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zu geben, als verschmähe er die Erauben, die ihm zu hoch hingen, weil sie sauer seien. ..

Was das Privatleben Cromwell's betrifft, so ftimmen wir dem Verfasser bei, daß seine Mäßigkeit, Einfachheit, feine Liebe zu den Seinigen rühmenswerthe Tugenden waren: doch brauchen sie nicht gerade nothwendige Folgen seiner puritanischen Grundsäße gewesen zu sein, wenn er sie auch mit salbungsvollen Worten zur Schau trägt. Die zärtlichen Briefe an die Seinigen, die der Verfaffer anführt, würden einen günstigeren Eindruck machen, wenn sie in der natürlichen Sprache des Herzens, nicht in dem affektirten puritanischen Stile geschrieben wären, wie denn auch seine öffentlichen Reden nur dann erst von wahrer Beredtsamkeit zeugen und ihre volle Wirkung üben, wo der Redner seinen puritanischen Jargon vergißt und in klarer, ein facher Sprache seine Gedanken auseinanderseßt.

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Was den albanesischen Sprachschaß anlangt, der natürlich hierbei ebenfalls besondere Berücksichtigung verdient, so hatte Leibniz, der zuerst in Deutschland die philologische Zergliederung albanesischer Spracherempel in Hinsicht auf Verwandtschaft und Abstammung versuchte, übrigens zu der Ansicht gelangte, daß die Albanesen keltischen Ursprünges feien und ihre Sprache mit dem Germanischen-und- Gallischen zusammenhänge, nicht mehr als hundert albanesische Vokabeln zu seiner Verfügung; durch das Hahnsche Werk aber ist dieser Sprach schat bis auf etwa sechstausend Wörter angewachsen. Wenn v. Hahn die Albanesen geradezu für Pelasger hält und er sich offen für das Pelasgerthum der Albanesen erklärte, so gelangte er zu diesem Ergebnisse seiner Forschungen durch dasjenige, was theils die albanesischen Sitten, sowie gewisse Erscheinungen unter den Albanesen im Königreich Griechenland (deren etwa 100,000 bis 200,000 Cangenommen werden), im Verhältniß zu den Griechen der Gegenwart, theils manche Momente im Leben und in der Sprache beider Volsstämme in Vergangenheit und Gegenwart an die Hand geben. Auch aus geographis schen und mythologischen Parallelen ergiebt sich Manches für jene Meinung. Den Hauptbeweis dafür findet jedoch v. Hahn in den, zwischen der albanesischen Sprache und der ältesten griechischen Götterlehre von ihm aufgefundenen Beziehungen, und schon Andere find Derlehre zu gleichen Resultaten gekommen. So erinnern wir uns einer vor mehreren Jahren in Athen veröffentlichten Abhandlung des Dozenten der hellenischen und lateinischen Literatur an der dortigen Universität, Panagiotis Kupitoris, von der vorzugsweise albanesischen Jufel Hydra, in welcher er die Verwandtschaft der albanesischen Sprache mit der altgriechischen nachzuweisen und darzuthun suchte, daß der albanesische Volksstamm hellenisch, nämlich pelasgisch oder aeolisch sei, indem diealbanesische Sprache viele Beziehungen zur aeolischen habe oder vielmehr die Wurzeln ber leßteren in der albanesischen Sprache sich vorfänden. Fallmerayer geht jedoch auf dies Alles nicht weiter ein, und ebenso wenig darauf, daß v. Hahn in seinen „Albanesischen Studien“ Pelasgisches nicht von Hellenischem trennt, er vielmehr geradezu sagt, daß für ihn überhaupt Pelasgisches und Hellenisches so innig verschmolzen sei, daß das Eine nur auf Kosten des Anderen getrennt werden kann"; aber gleichwohl bemerkt der Erstere in seiner vorliegenden Abhandlung (S. 29), daß es sonderbar bleibe, wenn Achilles, den die Griechen wxúnovg, d. H. schnellfüßig, nannten, nach Plutarch in der Sprache des alten Epirus Aonére hieß, dagegen rönére, geghisch öлeze (sprich: tschpeïte und schpeïte), im Albanesischen noch heutzutage schnell“, bedeutet. Nach dem, was Fallmerayer bemerkt, ist bis jezt, neben dem selbständigen Gepräge und dem charakteristi= schen Bau der albanesischen Sprache, die Verwandtschaft derselben mit den indo-europäischen Dialekten allgemein anerkannt und durch die maßgebende Autorität der größten deutschen Philologen zur Evidenz erhoben.")

: Den Tod Cromwell's schildert der Verfaffer auf das erbaulichste. Ein Umstand jedoch scheint ihm vielen Kummer zu machen. Auf feis nem Sterbebette soll, wie Einige berichten, Cromwell den Doktor Goodwin einmal gefragt haben, ob ein Mensch aus dem Stande der Gnade fallen könne, und als der Doktor es verneint, soll der Protektor gesagt haben:,,Dann bin ich gerettet; denn ich habe die Gea wißheit, einmal im Stande der Gnade gewesen zu sein." Der Verfasser sucht aus inneren Gründen die Unwahrscheinlichkeit dieser Nachricht zu beweisen, die, wenn sie wahr wäre, allerdings ein schlimmes Zeichen für den aufrichtigen Glauben Cromwell's wäre. Sollte es indeß wirklich so unwahrscheinlich sein, daß bei dem Nahen des Todes sein, rein menschliches Gefühl die Oberhand gewann über die theologischen Subtilitäten, womit er bisher sein Gewissen befchwichtigt hatte? Mußte Cromwell nicht manche That feines Lebens auf dem Sterbebette anders erscheinen, als damals, wo er sie für den Glauben, den er bekannte, zu verrichten wähnte? Gerade diese unwillkürliche Aeußerung ist ein Zeichen, daß sein besseres moralisches Gefühl, die wahre Religion des Menschen, noch nicht gänzlich erstickt war, und wenn die furchtbare Mahnung seines Gewissens durch die Versicherung des Doktor Goodwin so leicht sich beschwichtigen ließ, so ist es eben ein Beweis menschlicher Schwäche, die sich an jede trostreiche Versicherung wie der Ertrinkende an einen Strohhalm hält, eine Schwäche, worauf die hierarchische Macht in jeder Konfeffion beruht. Darum können wir dem Verfasser wohl Recht geben, wenn er in Cromwell den ausgezeichnetsten Staatsmann, den tapfersten Feldherrn, den treusten Freund seines Vaterlandes, wohl auch den bibelfestesten Christen und eifrigsten Puritaner sieht; ob er aber auch ein wahrhaft frommer Mann gewesen, das zu beurtheilen, überlassen wir Gott, der Herz und Nieren prüft.

Griechenland.

Das albanesische Element in Griechenland.

L

M.

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Neben der Meinung, daß die Albanesen Autochthonen seien, Unter diesem Titel, mit dem Zusage: Ueber Ursprung und machte sich aber bereits im vorigen Jahrhunderte die Ansicht geltend, Alterthum der Albanesen“,°) ist die erste Abtheilung einer aus den daß fie vielmehr ein mit den (ursprünglich) finnischen Bulgaren Abhandlungen der königlich bayerischen Akademie der Wissenschaften verwandtes Mischvolk und erst nach dem siebenten Jahrhundert, nach besonders abgedruckten Abhandlung des Dr. J. Ph. Fallmerayer ers der Geburt Chrifti, etwa aus Albanien am Kaukasus, über Südschienen, als deren Zielpunkt er selbst die Aufgabe hinstellt, die Rußland und den taurischen Chersonesus in das: illyrische Albanien gegenwärtige Phase der Streitfrage (über Ursprung und Alterthum eingewandert seien. Dieser Meinung war unter Anderen der bekannte der Albanesen oder Schkipetar, und ob dieselben Autochthonen oder Franzose Pouqueville. In neuester Zeit nahm sie ein Grieche, Nieingewandert seien) zu zeigen und durch sorgfältiges Abwägen der kokles aus Kozani in Macedonien, in einer von ihm zur Erlangung beiderseits in's Spiel gebrachten Argumente auf ein sicheres End-der philosophischen Doktorwürde in Göttingen in altgriechischer Sprache Ergebniß hinzudeuten“. Die Mehrzahl der europäischen Gelehrten, geschriebenen historisch-philologischen Abhandlung**) wieder auf, und die sich mit dem betreffenden Gegenstande, zunächst aus dem ethno- er richtete seine Schrift befonders gegen die Ansicht v. Hahn's, indem graphischen Gesichtspunkte, beschäftigt haben, ist von jeher der Meinung er dieselbe in ethnographischer und linguistischer Beziehung zu widervon dem Autochthonismus der Albanesen zugethan gewesen, indem man legen suchte, den von Legterem erwiesenen historisch-philologischen fie allgemein für ein Urvolk der illyrischen Halbinsel, für die Nach- Zusammenhang der alten Epiro-Macedonen unter einander und ihr barn der alten Hellenen und folglich für geradlinige Deszendenten gemeinschaftliches Verwandtsein mit den Albanesen leugnete, vielmehr der Illyrier, für die Stiefföhne der alten Thrazier, hielt. In neuester darthun wollte, daß diese Leßteren erst nach dem siebenten JahrhunZeit behauptete und bewies namentlich Dr. Joh. Georg von Hahn, dert n. Chr. Geb., von den Tataren aus dem Kaukasus vertrieben, österreichischer Konsul für das öftliche Griechenland, der ganz Alba- in ihr gegenwärtiges Heimatland am jonisch-adriatischen Küstenstriche mien bereift, die verborgensten Winkel des Landes durchforscht, Ge- eingewandert seien. Diese Schrift des Griechen Nikokles würdigt müthsart, Sitte, Denk- und Lebensweise mit dem ganzen politischen nun Fallmerayer einer besonderen und ausführlicheren Widerlegung, Sein der Schkipetaren erlauscht und die albanesische Landessprache und er kommt dabei zu dem Endergebniß, daß die „Versuche, das in ihren beiden Haupt-Dialekten, denen der beiden Hauptstämme, der Autochthonenthum der illyrischen Albanier, der Geghen und der Geghen und der Tosken, lesen, schreiben und sprechen gelernt hatte, Tosken, wegzudemonftriren und ihre Einwanderung auf das achte daß die Albanesen keine Slaven, sondern daß sie die Nachkommen der Säkulum nach Chriftus herabzudrücken, als geschichtlich unbegründet, vorslavischen Urbewohner des Landes, daß sie also Autochthonen, das irrig, unwissenschaftlich und unkritisch zurückzuweisen seien". Die ist sprach und stammverwandte Ueberreste jener Urbevölkerung seien, Schrift des genannten Griechen, wie wenig es auch diesem selbst gedie schon vor den Hellenen in Epirus, Macedonien und Illyrien ge- lungen, die ganze historische Prozedur v. Hahn's in allen ihren Arguwohnt und sogar den Kern der Tyrrheno-Pelasger gebildet haben, menten, Korollarien und Schlüffen zu zerstören", bezeichnet Fallmeraver Die das Alterthum als Urbewohner der Südhälfte der illyrischen Halbinsel und also als unmittelbare Vorgänger der Hellenen anerkannte. **)

*) München, 1857, Verlag der F. Akademie, in Kommission bei G. Franz. **),,Albanesische Studien von Dr. Joh. Georg v. Hahn". Zwei Hefter Jena, Friedr. Maule. 1853.

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*) Vgl. Franz Bopp: „Ucber das Albanesische in seinen verwandtschaft= lichen Beziehungen", Verlin, 1855, und Prof. Pott in seiner Beurtheilung des Gobineauschen Werkes:,,Sur l'inégalité des races humaines". **), Περὶ τῆς αὐτοχθονίας τῶν ̓Αλβανῶν ἢ τοῦ Σκιπιτάρ", Sitting gen, 1855.

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gleichwohl als „, daß erfte, mit ebenbürtiger Gelahrtheit und Kritik ausgearbeitete historisch - philologische Produkt des Neu-Hellenenlandes", das in ein Gewand von Kenntniß und Wissenschaftlichkeit gehüllt sei, dergleichen bisher an neugriechischen Literaten, wenigftens in diesem Fache, nicht zu finden war". Läge hierbei nicht etwas Fronie mit zum Grunde, die ja Fallmerayer bekanntlich in hohem Grade liebt, so müßte man sich billig über ein solches Lob eines Griechen in dem Munde Fallmerayer's wundern; aber freilich schwindet auch dieses Lob theils nach der Kritik felbft, die Leßterer im Wesent lichen über die angebliche Beweisführung des Griechen ausspricht, theils nach dem, was er sonst über den Verfaffer äußert. Allerdings nennt er ihn „einen der gelehrtesten unter den jeßt lebenden Griechen“ (?), der aber keinesweges „auch als einer der klarsten und wissenschaftlich verständigften gelten dürfte"; vielmehr seht Fallmerayer hinzu: Es ist in diesem Manne etwas von jenen platonischen Sophisten, denen es im Dialog nicht um ftrenge Wahrheit, wohl aber um siegreiches Durchfechten einer Meinung zu thun war, an die er selbst nicht immer glaube".

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Die politischen Seitenblicke, die Herr Dr. Fallmeraper in seiner Abhandlung auf das von ihm mit ungünstigen Augen betrachtete Königreich Griechenland wirft, und wobei er sein Steckenpferd der weiland hellenenfreffenden Slavenhypothese reitet, die übrigens an sich weiter nicht hierher gehören, kann und mag man sich um so leich ter gefallen lassen, je milder gegen früher) der Verfasser über die Gegenwart, im Verhältniffe zur Geschichte vergangener Jahrhunderte und zu den überwundenen Zuständen der Vergangenheit, sich äußert. Freilich muß dagegen auch bemerkt werden, daß „die Wissenschaft von Byzanz" und das anatolische Kirchendogma, in welchem allein Fallmerayer,,Einheit, Seele und Substanz der chriftlichen Völker des illyrischen Kontinents“ findet, das spezifisch hellenische Element keinesweges ausschließt, und daß vielmehr der chriftliche Hellenismus in einem besonders hervorragenden Theile der Bekenner des anatolischen Kirchendogma's auch Anspruch auf besondere Anerkennung hat. Diesen Anspruch gesteht freilich Fallmerayer den „Gräfen der Neuzeit“ ebenso wenig zu, als er auch die unverwüstliche Kraft des hellenischen Elementes nicht anerkennt, die von Alters her fremdartige Elemente geradezu absorbirt hat. Dies gilt von dem slavischen, es gilt auch von dem albanesischen Elemente. Noch vor kurzem schrieb Professor Vischer in Basel in seinen ,,Erinnerungen und Eindrücken aus Griechenland" (1851), S. 248: „So mannigfaltiger Wechsel der Herren, so viel faches Eindringen verschiedener Bewohner in Griechenland stattgefunden hat, so nahe das Land daran war, ganz slavifirt zu werden, so hat doch das griechische Element mit merkwürdiger Zähigkeit am Ende immer den Sieg davon getragen, natürlich im Verlaufe der Zeit nicht mehr das althellenische, fondern, wie es sich durch den Gang der Geschichte und besonders durch Annahme des Christenthums gestaltet hatte, das byzantinisch-römische, und auch heutzutage hat es die entschieden größte Lebenskraft, so daß es die albanesischen Bevölkerungstheile fich affimilirt. Der Bildungsprozeß dieses neuen Wesens entzieht sich aber dem Blick fast ebenso sehr, als einft der Uebergang aus dem Pelasgerthum in's Hellenenthum, und hat sich sehr allmählich gemacht. Es ist eben im Grunde nur die weitere Entwickelung des durch Alexander's Eroberungen entstandenen Hellenismus, unter dem Druck der späteren römischen Herrschaft und dem mächtigen Einfluß des Christenthums" u. s. w. So sagte auch v. Hahn in seinen ,,Albanesischen Studien":,,Solche außerordentliche Umstände sind nun im griechischen Königreich eingetreten; in diesem Lande gährt jezt ein nationaler Mischungsprozeß, welcher allem Anschein nach mit dem gänzlichen Aufgehen des albanesischen und walachischen Elementes in das griechische enden wird.". Auf solche ideale und idealistische Anschauungen läßt sich der praktisch-historische Realist Fallmerayer nicht ein, und man kann es wiffen, wie er über dergleichen Vorstellungen and Aeußerungen urtheilt, zu denen nicht nur Ausländer, sondern auch Griechen selbst sich veranlaßt finden. Von einem der Leßteren, einem der gelehrtesten und wissenschaftlich gebildetsten Griechen der Gegenwart, lafen wir neulich in dieser Hinsicht Folgendes: Es ist gleichgültig, ob die Albanesen Pelasger oder Illyrier find; denn durch die griechische Sprache haben sie das Christenthum und griechische Sitte empfangen, und überhaupt hat das Christenthum den Hellenis mus und seinen alterthümlichen Charakter da, wo er sich noch erhalten hatte, verstärkt und ihn da, wo das Evangelium in griechischer Sprache verkündet ward, eingeimpft und eingepflanzt." Und wenn nun vollends v. Hahn am Schluffe seiner Vorrede zu den „Albanesischen Studien den Wünsch ausspricht, daß diese Blätter dazu beitragen könnten, das Hellenenthum zur Menschheit zurückzuführen, von der man es zu isoliren versucht hat, und wenn er noch hinzuseßt: „Ist und bleibt es *) Man vergl. die Vorrede zu Fallmeraher's Geschichte der Halbinsel

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-,,Der Frauen Beruf". Die Engländer besigen mehrere vortreffliche Schriften aus weiblicher Feder, zur Charakteristik der Frauen und zugleich zu ihrer eigenen Belehrung. Am bekanntester auf diesem Gebiete find die,,sittlichen, poetischen und geschichtlichen Frauen-Charaktere“ von Mrs. Jameson, die in England bereits mehrere Auflagen erlebt haben,") sowie ihre „Denkwürdigkeiten souverainer Fürstinnen".") Es sind hauptsächlich die Frauen-Charaktere Shakspeare's, welche die Verfasserin, mit Geift in die Ideen des großen Dichters eingehend, in dem erstgedachten Werke dargestellt hat. Die uns vorliegende, aus dem Englischen überseßte, kleine Schrift rührt unstreitig ebenfalls von Frauenhand her, doch ist uns darüber nichts Näheres bekannt; auch hat die deutsche Uebersehung kein Wort der Erläuterung vorangeschickt, obwohl sie im Uebrigen mit vollkommener Beherrschung des Gegenstandes, sowohl dem Jnhalte als der Form nach, abgefaßt ist. Abweichend von der denselben Stoff behandelnden Schrift A. Monod's, der den wichtigen Beruf der Frauen fast ausschließlich von seiner religiöfen Seite auffaßt, geht diese englische Lehrschrift vielmehr hauptsächlich auf den häuslichen und mütterlichen Einfluß der Frauen ein. Auch nicht, wie die emancipationssüchtigen Weiber, will diese Schrift den Frauen Macht, soziale oder politische Macht, vindiziren, sondern lediglich auf den ftillen, aber um so segensreicher wirkenden Einfluß weist sie hin, den die Liebe der Frau auf den in das Leben hinausgetretenen Mann und den die Liebe der Mutter auf die der künftigen Weltgestaltung angehörenden Kinder zu üben vermag, wenn er in rechter Weise angewandt wird. Wir können diese kleine, auch äußerlich gut ausgestattete Schrift als ein würdiges literarisches Angebinde für Frauen empfehlen.

Aus dem British Museum. Das Londoner Athenaeum berichtet: Das British Museum hat in seinen öffentlichen Räumen eine neue und wichtige Einrichtung erhalten. Einige der seltenften und auserlesenften Schäße jenes eifersüchtig bewachten Winkels (the PrintRoom), wo die ersten und ältesten Drucksachen liegen, wurde Ende September d. J. in Schränken an der lichteften Stelle im Mittelpunkte der königl. Bibliothek aufgestellt; bisher war dem Kuftos der ersten und ältesten Drucksachen kein genügender Spielraum gewähri, seine Sachen auszulegen, und selbst jest bieten ihn die acht Schränk und die Behältnisse noch nicht so: vollständig dar, als es wünschens werth ist. Indeß begrüßen wir freudig diesen Anlauf zum Befferen in der Ueberzeugung, daß, wenn das Publikum einmal auf den Geschmack gekommen ist, ihm auch die Kost reichlicher wird vorgefeßt werden. Schon in diesem beschränkten Raume giebt der Kustos, Herr Carpenter, Zeugniß von seiner Umsicht in der Wahl und Anordnung feines Stoffes. Wie in der Galerie der alten Meister auf der histori schen Kunst-Ausstellung von Manchester, ist auch hier das System des Nebeneinanderreihens der typographischen Hauptschulen Deutschlands und Italiens durchgeführt. Die Kupferstiche sind in zwei Reihen übereinander geordnet, oben die italiänischen, unten die deutschen, vom Anfang der Kunst bis in das 16. Jahrhundert hinein, und zwar scheinen die Perioden in beiden Reihen einander genau zu entsprechen. Da der Stich der deutschen Kunstwerke von den ersten Zeiten an reiner, lieblicher und zarter war, als der italiänische, fo find jene mit Vorbedacht dem Auge näher gerückt worden. Noch fehlen an vielen Werken die Angaben der Namen und Zeiten, indeß halten wir es für unsere angenehme Pflicht, die Neuerung, wie sie ist, ohne Verzug zu erwähnen und unsere Zufriedenheit auszusprechen, daß sich die ver borgenen Schäße des Print-Room immer mehr dem Beschauer erschließen. Ein Katalog dieser Auswahl wird vorbereitet, der um billigen Preis zu haben sein wird. Die leßten Behältnisse sind noch nicht aufgestellt, sollen aber in kurzem an die Reihe kommen und einige der seltensten und kostbarsten Nielli (Gold- und Silber-Drucke), verbunden mit Maso Finiguerras und den ersten Kupferstichen, ente halten. Hinzugefügt sollen alte Originalzeichnungen der französischen, englischen und spanischen Schulen werden, sowie italiänische und deutsche Holzschnitte. Das ausgedehnte Feld des Holzschnittes, vou dem rohen rylographischen - Druck bis zu Dürer und den Venetias nern, wird gewiß die allgemeine Theilnahme ansprechen.“

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) Nach der vierzehnten Driginal-Auflage aus dem Englischen. Botes dam, J. Schlesier (Stechertsche Buchhandlung), 1859.

**),, Characteristics of Women, Moral, Poetical, and Historical". By

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Prets jährlich 3 Thir. 10 gr., ðalbjährlich 1 Thlr. 20 Sgt. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Julande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 142.

für die

Bestellangen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bet Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallfir. Nr. 21), sowie von allen 'fönigl. Loft-Hemtern, 'angenommen.

Literatur des Auslandes.

Griechenland.

Berlin, Sonnabend den 27. November.

Sophokles, von Oswald Marbach. *)

Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß man in der neuesten Zeit die Geiftesschäße der Alten in vielfachen Nachbildungen dem größeren Publikum näher zu bringen sucht. Unser Etückchen Mittelalter, das wie ein Gespenst immer noch in der Gegenwart umgeht, kann nur durch dieselbe Zauberformel gebannt werden, durch die es einst schon gebannt worden ist: durch die Schriften der Alten, das beste Gegen gift gegen alle Verdummung und Verdumpfung des Volkes. Als im vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert die Geistesschäße des Alterthums aus langer Vergessenheit hervorgezogen wurden, da übten sie ihre bildende und veredelnde Kraft zunächst nur auf die Wenigen, die sie zu würdigen und zu benußen verstanden; doch der Geist der echten Humanität, der in ihnen weht, blieb nicht auf den kleinen Kreis der Auserwählten beschränkt, sondern, die Welt erfüllend, begann er den Kampf gegen die dunklen Mächte des Mittelalters. Es war der wiedererweckte freie Geist der Alten, der gegen jede Unfreiheit in der religiösen, politischen und sozialen Welt proteftirte, der die Wissenschaft und Kunst von neuem in's Leben rief, der die Barbarei der Sitte zurückdrängte in die Länder, die sich seinem Einflusse nicht hingeben wollten oder konnten. Mit der Auferstehung des Alterthums beginnt die Neuzeit. Alles, was sie Großes im menschlichen Wiffen und Können geleistet, hat seine Wurzeln im Alterthum, aus dem sie Leben und Kraft fog, und wo das Kind im thörichten Hochmuthe seiner Mutter vergaß, da ist es bald wieder der Unfreiheit anheimgefallen. In Deutschland hat sich der Protestantismus ein nicht genug anzuerkennendes Verdienst um das Verständniß und die Verbreitung der Klassiker erworben; doch bald verdüßterten theologischer Zelotismus und die Barbarei, die der dreißigjährige Krieg im Gefolge hatte, den freien Geist, und das Studium der Alten war, mit wenigen Ausnahmen, ein geistloses und unfruchtbares. Als daher in Frankreich unter Ludwig XIV. eine neue klassische Literatur aufzublühen schien, da wandte man sich zu dieser abgeleiteten Quelle, weil sie zugäng. licher und dem Geschmacke entsprechender war. Erst Leffing führte wieder zu der Urquelle zurück. Er hatte jenen antiken Geist so in sich aufgenommen, daß er den alten Klassikern in Denken, Gesinnung und Sprache ganz ebenbürtig erscheint. Welchen Einfluß er auf das Studium und die Erfassung der Alten geübt, das auszuführen ist hier der Ort nicht. Er erkannte auch schon, daß der Geist des Alterthums Gemeingut werden müsse, wenn er seine Mission, der Barbarei entgegenzukämpfen, erfüllen solle. Das Studium der alten Klassiker und ihre philologische Behandlung betrachtete er als die bloßen Mittel, in ihr Verständniß einzudringen zu dem Zwecke, den aus ihrer Erkennt niß gewonnenen Schaz von Anschauungen zum gemeinsamen Besiß zu machen. Leffing hat vor Allem die ethische Seite des Alterthums erfaßt. Es darf hier blos erinnert werden, mit welch genialer Selbständigkeit er den äsopischen Apolog in seinen Fabeln behandelt und das Lustspiel der Alten in seinen Nachbildungen der Plautinischen Stücke „Trinummus“ und „Captivi“ bei uns eingebürgert und nach solchen Studien in seiner „Minna von Barnhelm" das Muster eines echt deutschen Lustspiels gegeben hat. In „Emilia Galotti" übertrug er eine antike Geschichte in die moderne Zeit, um zu zeigen, wie der Heroismus echt römischer Tugend auch noch in der Neuzeit gegenüber der Verderbtheit und den Kabalen, wie sie die Höfe und die höheren Stände im vorigen Jahrhundert vielfach aufwiesen, ihre Stelle hat, und in,,Nathan der Weise" ift die echt antike Humanität verkörpert im Gegensatz zu der mittelalterlichen zelotischen Unduldsamkeit und orthodoxen Bornirtheit, die auch zu Leffing's Zeit noch ihre Repräsen tanten hatten, wie sie auch der unseren nicht fehlen. War es die Wahrheit unverdorbener und unverkünftelter Natur, mit der die Alten

*) Sieben Bändchen. (Jedes Bändchen enthält eine Tragödie von Scphokles und eine ausführliche ästhetische Erklärung derselben.) Leipzig, C. B. Lord, 1858.

1858.

Lessing an sich lockten, so war es ihre künstlerische Schönheit, die harmonische Uebereinstimmung des Inhalts und der Form ihrer Werke, an der unsere größten Dichter, Goethe und Schiller, sich heranbildeten und ihre eigene Klaffizität errangen. Schiller war auch der Erste, der es versucht hat, einige Meisterwerke des antiken Drama's und Epos in moderner Form dem größeren Publikum vorzuführen. Seine Iphigenia in Aulis" und die Scenen aus den,,Phönizierinnen" des Euripides, so wie seine Uebertragung zweier Bücher der Aeneis Virgil's, haben gewiß zu einer allgemeineren Kenntniß beider antiken Dichter mehr beigetragen, als die schulgerechtesten, treuesten Ueberseßungen gekonnt hätten. In ähnlicher Weise hat Wieland durch seine treffliche Ueberseßung der Satiren und Briefe des Horaz diesem geistreichen Dichter der Römer zahllose Bewunderer geworben.

Eine Reaction gegen die Klassiker trat durch die Romantiker ein. Die Klaffiker waren wieder auf die Schule beschränkt, und von der Schule aus gingen die vielen steifen wörtlichen und treuen Ueberfeßungen, die dem größeren Publikum meist unverständlich waren und daher von ihm unbeachtet blieben, wie sehr auch Männer von Fach, den antiken Tert in der Hand, sie bewunderten und rühmten. Dazu kam noch der unselige Wahn einer philologisch-pädagogischen Nichtung, daß die Klassiker für uns nur noch einen formalen Werth haben, daß sie auf der Schule gelesen werden müßten, damit man an ihnen dem Schüler die Gefeße der Logik und Grammatik beibringe. Durch geistlose Behandlung wurde der Jugend in der Schule das Herrlichste, was der Menschengeist hervorgebracht hat, so verleidet, daß sie den Widerwillen gegen Alles, was an die Schulplage erinnerte, aus der Schule mit in's Leben trug. Hierin liegt gewiß ein Hauptgrund der Zerfahrenheit unserer jeßigen Zustände. Es fehlten den Jünglingen die Ideale, woran sie sich begeistern konnten; kein Wunder, daß sie als Männer dem gröbsten Materialismus huldigten; es war der Sinn für das Schöne nicht geweckt worden, daher gemeiner Sinnenrausch die edleren Genüffe an den Erzeugnissen der Künfte verdrängte; es war das menschlich Wahre, das sich in den Klassikern unverholen ausspricht, verdunkelt worden durch scholastische Spisfindigkeiten, die dem blinden Autoritätsglauben wieder den Weg bahnen sollten; daher die schroffen Gegensäße des Aberglaubens und Unglaubens, die sich in ihren traurigen Erfolgen brüderlich die Hand reichten. Eine Befferung ist nur möglich durch die Anwendung des Heilmittels, das schon einmal geholfen. Der antike oder, was einerlei ist, der humane Geist muß wieder lebendig werden, und will oder kann ihn die Schule nicht lebendig machen, so muß es auf andere Weise geschehen. In jener Zeit des Wiedererwachens waren es die Fürsten und Großen, die sich dem schönen Geschäfte hingaben, die Schäße zu sammeln und zu genießen. Heute ist die Wissenschaft und Kunst kein Lurusartikel bevorzugter Klaffen mehr; Jeder, der Sinn für das Höhere und Bessere hat, kann an ihnen theilnehmen. Man erkennt es mit Recht als einen Vorzug unserer Zeit, daß selbst die Herren der physischen Wissenschaften es nicht unter ihrer Würde halten, das Ergebniß ihrer Forschungen und Erfahrungen dem Volke in verständlicher Weise mitzutheilen. Immer mehr häufen sich die populären naturwissenschaftlichen Werke, und ihr Einfluß auf die Auf klärung des Volkes ist gewiß nicht gering anzuschlagen. Aber wie weit wirksamer würde den Uebeln der Zeit begegnet werden können, wenn man mit demselben Eifer sich bemühte, die Maffe der Gebildeten mit dem humanen Geiste der Alten zu tränken. An den sittlichen Idealen, woran die Schriften der Alten so reich sind, würde die Menschheit sich von neuem erheben aus dem Sumpfe, in den sie der Absolutismus, der Hierarchismus und der Materialismus gestürzt haben.

Es ist daher jeder Versuch, klassische Schriften dem größeren Publikum zugänglich und genießbar zu machen, als ein wohlberechtigter und zeitgemäßer zu begrüßen, und in dieser Hinsicht glauben wir, auch die neueste Ueberseßung der Tragödien des Sophokles von Oswald Marbach empfehlen zu dürfen. Die Form ist die der modernen Tragödie: der Dialog in fünffüßigen Jamben, der Chor und die Bühnengefänge in gereimten Versen. Es ist hier nicht der Ort, auf Einzel

nes kritisch einzugehen. Im Allgemeinen ist die Nebeträgung freu, klar und fließend. Als Probe geben wir den herrlichen Chorgesang aus der ,,Antigone" 332-353:

Ob die Welt an Wundern reich,
So ist doch kein Wunder gleich
Dir, o Mensch, dem wunderbaren!
Durch das graue Meer zu fahren
Auf gebrechlich morschem Holze
Scheust du nicht, ja deinem Stolze ›
Schmeichelt's, wenn bei rauhen
Stürmen

Hoch sich auf die Wogen thürmen
Und dein Schifflein riesig racken,
Schaufeln es auf starkem Nacken.
Selbst der Allgebärerin,
Ihr, der Allernährerin,
Jhr, der höchsten Göttin, Erde,
Hast du, daß sie dienend werde,
Altes Herrscherrecht entrungen;
Glorreich hast du sie bezwungen,
Und es muß der Beden dampfen
Unter deiner Rosse Stampfen.

Alles, was sich regt und Leben
Hat, ist deinem Dienst ergeben.
Listig weißt du zu umgattern
Vögel, die in Lüften flattern,
Weißt mit fecker Hand zu greifen
Thiere, die durch Wälder schweifen,
Und mit Nesen zu ereilen
Fische, die die Wogen theilen.
So bist du, mit List geboren,
Dieser Welt zum Herrn erforen.
Selbst das scheu entfliehende,
Frei durch Wälder zichende
Wild vermagst du zu bezähmen.
Deinem Willen muß bequemen
Sich das Roß, ob es die Mähnen
Zürnend wirft; die starken Sehnen

Muß bemühn der wilde Stier Raflos, um zu dienen dir!

Du erschusst dir selbst genug
Fittige zum stolzen Flug
Deines Geistes: Wort und Sprache,
Sie, tie eine, tausendfache,
Stark, Gefeße zu verkünden, -
Staaten klug und fest zu gründen.
Und auch mit des Himmels Mächten
Weißt du vortheilhaft zu rechten:
Läßt in deinen Tempeln thronen
Götter, daß sie menschlich wohnen.
Selbst des Schicksals starke That
Findet nie dich ohne Rath.
Eins nur wirst du nie ersinnen:
Wie du magst dem Tod entrinnen;
Doch der Krankheit wildem Heer
Scufst du starke Gegenwehr.

Immer thätig, sinnig, flug
Schafft der Menschengeist, im Flug
Seiner göttlichen Gedanken
Ueberschreitend alle Schranken.
Und so ist ihm Wahl gelassen,
Wie das Böse zu erfassen,
So zum Guten sich zu wenden,
Edle Werke zu vollenden,
Weiser Satzung nachzutrachten
Und das Heilige zu achten.
Also grünt und blüht der Staat,
Doch des Uebermüth'gen That
Wird zum Fluche. Nimmer werde
Frevlern Ruh' an deinem Heerde;
Nimmer dulde du als Freund,
Wer dem Vaterlande Feind!

Mit Recht hat der Ueberfeßer in der Erklärung auf den wahrhaft frommen Sinn, der sich in diesem Chorgesange, wie überhaupt in Sophokles' Dichtungen, ausspricht, aufmerksam gemacht. Wenn er aber besonders darauf ausgeht, in Sophokles christliche Anschauungen und Gefühle nachzuweisen, so dürften unsere Frommen, denen die Tugenden der Heiden doch nur immer glänzende Lafter sind, nicht damit einverstanden sein, und auch wir nicht, weil Sophokles, wenn er heute lebte, in den Schriften christlicher Dichter ganz so wieder hellenische Anschauungen und Gefühle herausfinden würde. Es folgt aus folchen Uebereinstimmungen eben nur das, daß wahre Frömmigkeit und echt religiöser Sinn nicht eine spezifische Eigenheit einer einzelnen béstimmten historischen Religionsform, sondern Eigenthum der Menschheit überhaupt sind. Darin liegt aber die hohe Bedeutung der Alten, daß sie uns von jedem partikularistischen Vorurtheile heilen, indem sie uns Lehren, wie das Göttliche im Menschen zu jeder Zeit und in jeder Form zur Erkenntniß und zur Erscheinung kommen kann.

Außer der Uebersehung der Sophokleischen Tragödieen liegen uns von demselben Verfaffer noch zwei freie Bearbeitungen Euripideischer Stoffe: der,,Hippolytos" und die,,Medeia", vor.") Ihre Beurs theilung müssen wir für eine andere Gelegenheit vorbehalten.

Frankreich.

Frankreich im siebzehnten Jahrhundert.

H. Philosophie und Jesuitenorben.

(Schluß.)

Die Philosophie ist den Jesuiten, und man kann sagen, der katholischen Kirche (ja vielleicht aller positiven Religion), gar nicht das Mittel, die absolute Wahrheit als x auszurechnen, sondern nur das Mittel, die Nichtvernunftwidrigkeit der Glaubenslehre zu beweisen. Das ist ganz in der Ordnung, da das Materielle der Lehre ganz ebenso als unabweisbare Thatsache gilt, wie eine geschichtliche oder physikalische Wahrheit. Gehäffig wird diese Philosophie nur, wenn fie, wie bei den Jesuiten, ein bloßes Präparat ist, das zum bestimmten Zwecke verfaßt ift. Was ist denn diese Philosophie, mit welcher sie ihren Orden und die Kirche zu stüßen suchen? — eine aufgebraute Scholastik, die alles innere Leben verloren und als tobte logische Formel fortgepflanzt wird - Thomismus, Scotismus? - eigentlich gleichgültig weder das Eine noch das Andere — es genügt, daß fich durch sie die frommen Väter das Ansehen von Denkern und Philosophen geben und so der Welt imponiren können: Dialektik ist

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*),, Hippolyt". Von Oswald Marbach. „Medeia“. Von demselben, Leip

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Alles, Sophistik auf der Kanzel stets sicher und unfehlbar. Daß sie in ihrem Glauben an die Scholastik eigentlich an den alten Heiden Aristoteles glauben, kümmert diese resoluten Männer wenig.

Also Pater André verkannte seine Stellung: vergeblich beschworen ihn seine Ordensbrüder, darunter P. Porée, der Lehrer Voltaire's in der Rhetorik, und P. Guimon, sein ehemaliger Novizenmeister, sich zu unterwerfen. Strenger ermahnten ihn der Ordensgeneral Tamburini, später sein Nachfolger François de Reß, der Provincial Delaifire, der P. Daubenton, gleichfalls ein Oberer (assistant de France); fie werfen ihm eine allzustarke Neigung zu Neuerungen in Theologie und Philosophie" vor: propensionem nimiam ad novitates in theologicis, vel philosophicis. P. André wurde immer harknädi ger in diesem ungleichen Kampfe. Bald verdächtigte man ihn auch des Jansenismus, und als eine Broschüre gegen die Jesuiten erschien, worin dieselben stark angegriffen wurden, schrieb man ihm dieselbe zu. Schon früher hatte man, wie oben angegeben, eine schriftliche Rüdnahme verlangt, man hatte ihm seinen philosophischen Lehrstuhl entzogen und ihn bald zur Studienleiter gemacht, bald zum Beichtstuhle verwandt. Nun schritt man gegen ihn ein; man stellte eine Hausuntersuchung an und fand unter seinen Papieren ein,, Leben von Malebranche", worin der Cartesianismus als allein vernünftige Phi losophie gepriesen und der Jesuitenorden mehrfach scharf verurtheilt wird, namentlich in Bezug auf seine Lehren über Moral. Das war natürlich ein Verbrechen, welches die Bastille und mehr verdiente. Wie er zur besseren Einsicht gebracht wurde, ist oben bereits exzählt worden.

Drei Briefe an Malebranche (im ersten Theile) sind von besonderem Interesse, weil sie eine viel behandelte Streitfrage betreffen. P. André befragt Malebranche darüber, ob es unter Umständen erlaubt sei, zu lügen. Die Ordnung (als Orden), sagt er, ist unser einziges Gesez; es ist ein unveränderliches Gefeß. Die Ordnung kann nichts wider die Ordnung befehlen, und doch giebt es Fälle, wo die Vernunft selbst mich zu der Schlußfolgerung fortzureißen scheint. So ist z. B. die Lüge flärlich etwas Ordnungswidriges; wenn ich mich nichtsdestoweniger unter gewissen Umständen dazu verpflichtet glaube, so befiehlt mir die Vernunft also, dann zu lügen. So verbietet mir also der Orden zwar im Allgemeinen die Lüge, in gewissen besonderen Fällen aber, in die ich gerathen, verlangt er fie von mir.“

Malebranche antwortet: Die Lüge oder Täuschung, als der Wille genommen, zu lügen oder zu täuschen, ist immer etwas Ordnungswidriges, wie es ordnungswidrig ist, den Nächsten zu mißhardeln, in der Absicht, ihn zu beleidigen; aber Jemanden, der etwas Bōses gethan, zu schlagen, um ihn zu bessern, ist der Ordnung gemäß. Die Ordnung ist nicht sich selbst entgegengesezt; aber sie schließt Ge seße ein, die einander untergeordnet sind."

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Man sieht, wie er die heitliche Frage umgeht, welche unsere Moralisten bis heutigen Tages nicht gelöst haben. Man thut den Je fuiten Unrecht, wenn man ihnen allein den Saz:,,Der Zweck heiligt die Mittel“, aufbürdet. Dieser Saz ist die praktische Moral aller Welt, aller Parteien, und die Jesuiten sind nur dadurch in die unglückliche Lage gerathen, daß ihr starres Gesez, ihre haarspaltende Kasuistik sie dazu zwang, diesem Probleme so nahe in's Auge zu fehen. Jede Partei muß den Muth haben, zu lügen, zu verdecken, sich rein zu waschen und den Gegner zu beschuldigen, zu verleumden, wenn es nöthig ist, und jede that es nach Herzensluft das ist Thatsache, die mit Händen zu greifen ist. Hätten wir die absolute Wahrheit, oder wenigstens die unbedingte, rückhaltlose Liebe zur Wahrheit, so würde es keine Partei geben, weil sich aus lauter Unparteilichkeit keine bilden könnte; da nun die Jesuiten als Orden selbst innerhalb des Katholizismus strenger geschlossen sind, als irgend welche Partei je gewesen ist, da auf dem unerschütterlichen blinden Glauben an diesen Orden das ganze Geheimniß seines Bestehens beruht, so ist es klar, daß ihre Parteilogik verbiffener, abweisender, verstockter gegen die Thatsache (um nicht zu sagen Wahrheit) sein muß, als die jedes anderen engeren Vereins. Ein Jesuit wird den Sah: „der Zweck heiligt die Mittel", mit Abscheu als ihm fremd abweisen und als eine böswillige Erfindung der Proteftanten erklären; faktisch aber stellt sich die Sache doch nicht anders heraus. Das kömmt daher, weil an die Stelle des Glaubens an unbedingte Wahrheit um ihrer selbst willen die Constitutionen des Ordens als inkarnirte Wahrheit getreten sind.

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um die Taufe einem Kinde zu verschaffen, wenn man es auf andere Weise nicht kann? Nein!"

Wenn man so weit geht, so könnte es tommen, daß mancher Jesuit oder sonstige katholische Theologe nicht unter allen Umständen die Kirche und ihre Einrichtungen vertheidigte und Zugeständnisse an die Gegner machte, z. B. daß der Kirchenstaat schlecht regiert werde, daß die vielen Klöster Spanien zum Theil finanziell ruinirt, daß der Orden selbst weltliche, selbst sehr weltliche und theilweise schlechte Zwecke verfolgt habe. Das wird man aber nicht zugestehen; Apologie unter jeder Bedingung! Denn nach der heiligen Theorie muß die Regierung des Kirchenstaates gut, das Mönchswesen der höchste Se gen jedes Landes, der Orden der Inbegriff aller Vollkommenheit sein. Pater André war ein Grübler und taugte deshalb nicht zum Jesuiten.

Bei Gelegenheit der Auffindung dieses Briefwechsels ist an den Tag gekommen, daß André einen ausführlichen Plan zu einem,, Essai des principes de la théologie chrétienne" verfaßt und eine Art Kommentar zu den Hauptwerken von Cartesius und Malebranche geschrieben hatte. Einige Werke von ihm, z. B. „über die Stadt Gottes", vom heil. Augustin, sein Leben Malebranche's, sind vollständig verschwunden, sehr glaublicher Weise bei der Haussuchung in Amiens, die ihn in die Bastille brachte. Man weiß, daß leßteres Werk im Jahre 1721 dem P. Frogerais, damals Rektor am College zu Amiens, zugestellt wurde. Die Herausgeber vermuthen, daß dieser es nach Ron geschickt haben könnte, wo man es zunächst in der Bibliothek an der Kirche di grande Gesù zu suchen hätte. Der Orden hat dort bekanntlich sein Profeßhaus.

Die Werke des P. André sind vom Abbé Guyot herausgegeben, der in der Einleitung seine Lebensgeschichte giebt. Außerdem besindet sich in der ,,Bibliographie universelle" ein Artikel von P. Las baraud über ihn; ferner hat Cousin, der bedeutendste Philosoph Frankreichs (seit 1843), über ihn geschrieben (,, Oeuvres philosophiques du P. André, introduct."). Die Korrespondenz mit Fontenelle, die den dritten Theil bildet, hat nur ein mäßiges Interesse. Es ist eine bloße Höflichkeits-Korrespondenz. Ebenso die Briefe im vierten Theile, die an den Kanzler Aguesseau, den Bischof von Bayeur, de Luynes, den Abbé Guyot (den späteren Herausgeber seiner Schriften) u. f. w. gerichtet sind. Die Noten der Herausgeber sind größtentheils sehr werthvoll, namentlich was die innere Organisation des Ordens betrifft, auf welche durch diese Briefe vieles Licht fällt.

Italien.

Neue Versuche, das Etruskische zu entziffern.

Der Zufall fügt es, daß uns ziemlich zur selben Zeit zwei ganz verschiedene Versuche, das Etruskische zu entziffern, zugehen, und wir können nicht umhin, darüber einen so ausführlichen Bericht zu erstatten, als es unser Raum hier zuläßt. Es giebt nun einmal gewiffe Räthsel in der Geschichte, die aller Bemühung des Forschenden spotten und schnöde den Eingang in ihr Heiligthum verwehren, und hierzu gehört nicht als das lehte die Sprache der alten Etrusker, der nächften Nachbarn des großen Römervolkes.

Schon ist eine ganze Geschichte der Entzifferungsversuche möglich geworden, ohne daß man eigentlich zu irgend welchem verlaßbaren Ergebnisse gekommen wäre. In früherer Zeit, ehe man noch die Methode und Hülfsmittel der vergleichenden Sprachforschung kannte, die bereits so Staunenswerthes geleistet hat (z. B. die Entzifferung der Keilschriften), verstand es sich eigentlich von selbst, wenn Erklärungsversuche unbekannter Sprachen nicht geriethen, oder nur unbedeutende Bröckelchen des Sinnes errathen wurden. Man hatte, wie gesagt, nicht das Instrument dazu, welches vornehmlich in einer genauen Kenntniß der Lautlehre besteht, und welches aus einzelnen festeren Erscheinungen allgemeine Lautgeseße abftrahiren läßt. Lanzi schrieb im vorigen Jahrhundert seinen „,,Saggio della Lingua Etrusca", worin er eine recht gute und umfangreiche Zusammenstellung aller bis dahin gefundenen, meist sehr kurzen und einförmigen Inschriften gab und fie, so weit möglich, zu deuten suchte. Natürlich konnte er nichts thun, als nach Aehnlichkeiten mit griechischen und lateinischen Wörtern suchen und den Sinn manches öfter vorkommenden Wortes aus anderen Spuren errathen. So kehrt auf Weihgeschenken öfters der Ausdruck turke nach Eigennamen wieder; also griechisch dedwonxe, er hat ge schenkt“; aivil ril, auf Grabsteinen stets mit Zahlzeichen verbunden, bedeutet vixit annos,,,hat so und so viel Jahre gelebt". Die Mehr zahl der italiänischen Etruskologen ist auf diesem Wege fortgegangen, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, daß man vor Allem erst auszumachen hätte, ob das Etruskische überhaupt mit Latein und Griechischem verwandt sei, und ohne alle Kritik blos nach Lautähnlichkeiten haschend. Dieses von Lanzi eingeschlagene Verfahren ist von Vermiglioli, Orioli, Coneftabile u. A. fortgesegt worden, während eine andere Schule, wenn man es so nennen darf, durch Lanzi, Janelli, Leudier, Tar.

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In Deutschland hat Otfried Müller in seinen ,,Etruskern" ausführlicher über die etruskische Sprache, wie sie sich nach den Denkmälern darstellt, gehandelt. Der besonnene, vorsichtig prüfende und seine Phantasie beherrschende Gelehrte kam zu dem Resultat, daß die etruskische Sprache durchaus keine Aehnlichkeit mit den benachbarten Sprachen zeige, und da es sich weder durch Griechisch, noch durch La. teinisch, noch durch das Keltische erklären lasse, so müsse man anneh men, die Etrusker hätten einen ganz besonderen Volksstamm für sich ge= bildet. Ebenso hat es der große Niebuhr ausgesprochen,,,daß in den Worten der tuskischen Inschriften auch durch die gewaltsamsten etymologischen Künste keine Analogie mit der griechischen Sprache oder dem ihr verwandten Stamm der lateinischen entdeckt werden könne, noch auch mit dem Oskischen eine solche statthabe und allem Anschein nachh jene Denkmäler auf immer ein todter Schaß sein werden.,,Mit diesen Ergebnissen hat sich die vorsichtigere Forschung begnügt, und heute lesen wir in den Geschichts-Handbüchern die nackte Behauptung, daß die Etrusker einen besonderen Volksstamm, wie z. B. die Basken, gebildet, als ausgemachte Wahrheit, obgleich D. Müller entschiedene Fehlschlüsse gemacht, namentlich aber aus der mangelhaften Orthographie Folgerungen auf das Wesen der Sprache gezogen hat, die sich durch einfache Thatsachen widerlegen. So soll das Etruskische der Media g, d, b entbehrt haben aber vereinzelte Denkmäler weisen auch diese Buchstaben auf, und der Vergleich der alt-umbrischen Schrift, die mit der etruskischen fast identisch ist, mit der neu - umbrisch - lateinischen, der D. Müller zur Hand war, konnte lehren, daß das mangelhafte Alphabet für k, g, t, d, p, b nur die drei Zeichen x, t und p hatte. Ebenso unrichtig sind seine Schlüsse in Bezug auf die Härte der Sprache, auf die Annahme eines häufigen Schwa u. s. w.; Thatsache ist, daß sich die Etrusker häufiger und gewaltsamer Abkürzungen bedienten, Nasenlaute ausließen u. s. w. So schreiben sie z. B. den auch römischen Namen Pomponius, den sie etwa Pompoñis ausgesprochen haben mögen, Pumpun, Pupni, Pupui, ebenso Petronius, Petrni, Petrui. - Hier wird s am Schluffe weggelassen, wie auch im älteren Latein, der Nasenlaut e fällt aus, o wird u geschrieben, weil kein Zeichen für o vorhanden ist u. s. w. Aus solchen höchst abgekürzt geschriebenen Grabschriften u. s. w. besteht aber der weitaus größeste Theil der Denkmäler. Was würden wir aber für ein Urtheil fällen, wenn uns das Latein nur meist in ähnlich abgekürzten Inschriften erhalten wäre, wie es deren so viele giebt, wenn man z. B. eine Inschrift, wie folgende: Cai. Carvil, deab, Matron. exvt. lubs, mert. für vollkommene lautliche Darstellung hielte? (Caius Carvilius deabus Matronis ex voto lubens merito). Nicht wahr, dieses Latein würde sehr etruskisch aussehen, exvt wäre ohne Schwa gar nicht auszusprechen; schließlich konnte man es aus dem Hebräischen deuten, namentlich wenn man die Punkte nicht berücksichtigt und Caica rvil, ildeab u. f. w. liest. - Ich habe eine ganze Anzahl von solchen kinnbackenbrechenden Laut - Verbindungen gesammelt zur Hand: mrncl, sraucts, mealchise, methimuuphtsc, trutnot, tprathn u. f. w., Laute, die allerdings einen berühmten slavischen Gelehrten besonders anheimeln mußten.

Es gebührt Lepsius das Verdienst, zuerst darauf hingewiesen zu haben („über die tyrrh. Pelasg.“), daß einige etruskische Denkmäler eine verhältnißmäßig weiche und wohlklingende Sprache zeigen, und daß ferner unzweifelhafte Anklänge an das naheliegende Umbrische vorhanden sind. Auch Schwegler in seiner römischen Geschichte notirt Einiges in Endungen und sonstigen Spuren, die Verwandtschaft mit dem Umbrisch-Lateinischen verrathen.

So weit ist also die kritische Philologie gekommen; die patriotische Philologie hat größeres Glück gehabt und ist gewöhnlich im Stande gewesen, alle Denkmäler, vom ersten bis zum legten, zu entziffern. Welche Befriedigung nicht sowohl für den Deutschen, als vielmehr für den Leutschen, in den alten Bewohnern des Arno - Thales urdümmliche Wodansdiener mit langen Bärten und treuen germanischen Herzen zu entdecken und über die Brücke der Jahrhunderte an das Herz zu brücken; welche Freude für den patriotischen Tschechen, das liebliche krk, étwrt, prst und ähnliche Euphonieen bereits aus dem Munde der alten slavischen Stammbrüder jenseits der Apenninen zu vernehmen und daraus für die Zukunft zu prognoftiziren! Wie erfreulich für den unter dem Joche der hartherzigen Engländer schmachtenden Jren, seinem unterdrückten Volke den Glanz zu verleihen, der aus so alter, Wie gesagt, Jeder finedler Verwandtschaft zu entspringen scheint! det, was er sucht, und Jeder sucht das, was er nicht suchen würde, wenn er einen vernünftigen Begriff von Wissenschaft befäße. — Ein patriotischer Baske würde baskisch, ein für sein Volk eingenommener Litauer litauisch herausfinden, und so nach Belieben, Magyar, Albanefer, ja warum nicht Odschibwah oder Irokese? Es wird Alles seine Gläubigen finden. Will man eine Probe aus dem Deutschen? Auf einer kleinen Bildsäule, die einen geharnischten Krieger vorftellt, der

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