieg von Seiten der Westmächte ein verpfuschter Krieg, aus dem für die europäische Civilisation nichts Gutes erstehen kann. Der Deutsche, der einen ,,Freiheitskrieg" in der Geschichte und zum Theil noch in den Gliedern hat, möchte das am besten verstehen können. Die Amerikaner sehen durchweg ganz richtig, und sehr oft habe ich in amerikanischen Blättern statistische und arithmetische Beweise und Berechnungen gefunden, daß der Krieg, in der bisherigen Weise fortgeführt, troß einer halben Mandel noch anderer zerstörter Festungen Rußlands, nur mit geringerem Vortheile für Lesteres enden könne. Die Amerikaner — ein hübsches Stück Palmerston-westlicher Civilisation, daß er auch sie mit Krieg bedrohen ließ glauben weder an Rußland, noch an England, sondern sie rechnen, fie rechnen wahrscheinlich auch richtig.

Frankreich.

Theologie und Philosophie.

Daß die französische Philosophie nicht mehr anti-theologisch sei, sondern mit weiser Mäßigung die Achtung, welche sie von der Theo. logie fordert, auch dieser angedeihen läßt, haben unsere Leser kürzlich (Nr. 121) aus den Proben ersehen, die wir ihnen aus Jules Simon's trefflichem Buche über die Pflicht" mitgetheilt. Seitdem haben wir einen neuen Beweis von dieser Wandlung des philosophischen Geistes unserer Nachbarn durch ein Werk des Herrn Matter, ehemaligen General-Inspecteurs des öffentlichen Unterrichts in Frankreich, er halten.) Herr Matter, allerdings ein geborener Elsasser und durch feine Jugendbildung mit deutschem Wissen und deutscher Philosophie vertraut, geht in seiner Geschichte der Philosophie in ihren Beziehungen zur Religion seit der christlichen Aera“ von der Ansicht aus, daß keine Philosophie ohne Theologie denkbar sei, daß ihre Beziehungen zu einander zwar beständig wechseln, daß sie bald innigft verbunden, bald blos in freundlichen Verhältnissen und bald sogar in offener Feindschaft leben, daß es jedoch keine Philosophie gebe, die nicht entweder aus einer Theologie hervorgegangen, oder einer Theologie entgegengeseßt, oder endlich mit einer Theologie vereinigt sei. „Zu allen Zeiten", sagt Herr Matter,,,haben diese Beziehungen ein tiefes Bedürfniß zum Grunde gehabt, und seit der christlichen Aera sind sie so lebendig, bald in ihrer innigen Verbindung, bald in ihrem Gegensaße gewesen, daß man davon nicht abstrahiren kann, ohne sich der Gefahr auszuseßen, entweder die Geschichte der Philosophie, getrennt von der der Theologie, oder die Geschichte der Theologie, getrennt von der der Philosophie, unverständlich zu machen."

Es giebt Epochen, fügt Herr Matter hinzu, wo die Philosophie die Theologie konstituirte, wie die Alexandrinische, oder die des heiligen Klemens und Origines; andere, wo umgekehrt die Theologie die Philosophie konstituirte, wie die der Scholastik, und endlich wieder Epochen, wo die Theologie der Herrschaft der Philosophie unterlag, wie die von Descartes bis Kant. Diese drei verschiedenen Epochen umfaffen in der That die ganze Geschichte der Philosophie.

Daß eine solche Darstellung der Philosophie in ihren Beziehungen zur Theologie nicht ohne Schwierigkeiten und Klippen ist, begreift sich sehr leicht, doch hat sie der Verfaffer glücklich zu überwinden gewußt. Vor Allem hat er sich vor jenen Declamationen gehütet, in welche die katholische Schule so leicht gegen die Philosophie verfällt; er hat aber auch andererseits den nichts weniger als philosophischen Indifferentismus vermieden, den die entgegengeseßte Schule so gern gegen die Theologie zur Schau trägt. Als unparteiischer Geschichtschreiber beider Disziplinen, erkennt er an, daß beide berechtigt find, die Eine neben der Anderen zu sein, und vindizirt er daher auch jeder das Recht, sich nach ihrem eigenen, inneren Bedürfnisse zu entwickeln.

Das Thema ist übrigens so umfaffend, und die Zeit, die diese Geschichte der Philosophie behandelt, so außerordentlich reich an theologischen und philosophischen Entwickelungen, daß der Gegenstand unmöglich in einem Bande, wie ihn Herr Matter geliefert, erschöpft werden konnte. Es ist dies gewissermaßen ein erster Versuch, und

*) Histoire de la philosophie dans ses rapports avec la religion depuis l'ére chrétienne. Un vol. in-12. de XII et 432 pp.

zwar sowohl auf philosophischem, als auf theologischem Gebiete. Aber man muß ein solcher Freund beider Disziplinen sein, man muß sich so wenig von Leidenschaften der Schule oder der Partei leiten laffen, wie der französische Verfaffer, wenn man, seinem Versuche folgend, die Geschichte der Philosophie und der Theologie in den achtzehn Jahr. hunderten seit der Offenbarung des Christenthums erschöpfend und würdig der geläuterten Auffassung unserer Zeit bearbeiten will.

Mannigfaltiges.

-Shakespeare in Amerika und in Deutschland. Auch in Amerika ist jezt eine kritische, mit Einleitungen, Erläuterungen und abweichenden Lesarten ausgestattete Ausgabe Shakespeare's erschienen, die erste ihrer Art auf dem westlichen Kontinent.") Herausgeber derselben ist Profeffor Hudson in Boston, der in der Vorrede nicht verschweigt, daß er auch der deutschen Kritik des großen britischen Dich. ters Manches zu verdanken habe, während die englischen ShakespeareEditoren die deutschen Leistungen auf diesem Gebiete gern ignoriren, oder auch für unpraktische Speculationen erklären. Ohne den Dichter mit Details zu überladen, geht Herr Hudson doch sowohl vom literargeschichtlichen, als vom kritischen Standpunkte so tief in den Gegenstand ein, daß der Leser über Alles belehrt wird, was irgendwo im Shakespeare einer Erläuterung für die Gegenwart bedarf. In Amerika glaubt man fogar, der Erläuterungen in sprachlicher Hinsicht weniger zu bedürfen, als in England selbst. Dort sollen sich noch aus der Zeit der „Pilgrim Fathers", die unter den Stuarts nach Amerika ausgewandert waren, Wörter und Redewendungen der Elisabethanischen Aera, die in England längst veraltet und unverständlich geworden, im Munde des Volkes erhalten haben.

Wir wollen bei dieser Gelegenheit nicht unbemerkt lassen, daß kürzlich auch die sechste Lieferung des Deliusschen, englischen Shakespeare (mit deutschen Einleitungen, Anmerkungen und Nachworten) erschienen ist.") Es ist mit dieser sechsten Lieferung, den „Titus Andronicus" enthaltend, der erste Band einer Arbeit geschloffen, die der deutschen Kritik und Kenntniß ausländischer Literatur jedenfalls zur Ehre gereicht. Nachdem Shakespeare seit Leffing,' Eschenburg und Goethe in Deutschland durch vielfache Ueberseßungen und Erläuterungen dem Volke wie den Gebildeten zugänglich geworden, fehlte nur noch eine Ausgabe, wie die Deliussche, damit er auch in seiner eigenen Sprache bei uns wie in seinem Vaterlande gelesen und vollkommen verstanden werde. verfianden werde. Wer jezt in Deutschland den großen englischen Dramatiker im Originale lesen will, der mag nicht versäumen, sich den Shakespeare von Dr. Nikolaus Delius anzuschaffen.

Forster's Leben Goldsmith's. Der Verfaffer des,,Vicar of Wakefield" ist eine der dankbarsten Aufgaben für den Biographen. Der kindlich naive Charakter des berühmten Dichters, sein genialer Leichtsinn, die wechselvollen Phasen seiner schriftstellerischen und gesellschaftlichen Laufbahn und der stete Kampf mit einem feindlichen Geschick, das nicht aufhörte, ihn bis an sein Ende zu verfolgen, bieten den Stoff zu einem so dramatischen Gemälde, wie sie in den Annalen der Literatur nicht häufig vorkommen. So wurde denn auch das reiche Material, das von Prior über das Leben Goldsmith's gesammelt worden, von Washington Jrving zu einer jener anziehenden Schil derungen verarbeitet, in welchen der geistvolle Amerikaner eine so unerreichte Meisterschaft besigt. Ausführlicher, als die biographische Skizze Irving's, und lesbarer, als die fleißige, aber schwerfällige Compilation Prior's, ist die von Forster herausgegebene Lebensbeschreibung, die uns jest in einer neuen Ausgabe vorliegt.""") Sie enthält nicht nur anziehende Details über die Lebensverhältnisse Goldsmith's und kritische Analysen seiner Werke, die allerdings von Parteilichkeit nicht ganz frei find, sondern giebt auch ein graphisches Bild der literarischen und sozialen Zustände Englands zu einer Zeit, wo der große Lexikograph" (Johnson) als Autokrat der englischen Literatur florirte und die ersten Geister des Tages, Goldsmith mit eingeschlossen, als Satelliten um seinen Thron versammelte. Die Memoiren Boswell's und Horace Walpole's lieferten natürlich eine Fundgrube von Anekdoten, die, von dem Verfaffer mit Umsicht benugt, seinem Werke große Lebhaftigkeit und Mannigfaltigkeit verleihen und es zu einer höchst interessanten Lektüre machen.

*) Boston, Munroe & Co.

**) Elberfeld, 1855, Verlag von R. L. Friderichs.

***) The Life and Times of Oliver Goldsmith. By John Forster. A New Edition. London: Bradbury & Evans. Berlin, A. Asher & Tomp.

Das mit dem 31 sten d. M. zu Ende gehende Abonnement wird Denjenigen in Erinnerung gebracht, die im regelmäßigen Empfange diefer Blätter keine Unterbrechung erleiden wollen.

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Breie jährlich 3 Thlr. 10 Egr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Øgr., wofür dos Blatt im Jalande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 154.

für die

Bestellungen werden von jeden deutschen Buchhandlung (in Berlin ber Beit u. Comp., Jägerftr. Kr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallßt. Rr.21), so wie von allen königl. Post-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Ostindien.

Berlin, Dienstag den 25. Dezember

Privatleben eines orientalischen Königs.*)

Vor etwa fünfundzwanzig Jahren ward der anonyme Verfasser des vorliegenden (im „Magazin" bereits erwähnten) Werkes, der sich zur Zeit in Kalkutta aufhielt, durch die ihm zu Ohren gekommenen Berichte über den Glanz des Hofes von Audh zu dem Wunsche veranlaßt, eine Reise nach Lacknau, der Hauptstadt jenes König reichs, zu unternehmen. Man hatte ihm namentlich die Vorliebe des Königs für Europäer und europäische Sitten gerühmt und ver fichert, daß es für ihn ein Leichtes sein würde, einen eben so ehren vollen als lukrativen Poften im Hofstaate Sr. Majestät zu erhalten. Von dieser Aussicht verlockt, machte er sich also nach der Residenz des indischen Potentaten auf.

Bekanntlich ist Audh einer der bedeutendsten der den Engländern tributpflichtigen Staaten Hindostans. „In früherer Zeit war es eine Provinz des großen Mogulreichs, und sein Beherrscher hieß der Nawab Wefir. Dem englischen Volke wurde der Nawab von Yudh zuerst dadurch bekannt, daß Warren Hastings zwei Frauen seines Hofes ausplündern und die Sklaven derselben auf die Folter spannen ließ, um von ihnen Andeutungen über die Schäße ihrer Herrinnen zu erpressen. Im Parlament erhob sich Burke mit glühender Beredtsamkeit gegen die von Hastings verübten Gewaltthaten, und man betrachtete allgemein den Nawab von Audh als einen schändlich mißhandelten Mann, während er in der That ganz zufrieden war, daß man nicht ihn selbst, fondern die Witwen seines Vorgängers beraubt hatte, der nur sein Adoptivvater war. Als Lord Wellesley nach Indien kam, war Audh größer, als England, und hatte sich stets als der treueste Alliirte der Briten gezeigt. Zur Belohnung dieser Treue vereinigte der General Gouverneur die Hälfte des Landes mit der Präsidentschaft Bengalen; er konnte kein besseres Mittel finden, das Volk von Audh für die Treue seiner Regenten zu belohnen, als indem er es unter seine unmittelbare Hut nahm. Der Marquis von Hastings borgte zwei Crore Rupien, d. h. zwei Millionen Pfund Sterling, von dem Nawab Ghast-eddin und gab ihm dagegen ein den Nepaulesen abgenommenes wüßtes Stück Land am Fuße des Himalaya, genannt Terai, mit dem Titel als König. Seine Hoheit der Nawab war solchergestalt in Seine Majestät den König verwandelt, und Ghafi-eddin mußte zufrieden sein oder wenigstens zufrieden scheinen."

Die Erhebung Audhs zum Königreich fand im Jahre 1819 statt. Der erste König, Ghafi-eddin-Heider, der sich durch das von ihm oder vielmehr auf seinen Befehl zusammengestellte große lexikalische Werk ,,Die sieben Meere" um die orientalische Literatur verdient machte, starb am 20. Oktober 1827; ihm folgte sein Sohn Suleiman-SchahNafir-eddin-Heider, der, als unser Verfasser nach Lucknow kam, etwa dreißig Jahr alt war.

Die Höfe der indischen Scheinkönige, welche durch die Gnade der Engländer regieren, bieten eine seltsame Mischung von europäischem Flitterstaat mit den alten verknöcherten Gebräuchen des Ostens dar, die eine Menge halb lächerlicher, halb trauriger Kontrafte erzeugt. „Niemand darf sich einem orientalischen Monarchen mit leeren Hän den nahen;" diese Wahrheit findet sich schon auf den ältesten affyrischen Monumenten ausgedrückt und wird durch die von dem Verfasser in der Hauptstadt von Audh gemachten Erfahrungen bestätigt. Nachdem er die Erlaubniß des britischen Residenten erhalten, in die Dienste Seiner indischen Majestät zu treten, wurde er zu einer Audienz beim König zugelassen, der ihn nicht mit orientalischem Pomp, sondern in nonchalanter europäischer Weise empfing. Ich blieb", sagt er,,,am Ende eines Fußpfades im Schloßgarten stehen, um die Ankunft Seiner Majestät zu erwarten. Mein Geschenk, fünf goldene Mohare (1 Mohar = 10 Thaler), trug ich in der offenen Hand, die aber durch ein feines Batifttuch von den Goldstücken getrennt wurde. Die linke Hand

*) The Private Life of an Eastern King. By a Member of the Household of his late Majesty Nussir-u-Deen, King of Oude. London: Hope & Co., 1855.

[ocr errors]

1855.

unterstüßte die rechte, auf der das Tuch und das Gold lagen. In dieser Stellung harrte ich der Majestät; es war meine erste Lection in der Hof-Etikette, und als ich so stand, dachte ich unwillkürlich, daß ich wie ein rechter Narr aussehen müsse. (Sehr aufrichtig!) Ich war natürlich unbedeckt, da ich meinen Hut auf eine neben mir befindliche Bank gelegt hatte; die Sonne schien glühend heiß auf mich nieder, und ehe der König anlangte, war ich in einem improvisirten Schwißbade. Endlich kam die königliche Gesellschaft zum Vorschein. Der Monarch war, wie ein englischer Gentleman, in einen einfachen schwarzen Anzug gekleidet, mit einem Londoner Hut auf dem Kopfe. Sein Gesicht, von einer hellen, sehr hellen Sepiafarbe, hatte einen angenehmen Ausdruck. Sein schwarzes Haar, schwarzer Backen- und Schnurrbart harmonirten sehr gut mit der Farbe seiner Wangen und erhöhten den Glanz seiner kleinen, durchdringenden, schwarzen Augen. Er war mager und von mittler Größe. Als er sich näherte, hörte ich ihn sich mit seinem Gefolge in englischer Sprache unterhalten. Der König kam auf mich zu, lächelte, legte seine linke Hand unter die meinige, berührte das Gold mit den Fingern seiner rechten Hand und bemerkte dann:,,Sie haben sich also entschloffen, in meine Dienste zu treten?" ,,So ift's, Ew. Majestät", war meine Antwort. ,,Wir werden gute Freunde sein. Ich liebe die Engländer." Mit diesen Worten ging er weiter, indem er sein früheres Gespräch fortsette. Ich schloß mich dem Gefolge an. Steckt Eure Gold-Mohare gleich ein", flüsterte mein Freund mir zu,,,sonst werden die Eingeborenen fie Euch bald abnehmen." Ich ließ sie augenblicklich in meine Tasche hineingleiten, ergriff meinen Hut und folgte der Gesellschaft ins Schloß. Die Zimmer waren meistens geräumig und mit prächtigen Kronleuchtern und einer großen Anzahl Gemälde in reichen, aber geschmacklofen Rahmen verziert. Im Allgemeinen waren sie zu sehr mit Schmuckfachen überladen, die eher ein Gefühl der Verwunderung als des Wohlgefallens erregten. Der Speisesaal, d. h. der Privat-Speisesaal, den der König nur im Kreise seiner vertrauten Freunde zu benußen pflegte, war der einzige gemüthliche Raum im ganzen Palast. Er war nicht zu voll und wich in keinem wesentlichen Punkte von einem englischen dining-room ab. Einmal des Monats veranstaltete der König ein öffentliches Frühstück für die englischen Offiziere seiner Regimenter, welche zu diesem Zwecke von den jenseits des Gumty, fünf Meilen von Lacknau gelegenen Kantonirungen nach der Hauptstadt kamen, und auch dem Residenten und seinen Freunden wurden mitunter Staats-Diners gegeben, aber alle solche ceremoniöse Gesellschaften waren dem Könige höchft läftig. Gott sei Dank!" habe ich oft sagen hören, als er davon erlöst war, Gott sei Dank, daß sie Alle fort sind. Nun laßt uns in Ruhe ein Glas Wein trinken. Boppery bopp! (eine Interjection, die etwa mit unserem: o weh! zu vergleichen ist) was sind das für langweilige Geschichten!" Und dann gähnte die Majeftät, ftreckte die müden Glieder aus und warf ihre mit Juwelen geschmückte Müge in die andere Ecke des Zimmers."

[ocr errors]

Obwohl Nasir-eddin es, dem Koran zum Troy, im Champagnertrinken mit dem besten Europäer aufnahm, war er doch in jeder anderen Beziehung ziemlich ungebildet, woran eher eine unüberwindliche Trägheit, als Mangel an Fähigkeiten schuld war. Er entschloß sich ein Mal nach dem anderen, eine Stunde täglich dem Studium zu widmen, da er den sehnlichen Wunsch hegte, fertig Englisch zu sprechen So aber war er oft genöthigt, sich im Gespräch mit einem hindusta nischen Worte auszuhelfen. Er sezte sich also mit seinem Lehrer an einen mit Büchern bedeckten Tisch nieder. Run, Meister" (er nannte feinen Lehrer immer,,Meister"),,,nun wollen wir im Ernst anfangen." Der Lehrer las ihm eine Stelle aus dem Spectator oder einem populären Roman vor, welche der König ihm nachlas. Der Lehrer ging zu einer zweiten über. Boppery bopp! das ist ja gewaltig trocken“, riefen dann Seine Majestät aus, als die Reihe zu lesen wieder an Höchstdieselben kam.,,Laßt uns ein Glas Wein trinken, Meister." Das Glas Wein leitete eine Unterhaltung ein, die Bücher wurden bei Seite geschoben, und die Lehrstunde war zu Ende. Dergleichen,,Stunden" dauerten selten länger als zehn Minuten, und der Lehrer erhielt dafür ungefähr funfzehnhundert Pfund Sterling jährlich." (Schluß folgt.)

Nord-Amerika.
Horace Greeley,

Redacteur der Tribune in New-York.

(Schluß.)

Greeley hat sich, wie gesagt, aus sich selbst herausgebildet, ist, so zu sagen, seine eigene Schöpfung. Abweichend indessen von all den in diesem Lande nicht ungewöhnlichen Charakteren, die sich von der untersten Stufe hinaufarbeiten und im Geschäftsleben, in Industriekreisen, im Staatsdienste eine hervorragende Stelle einnehmen, hat ihm fein frühzeitiger Kampf mit den Schwierigkeiten feine irgend bemerkenswerthe Gewandtheit in praktischen Geschäften erworben; ja, er zeigt sich hierin oft so rathlos und unbeholfen, wie es an weit unter geordneteren Persönlichkeiten überraschen würde. Auf einem ganz anderen Felde hat er seinen glänzendften Lorbeer gepflückt. Er ist ein Mann des Gedankens, sein Einfluß ist ein wesentlich und eigenthümlich intellektueller. Nach diesem Ziel hat er stets, mitunter unbewußt, geftrebt, in die Erreichung desselben sind die edelsten Kräfte seiner Natur aufgegangen. Ob der Prozeß, durch den er diese Höhe erreicht hat, für die höchste Entwickelung eines Charakters günstig sei, das dürfte allerdings die Frage sein. Jene Harmonie des Charakters, worin alle Saiten des geistigen Juftruments voll, kräftig und doch rhythmisch zusammen stimmen; diese Harmonie, welche die Alten als das vollkommenste Menschliche betrachteten, ist wohl schwerlich bei einem durch sich selbst gebildeten Mann zu suchen. Seine charakteriftischen Züge find vielmehr folgender Art: er ist frei vom Zwang der Autorität, giebt wenig auf Worte, hält sich mehr an die Sachen, entscheidet nach dem gefunden Verstand, anstatt schwanke Ueberlieferung oder willkürliches Herkommen zu befragen; keine Meinung, und trage sie auch das Siegel von Jahrhunderten an sich, findet Gnade vor seinen Augen, wenn sie nicht durch einleuchtende Gründe ihre Berechtigung dofumentirt; er geht gern den Dingen auf den Grund, ruft jedes vorbeistreifende Gerücht an, fordert jedem eingenisteten Brauch, jeder herrschenden Einrichtung den Paß ab und verläßt sich auf nichts, als was die eigenen Augen sehen. Dadurch erhalten seine Ueberzeugungen eine Lebensfrische, die zur Thätigkeit anregend nach außen wirkt, ohne daß der Angeregte erst nach ihrer Gesundheit, nach ihrem praktischen Werth fragt.")

-

hungrig verschlang, ging mit der ersten Jugend vorüber. Seitdem er eine so hervorragende Stellung dem Publikum gegenüber einnimmt, lernt er mehr durch die That, als durch das Lesen. Seine Anschauungen gehören dem wirklichen Leben, nicht der Studirstube. Bei aller Zähigkeit, womit er an seiner Meinung hängt, ist er bieder genug, fie der besseren Ueberzeugung preiszugeben; keine frühere Vorliebe für eine Theorie macht ihn blind gegen die Evidenz der Thatsachen. Die Gaftlichkeit, womit er neue Ideen in sich aufnimmt, ist sprüchwörtlich geworden; sie rührt aber nicht von übertriebener Leichtgläubigkeit, sondern von einem Gerechtigkeitsgefühl gegen die menschlichen Gedanken her. Nicht befangen von einer maßlosen Verehrung des Alterthums, giebt er mit Freuden jeder neuen Entdeckung im Gebiete des Gedankens oder der Praxis freies Spiel. Selten ging er mit irgend welcher Partei, der er sich angeschlossen hatte, bis ans Extrem, was ihm als Lauheit und Achselträgerei ausgelegt wurde und ihn um manchen politischen Freund brachte. Wer aber Greeley kennt, wird ihn von dieser niedrigen Gesinnung freisprechen. Wenn er sich von dem Ungestüm seiner Partei nicht fortreißen läßt, so geschicht es, weil seine Theorieen durch den gesunden Verstand gezügelt werden, nicht weil er sich in die Launen der Zeit schickt. — Seine Liebe zu Büchern ist auch nicht durch einen Schatten von Pedanterie getrübt. Er ist kein Citatenmensch; er liebt keine gelehrten Anspielungen; er macht keine Parade mit seinem Wissen, auch bei Gegenständen, die er gründlich kennt. Menschen ohne Schulbildung fühlen sich wohl in seiner Gesellschaft Er zieht seine Kenntnisse nicht mit den Haaren herbei, um die Einfältigen in Staunen zu feßen. Aber vor einer einzigen seiner einschneidenden, kernigen Bemerkungen, die er gelegentlich hinwirft, plaßt eine Masse aufgeschwellter Blasen der schulfüchsigen Eitelkeit, zerstiebt eine Welt gelehrten Gewäsches.

Horace Greeley ist als Sonderling verrufen. Wo außerhalb des Kreises seiner vertrauten Freunde sein Name erwähnt wird, ruft er gewiß zuerst die Vorstellung von seinen Wunderlichkeiten hervor. Mancher glaubt, er fordere in rohem Uebermuthe den Anstand des geselligen Lebens heraus. Er ist ein lockender Vorwurf für die Karifatur. rifatur. Um seine Person hängt bereits eine solche Menge umlaufender Anekdoten, daß sein Name in späteren Tagen von einem mythischen Lichtnebel umringt zu sein verspricht, nicht minder glänzend, als der Name Romulus oder Pythagoras. In einigen Kreisen gilt er für eine Art Ungethüm, für einen seltsamen, borstigen, blutgierigen Werwolf, der in Stande wäre, die eigenen Kinder ohne Sauce zu verschlingen. Und doch sind seine schlimmsten Erzentrizitäten von der harmlosesten Natur! Freilich ist er oft barsch in seiner Sprache das Rothwälsch der Salons fließt ihm nicht glatt von der Zunge seine Antworten auf Eure conventionellen Fragen haben wenig von dem conventionellen Zuschnitt gehört Ihr zu der ehrsamen Zunft

[ocr errors]

Der Autodidakt ist aber eigenthümlichen Schwächen preisgegeben, in die der regelmäßig geschulte nicht so leicht verfällt. Er lernt bald an die Unfehlbarkeit seines Urtheils glauben; auf dieses worauf sonst kann er es? steift er sich gegen eine Welt. Er kann eine Er kann eine ehrliche Opposition gegen seine Ansichten kaum begreifen. Er ist da her minder geneigt, seinen Opponenten eines Irrthums zu überführen, als ihn wie einen Feind niederzuwerfen; wendet lieber die Stärke der langweiligen Philister und erwartet Ihr von ihm für Euer Geharter Worte, als die Stärke gesunder Gründe an. Es fehlt ihm auch_trätsch mehr als billige Aufmerksamkeit, so wird Euch bald ein Wink an Geduld, eine Frage von ihren mannigfaltigen Gesichtspunkten aus mit dem Zaunpfahl über seine Ungeduld und seinen Ekel allen Zweizu beschauen: rasch und ungestüm in seinen Urtheilen, legt er wenig fel benehmen. Werth auf ein umsichtiges Erwägen des Gegenstandes der Untersuchung, in den er hinein, nicht aber um ihn herum zu sehen sucht; daher find seine Schlüffe oft übereilt. Sein Eifer verleitet ihn selbst zum Jrrthum; mehr Ruhe und Behutsamkeit würden eine sicherere Bürgschaft der Wahrheit abgeben. Mit der leidenschaftlichen Ueberzeugung paart fich ein übertriebener Hang zur Polemik. Er möchte seine Meinungen der Welt als Gefeß aufdringen. Er macht dem Zweifeln, Zaudern, ja, dem Rechtsgefühl der Gemesseneren, Umfichtigeren nicht das kleinste Zugeständniß. Alles ist ihm schwarz oder weiß; seine Haft hindert ihn, die Schattirungen vorsichtig zu unterscheiden.

Noch weniger ist er gesinnt, Bildungsweisen und Charakterfor. men, die von den seinen weit abweichen, Gerechtigkeit widerfahren zu laffen. Seine Erfahrung ist das allgemeine Nichtmaß. Er ist ohne Griechisch fortgekommen, folglich ist Griechisch überflüssig. Er fühlt so manchem Gimpel, der Kollegien gehört, gegenüber seine Ueberlegen heit, mithin ist die Universitätsbildung Humbug. Jeder, meint er, kann denselben Weg verfolgen, und wenn er ihn verfehlt, so liegt es in dem Mangel an Kopf, nicht in der Unvollkommenheit der Methode.....

Ohne Zweifel theilt Horace Greeley so manchen Fehler des Autodidakten. Er hält fest an seinen Ueberzeugungen, ist nicht frei von Vorurtheilen, die er steifsinnig behauptet. Eine zarte Rücksicht auf Stand und Würde kennt er nicht; ein Pastor oder ein Bischof ist in seinen Augen nur ein Mensch, und das mitunter ein ganz gewöhnlicher; für Bildungszweige, die ihm selbst fremd geblieben, ist er sehr sparsam mit seinem Lobe. Dagegen ist er völlig frei von den Mängelu des schulmäßig gebildeten Gelehrten. Er liebt die Bücher, ist aber kein Bücherwurm. Die Periode, wo er die trockenen Blätter heiß.

*) Wir werden nächstens Gelegenheit nehmen, von Horace Greeley's Reden über praktische Landwirthschaft, über freie und Sklaven-Arbeit 2c. Einiges

Allein geht einmal zu ihm und sprecht seine Mitwirkung zu einem guten Zwecke an, betreffe er ein allgemeines oder auch nur Euer persönliches Interesse besonders wenn Ihr ein irischer Patriot oder ein italiänischer Märtyrer seid, und Eure Bitte wird den Anklang eines mitfühlenden Herzens finden, das,,offen ist wie der Tag der schmelzenden Zärtlichkeit“, und zwei Hände, die nicht minder offen find, als das Herz. Seine unermüdliche Freigebigkeit gegen jene unfteten Schufte, die hinterher am lautesten ihn verlästern, ist allgemein bekannt. Ein Mann nach der Mode ist er nicht, das steht fest. Seixe Haltung verräth nicht den Unterricht eines Pariser Tanzmeisters. Sein Anzug gehört nicht zu den kleidsamsten: sein Hut, der einst einen wirklichen Biber gewärmt hat, sieht so verkommen aus, als hätte er sich die Beulen aus manchem Straßenkampfe geholt, und die genaue Gränze zwischen seinen Stiefeln und Hosen ist eben so schwer wie in mancher anderen Gränzfrage zu ermitteln. Wohl darf Horace in diesem Punkte einigen Anspruch auf Eure Toleranz machen: er ist zu viel auf Reisen, wird zu häufig von dem Straßenstaub gepudert, um auf den äußeren Menschen, den der Schneider macht, große Sorgfalt zu verwenden. Indeß muß hierin, besorgen wir, der Sonderling zugegeben und er genommen werden, wie er ist; wir dürfen von einem auf dem Lande erzogenen Journalisten nicht die Glätte und Feinheit eines Brummel oder d'Orsay verlangen.

In einer gemischten Gesellschaft scheint sich Greeley, nach den über ihn kursirenden Geschichtchen, nicht ganz heimisch zu fühlen. Seine Verstöße gegen die Etikette aus Unbekanntschaft mit dem Ton der feinen Welt find fast rührend. Ihr würdet ihn für ein Stück Naturmenschen halten. Hütet Euch aber, Euch an dieser vermeintlichen Einfalt reiben zu wollen: durch eine rasche Wendung prallt der Pfeil des Spottes auf Euch, den Schüßen, zurück, und die Lacher stehen auf feiner Seite. Sein trockener Humor läßt ihn nie in Stich. Er hat

er für diese Gelegenheit zugepaßt und aufbewahrt worden. Sein Anekdoten Vorrath ist unerschöpflich. Sein Gedächtniß für Thatsachen wird ihm nie untreu. Mit einem solchen Schaß von Wissen, der ihm jederzeit zu Gebot steht, ist seine Unterhaltung, wenn er gleichgestimmte Zuhörer hat, sehr lehrreich. Gegen den Gischt und Schaum fashionabeln Geschwäges zeigt er unverhohlene Gleichgültigkeit. Seine Derbheit ist mitunter für zarte Ohren barsch genug. Der Schmeichelei, selbst gegen den Theil des Menschengeschlechtes, der fie als ein verbrieftes Recht fordert, ist er unfähig. „Haben Sie mein leßtes Gedicht gelesen?" fragte ihn eine junge und schöne Schriftstellerin und nannte das Gemächt. „Heißen Sie das ein Gedicht, Madame?" war die Antwort. Bei anderer Gelegenheit redete er in einer großen Gesellschaft eine der berühmtesten Dichterinnen Amerika's mit den Worten an: „Mrs. X., so eben habe ich eine Kritik Ihrer Schriften gelesen, in der Sie höchlich überschäßt sind." Und doch muß seine rauhe Freimüthigkeit einen gewiffen Reiz haben; denn er hat nur we nige Feinde unter dem schönen Geschlechte. Die verstorbene Margarethe Fuller (d'Offoli) war nicht die einzige geistig hochgestellte Frau, die ihn mit Stolz zu ihren Freunden zählte.

Das Intereffe Greeley's an den Reformbewegungen des Tages gründet sich auf das Gefühl des Rechts und der Humanität, empfängt aber seine volle Schärfe von der intensiv praktischen Natur seines Verstandes, der in der Anwendung der Ideen auf greifbare Verhält nisse seine höchfte Befriedigung findet. Daher wird jeder kleine oder große Entwurf zur Verbefferung des menschlichen Looses, zur Förderung der gesellschaftlichen Wohlfahrt, von der Construction eines Pfluges bis zur Gründung eines Phalanfteriums, seiner Theilnahme gewiß sein. Seine Verfahrungsweise, die gangbaren Meinungen seiner Zeitgenossen in That zu sehen, hängt mit der Eigenheit seines Charakters zusammen: einerseits verräth sie das sanguinisch ungeftüme Temperament, in welchem sie wurzelt; andererseits wird sie von den heißblütigeren Radikalen der äußersten Linken als schüchtern und inkonsequent verdammt. Allein seine Natur ist eben eine Mischung von Leidenschaft für den Fortschritt und Behutsamkeit in den Mitteln. Daß seine Reform-Prinzipien der Kritik Blößen geben, daß sie in manchen Punkten einseitig und mangelhaft, daß sie hier den Enthusiasmus eines Geißterfehers verrathen und dort matt und flach erscheinen, können seine wärmsten Bewunderer nicht leugnen daß sie aber von der tiefsten Ueberzeugung getragen werden, aus lauterster Absicht, wohlzuthun, ins Leben treten wollen, dürften seine entschiedensten Gegner nicht bestreiten.

"

Nun noch einige Worte zu seiner allgemeinen Charakteristik als Leiter der Presse. Bei der Begeisterung für seinen Beruf ist das ge= ringste das Druckwesen Betreffende Gegenstand seines höchsten Inter. effes, man möchte fast sagen, seiner leidenschaftlichen Liebe. Nach seiner Ansicht, geht der vollendete Redacteur nicht aus den klassischen Luftgängen, sondern aus den geschwärzten Räumen der Jünger Gut tenberg's hervor. Er hat nicht mit den unsterblichen Göttern Ambrosia und Nektar gekostet"; sondern ist mit Druckerschwärze genährt worden. Anstatt „wach zu bleiben, bis das Bärengestirn untersinkt, um den Geist Platon's aus seinem Kreise herbeizubannen", ist er, die legte telegraphische Depesche erwartend, auf einem Haufen alter Zeitungen eingeschlafen. Der Uebergang von dem Sezkasten zu dem Redacteurstuhl ist, wie Greeley meint, so naturgemäß, wie der vom Vorderdeck in die Capitains-Kajüte. Jene Stellung war seines Strebens höchstes Ziel, sie zu erreichen, hat er sich dem Journalismus geweiht. Seine Laufbahn in diesem Berufe bezeichnet für diesen eine neue Epoche in Amerika. Ohne seinen Antheil an dem Aufschwung der amerikanischen Preffe ungebührlich vergrößern zu wollen, läßt sich doch nicht verkennen, daß er gemeinsam mit seinen Berufsgenoffen eifrig und mit Erfolg gearbeitet hat, das Ziel der Tagespreffe zu veredeln und ihren Wirkungskreis zu erweitern. Er hat sie zum Förderungsmittel gemacht, Nachrichten rasch und genau bis an die fernften Gränzen des Landes zu bringen. Die Richtigkeit und Rasch heit der Wahlberichte in seiner Zeitung ist die Frucht allbewältigender Thätigkeit und wachsamfter Aufmerksamkeit. Die Einrichtungen zu diesem Behufe, gereift unter seinen Augen, eine Zeitlang von seinen eigenen Händen gelenkt, find von allen Klaffen bewundert worden. Keine Partei stellt ihre Wirksamkeit in Zweifel. Seine Berichte genießen bei politischen Gegnern, wie bei seinen persönlichen Freunden, gleiches Vertrauen. Nicht minder merkwürdig ist seine Energie in den anderen Partieen einer täglichen Zeitung. Sein natürlicher Hang für That fachen wird hier noch von dem Zweck rascher Mittheilung zu fort währender Regsamkeit angespornt. Sein Adlerblick schwebt über jedem Punkte des Gesichtskreises und kein Vorfall auf beiden Hemisphären entgeht ihm. Aber er ist keinesweges ein bloßer Thatsachensammler: er verbindet die scharfe Auffassung der Prinzipien mit einem wundervollen Gedächtnisse für Ereignisse. Die Besprechungen der Tages fragen bilden daher mit einen Glanzpunkt seines Journalisten-Talents. In dem Laufe seiner Berufsarbeiten hat er eine unermeßliche Menge

[ocr errors]

Original-Artikel geschrieben, die viele Bände füllen würden. Sie umfaffen die mannigfaltigsten Themen: politische Diskussion und Polemit - Versuche über soziale und industrielle Intereffen Reformschriften wissenschaftliche Kritiken - Reiseskizzen. Mehr als irgend ein Redacteur der Vereinigten Staaten, hat er die Spalten seines Blattes mit eigenen Auffäßen gefüllt. Seine Feder blieb in fteter Thätigkeit und hat nie ihre Schärfe verloren. Seit dem großen Impuls, den die amerikanische Tagespreffe in den leßten fünf Jahren bekommen hat, ist die Laft, die er früher auf seinen Schultern allein trug, unter zahlreiche Mitarbeiter vertheilt. Bei ihrem stets wachsenden Spielraume berief fie eine größere Mannigfaltigkeit von Talenten in ihren Dienst, vertraute die Hauptspezialitäten Männern an, die denselben besonders gewachsen waren, und so find die großen Zeitungen jezt mehr korporative Anstalten, als individuelle Organe; daher geht der autokratische Einfluß von Männern wie Greeley auf die Neige, und die mächtige Wirkung der Presse auf die öffentliche Meinung wird mehr durch die allgemeine Tüchtigkeit, als durch persönliche Rücksicht bestimmt. Immer jedoch wird die Stellung Greeley's als amerikanischer Journalist ein bedeutendes Gewicht in den öffentlichen Angelegenheiten und in der öffentlichen Meinung behalten. Die Leute find gewöhnt, ihn als Gewährsmann anzuführen, auf seinen Gang zu achten und seinen persönlichen Ueberzeugungen dieselbe Wichtigkeit beizulegen, die sie sonst nur einer Gesammtmaffe von Weisheit und Erfahrung einräumen.

Schriften über weibliche Erziehung.

Es haben sich neuerdings so viele Schriften über weibliche Erzie hung auf den Büchermarkt gedrängt, daß den Familien, welche Töchter befißen, die Auswahl schwer werden muß. Wir sind nun zwar der Meinung, daß eine gute Mutter in ihrem eigenen Verstand und Gefühl stets die beste Erziehungs-Methode finden wird, indeffen hört sich eine fremde Meinung und Erfahrung oft mit Nugen an, auch wenn man sich nicht genau danach richtet, und namentlich für die jungen Mädchen selbst ist es meistens wirksamer, einen Tadel oder eine Lehre von einem so unparteiischen Richter zu erhalten, wie ein Buch ist. Die Wichtigkeit des Gegenstandes rechtfertigt hinreichend die Thätigkeit, welche augenblicklich die Preffe dafür entwickelt. Die Erziehung unserer Töchter ist meistens unvollkommen, unpassend und inkonsequent, namentlich im Mittelstande, denn die höchste und die niedrigste Stufe der Stände haben viel be stimmter abgegränzte Ziele als dieser, sie verirren sich nicht so leicht und bedürfen also auch weniger eines Wegweisers. Die Töchter des Mittelstandes find aber heutzutage fast alle mittellos, denn die meisten Beamten und Militairs, die das zahlreichste Kontingent dazu liefern, können ihren Kindern kein Vermögen hinterlassen; ihre Töchter müffen also nach einer selbständigen Lebensstellung ftreben, die durch eine Heirat fast nie mehr erreicht wird. Daß die Erziehung auf diese Wendung des weiblichen Lebens Rücksicht nehmen muß, versteht sich von selbst und die neuen Schriften über weibliche Erziehung haben sich daher mit Recht befleißigt, gerade darüber in Rathschlägen zu wetteifern. Wir müssen uns auf namentliche Anführung von vier Werken beschränken, die den Vorzug vor den übrigen verdienen. Das erste ist von unbekannter Frauenhand im Verlage von Meidinger in Frankfurt am Main erschienen; es enthält treffliche Anleitungen und ist mit feinem Gefühl geschrieben, nur macht es eine komische Wirkung, daß die Verfafferin die Fehler der süddeutschen Redeweise begeht, während fie wiffenschaftliche Bildung der Frauen verlangt! Einigen Anstoß könnte es bei ängstlichen Müttern erregen, daß ein Motto eines bekannten revolutionairen Schriftstellers gleichsam die Ueberschrift des Buches bildet; indeffen können wir versichern, daß es durchaus nichts Gewaltsames, Revolutionaires enthält, sondern mehr als alle anderen Erziehungsschriften dazu räth, die Mädchen möglichst nach altem Herkommen zu erziehen, sie kochen und nähen zu lehren, ja, am liebsten möchte die Verfafferin sie wieder spinnen und weben laffen, wie die Frauen des Mittelalters und des Alterthums es gethan, wobei fie allerdings sich viel poetischer ausnahmen als bei den zierlichen Unnüglichkeiten der Gegenwart. Das zweite Werk ist bei Vogt in Weimar erschienen; es enthält viel Anftandsregeln nach französischem Muster, aber der Name der Verfafferin, Elise von Hohenhausen, geb. von Ochs, bürgt dafür, daß auch deutsche Sitte und echte Her. zensbildung, daß eine schöne Innerlichkeit mehr noch als eine zierliche Aeußerlichkeit darin gepflegt wird. Eine Erziehungsmethode nach englischen Vorbildern ist durch Amely Bölte in überaus entsprechender Form ausgeprägt. Ein langjähriger Aufenthalt in England hat die Verfasserin mit dem Innern des englischen Familienlebens auf das Genaueste vertraut gemacht; sie erzählt ihre Erfahrungen als Erzieherin und giebt zugleich eine Schilderung der Häuslichkeit, der Stellung und Bildung der Frauen in England. Durch lebendige Beispiele zu belehren, versteht Fräulein Bölte meisterhaft; ihr Er

ziehungsbuch wird für die weibliche Jugend eben so nüglich wie in tereffant sein, und man wird wohlthun, es derselben zur Selbst belehrung in die Hand zu geben. Dagegen müssen wir ernstlich protestiren bei dem vierten anzuzeigenden Erziehungswerke; es ist von Julie Burow (Frau Pfannenschmidt), gewiß in befter Abficht geschrieben; die Mütter mögen es im Verborgenen lesen und sich daraus unterrichten, aber es sorgfältig vor jungen Töchtern verschließen. Es ist unbegreiflich, wie eine Frau sich in diesem Grade gegen das weibliche Zartgefühl verfündigen konnte! Julie Burow denkt und redet wahrlich wie ein handfefter Chirurg über Gegenstände, die vor weiblichen Augen nie entschleiert werden sollten. Sie hat den red, lichen Willen, ihrem Geschlechte nüßlich zu werden, namentlich den Stand der alten Jungfern“ zu vermindern; sie macht Vorschläge zum Selbsterwerb der Frauen, wodurch dem Manne die Koften des Haushaltes und also auch die Heiraten erleichtert werden sollen. Indeffen werden die meisten unserer jungen Damen doch lieber alte Jungfern werden, als die seltsamen Erwerbszweige ergreifen, die ihnen Frau. Pfannenschmidt vorschlägt, und die meisten Freier würden vor einem jungen Mädchen zurückschrecken, das sich zum Wundarzt oder zur Hebeamme ausbildete. Weibliche Krankenpflege ist rührend und heilig, wenn sie um der echten Menschenliebe willen geübt wird, wenn sie im Gewande der Diakonissin oder der barmherzigen Schwester erscheint, aber sie ist widerwärtig als Gelderwerb. Die Lage mittelloser Mädchen in unserer Zeit ist allerdings traurig, aber die alten Jungfern werden doch nicht so verächtlich behandelt, wie Julie Burow behauptet, die sie als „,,Kehricht des Menschengeschlechtes" angesehen glaubt. Alle neuen Theorieen und Pläne geben zudem kein so praktisches Hülfsmittel ab, wie es die viel geschmähten Damenstifte und Klöster der guten alten Zeit der weiblichen Verlassenheit darboten.

[merged small][ocr errors]

- Herr v. Fonton. Die Revue Contemporaine giebt über diesen auch in Berlin näher gekannten, russischen Diplomaten, dem fie eine wichtige Rolle bei den angeblich bevorstehenden Friedensverhandlungen anweift, folgende Notizen: Herr v. Fonton ist von französischer Abkunft, und wir brauchen wohl nicht in Erinnerung zu bringen, unter welchen Verhältnissen seine Familie ihr Vaterland wechselte. Von Jugend auf war Herr v. Fonton in der russischen Diplomatie beschäftigt; zunächst nahm er eine Stellung in der Kanzlei des Generals Paskewitsch während der Feldzüge in Persien und Polen ein. Ueber die Campagne von Erivan (Erzerum) hat er eine vielgelesene Schrift herausgegeben, doch vermuthete man damals noch nicht, welche wichtige Arbeiten ihm bald übertragen werden würden. Eines Tages war Herr v. Hilferding, Chef der diplomatischen Kanzlei des Marschalls, erkrankt, und Herr v. Fonton trat nun in direkte Beziehungen zum Kaiser Nifolaus, dem der klare Verstand, der lebhafte, gebildete Geist des jungen Beamten so auffiel, daß er ihm bei erster Gelegenheit eine seinen Fähigkeiten mehr zusagende Stellung gab und ihn zum GesandtschaftsRath in Berlin ernannte. Herr v. Meyendorf, damals russischer Ge-sandter am preußischen Hofe, gehört bekanntlich einer ganz anderen diplomatischen Schule, als Herr v. Fonton, an. Für ihn beruhte das Gleichgewicht Europa's auf den Verträgen von 1815, und bei der Geradheit seines Charakters war er der Ansicht, daß weder die Ehre, noch das Intereffe seines Landes ihm gestatte, solchen Maßregeln seine Zu ftimmung zu geben, durch welche die Grundlage jener Verträge eine Aenderung erfuhr. Als im Jahre 1846 die Aufstände in Krakau und in Galizien Defterreich Gelegenheit gaben, das Gebiet der freien Stadt Krakau in den Kaiserstaat einzuverleiben, wußte die ruffische Regierung, die damit einverstanden war, sehr wohl, daß diese Maßregel bei Herrn v. Meyendorf eine Oppofition finden würde, die, weil sie auf loyalen Grundsäßen ruhte, geachtet werden mußte. Man entschloß sich daher, ihn momentan von seinem Posten zu entfernen; er ward nach Palermo gesandt, wo sich damals die Kaiserin, ihrer Gesundheit wegen, aufhielt, bei der er der wohlwollendsten Aufnahme gewiß war, da sie eine außer ordentliche Achtung für ihn hegte. In seiner Abwesenheit leitete Herr v. Fonton sehr geschickt die schwebenden Verhandlungen, und er war es, der im Namen Rußlands den Vertrag über die Einverleibung Krafan's unterzeinete. Sn Folge biefes Greignifies wurbe er zum erften Botschafts-Rath bei Herrn v. Medem in Wien ernannt, wo er in diesem Augenblicke ganz besonders angenehm sein mußte. Diesen Posten hatte er noch inne, als die Revolution von 1848 ausbrach. Man dürfte bei dem damaligen geseglosen Treiben annehmen, daß Alle, die an der Unterdrückung des Aufstandes von Galizien sich betheiligt hatten, in Wien einer Gefahr ausgeseßt waren, von der selbst diejenigen, die ihr

geheiligter Charakter als Gesandte schüßen sollte, nicht ganz gesichert schienen. Herr v. Fonton war damals — vielleicht zu seinem Glücke abwesend; seine Gemahlin war allein in ihrem Hotel, als ein Insurgentenhaufe unter dem Vorgeben eindrang, daß sich dort Jemand, den fie suchten, versteckt hatte. Der Anführer dieses Haufens, ruhiger, verständiger, oder auch galanter, als man es sonst damals in Wien zu sein pflegte, wollte Frau v. Fonton beruhigen, indem er ihr sagte, daß sie nichts zu fürchten habe. „Fürchten!" erwiederte fie,,,ich fürchte Nichts; ich habe dreimalhunderttausend russische Bayonette hinter mir.“ -Die Leute zogen ab, aber die Antwort hat sich erhalten, und fie trug der Frau von Fonton, eben so wie ihrem Gemahl, die höchste Achtung des Kaisers Nikolaus ein. Herr v. Fonton ist jezt russischer Gesandter in Hannover, von wo er kürzlich nach St. Petersburg abgereift ist, um vielleicht bei den Friedensverhandlungen, welche möglicherweise eröffnet werden, eine wichtige Rolle zu spielen."

-Samuel Rogers. Mit dem dreiundneunzigjährigen Samuel Rogers, deffen vor einigen Tagen erfolgter Tod in den Zeitungen berichtet wird, ist der lezte und zugleich der älteste von jenen Dichtergeistern aus der Welt geschieden, die zu Ende des vorigen und zu Anfang des laufenden Jahrhunderts eine neue Bewegung in die englische Poesie brachten, ihr einen neuen Impuls und eine neue Richtung gaben. Er war das Glied, welches die Gegenwart an eine ferne Vergangenheit knüpfte; als er seine ersten Verse schrieb, beherrschte Voltaire noch die französische und Johnson die englische Literatur, und ehe noch der Name Napoleon Bonaparte genannt wurde, als Byron noch in der Kinderstube war, Scott sich zum Advokaten vorbereitete, Coleridge und Wordsworth in Cambridge ihren Studien oblagen, als unserem Schiller eben erst die Idee zu seinem ,,Wallenstein" aufstieg und Goethe den Feldzug in der Champagne mitmachte, hatte Rogers durch seine ,,Pleasures of Memory" (1792) bereits eine Stelle unter den Berühmtheiten des Tages, einen Ehrenplaß unter den klassischen Dichtern Englands erworben. Durch ein bedeutendes Vermögen (er war Chef eines angesehenen Londoner Banquierhauses) in den Stand gefeßt, ganz seinen literarischen Neigungen und Beschäftigungen zu leben, war er mit den hervorragendften Männern seiner Zeit befreundet, und feine jüngeren Kunstgenoffen verlieren in ihm einen freigebigen Gönner. Er erheiterte durch seine Theilnahme die leßten Stunden Sheridan's, richtete durch seinen Zuspruch den gebeugten Muth Shelley's auf, und als die englische Gesellschaft sich im Namen der verlegten Moral gegen den Sänger des „,Childe Harold" erhob, war er sein fester und standhafter Vertheidiger. Auf Genialität konnte Rogers keinen Anspruch machen; seine Gedichte zeichnen sich eher durch schöne Sprache, liebliche Bilder, anmuthige Schilderungen und fanftes, edles Gefühl als durch erhabenen Flug der Gedanken aus; aber wenn auch nicht der größte Dichter, war er doch einer der edelsten Menschen, und man kann von ihm behaupten, daß er auf seiner fast hundertjährigen Laufbahn sich nicht einen einzigen Feind zugezogen. Seine Memoiren würden für die Literaturgeschichte Englands von außerordentlichem Interesse sein.

- Ein ruffisches Gedicht. Bei F. A. Brockhaus in Leipzig ist auf Veranlassung des Herrn Poltoraßkji ein kleines russisches Gedicht, „Der gefährliche Nachbar“,*) gedruckt worden, das von dem verstorbenen Waffilji Puschkin, Oheim des berühmten Dichters dieses Namens, einem gleichfalls in der ruffischen Literatur nicht unbekannten Schriftfteller, herrührt. Das Opus ist vor mehr als vierzig Jahren geschrieben, wurde aber in Rußland, wie es scheint, von der Censur nicht zum Drucke gestattet und war daher bis jezt nur handschriftlich verbreitet, da eine im Jahre 1815 veranstaltete lithographirte Ausgabe zu den bibliographischen Seltenheiten gehört. Die Censurschwierigkeiten waren übrigens wohl nicht durch politische Gründe, sondern durch den mehr als schlüpfrigen Inhalt des Gedichts motivirt, dessen poetischer Werth uns in der That nicht mit seinem anstößigen Thema auszuföhnen vermag, obwohl der Herausgeber es für ein chef d'oeuvre in feiner Art“ erklärt und ihm sogar eine moralische Tendenz vindizirt. Es hätte füglich noch länger ungedruckt bleiben können.

*) Опасный сосѣдъ. Стихотвореніе Василія Львовича Пуш. кина. Изданіе второе. Лейпцигъ, въ типографїи Брокгауза, 1855.

Das mit dem 31 sten d. M. zu Ende gehende Abonnement wird Denjenigen in Erinnerung gebracht, die im regelmäßigen Empfange diefer Blätter keine Unterbrechung erleiden wollen.

« ForrigeFortsæt »