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Die Fortschritte, die man in neuerer Zeit in der Kunst, die Let tern, die Vignetten, die Arabesken und überhaupt die Verzierungen aller Art zu graviren und zu gießen, gemacht hat, sind der Buchdrucker, kunst natürlich auch zugute gekommen. Die von den Graveuren und Schriftgießern ausgestellten Gegenstände beweisen, daß man seit der Ausstellung von 1849 sich mehr und mehr hat angelegen sein laffen, in den Formen den Gefeßen des guten Geschmacks, von denen vor zwölf bis funfzehn Jahren einige Herausgeber von Büchern sich zu entfernen sich haben einfallen lassen, zu entsprechen. Vorzugsweise verdient der geschickte Graveur Herr Derring, genannt zu werden; ihm verdankt die Typographie Verzierungen von untadeligem Geschmack. Im Jahre 1849 hob die Jury unter seinen Erfindungen auch die hervor, die Formen für die Drucklinien so einzurichten, daß man damit die mannigfaltigsten Figuren zusammensehen kann. Auf der diesjährigen Ausstellung befindet sich ein Bild von Guttenberg, welches ein Schriftseßer, Herr Victor Moulinet, aus typographischen Linien zusammengesezt hat. Um dieses Bild zu Stande zu bringen, hat Herr Moulinet gegen 20,000 Stücke, von denen einige für das unbewaffnete Auge kaum wahrnehmbar sind, zusammensegen müssen. Das auf typographischem Wege zu Stande gebrachte Bild hat die Feinheit und Schönheit der besten Zeichnung.

Die Galvanoplastik gewinnt unter den der Typographie förderlichen Industriezweigen von Tag zu Tag mehr Bedeutung. In der gegenwärtigen Ausstellung begegnet sie uns in dieser Beziehung unter verschiede nen Gestalten. Der elektrische Strom dient z. B. dazu, eine in Blei abgenommene Platte mit einer Kupferlage zu versehen, die den Lettern eine größere Dauerhaftigkeit giebt; während man, um fünftausend bis sechstausend Exemplare irgend eines Schemas abzudrucken, die bleierne Platte mehrere Male erneuen muß, kann man mit Einer galvanisch verkupferten Bleiplatte noch viel mehr als so viele Exemplare drucken. Ferner wird die Galvanoplastik auch angewandt, um solche Zeichen, die sich gleich bleiben, wie die Poststempel, gleichzeitig in großer Anzahl zu Stande zu bringen. Auch die einzelnen Lettern hat man versucht galvanisch mit Kupfer zu überziehen. Die ersten Versuche dieser Art find in Nord-Amerika gemacht worden; sie haben aber wegen der zu großen Kosten und wegen des Umstandes, daß der Kupfer-Ueberzug den einzelnen Lettern eine verschiedene Dicke gegeben, bisher einen praktischen Nugen für die Typographie nicht gehabt. Ein Herr Siraffe, von dem Proben galvanisch verkupferter beweglicher Lettern zur Ausstellung gegeben find, hat sich Mühe gegeben, den beiden genannten Uebelständen abzuhelfen.

Man darf dreift behaupten: wenn die Typographie in der nächsten Zukunft große Fortschritte machen wird, so wird sie dieselben der Anwendung der Elektrizität und der des Lichts verdanken; denn neben der Galvanoplastik gewinnt auch die Photographie immer mehr Bedeutung für die typographische Druckkunft.

Eroberungen dieser Art, weit entfernt, die Kunst, auf deren Koften fie gemacht werden, zu beeinträchtigen, tragen vielmehr in den meisten Fällen dazu bei, fie zu bereichern. Ein Beispiel bietet die Lithographie dar, welche sich Manches von der Typographie angeeignet hat; die legtere hat aber dadurch nicht verloren, sondern gewonnen. Bekanntlich besteht die Kunst der Lithographie darin, eine Schrift oder eine Zeichnung von einer Steinplatte, auf die sie verkehrt gezeichnet ist, auf Papier abzudrucken. Beim lithographischen Druck kömmt es besonders in Betreff der Zeichnungen darauf an, daß das Original vollkommen treu und genau, ohne Härte und ohne Verschwommenheit, wiedergegeben werde. Die Pariser Ausstellung enthält Proben lithographischen Druckes von bewundernswerther Schönheit. Auch die Lithographie in Farben bietet Leistungen dar, die Staunen erregen. In den auf diese Weise abgebildeten Pflanzen, Kirchenfenstern, Wappenschildern u. s. w. sind die Farbentöne so schön, wie vom tüchtigsten Maler, wiedergegeben.

Zum Schluß wollen wir hier noch die auf der Ausstellung ebenfalls vertretene Kunft des farbigen Stahldrucks erwähnen, eine Kunst, die auch als die „Gravirkunft mit vier Platten“ bezeichnet wird, weil man in ihr vier Stahlplatten anwendet, von denen jede ihre Farbe hat: die eine das Gelb, die andere das Blau, die dritte das Roth, die vierte das Schwarz. Durch die Mischung dieser vier Farben werden die mannigfaltigsten Farben und Farbentöne hervorgebracht. Mittelst dieser Kunst, die in neuer Zeit sehr vernachlässigt worden ist, können Aquarell-, Del-, Sepia-Gemälde und Bleistift-Zeichnungen sehr billig und so treu wiedergegeben werden, daß es selbst einem Kenner nicht ganz leicht wird, das Abbild vom Original zu unterscheiden. Es ist diese Kunst eine von denen, die sich der allgemeinen Beachtung dadurch empfehlen, daß sie die Kenntniß der Kunstwerke und dadurch die Bildung allgemein zu machen sehr geeignet sind.

Holland.

Die Entwäfferungswerke in Holland und die Trockenlegung des Harlemer Meeres. (Schluß.)

Im Monat April des Jahres 1804 begab sich eine Kommission von Holland nach England, um die dort zur Entwässerung angewandten Dampfmaschinen zu prüfen. Es ist bekannt, mit welchem Erfolg man in England Dampfmaschinen angewandt hat, um aus den tiefsten Bergwerken das Wasser herauszuschaffen; aber alle Maschinen und Methoden, die man bisher hier angewandt hatte, waren zu dem Unternehmen, das Harlemer Meer auszuschöpfen, nicht anwendbar; man brauchte ein ganz neues System von Maschinen. Nach einigen Versuchen war der neue Apparat in seinen Grundzügen festgestellt. Man gab ihm zum Andenken an den, der zuerst die Trockenlegung des Harlemer Meeres angerathen hatte, den Namen: Leegh-Water. Man begann mit diesem Leegh-Water allein am 7. Juni 1848 das große Wert. Zwei andere Maschinen wurden. dann noch hinzugefügt. Gegenwärtig ist die Trockenlegung des Harlemer Meeres eine vollendete Thatsache. Wir waren vor kurzem an Ort und Stelle und überzeugten uns, daß das gefährliche Binnenmeer nicht mehr existirt. Der Leegh-Water war noch in Thätigkeit, aber nur, um das Wasser eines kleinen Baffins, eines leßten Ueberrestes des Harlemer Meeres, fortzuschaffen. Das Gebäude, in welchem die Maschine aufgestellt ist, ist ein runder, mitten im ehemaligen Harlemer Meere, auf einem Walde von eingerammten Pfählen stehender Thurm. An den Thurm lehnt sich ein viereckiges Gebäude für die Dampfkessel. Die einzelnen Stücke des Leegh-Water find zum Theil von einer Größe, wie sie bisher in der Welt der Mechanik nicht dagewesen sind. Seine Bewegungen sind so in einander eingreifend, daß man ihn einem koloffalen lebenden Wesen vergleichen möchte. Eilf mächtige Saugepumpen, die zur Seite des Thurms stehen, geben ihm das Ansehen eines riesigen Polypen, der beschäftigt ist, die Waffer des Sees zu verschlingen.") Die aus dem Meere zu Tage geförderten Ländereien, die nur erst angedeuteten Wege, über denen man vor kurzem noch zu Schiffe fuhr, die Vögel, die hier singen, wo vor furzem noch die Fische schwammen, alles dies macht einen seltsamen Eindruck. Wir sahen Waffervögel über der Gegend hin- und herfliegen, die mit dem Frühjahre gekommen waren, um den von ihnen früher be suchten See wieder zu finden. Die armen Thiere schienen sich zu fragen, ob sie den Kopf verloren hätten oder ob die Natur verrückt geworden wäre. Der Mensch hat dieses Wunder bewirkt; unter seinem Hauche verschwinden gegenwärtig die Meere! Es sind achtzehntausend Hektaren Land gewonnen worden. Dieses Land ist noch wüst und leer, wie der Erdboden Europa's erscheinen würde, wenn drei Jahrhunderte lang eine allgemeine Fluth darüber gestanden hätte. Die Kultur fängt hier wieder auf einer Wüste an und sie beginnt wieder mit der Arbeit. Wir sind hier mehr als einem Robinson begegnet, der damit beschäftigt war, sich eine Erdhütte zu bauen. Andere provisorisch von Brettern oder von Stroh gemachte Hütten kündigten die Rückkehr des Hirtenlebens in diesen Gegenden an, die einst schon von Menschen vollständig angebaut waren. Von den vom See verschlungenen Dörfern hat man keine Spur gefunden. Man hoffte auf dem trockengelegten Boden des Sees Münzen, Medaillen, Kunstwerke und Trümmer von den zu Grunde gegangenen Schiffen zu finden. Bis jezt hat man dergleichen wenig gefunden, aber der Ackerbau, der diese Ländereien nun in Besit nimmt, wird andere Reichthümer zu Tage fördern. Die Versuche, die man mit der Bebauung des dem Waffer abgewonnenen Landes bereits gemacht, haben die Erwartung übertroffen. Man hat Raps angebaut, eine Pflanze, die man in den trockengelegten Polders immer zuerst anbaut; die erste Aerndte ist sehr befriedigend gewesen, und man hofft, daß die zweite es nicht weniger sein wird. Gegenwärtig ist der größte Theil des Bodens ganz gelb von Blumen; man hat Bienen herbeigebracht, welche die Blumenfelder ausbeuten sollen. Die Wohnungen waren bis jeßt ohne Ordnung angelegt, und die Ländereien noch nicht abgetheilt. In Bezug auf einige Kinder, die zufällig in diesen Hütten schon geboren wurden, war man in Verlegenheit, welcher Gemeinde man dieselben zuzählen sollte. Gegenwärtig ist das Land schon vermeffen und abgetheilt; es werden schon Dörfer und Kirchen gebaut; Kanäle, Straßen, Alleen werden der Einförmigkeit, welche die Gegend jezt noch hat, bald ein Ende machen. Man hat hier eine entstehende Welt vor Augen. In einigen Jahrzehnten werden die Kinder, deren Geburtsstätte vor sechs Monaten auf der Landkarte noch nicht zu finden war, die Bewohner einer reichen Gegend, vielleicht die Eigenthümer von Meierhöfen sein, deren Kühe

*) Während der neununddreißig Monate, welche die Ausschöpfung des Hatlemer Meeres gedauert, haben die Maschinen 924,266,112 Kubik-Mètres Wasser ausgeschöpft und 25,789,920 Kilogrammes Steinkohlen konsumirt.

des Abends von der fetten Weide mit milchgeschwellten Eutern heim- lich werden alle Eivilisationen des alten Europa noch Zeit haben, sich kehren werden.

Die Dampfkraft wird in dem landschaftlichen Aussehen Hollands eine große Umgestaltung hervorbringen. Zur Entwäfferung der kleinen Polders wird der Wind als bewegende Kraft beibehalten werden, aber zu allen größeren Entwässerungs-Arbeiten wird man die Dampfmaschinen anwenden; die Windmühlen werden seltener werden. Es sind schon mehrere Projekte zur Entwässerung größerer Flächen durch Dampfmaschinen gemacht worden. Das Legmeer, ein dem Harlemer Meer ähnlicher See, der eine Fläche von 2400 Hektaren bedeckt, soll in Wie fenland verwandelt werden. Die vier Millionen Thaler, die zu diesem Unternehmen nöthig sind, werden zusammengebracht werden. Eine noch kühnere Idee, die auch schon auftaucht, ist die: den Zuidersee trocken zulegen. Viele sehen diese Idee als überspannt an; aber nach den neuesten Fortschritten der Industrie, nach der Entdeckung der Dampf kraft, nach der Entwässerung des Harlemer Meeres darf man ein folches Projekt nicht mehr für unausführbar halten, wenn auch die Schwierigkeit hier größer sein wird, als bei dem Harlemer Meer. Dieses nämlich war eine von allen Seiten bereits eingeschloffene Waffermaffe, während der Zuidersee durch eine breite Mündung mit der Nordsee in Verbindung steht. Man müßte den Zuidersee, bevor man daran ginge, ihn auszuschöpfen, erst durch Deiche von der Nordsee absperren. Die Herstellung eines solchen Polder würde bei den Waffermassen, die gegenwärtig in dem Golf strömen, ungeheure Schwierigkeiten haben; aber für unüberwindlich dürfen wir die Schwierigkeiten nicht halten. Haben die Holländer in aller Ruhe einen Plan gefaßt, so schrecken sie, wenn die Zeit zur Entscheidung gekommen ift, vor keinem Hinderniß zurück. Die Entwässerungs-Unternehmungen haben für sie ein zu großes Intereffe. Die Sicherheit des Landes hängt von dem Eifer ab, mit dem die Bewohner sich solchen Unternehmungen widmen. Durch solche Seen hat der Ocean, so zu sagen, einen Fuß im Lande. Wasserbassins, wie der Harlemer See, trocken, legen heißt: den Feind aus dem Lande treiben. Auch aus Gründen der Politik wird Holland das Entwässerungs-System weiter treiben müssen. Die Wiedergewinnung von Landestheilen, welche die Gewäffer ihm geraubt haben, ist für Holland eine Nothwendigkeit. Ein Land, welches übervölkert zu werden und welchem es an Land zu fehlen anfängt, giebt sich das, was ihm die Natur versagt hat, wenn es seine Industrie dazu anwendet, sich zum Range der ersten Mächte zweiter Ordnung zu erheben. Der Stamm der alten Bataver hat durch Krieg, durch Schifffahrt, durch Handel Eroberungen in allen Theilen der Welt gemacht. Die modernen Holländer haben nicht mehr nöthig, neue Kolonieen auf fernen Meeresküsten zu gründen. Dieses industrielle, tüchtige Volk, dessen Vorfahren der Schrecken auf den Meeren gewesen, wird künftig in den Entwässerungs-Maschinen die Hülfsmittel finden, die es ehemals in dem Glanz seiner Waffen gesucht hat. Ein holländischer Geograph gab schon vor zwei Jahrhunderten feinen Landsleu, ten den Rath, ihr Land zu vergrößern, ohne seine Gränzen zu erweitern: Quis furor, o Batavi, peregrinas quaerere terras? Ecce alio terram littore quaeris: habes.

Die holländische Industrie hat eine Sumpfwüßte in eines der besten Länder der Erde umgewandelt. Wem soll das Land gehören? dem Meere oder den Flüffen? Der Mensch muß es in Holland fortwährend sich erringen und sichern. Troß allen durch die Industrie errungenen Erfolgen zeigen sich manche Geologen über die Endresultate dieses siegreichen Kampfes keinesweges ganz sicher. Holland, sagen sie, ist dem Meere abgewonnen, aber es ist eine Eroberung, welche das Meer früher oder später wieder zurücknehmen wird. Diese Ansicht wird durch Thatsachen begründet, von anderen bestritten. Wenn man den bisherigen Verlauf der Dinge im Auge hat, ist man mehr zum Vertrauen, als zur Besorgniß geneigt. Die Naturkräfte nehmen nicht zu, während die Summen der Mittel, ihnen entgegenzuwirken, überall und besonders in Holland, mit der Dampfkraft, mit den Fortschritten der mecha, nischen Künfte, mit der Fortentwickelung der Wissenschaften von Tag zu Tag im Zunehmen begriffen ist. Der Sieg scheint also nicht zweis felhaft. Ein einziger geologischer Umstand könnte alle Berechnungen zu Schanden machen; es ist der, auf den die Pessimisten hinweisen: - der Umstand, daß, nach der Ansicht des Herrn Elie de Beaumont, der Boden Hollands in einer langsamen fortwährenden Senkung begriffen ist. Nachgrabungen, die in Amsterdam, in Rotterdam und an den Ufern des Zuidersees unternommen worden sind, beweisen, daß das Land, an diesen Punkten wenigstens, unter das frühere Niveau herabgesunken ist. Diese Thatsache hat zu der Annahme geführt, ganz Holland werde einst wieder vom Meere begraben werden. Man darf aber die Gefahr nicht für so groß halten. Erstlich gehen die Naturveränderungen nicht mit solcher Schnelligkeit vor sich, wie die menschlichen Schöpfungen und die politischen Umgestaltungen. Wahrschein

auszuleben, bis Holland im Meere seinen Untergang finden wird. Zweitens dürfen wir hoffen, daß der menschliche Geist in demselben Maße, wie die Gefahr, zunehmen, d. h. Mittel gegen die Gefahr finden wird. Die Jnsel Atlantis würde aller Wahrscheinlichkeit nach vor dem Untergange bewahrt worden sein, wenn die Bewohner dieser Insel (die wohl nur ins Reich der Fabel gehört) alle die mechanischen Kräfte in ihren Diensten gehabt hätten, über welche die modernen Civilisationen verfügen. Und Holland würde längst das Schicksal der Atlantis gehabt haben, würde längst aus der Geschichte verschwunden sein, ohne die Kenntnisse seiner Ingenieure und ohne die riesigen Werke und die bewundernswerthen Wälle, durch welche dieses Land sich gegen die Gewässer geschüßt hat. Wenn der Erdboden sich senkt, so erhebt sich der menschliche Geist und seht den Kampf fort. Man kann Holland mit einem Schiffe vergleichen, welches ohne die beharrlichen Arbeiten und ohne die unermüdliche Sorgfalt seiner erfahrenen Seeleute längst überall Wasser geschöpft haben würde. Gehalten von solchen Händen, behauptet es sich nun schon die ganze geschichtliche Zeit hindurch und wird fich ohne Zweifel noch lange auf einer hohen Stufe maritimer Macht und kommerzieller Größe behaupten.

Mannigfaltiges.

Moredun. Die Literary Gazette vom 29. September bringt ein neues Schreiben des Herrn E. de St. Maurice Cabany in Paris,®) der den Roman „Moredun“ nach einer angeblich von Walter Scott herrührenden Handschrift herausgegeben. Derselbe versichert von neuem die Wahrheit der von ihm gemachten Angaben, zu deren Bestätigung er das in seinen Händen befindliche Manuskript dem British Museum übersenden will, wo es von Jedermann wird geprüft werden können. Gleichzeitig theilt er ein ihm zugegangenes Schreiben eines Engländers mit, der mit Herrn Morritt von Nokeby-Park, einem nahen Freunde Sir Walter Scott's, und auch mit Letterem durch jenen bekannt war. Dieser will von Herrn Morritt erfahren haben, daß sich Sir Walter in Folge einer von ihm (dem Korrespondenten) gemachten Mittheilung in der That mit der Abfaffung eines Romanes beschäftigt habe, der den Stoff des „Moredun“, dieser „Erzählung aus dem Jahre 1210“, zum Gegenstand hatte. Der gedachte Korrespondent fügt hinzu, daß nach dieser Combination der „Moredun“, den er als ein überaus unterhaltendes und vortreffliches Werk bezeichnet, keine JugendArbeit Scott's, sondern erst in späterer Zeit von ihm verfaßt sein könne.

- Die Kaiserliche Bibliothek in Paris. Von Le Prince's historischem Handbuch über die Einrichtungen der Bibliothèque du roi hat der Direktor des historischen Kabinets, Herr Louis Paris, eine neue, vermehrte und verbefferte Auflage unter folgendem Titel herausgegeben:

,,Essai historique sur la Bibliothèque du roi, aujourd'hui Bibliothèque impériale, avec des notices sur les dépôts qui la composent et le catalogue de ses principaux fonds, par Le Prince. Nouvelle édition, revue et augmentée des Annales de la Bibliothèque, présentant à leur ordre chronologique, tous les faits qui se rattachent à l'histoire de cet établissement, dépuis son origine jusqu'à nos jours; par Louis Paris, directeur du cabinet historique."

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Baumwollen - Gewebe zum Gebrauche der Armee. Unter den französischen Waaren der Pariser Ausstellung bemerkt man auch eine neue Art von baumwollenen Stoffen, die seit einem bis zwei Jahren bei der französischen Armee in Gebrauch sind und die sich namentlich bei dem Heere in der Krim, während des vorigen Winters, von praktischem Rugen erwiesen haben sollen. Die Baumwolle wird jezt nämlich zur Anfertigung sowohl von Zeltlager- als von Bekleidungs, stoffen angewandt. Ein auf der Ausstellung befindliches Gewebe von kompaktem, kernigem Faden ist vielfach zur Herstellung von Zelten und ein anderer, zugleich solider und seidenartiger Stoff zu Soldaten» hemden verwendet worden. Viel wohlfeiler, als die Leinenstoffe, bieten die Baumwollen-Gewebe neben den ihnen eigenthümlichen Vorzügen doch auch die Eigenschaften der ersteren dar. Die Fabrik von J. Levavasseur in Rouen hat diese neute Art von Baumwollen-Stoffen in mannigfaltigen Proben, die von vortrefflicher Arbeit sind, auf die Ausstellung geliefert. Es befinden sich darunter auch Baumwollen-Gewebe für Schiffssegel, zu deren Anwendung man sich anfangs nicht leicht entschließen konnte, doch haben sich dieselben seitdem ebenfalls sehr praftisch bewiesen. Rouen versendet jegt sogar schon baumwollene Segelstoffe nach Amerika.

*) „Directeur Général de la Société des Archivistes de France".

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 Sgr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 131.

für die

Bestellungen werben von jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstr. Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwall fir. Nr.21), so wie von allen königl. Poft-Aemtern angenommen.

Literatur des Auslandes.

Frankreich.

Berlin, Donnerstag den 1. November

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Nach ziemlich langen Unterhandlungen zwischen den französischen Behörden und den Kommiffären der auswärtigen Regierungen, ist der Schluß der Industrie-Ausstellung endlich auf den 15. November festgesezt worden. Die französische Regierung wollte die Ausstellung bis zum ersten Dezember verlängern, und die Vertheilung der Preise würde dann wahrscheinlich am Jahrestage des Staatsstreiches statt gefunden haben. Diesem Wunsche stellten sich jedoch zwei Schwierigkeiten entgegen: Alle Gegenstände, die im Industrie-Palaste verkauft worden waren, sollten zu Ende des Monats Oktober abgeliefert werden. Da ihre Anzahl bedeutend ist und viele derselben in die Hände von Spekulanten kommen, die sie zum Wieder-Verkaufe benugen, so mußte man den Ablieferungs-Termin so viel als möglich einhalten. Außerdem machten die Kommissäre die Bemerkung, daß das Geschäft des Einpackens vier bis sechs Wochen in Anspruch nimmt, und daß die Waaren so mitten im Winter an ihre Bestimmungsorte versendet werden müßten, wo alsdann Schnee und Eisgang den Transport sehr erschweren würden. Man näherte sich daher gegenseitig, gestattete die Rücknahme der verkauften Waaren am 1. November und beschloß, daß die Preis-Vertheilung am 15ten stattfinden solle. Die Berathungen der Kommissäre haben bei Herrn Baron James von Rothschild stattgefunden, da der österreichische General-Konsul zugleich auch GeneralKommissär der österreichischen Ausstellung ist.

Werfen wir einen Blick auf die sechsmonatliche Geschichte des Industrie-Palastes, so werden wir finden, daß er sich fast wie ein organischer Körper entwickelt hat. Vor ihrer Eröffnung viel gepriesen, während ihres Wachsens viel getadelt, erreichte die Industrie-Ausstellung ihren Glanzpunkt während des denkwürdigen Besuches der Königin von England, und jezt geht sie langsam ihrer Auflösung entgegen. Die Theilnahme an ihr war eine außerordentliche, und zwar sowohl von Seiten der Aussteller wie der Besucher, und wenn die Actionaire des Industrie-Palastes mit der Anzahl der leßteren nicht zufrieden find, so beweist dies eben nur, daß man Spekulanten überhaupt schwer befriedigen kann. Das Sinken der Actien des Industrie-Palastes kömmt übrigens keinesweges ausschließlich von zu geringem Besuch, es kömmt zum Theil auch daher, daß der französische Markt gesuchtere Papiere darbot.

Ich habe zur Zeit in diesen Blättern keine besondere Beschreibung von dem Besuche der Königin von England in Paris geliefert, weil die deutschen Zeitungen ohnehin mit Berichten der Art überfüllt waren. Dahingegen möchte ich nachträglich noch eine Vorstellung da von geben, wie Paris zu dieser Zeit ausgesehen und wie es sich seitdem wieder allmählich in seine alte Physiognomie hineingearbeitet hat. Ich gestehe gern, daß ich immer zu den Zweiflern gehört habe, wenn man von einer Ueberfüllung von Paris sprach. Die Stadt ist nicht allein ungeheuer groß, sondern sie ist gleichsam auch elastisch. Man kann, wenn in dem Mittelpunkte der Stadt kein Plaß mehr ist, nach mehr oder weniger entlegenen Vorstädten gehen und sich bei PrivatPersonen einquartieren, von denen Tausende ihre Wohnungen vermie then wollten. Während der zehn Tage der Anwesenheit der Königin Victoria find nun aber alle meine Berechnungen zu Schanden geworden. Es sollen während dieser kurzen Zeit nicht weniger als sechshunderttausend Fremde nach Paris gekommen sein; da sie sich aber nur kurze Zeit aufhielten, so stiegen sie meistens in Gasthöfen ab, so

1855.

daß diese fortwährend überfüllt waren, während die größeren Wohnungen, welche man nur auf längere Zeit vermiethet, leer blieben. An den Centralpunkten, auf den Boulevards, im Palais-Royal, an den Theatern war das deutsche und franzöfifch-provinzialistische Element vorwiegend. Dann war am auffallendsten das Gewimmel der Spanier und Süd-Amerikaner; die Engländer fielen vielleicht darum weniger auf, weil man in Paris deren immer eine große Anzahl zu sehen gewohnt ist.

Höchst charakteristisch war der verhältnißmäßig kühle Empfang der Königin von England. Augenzeugen, die kurz vorher dem Empfange Napoleon's III. in London beigewohnt hatten, versicherten, daß sie das englische Volk nie in einem ähnlichen Rausche gesehen. Von Rausch oder Enthusiasmus war unter den Franzosen keine Spur. Sie empfingen die Königin achtungsvoll; aber sie schrieen und jubelten nicht. Ueberhaupt liegt das Lärmmachen auf der Straße weit weniger in ihrer Natur, als man im Auslande zu glauben scheint. Auch ist das englische Königthum den Franzosen etwas Abstraktes; sie begreifen diese Verehrung für die Personification des Gesezes nur halb, und ich bin fest überzeugt, daß der Empfang ein anderer gewesen sein würde, wenn der als Gast empfangene Souverain selbst eine große Persönlichkeit gewesen wäre oder eine bedeutende Geschichte hinter sich gehabt hätte. Wenn man die ganze Wahrheit sagen will, so darf man auch nicht verschweigen, daß die Franzosen sich während der Anwesenheit der Königin von England des Eindruckes nicht erwehren konnten, daß England es ist, welches Frankreich viel schuldet, während Frankreich England weit weniger zu Dank verpflichtet ist.

Der merkwürdigste Auftritt bei dem Besuche der Königin war offenbar folgender: Man sprach fortwährend davon, daß sie auch das Grab des Kaisers Napoleon im Invaliden-Dome besuchen würde. Ein großer Theil der Pariser wollte jedoch nicht an einen die Situation so scharf bezeichnenden Akt glauben, und wirklich entschloß sich auch die Königin erst am letzten Tage dazu. Die Sonne ging bereits unter, als sie im Invaliden-Dom vor das Grab des Kaisers trat. Man holte Fackeln herbei, und die Orgel dankte im Namen des versöhnten Geis stes von St. Helena durch ein feierliches „God save the Queen".

Der englische Hof ist nicht eben besonders reich. Die Einkäufe und Spenden der Königin waren verhältnißmäßig gering, und da fie während ihrer Besuche im Industrie-Palaste nicht jeden einzelnen der Herren Aussteller ansprach, so fand der Voltairianische Franzosen-Geift mannigfachen Stoff zu Kritik und unpassenden Sarkasmen.

Nach der Abreise der Königin war der belebteste Moment der Ausstellung der, an welchem der statistische Kongreß in Paris zusammenkam. Er war bekanntlich eine Fortsegung des vor zwei Jahren in Brüffel eröffneten Kongreffes; aber die französische Regierung schien ihm eine ganz besondere Wichtigkeit beizulegen. Unter den Aufpizien des Bureaus für die allgemeine Statistik Frankreichs war ein Programm ausgearbeitet worden, das für sämmtliche statistische Arbeiten in allen Ländern einen und denselben Rahmen vorschlug. Der Minifter für Handel und öffentliche Arbeiten, Herr Rouher, hatte diesem Programm eine außerordentliche Sorgfalt zugewendet, und der Chef des statistischen Bureaus, Herr Legoyt, ein ausgezeichneter Gelehrter, hatte die nähere Ausarbeitung deffelben übernommen. Die meisten Regierungen hatten Abgeordnete hierher gesendet, und außerdem waren Staatsmänner, Gelehrte und Journalisten aus allen Theilen der Welt zu diesem Kongresse nach Paris gekommen. Das Ministerium ließ für die Sigungen den Saal des Corps législatif einräumen, und Herr Rouher eröffnete den Kongreß gerade an dem Tage, an welchem die Nachricht von der Einnahme von Sebastopol in Paris eintraf. Nach dem französischen Programm wurde der Kongreß in vier Sectionen getheilt. Der ersten Section fielen zu: die nosologische Tabelle der Todesfälle, die Statistik der Geisteskrankheiten, die der Epidemieen und der Unfälle. Für die zweite Section waren bestimmt: die Stati stik des Ackerbaues, die der Wege und Eisenbahnen, die des auswär tigen Handels. Der dritten Abtheilung gab man: die Statistik der Civil-Justiz, die Tabelle der Verbrechen und Vergehen, die von der

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Strafgesehbuch der verschiedenen Länder als solche erklärt worden, und die Statistik der Straf-Anstalten. Die Aufgabe der vierten Abtheilung endlich war: die Statistik der Wohlthätigkeits-Anstalten und die der großen Städte.

Jedes Mitglied hatte bei seinem Eintritte in den Kongreß zu bestimmen, welcher Section es angehören wollte, ohne darum verhindert zu sein, an den Arbeiten mehrerer Sectionen Theil zu nehmen. Das französische Programm wurde mit geringen Modificationen angenom men, und die Verhandlungen selbst waren, aufrichtig gestanden, trocken und unbedeutend. Die Hauptsache wäre, daß die in den civilisirten Ländern existirenden statistischen Bureaur sich wirklich unter einander verständigten, um ein einheitliches, statistisches Verfahren anzunehmen. Die Fortschritte, welche die Wissenschaft dadurch machen würde, find unberechenbar. Aber von der Annahme eines Programme zur Ausführung desselben ist noch ein weiter Weg, und erst bei der nächsten Sigung des Kongresses, für welche der Ort übrigens noch nicht bestimmt worden ist, wird man die Fortschritte dieses Unternehmens beurtheilen können. Der Kaiser empfing die sämmtlichen Mitglieder in den Tuilerieen, und der Minister gab ihnen an demselben Abende eine Soirée. Die Abgeordneten der verschiedenen Regierungen find vor einigen Tagen durch die Verleihung des Ehrenlegion-Ordens ausgezeichnet worden.

In einer der Sigungen des statistischen Kongresses machte ein Mitglied den Antrag auf eine Propaganda zur Herstellung eines ein heitlichen Maaß-, Gewichts- und Münz-Systems in allen civilisirten Ländern. Dieser Antrag wurde im Kongreß nicht angenommen. Kaum war dieser aber aufgelöst, als sich in Paris eine Gesellschaft zur Ausführung dieses Programms bildete. Einer ihrer Gründer ist der junge Lord Ebrington, Mitglied des englischen Parlamentes. Das Publikum war nicht wenig überrascht, zu hören, daß Herr Baron James v. Rothschild den Vorsiß dieser Gesellschaft übernommen hatte. Ich war als Mitglied des Kongreffes auch bei den Versammlungen dieser Gesell. schaft gegenwärtig und bewunderte im Stillen die unaufhaltsam sich entwickelnden Ideen der Zeit, als Herr Baron v. Rothschild, dessen Vorsiz als österreichischer General-Konsul und General-Kommiffär der Ausstellung eine desto größere Bedeutung hatte, eine Antritts-Rede hielt, in welcher er die Hoffnung aussprach, daß es bald auch zu der Annahme einer allgemeinen Sprache für den Handel kommen Intereffant war bei dieser Gelegenheit die Beobachtung des Unterschiedes zwischen den Rollen Oesterreichs und Preußens. Defter reich ist ohne viele Umstände auf das Programm der,,Association pour l'unité des poids, mesures et monnaies" eingegangen. Ob es dieses Programm so bald wird ausführen können, ist eine andere Frage. Preußen hat dagegen durch seinen General-Kommiffär, Geheimen Rath v. Viebahn erklären laffen, es könne sich vor der Hand nicht bei der Gesellschaft betheiligen. Und doch hat Preußen bereits einen Schritt mehr zur Ausführung dieses Programms gethan, als Desterreich: es steht auf dem Punkte, das metrische System für die Gewichte anzunehmen, wohingegen es auf die Annahme des Dezimal-Systems für Maß und Münze für den Augenblick nicht eingehen will. Dieses Zurückhalten Preußens, gegenüber der gefälligen Miene Oesterreichs, hat hier natürlich wieder viel Aufsehen gemacht.

würde.

(Schluß folgt.)

Die Memoiren des Lieutenants Bellot.
(Schluß.)

,,13. Oktober. Wir sind schon zurück, nach einem höchft bedauernswerthen Ünfall, über den ich mich noch nicht trößten kann, da er lang genährte Hoffnungen vereitelt. Heute Morgen um drei Uhr waren wir zum Aufbruche bereit und um fünf erreichten wir das erste Vorgebirge der Bai; das Thermometer, welches zwei Grad zeigte, versprach uns eine ziemlich bequeme Reise; die Luft war klar, und das Eis, wenigstens längs dem Ufer, war überall glatt und leicht zu überschreiten. Die Laft des Schlittens war unseren Hunden so wenig hinderlich, daß wir uns in Trab seßen mußten, um mit ihnen Schritt halten zu können; denn sie zurückzuhalten war unmöglich. Bei SonnenAufgang, etwas nach sieben Uhr, waren wir an der Gränze unseres Ausfluges vom Sten dieses Monats angekommen. Zwei Meilen weiter erregte der Anblick einer offenen Stelle am Ufer Besorgniß über den Fortgang unserer Reise; da wir uns jedoch am Fuße einer mit Schnee bedeckten Schlucht befanden, so befchloffen wir, die Spuren zweier Bären zu verfolgen, die wir auf dieser Schneedecke bemerkten und die uns wirklich über den festesten Theil der gefrorenen Oberfläche führten. Ich faßte neue Hoffnung, als wir, nach Ueberwindung dieses ersten Hindernisses, das Eis in einem so günstigen Zustande fanden, daß wir unseren Weg mit der früheren Schnelligkeit fortseßen konnten. Der Matrose, der unsere Vorhut bildete, vermochte den Hunden nicht

nachzukommen, so schnell er auch lief, und wenn er sie einmal einholte, galoppirten sie rasch weiter und ließen ihn hinter sich. Ich hatte die Absicht, den Schlitten und einen Mann in Elwin-Bai zurückzulaffen und den Rest des Weges mit so wenig Gepäck als möglich zu machen, um Port-Leopold unfehlbar am zweiten Tage zu erreichen. Um zehn Uhr, als ich mit einem der Leute etwa hundert Mètres von dem Schlitten stand, glaubte ich ihn umschlagen und Herrn Smith im Eise verschwinden zu sehen. Ich glaubte, daß er in eine Deffnung hineingefallen sei, und eilte ihm in dieser Ueberzeugung zu Hülfe, als Smith, der sich aufgerichtet hatte, mir zurief, daß das Eis unter mir breche, so daß ich kaum Zeit hatte, zurückzuspringen. Dieses nur zwei Zoll dickes Eis war mit geschmolzenem Schnee bedeckt, der uns die Gefahr vollständig verbarg. Da unser Gepäck und unsere Vorräthe nun ganz durchnäßt waren, so entschloß ich mich, augenblicklich nach dem Schiffe zurückzukehren, um sie zu trocknen; aber es ereignete sich ein zweites Unglück: die Eisscholle, auf welcher wir standen, hatte sich abgelöst und trieb mit der Fluth ins Meer hinaus, während wir damit beschäftigt waren, unsere Habseligkeiten zu retten. Glücklicherweise hatten wir uns dicht an das Land gehalten, und Herr Smith, der schon durchnäßt war, blieb noch ein paar Minuten im Wasser, wo es ihm gelang, einige Stricke und das Geschirr unserer armen Hunde loszuschneiden. Indessen war der größte Theil unseres Gepäcks, vier Büffelhäute, das Zelt, die tragbare Küche, die chirurgischen Instrumente unseres Doktors die einzigen am Bord des „,Prince Albert" — und der Schlitten, in die See hinausgetrieben worden. Es war keine Zeit zu verlieren. Die wenigen Sachen, die wir geborgen hatten, waren ganz von Seewaffer durchweicht, welches bald gefror und sie enorm schwer machte, und da es für uns von großer Wichtigkeit war, noch diese Nacht am Bord zu sein, weil man die Bewegungen des Eises nicht voraussehen konnte, so gab ich das Beispiel, mein Eigenthum im Stiche zu laffen. Um elf Uhr schlugen wir daher traurigen Muthes den Rückweg auf derselben Straße wieder ein, die wir vor wenigen Stunden voll Hoffnung und Zuversicht entlang gekommen. Die Hunde, die in voller Carrière davon gerannt waren, sobald wir sie von dem Schlitten befreit hatten, warteten auf uns in einer Entfernung von drei bis vier Meilen; aber mißtrauisch geworden, wollten sie uns nicht auf das Eis folgen, sondern ergriffen die Flucht. Wir glaubten indeß und, wie es sich zeigte, mit Recht, daß ihr Instinkt, namentlich der der Hündin, sie bald wieder nach dem Schiffe zurückführen würde. Um fünf Uhr fanden wir uns wieder bei unseren Freunden ein, die ohne Zweifel eine so schnelle Rückkehr nicht erwartet hatten, aber dem Himmel dankten, daß uns nicht ein größeres Unglück betroffen hatte und daß Alle zurückgekehrt waren."

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Mit der Ankunft des „,Prince Albert" auf der Disco-Insel schließt Bellot's während dieser Reise gehaltene Tagebuch. Von dem Wunsche beseelt, die begonnene Untersuchung fortzuseßen, und noch immer auf Erfolg hoffend, erhielt er im Sommer 1853 Erlaubniß, sich von neuem auf dem,,Phoenix", Capitain Inglefield, einzuschiffen, welches bestimmt war, der Expedition Sir Edward Belcher's Proviant zuzuführen. Es war auf dieser zweiten Fahrt nach den unwirthbaren Regionen des Polarmeeres, daß er seinen Tod fand. In der seinen Memoiren angehängten, von Herrn Julien Lemer verfaßten biographischen Notiz wird diese Katastrophe folgendermaßen dargestellt:

,,Capitain Inglefield hatte den „Phoenix" zwei Tage vorher verlaffen, um den Capitain Pullen aufzusuchen, der schon seit einem Monat von seinem Schiffe, dem „,North Star", das in der Erebusund Terror-Bai lag, getrennt war. Er hatte die Absicht, sogleich nach seiner Rückkehr Maßregeln zu treffen, um die Admiralitäts-Depeschen an Sir Edward Belcher zu befördern, was in der That zu den Hauptzwecken der Sendung des „Phoenix” gehörte. Da nun Capitain Pullen fich bald nach der Abreise Inglefield's wieder eingefunden hatte und Bellot wußte, wie viel auf die baldige Ablieferung jener Depeschen ankam, so hielt er, der stets bereit war, allen Gefahren zu troßen, es für seine Pflicht, die Rückkehr seines Chefs nicht abzuwarten. Nach einer Berathung mit dem Capitain Pullen, den er im Kommando beider Schiffe zurückließ, machte er sich am 12. Auguft, von dem Duartiermeister des „, North Star" und drei Seeleuten begleitet und einen Schlitten nebst einem Kautschuk-Kanot mit sich nehmend, auf den Weg.

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,,Man vermuthete Sir Edward Belcher im Wellington-Kanal, in der Nähe von Kap Belcher. Dem zufolge schlug die kleine Schaar diese Richtung ein, indem sie längs dem östlichen Ufer des Kanals marschirte. Nachdem sie den ersten Tag bis drei Meilen vom Kap Jnnis gekommen, machten die Fünf am folgenden Tage etwa drei Meilen vom Kap Bowden auf abgelöften Eisblöcken Halt. Dieses Kap verlaffend, mußten sie in der Nacht vom 14ten über eine vier Fuß breite Spalte im Eise seßen, was ihnen auch vollkommen glückte. Sie waren jeßt drei Meilen vom Lande, wo Bellot sein Nachtlager aufschlagen wollte und welches er in dem Kautschuk-Kanot zu erreichen versuchte; aber da er zweimal durch einen heftigen Sturm von Südost zurückgetrieben wurde, so beschloß er, den Versuch durch zwei von seinen Gefährten,

Harvey, den Quartiermeister des,, North Star", und Madden, erneuern zu lassen. Es gelang, und fobald die beiden Männer das Land erreicht hatten, befestigten sie ein Tau zwischen dem Schlitten und der Küste, vermittelst dessen drei Gepäckstücke hinübergeschafft wurden. Man war im Begriffe, es zum vierten Male zu versuchen, als Madden, der bis an den Leib im Waffer war, das Eis sich von dem Ufer ablösen und gegen die Mitte des Kanals in Bewegung seßen fah. Bellot rief ihm zu, das Tau fahren zu lassen: es kann noch Eine Anstrengung gemacht werden; die Hoffnung ist noch nicht verloren; allein die Bewegung des Eises ist so rasch, daß, ehe man etwas unternehmen kann, es sich schon in weiter Entfernung von dem Ufer befindet. Ich erstieg dann"", sagt Madden,,,,, den Gipfel eines Hügels, um ihnen nachzusehen, und bemerkte, wie sie vom Lande in das Meer hinausgetrieben wurden. Als ich sie aus dem Gesichte verlor, standen die Leute neben dem Schlitten, Herr Bellot aber auf der höchsten Spiße des Eisberges. In jenem Augen blicke wehte der Wind mit Heftigkeit von Südosten, und es fiel zu gleich Schnee."""

,,Auf dieser schwimmenden Eismaffe, die so von dem wüthenden Sturm nach Norden fortgeriffen wurde, befanden sich der unglückliche Bellot und zwei Matrofen, William Johnson und David Hook. Nachdem sie umsonst versucht hatten, das Zelt, mit welchem ihr Schlitten beladen war, als Obdach zu benußen, begannen sie zu diesem Zwecke mit ihren Meffern eine Höhle im Eise zu graben. Aber lassen wir Johnson reden; seine Aussage ist sehr einfach und eben dadurch höchft rührend.

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"Herr Bellot"", erzählt er,,,,,saß mit uns eine halbe Stunde im Gespräch, welches sich um unsere gefährliche Lage drehte. Ich sagte ihm, daß ich mich nicht fürchte, und daß die amerikanische Expedition in diesem selben Kanale von dem Eise hin- und hergetrieben wurde. Ich weiß es", erwiederte er,,,und wenn der Allmächtige uns schüßt, wird nicht ein Haar unseres Hauptes gekrümmt werden." Hierauf fragte ich Herrn Bellot, welche Zeit es sei. Etwa ein viertel auf neun", sagte er, packte dann seine Bücher zusammen und bemerkte, er wolle zusehen, nach welcher Richtung das Eis treibe. Er war kaum vier Minuten fort, als ich die Eiswand, unter welcher wir Schuß gefunden hatten, verließ, um ihn zu suchen; ich konnte ihn jedoch nicht sehen, und als ich an unseren Zufluchtsort zurückkehrte, bemerkte. ich feinen Stab auf der entgegengeseßten Seite einer etwa fünf Klafter breiten Spalte, um welche das Eis eingebrochen war. Ich rief: "Herr Bellot!" aber keine Antwort (um diese Zeit wehte es sehr stark). Hierauf suchte ich wieder ringsum, konnte aber nichts von ihm wahrnehmen. Vermuthlich wurde er, sobald er aus dem Schuße der Eiswand heraustrat, von dem Winde in die Spalte geschleudert, aus der er sich nicht wieder emporarbeiten konnte.""

Unter den im Nachlaß Bellot's gefundenen Papieren verdient auch folgendes Schreiben Erwähnung, welches er während seiner früheren Reise mit dem ,,Prince Albert", als er ein ähnliches gefahrvolles Abenteuer unternommen, an seine Familie gerichtet hatte. Es wurde damals nicht abgegeben, da der Brieffteller wider Vermuthen glücklich zurückgekehrt war, bildet jedoch einen schönen Beitrag zur Kenntniß feines liebevollen und hochherzigen Charakters. Das Schreiben lautet: Meine theuren und vortrefflichen Freunde! Wenn Ihr diesen Brief empfangt, werde ich aufgehört haben zu leben; aber der Tod wird mich in der Ausführung einer gefährlichen und ehrenvollen Mission ereilt haben. Ihr werdet aus meinem Tagebuche, welches Ihr unter meinen Effekten finden werdet, entnehmen, daß wir unseren Capitain und vier Mann nothgedrungen im Eise zurücklaffen mußten, um die Uebrigen zu retten; nachdem uns dies gelungen, waren wir also verpflichtet, jenen braven Leuten zu Hülfe zu gehen. Es ist möglich, daß ich kein Recht hatte, mich in eine solche Gefahr zu begeben, da ich weiß, wie nothwendig ich Euch in jeder Beziehung bin, aber mein Tod wird vielleicht den verschiedenen Mitgliedern meiner Familie die Achtung der Menschen und den Segen des Himmels zuwenden. Lebt wohl! dort oben, wenn nicht hienieden, werden wir uns wiedersehen. Habt Vertrauen und Muth! Gott segne Euch!"

Die Hoffnung, welche Bellot in diesen Zeilen aussprach, ist nicht getäuscht worden. In England wurde eine Summe von zweitausend Pfund Sterling durch Subscription zusammengeschoffen, von welchen funfzehnhundert unter die fünf Schwestern des Verstorbenen vertheilt, die übrigen fünfhundert zu einem Denkmal bestimmt wurden, das an den Ufern der Themse vor den Thoren des Marine-Hospitals zu Greenwich errichtet werden soll. So hat man nicht nur für die Angehörigen, die in ihm ihre Stüße verloren, gesorgt, sondern auch den edlen Märtyrer der Humanität durch ein Monument geehrt, das zugleich von dem Danke der Mitbürger jener Unglücklichen Zeugniß ablegt, für deren Rettung er sein Leben opferte.

Nord-Amerika.

Literatur und Buchhandel in den Vereinigten Staaten.

Das Bankett der Verleger-Association im New-Yorker Krystall-Palast.")

Am Abend des 27. September wurde im New-Yorker KrystallPalast ein Fest ganz eigenthümlicher Art gefeiert. Die Association der amerikanischen Verleger gab nämlich den amerikanischen Literaten ein Bankett, oder, wie es in einer aus Gasflammen gebildeten Aufschrift über dem Orchester genannt wurde, ein Frucht- und Blumenfest zu Ehren des Genies. Das Fest war ein echt amerikanisches in jeder Beziehung, von der Ausschmückung des Saales bis zum innersten Gehalte der Loafte und Reden, von der durch die Anwesenheit zahlreicher Damen bedingten Verbannung geistiger Getränke bis zur überflüffigsten Fülle weißer Reverends-Kravatten unter den auserwählten Gästen. Um halb fieben Uhr erschienen die hervorragendsten Gäfte und nahmen ihre Siße ein. Den ersten Siß zur Rechten des Präsidenten (des Verlags-Buchhändlers Appleton) erhielt Bischof Potter von Philadelphia, den ersten Siß zur Linken Mrs. Gilman. „Ehret die Frauen“ und „Ecclesia praecedit" (die Kirche hat den Vortritt) find zwei nationale Wahlfprüche, die mit Recht auch bei diesem Bankett, wo der verkörperte Nationalgeist, die Vertreter der Literatur, zu Tische saßen, freng befolgt wurden. Die leßten der Auserwählten zur Rechten waren die Mayors von Boston, Philadelphia und New-York, der leßte zur Linken Herr Valentine, Clerk der Aldermen und Verfasser der Geschichte der Stadt New-York. Unter anderen Celebritäten bemerkten wir rechts den Dichter Bryant und den Geschichtschreiber Hildreth, links den ehrwürdigen Altmeister Washington Irving und Mrs. Robinson (Talvi).

Nachdem das Mahl vorüber war, hielt der Präsident, Herr Appleton, im Namen der Verleger eine Ansprache an die Gäfte, in welcher er die Zwecke der Association besprach, die, nach seiner Verficherung, den Fortschritt und die Veredelung der nationalen Literatur, die Unterdrückung unsittlicher und schädlicher Geistesprodukte, das Beste der Autoren, wie des Publikums und nebenbei auch ein wenig das Intereffe der Verleger selbst zur Aufgabe hat. Wir können nicht umhin, die Worte des Präsidenten der Verleger-Affociation über einen ihrer Zwecke anzuführen und einer besonderen Beachtung zu empfehlen:

„Es steht in unserer Macht und wird daher unsere ftrenge Pflicht, bei der Veredelung des intellektuellen und moralischen Tones der Literatur, die täglich und ftündlich unter das Volk unseres Geburtslandes verbreitet wird, die wichtigsten Dienste zu leisten. Ich brauche die Anwesenden wohl nicht daran zu erinnern, daß es sehr oft von der Entscheidung des Buchhändlers abhängt, ob ein neues Werk veröffentlicht werden soll oder nicht. Wenn wir, meine Brüder, in herzlichem Einvernehmen an dem Entschlusse festhalten können, daß kein Buch von zweifelhafter moralischer Tendenz oder von unnüßem oder gefährlichem Charakter in irgend einer Beziehung von uns verlegt werden soll, so haben wir mehr für unser Vaterland gethan, als ein Dußend Gesellschaften zur Unterdrückung des Lasters und der Unfittlichkeit jemals thun können. ...... Ich könnte noch andere Gelegenheiten zur Ausübung einer Ueberwachung der Literatur des Landes en gros andeuten, aber ich fürchte, daß ich schon zu lange Ihre Aufmerksamkeit in Anspruch genommen habe!"

Der Secretair der Association, Herr G. P. Putnam, theilte dann eine Reihe von historischen und statistischen Notizen über die Literatur und den Verlagsbuchhandel der Vereinigten Staaten mit, die manches Interessante und Neue enthielten. Wir würden gern seinen ganzen Vortrag wiedergeben, müssen uns aber bei der großen Ausdehnung deffelben und unserem karg zugemessenen Raume auf einen kurzen Auszug beschränken.

Vom Jahre 1830-1842 wurden in den Vereinigten Staaten nach den genauesten Angaben 1115 verschiedene Werke verlegt; 623 davon waren Original-Auflagen und 492 nachgedruckte Werke. Das Verzeichniß der in jener Periode nachgedruckten Werke ist nicht vollständig, und man kann die Zahl derselben ungefähr eben so hoch anschlagen, als die der Original-Auflagen, wonach 52 Werke jeder Klaffse auf das einzelne Jahr kommen. Im Jahre 1853 wurden 733 neue Werke gedruckt, und zwar nachgedruckte englische Werke 278, 35 Uebersegungen aus fremden Sprachen und 420 amerikanische Originalwerke. Daraus ergiebt sich eine Zunahme von ungefähr 800 Prozent in weniger als zwanzig Jahren. Da sich die Bevölkerung der Vereinigten Staaten in demselben Zeitraum um 80 Prozent vermehrte, so zeigt sich die Zunahme der literarischen Production und des Verlages der Nation zehnmal stärker als die der Bevölkerung.

*) Aus der in diesen Blättern bereits rühmlich erwähnten „Neuen Zeit" von New-York.

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