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Von künftlich zu Stande gebrachtem Ultramarin liegen zahlreiche Proben vor, die das herrlichste Blau haben. Vor fünfundzwanzig Jah. ren verbrauchte Europa zwei Kilos natürlichen Ultramarins, im Werthe von 10,000 Francs; heutzutage wird jährlich für 2,500,000 Francs künstlich Ultramarin verbraucht.

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Die Lacke, deren Farbe früher so schnell verblichen, haben jeßt die dauerhafteften Farben; der Künstler kann sie ohne Besorgniß anwenden.

Das Bleiweiß kömmt dem Zinkweiß beinahe gleich; die bei der Fabrication desselben beschäftigten Arbeiter werden durch sichere und finnreiche Vorsichtsmaßregeln gegen die verderblichen Wirkungen deffelben geschüßt; und in dem Maße, in welchem die Fabrication leichter wird, werden die Fabrikate beffer.

Die Noth ist immer die Mutter der Erfindungen. Am Ende des vorigen Jahrhunderts hatte Frankreich, im Kriege mit ganz Europa, einen solchen Mangel an Bleistiften, daß es die Bedürfniffe seiner Armeen in Bezug auf diesen Gegenstand nicht befriedigen konnte. Sogleich erfand Conté die künftlichen Bleistifte, diese glücklichen Konkurrenten der natürlichen. Heutzutage sind die natürlichen Bleistifte nahe daran, ganz zu verschwinden; das Material dazu fängt an, zu fehlen; die Bergwerke von Cumberland liefern nicht mehr die schönen Bleischweifftücke, aus denen die Engländer früher ohne Weiteres die besten Bleistifte geschnitten haben. Der Engländer Brokedone ist bald auf den Gedanken gekommen, durch Zusammenpreffen des Blei schweifftaubes eine feste Masse zu bilden, die vielleicht noch besser als der früher aus den Bergwerken gewonnene Bleischweif ist. Aber die künstlichen Bleistifte bröckeln leicht. Darum hat Herr Brodies eine Methode erfunden, die gröbsten Blei-Erze zu reinigen; dadurch hat er wieder für eine lange Zeit die Existenz der natürlichen Bleistifte sicher gestellt.

Proben von Leder sind in Menge da. Die Leder-Fabrication ist von großer Wichtigkeit; ihr Werth beläuft sich in Frankreich auf mehr als 160 Millionen Francs; sie hat aber ihre großen Schwierigkeiten: sechs Monate, ein Jahr, zwei, sogar drei Jahre sind erforderlich, um gute Leder zu Stande zu bringen. Vergeblich hat die Wissenschaft sich bisher bemüht, den Aufwand von Zeit zu ermäßigen.

Lackirte Leder zur Fußbekleidung, eine Erfindung, die etwa vor fünfundzwanzig Jahren Nys, ein schlichter französischer Handwerker, gemacht, liegen in zahlreichen Proben vor.

Häufig wünscht man sehr dünne Leder von sehr großer Ausdehnung zu haben. Die Natur bietet Häute, welche diese beiden Eigenschaften vereinigen, nicht dar. Man mußte also dicke große Häute in dünne verarbeiten, was ohne Verlust nicht möglich war. Heutzutage versteht man es, die Häute mittelft einer Säge, wie das Holz, in Scheiben zu spalten, die alle zu benußen sind. Marokko liefert nicht mehr allein das feine verschieden gefärbte Leder; es wird daffelbe gegenwärtig in Europa beffer, als in Marokko, fabrizirt.

Die Ausdehnung der Galerieen, in denen die Erzeugnisse der Pa pierfabriken ausgestellt sind, die Anzahl der Aussteller, die Wichtigkeit ber Fabriken beweisen zur Genüge die ungeheure Consumtion in diesem Erzeugnisse. Frankreich, welches täglich 100 Kilomètres produzirt, deckt damit kaum den eigenen Bedarf. England, Belgien, Deutschland, Desterreich, Preußen produziren von diesem Artikel ungeheure Maffen. Das Papier spielt in der geistigen Entwickelung der Völker eine wichtige Rolle: es dient zur Verbreitung, zur Erklärung des menschlichen Gedankens. Außerdem bekleidet es heutzutage auch noch die Wände der Zimmer in den schlichtesten Häusern und in den prunkvollsten Palästen. Der Flachs, der Hanf, die Baumwolle genügen schon nicht mehr; alle faserigen Pflanzen, das Stroh und sogar das Schilfrohr werden schon dazu verwendet; und doch würden wir ohne die wissenschaftlichen und kostspieligen Arbeiten, welche die Ostindische Compagnie ausführen läßt, um in ihren unermeßlichen Gebieten alle für die Papier-Fabrication etwa fich eignenden Stoffe ausfindig zu machen, schon Mangel an Materialien zu Papier haben.

Wir sehen Morphin, Chinin, Strychnin, Cinchonin, Codëin, kurz, alle organischen Alkalien vor uns da liegen. Deutschland hat den Ruhm, das erste Alkali entdeckt zu haben; Frankreich ist ihm aber bald auf dieser Bahn gefolgt. Pelletier und Caventau haben das Chinin entdeckt, welches ein wesentliches Lebens-Element geworden ist. Der Baum, welcher es hervorbringt, der Quinquina-Baum, konnte dem Bedürfniß auf die Dauer nicht genügen; man hatte berechnet, daß in 70 Jahren die werthvolle Rinde nicht mehr zu haben fein würde. Ein Chemiker machte sich trog feiner 60 Jahre auf, um in der tropischen Sonnengluth und auf den Eisfeldern des Kap Horn unbekannte Waldungen zu durchforschen: seine mit dem glücklichsten Erfolge gekrönte Reise hat den verhängnißvollen Termin nur weiter hinausgeschoben; aber sie hat denselben nicht abwenden können. Glücklicherweise haben bereits andere Jünger der Wissenschaft die gegründetste Hoffnung erweckt, daß

der Zeitpunkt nicht fern ift, wo die Wissenschaft der Menschheit künftliches Chinin darbieten wird,

Das Opium wird nicht mehr blos in Indien, sondern auch in Europa, auch in Frankreich gewonnen. Es werden schon bedeutende Quantitäten produzirt; die gute Qualität und die nicht hohen Productionskoßten bürgen dafür, daß bald noch größere, Quantitäten werden produzirt werden. In Folge gründlicher Untersuchungen kennt man den Moment und die Mittel, vom Mohn das Opium zu nehmen, ohne das Del, welches er liefern foll, zu vermindern. Es ist dies ein neuer Gewinn für unseren Landbau, um so werthvoller, da eine verhältnißmäßig sehr kleine Fläche, mit Mohn bebaut, hinreicht, einer ganzen Familie Beschäftigung und guten Unterhalt zu geben.

Das Gummi des Kautschukbaums, welcher an den Ufern des Gan ges wächst, haben die Engländer zu reinigen, aufzulösen und zu waffer. dichten Kleidungsstücken, zu Platten, zu Röhren, zu Fäden, zu tausend verschiedenen für die Wissenschaft, für die Künfte, für die Industrie nüßlichen Gegenständen zu verwenden gewußt. Aber in unserem talten Klima verloren diese Gegenstände ihre werthvollßten Eigenschaften: die Geschmeidigkeit und die Elastizität. Amerika hat die Mittel gefunden, sie viel geschmeidiger, viel elastischer, viel mehr der Näffe und Kälte widerstehend zu machen. Man betrachte nur diese leichten und festen Möbel, diese Blumengewinde, diese Statuetten mit den schwungvollen Formen, diese ebenholzfarbenen Platten von der Härte des Eisens, diese so feinen und so festen Blätter, mit denen Schiffe ausgefüttert werden; das alles ist auch von Kautschuk! Amerika hat auch diese Entdeckung gemacht: ein wenig Schwefel, ein wenig Wärme reichen hin, die ftaunenerregende Umwandlung zu bewirken.

Mit dem Kautschuk ist die Guttapercha nicht zu verwechseln, welche, wie er, zu den perschiedenartigsten Gegenständen verarbeitet wird. Wir sehen Vasen aller Art, die den heftigsten Stößen Widerstand leisten, die von den kräftigsten Säuren und Alkalien nicht angegriffen werden; Röhren, so leicht, wie das Waffer, und fester, als das Blei; - diese Gegenstände sind von Guttapercha. Der Ueberzug, den man dem Lelegraphendrath giebt, wird heutzutage auch schon aus Guttapercha gemacht.

Die Wunderwerke der Industrie, die wir hier beisammen sehen, bringen uns die Männer der Wissenschaft, die großen Chemiker der Neuzeit ins Gedächtniß, auf deren Arbeiten und Entdeckungen die hier ynseren Augen vorgeführten Fortschritte der Industrie beruhen: Stahl, Scheel, Priestley, Cavendish, Lavoisier, Richter, Volta, Dalton, Davy, Wollaston, Berthollet, Bergmann, Vauquelin, Chaptal, Berzelius, Gay Lussac, u. f. w. sind die schöpferischen Geister, von welchen die Judustrie in den Stand gefeßt wurde, diese Welt von Wunderwerken hervorzubringen.

Mannigfaltiges.

- Französische Touristen am Rhein. Was doch die fran zöfifchen Tourißten für eine Geschicklichkeit besigen, auf einer kurzen Tour, die sie nach Baden-Baden und dem Rhein unternehmen, sich mit der deutschen Sprache und Literatur vertraut zu machen! So schwärmt ein Herr Augußte de la Force in der Beilage zur Revue des deux Mondes vom 1. September folgendermaßen: „Seit einigen Jahren stimmt jeder Tourist in den Refrain des Dichters Körner: Am Rhein! Am Rhein!" Dann ruft er mit Verschmähung des französischen bateau à vapeur aus: „Montez sur un dumpes-chiff et descendez seulement de Mayence à Cologne." In Köln angekommen, besteigt er die Galerie des Domes and bemerkt,,in einer Entfernung von zwei bis drei Stunden Mühlheim, diesen vorgeschobenen Poften von Westfalen (sentinelle avancée de la Westphalie)." Auch deutsche Geographie also neben deutscher Literatur und Sprache! Herr Benazet und Herr Blanc, die Spielpächter von Baden-Baden und Homburg, find es, denen hauptsächlich der Rhein den häufigen Besuch französischer Feuilletonisten zu verdanken hat, welche auf diese Weise die Gastfreundschaft erwiedern, die sie bei ihren Landsleuten gefunden. Schade nur, daß ihnen in Baden-Baden und Homburg mit den anderen Gastgeschenken nicht auch die Gabe der Sprachen zu Theil wird!

Der Tschadda. Nach Heft VI. von Petermann's,,Geographischen Mittheilungen“ ist dieser in jüngster Zeit vielgenannte afrikanische Strom-Rame nicht sowohl ein nomen proprium, als ein GattungsName und bedeutet so viel als „großes Wasser“. In Adamaua, wo Dr. Barth den prächtigen Strom, in der Nähe seiner Vereinigung mit dem Kowara, paffirte, heißt er Benue. Auch Dr. Baikie, der Befehlshaber des englischen Dampfschiffes „Plejade", das im Sommer 1854 mit Erforschung und Aufnahme des bisher „Tschadda“ genannten Stromes beschäftigt war, ist der Meinung, daß der dort am meisten gebräuchliche und bekannte Rame,,Benue" oder „Binue" an die Stelle des Namens,,Tschadda“ treten müsse.

Herausgegeben und redigirt von J. Lehmann. Im Verlage von Beit & Comp.

Berlin, gedruckt bei A. W. Hayn.

Böchentlich erscheinen 3 Rummern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 Sgr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 117.

für die

Bestellungen werden von jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstr. Nr. 25, und beim Spediteur Reumann, Rieberwallfir. Nr.21), so wie von allen königl. Poft-Lemtern angenommen.

Literatur des Auslandes.

Nord-Amerika.

Berlin, Sonnabend den 29. September

Die neuesten englischen Werke über Amerika.

Es war bisher Styl zwischen englischen Schriftstellern über Amerika und amerikanischen über England, daß sie sich und ihre Länder und Leute gegenseitig anschwärzten. Was die Engländer betrifft, so liegen jezt Beweise vor, daß sie Amerika und dessen Land und Leute im Ganzen günstiger beurtheilen, obgleich die Amerikaner im Allge meinen durch ihre Ruffenfreundschaft oder vielmehr Abneigung gegen den Krieg, welchen fie der Unterwerfung Englands durch Na poleon zuschreiben, die Engländer eben so sehr provoziren, wie durch verstärkte Schußzoll- und Nichtswiffer - Politik. Die Engländer bewundern jezt Vieles in Amerika, und was sie auszusehen haben, tadeln sie mit Mäßigung und Bedauern. Ob dies aus befferem Verständniß oder aus Furcht, aus Abhängigkeitsgefühl hervorgeht, wollen wir nicht entscheiden.

Unser nächster Zweck ist, auf einige neueste englische Werke über Amerika und dessen unmittelbare Beziehungen zum Auslande aufmerk sam zu machen. „Einige Monate in Amerika" (,,A Few Months in America"), von James Robertson, einem Manchester-Manne, enthalten vielleicht mehr Weisheit für die Amerikaner selbst, als für uns. Als Handelsmann und Freihändler spricht er hauptsächlich über kommerzielle und industrielle Intereffen Amerika's. Er rechnet ihnen klar und faßlich die Verluste aus, die aus ihrer albernen Schuzzollpolitik entspringen, d. h. aus der auch noch in Europa grafsirenden Weisheit, Industrieen, die an und für sich selbst nicht mit Vortheil betrieben werden können, dadurch rentirend zu machen, daß sie die Produkte der felben durch Ausschluß fremder Konkurrenz vertheuern, also Kapitalien aus natürlich produktiven Unternehmungen ziehen, diese produktiven Unternehmungen schwächen und die geschüßten dadurch produktiv machen, daß die Konsumenten weniger bekommen und für das Wenigere mehr bezahlen müssen, also durch künstliche Erzeugung von Mangel und Theuerung auf dem Lebensmarkte überhaupt. Im Kleinen sieht den Unsinn Jeder ein. Niemand, der nicht Schuster ist, macht sich die Stiefel selbst, obgleich er dadurch das Geld, welches er in das Ausland seiner Familie, d. h. an den Schuster, exportirt, im Lande, in feiner eigenen Wirthschaft, behalten könnte. Die Schusterei würde ihm mehr Geld und Zeit kosten, als er durch sein eigenes Geschäft während dieser Schusterei verdienen könnte. Er überträgt deshalb die Schusterei dem Schuster, bezahlt dafür und behält den Gewinn, den er durch Nichtselbstmachen der Stiefel erzielte. Das ist Jedem klar. So wie man aber die Familie, den kleinen Staat, vergrößert und den politischen vor sich hat, denken die Leute, es sei durchaus vortheilhaft, das Geld im Lande zu behalten und möglichst Alles selbst innerhalb der von der Diplomatie und Eroberung gezogenen Gränzen zurückzu schustern. In den verschuldeten, alten Polizeistaaten, die mit ungeheuren Lasten von Sünden der Väter, von Kriegsschulden und von Kriegsbereitschaft umherächzen, ist diese Verzöllnerung zwischen den Gränzen kein Wunder, weil man die Plünderung des Verkehrs als „indirekte Besteuerung und Finanzquelle nicht entbehren zu können glaubt und man sich schämt, alle diese Steuern direkt und offen zu fordern. Aber Amerika mit Ueberschüffen im Staatsschaße, mit denen es oft nichts anzufangen weiß, kann den selbstmörderischen Unsinn der Schugzölle nicht aus finanziellen Rücksichten entschuldigen. Hier tritt der Blödfinn nackt und unbeschönigt auf: Unabhängigkeit vom Auslande“, Geld im Lande behalten" und wo möglich Alles in Geld verwandeln, wie Midas. Also reine Schußzölle, Vertheuerung aller Güter des Lebens, die Amerika von außerhalb bezieht, Vertheuerung aller inneren Production. Robertson stellt die Wirkungen dieser Weisheit klar hin. Zuerst wird Kapital aus natürlichen Kanälen in künstliche gezwungen. Sich selbst überlassen, würde alles disponible Geld besonders ungeheure, fruchtbare Landstrecken erobern und allerhand Lebensmittel und Rohprodukte erzeugen, welche der ganzen Welt willkommen sein würden. In Amerika, wo Brod und Milch und Fleisch nicht so viel Pfen

1855.

nige kosten würden, als bei uns Groschen, haben wir zum Theil Londoner Preise, in New-York Preise einer Hungersnoth. Amerika, das mit seinem Getraide die ganze Welt füllen könnte, hungert und läßt die ganze Welt hungern. Der kultivirte Boden kann kein Geld bekommen, sich auszudehnen, geschweige unkultivirter, die Millionen von Thalern, die darin stecken, herauszuschaffen. In Pennsylvanien liegen Kohlen; um diese herauszuschaffen, vertheuerte man alle Kohlen um dreißig Prozent durch einen Eingangszoll und bezahlte bisher zwanzig Millionen Dollars für Kohlen über den natürlichen Preis, weil man sich mit dem Stolze kigeln wollte: Brennen wir doch echt-republikanische, know-nothing-nationale Kohlen. Hätte man die Kohlen liegen laffen, würde man um zwanzig Millionen Dollars reicher sein und diese für Ackerbau verwandt haben, welcher aus den zwanzig etwa dreißig Millionen gemacht haben würde. Nein, man fror lieber im härtesten Winter, um sich national zu amüsiren, und erschußzöllnerte Hungers. nothpreise für Brod.

Eben so ist es natürlich mit dem übrigen beliebten Schußzoll von dreißig Prozent ad valorem der ersten Lebensbedürfnisse, mit Zucker, der den Amerikanern jährlich etwa sieben Millionen Dollars Steuer an die Kunstzuckerzieher von Louisiana koftet. Mit einem gehörigen Schußzolle könnte man in Masuren, in Sibirien einheimischen Zucker bauen. Gehörige Gewächshäuser mit guter kunstreicher Heizung 2c. können Alles wachsen laffen. Die Zuckerzüchter von Louisiana, 1437 an der Zahl, werden durch den Schußzoll zu National- Pensionairen, deren Jeder jährlich 4370 Dollars Almosen und Entschädigung für den Schaden, den er thut, bezieht. Ohne Zuckerzoll würde in den Zuckerplantagen überall Baumwolle umsonst wachsen, also jährlich sieben Millionen Dollars ersparen und einige Millionen Dollars Profit aus Verwerthung der Baumwolle hinzufügen. Robertson weist hierauf nach, daß Amerika auf ähnliche Weise jährlich 3,600,000 Dollars in Schuzzoll-Eisen zusezt, in Baumwollen fpinnereien und Webereien jährlich vierzehn Millionen Dollars, in Wollenmanufakturen gegen neun Millionen, im Ganzen jährlich vierzig Millionen Dollars. Man sagt immer: Guter Nath ist theuer, schlechter und Unrath und Unfinn aber kosten in jeder Beziehung hundertmal mehr.

Das gewöhnliche Vorurtheil, daß England seine wohlfeilen Baumwollenwaarenpreise den niedergedrückten Löhnen der Armen und Verhungernden verdanke, widerlegt Robertson schlagend durch Nachweis, daß in Amerika allerdings die Arbeitslöhne höher feien, aber unbedeutend, und die größeren Productionskosten dort in theureren und schlechteren Maschinen, theurerem Kapital und größerer Kostspieligkeit der schlecht verwalteten Actien-Compagnieen lägen. Abgesehen davon ist die Logik:,,Da wir die Baumwolle bauen, müssen wir sie auch verspinnen", eben so richtig, als die des großen Bauern, welcher sagen würde: Da ich mich mit Production von jährlich tausend Wispeln Weizen geplackt habe, will ich mir nun auch von allem meinem Weizen Kuchen backen und keinem Bettler ein Stück davon geben." (Schluß folgt.)

Frankreich.

Die menschliche Lebensdauer. (Schluß.)

Noch ein außerordentlicheres Beispiel von Langlebigkeit liefert England in Henry Jenkins, geboren 1501 in Bolton, Grafschaft York, gestorben 1670. Bis zu seiner Todesstunde beschäftigte er sich mit dem Fischfang, und in seinem hundertsten Jahre konnte er noch schwimmen. Der Ungar Johann Rowin oder Rowir starb 1750, angeblich in einem Alter von 172 Jahren. Seine Frau, Sarah Deffen, soll kurz vor ihm, 164 Jahr alt, gestorben sein, und sein ältester Sohn das hundertfunfzehnte Jahr erreicht haben. Dieses langlebige Dreiblatt erinnert an die Familie Abraham's. - In Norwegen starb Joseph Surrington 1790 in einem Alter von 160 Jahren, und, als wäre

das noch nicht Wunders genug, wird hinzugefügt, daß er einen ältesten Sohn von 103 und einen jüngsten von neun Jahren hinterließ; den lezteren habe er demnach in seinem hundertfunfzigsten Jahre gezeugt! Frankreich ist mit Hundertjährigen gesegnet. Fontenelle, der gelehrte und geiftvolle Geschichtschreiber der Akademie der Wissenschaften (geboren 1657, gestorben 1757), ist der erste Name, dem unser Blick begegnet. Im Jahre 1810 wurde ein Arzt, Dufournel, in einem Alter von 112 Jahren Napoleon vorgestellt; er hatte in seinem hundertersten Jahre das Bein gebrochen, lebte aber noch neunzehn Jahre nachher. Am 23. Oktober 1789 wurde ein hundertzwanzigjähriger Greis aus dem Jura-Departement in die Nationalversammlung eingeführt, der ihr im Namen seiner Mitbürger dafür dankte, daß sie sein Vaterland von den Banden der Knechtschaft befreit habe."

Aus diesen Beispielen, die wir nicht ferner häufen wollen, scheint uns der sichere Beweis gewonnen, daß der Mensch ein Alter von 150 Jahren erreichen kann. Das wäre demnach das äußerste Ziel. Ferner dürfte bei den zahlreichen Fällen einer hundertjährigen Lebens dauer diese als die natürliche Gränze anzunehmen sein,°) zumal da die physiologische Betrachtung, auf die wir jezt eingehen wollen, zu demselben Schluffe führt.

Aristoteles hat zuerst bei den Thieren ein gerades Verhältniß zwischen der Dauer des Wachsthums, der Trächtigkeit und des Lebens überhaupt wahrgenommen. In diesem Punkte, wie in vielen anderen, hat die neuere Naturforschung die Ansicht des Königs der Philosophen bestätigt. Darauf wollte nun Buffon eine Theorie gründen. Er unterscheidet mit Recht ein zweifaches Wachsthum: zuerst in die Höhe, dann in die Dicke. Die Dauer dieser beiden Wachsthumsperioden muß als der eine Faktor in der Dauer des ganzen Lebens enthalten sein. Nun sagt Buffon an einer Stelle: Der Mensch, der dreißig Jahre wächst, lebt neunzig bis hundert Jahre; der Hund, der nur zwei bis drei Jahre zu seinem Wachsthum braucht, lebt daher auch nur zehn bis zwölf Jahre." An einer anderen Stelle heißt es: „Der Mensch, der vierzehn Jahre wächst, kann sechs oder sieben Mal so lange leben; da nun der Hirsch fünf oder sechs Jahre zu seinem Wachsthum braucht, so lebt er ebenfalls 7×6 oder 7×5 Jahre." Dort spricht er offenbar von dem Wachsthum in die Dicke, hier von dem Wachsthum in die Höhe, ohne fich deutlich darüber zu erklären; auch sind seine Bestimmungen der beiden Perioden willkürlich, da er noch kein sicheres, den verschiedenen Gattungen gemeinsames Merkmal für die Dauer der selben finden konnte. So lange aber dieses Merkmal fehlte, war es unmöglich, die Zeit des Wachsthums und das Verhältniß derselben zu der Lebensdauer festzustellen.

Dieses Merkmal hat ein ausgezeichneter Physiologe unserer Zeit, Flourens, gefunden: „So lange die Knochen mit ihren Ansägen nicht verbunden sind, wächst das Thier; sobald sie mit denselben verbunden find, hört es auf zu wachsen." Somit ist die Zeitdauer des Wachsthums firirt und das Verhältniß derselben zu der Lebensdauer, ungefähr 1:5, gefunden. Diese Verbindung der Knochen mit ihren Anfäßen tritt beim Kameel mit acht, beim Pferde mit fünf, beim Ochsen und Löwen mit vier, beim Hunde mit zwei, bei der Kaße mit andert. halb Jahren ein; das Kameel lebt 40, das Pferd 15, der Ochse und Löwe 15-20, der Hund 10–12, die Kage 9–10 Jahre. Da nun beim Menschen diese Erscheinung gegen das zwanzigste Jahr eintritt, so müßte die normale Dauer seines Lebens hundert Jahre sein; und diese Ziffer fällt demnach mit derjenigen zusammen, die sich aus der Geschichte und der Statistik ergiebt. Nach diesem Prinzip braucht man also nur die Wachsthumszeit eines gegebenen Thieres mit 5 zu multipliziren, um die Zahl seiner Lebensdauer als Produkt zu erhalten. So kennt man z. B. nicht die Lebensdauer der Elephanten. Allein vor kurzem starb ein beiläufig vierzigjähriges Elephantenweibchen in der Menagerie des Jardin des Plantes, und man fand bei der Section die Anfäße noch nicht verwachsen; woraus zu schließen wäre, daß dieser Riefe der Schöpfung mindestens 200 Jahre lebt, was in der That Ariftoteles, Buf fon und Cuvier behaupten.

Die Frage ist nun: Hat jenes Verhältniß 1: 5, das zwischen der Wachsthumsperiode und der Lebensdauer bei Kameel, Ochsen, Pferd 2c. gefunden ist, absolute Geltung bei allen Thieren? Aus der Zahl der konstatirten Thatsachen läßt sich die Allgemeinheit des Gesezes nicht entscheiden. Gewiß ist vielmehr, daß es auf die unvollkommenen Thiere keine Anwendung findet. Bei den Jnsekten z. B. ift die Zeit zwischen dem Auskriechen des Geschöpfes aus dem Ei und seiner legten Verwandlung und dieser Zeitraum entspricht in gewiffem Betrachte der Wachsthumsperiode bei den Säugethieren unverhältnißmäßig länger, als ihre übrige Lebensdauer. Die Insekten leben nach ihrer vollkommenen Entwickelung, über welche Jahre hingegangen sind, we nige Tage, oft nur wenige Stunden. Bei den meisten wirbellosen Thieren ist das Leben nach vollendetem Wachsthum nur von kurzer

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*) Freilich kömmt hier der Verfaffer mit dem Pfalmiften in Konflikt: „Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn es hoch kömmt, so sind es achtzig Jahr" (Psalm 90, B. 10.). D. R.

Dauer; daffelbe ist der Fall bei den Wirbelthieren der niederen Ordnung. Man weiß, daß viele Fischarten beständig wachsen, und daß vielleicht nur im höchsten Alter ein Stillstand eintritt. Wir ersehen daraus, daß, je höher eine Thierklaffe an der Organisationsleiter hinaufrückt, desto länger die Lebensdauer im Verhältniß zur Dauer des Wachsthums wird. Herr Milne Edwards, in seiner Mittheilung an das Museum und an die Fakultät der Wissenschaften, hat nachgewiesen, daß diese Naturrichtung hin und wieder wohl Ab weichungen erfahren kann, jedoch in der Gesammtheit des Thierreichs herrschend ist. Diese Tendenz beschränkt sich aber nicht auf die Klassen, sondern erstreckt sich auch auf die Ordnungen der Klaffen. Das Verhältniß der Wachsthumsdauer zur Lebensdauer von 1:5, fagten wir oben, gilt für Löwe, Hund und Kaße, aus der Ordnung der Fleischfreffer, für das Pferd, den Vertreter der Einhufer, für Kameel und Ochse, die Typen zweier Familien aus der Ordnung der Wiederkäuer. Allein zwei Arten der Nager: das Kaninchen und das Meerschweinchen, zeigen uns ein von jenem merklich verschiedenes Verhältniß. Flourens hat beobachtet, daß die Anfäße beim Kaninchen mit einem Jahre, beim Meerschweinchen mit sieben Monaten sich anschließen. Nach jenem Gesez müßte das normale Leben dort fünf, hier etwa drei Jahre sein Und doch wissen wir, daß das Kaninchen acht, das Meerschweinchen sechs bis sieben Jahre lebt. Hier wäre demnach das Verhältniß der Wachsthumszeit zur Lebensdauer 1:8 oder 1:10. Es wäre mehr als gewagt, auf einen Inductionsschluß aus so wenigen Fällen das Gefeß zu gründen: Es verhält sich die Wachsthumsperiode zu der Lebensdauer a) bei den Einhufern, Wiederkäuern und Fleischfreffern wie 1:5; b) bei den Nagern bald wie 1: 8, bald wie 1: 10. - Der Zukunft und sorgfältigen Beobachtungen bleibt die Lösung dieser Frage vorbehalten; das aber steht schon jest fest, daß bei der Klasse der Säugethiere kein durchgehend gleiches Verhältniß waltet.

Welches Verhältniß wird nun für das Menschengeschlecht anzunehmen sein? Das kleinere der Wiederkäuer und Fleischfreffer? Das größere der Nager? Nach Maßgabe der Analogie müßte leßteres angenommen werden, da der Mensch der vollkommenste Organismus ist. Hufeland bestimmt die Zeit des Wachsthums für den Menschen auf 25 Jahre und das Verhältniß derselben zur Lebensdauer = 1:8; folglich wäre die Ziffer der normalen Lebensdauer 200. Diesem Resultat widersprechen freilich Geschichte und Statistik; indeß ist der Widerspruch leicht zu erklären. Man muß nämlich bei der Vergleichung des Menschen mit dem Thiere nicht außer Acht laffen, daß die intellektuell-moralische Thätigkeit in ihm das Getriebe der organischen Maschine unaufhörlich abnußt und schwächt. Die Bedingung seiner Macht und Größe würde sein Leben im Verhältniß zu seinem Wachsthum noch mehr verkürzen, wenn die Vorzüglichkeit seines Organismus jenen Nachtheil nicht ausgliche. Und so dürfte das Verhältniß des Wachsthums zur Lebensdauer = 1:5 ziemlich der Wahrheit nahe bleiben. Das physiologische Studium der Altersstufen, woraus das Menscheuleben besteht, leitet zu demselben Schluß. Das Wachsthum in die Höhe hört mit dem zwanzigsten Jahre auf; das Wachsthum in die Dicke aber dauert etwa bis zum vierzigsten fort; darüber hinaus kann der Körper zwar an Umfang zunehmen, allein das ist dann, wie Buffon bemerkt, keine weitere Entwickelung aller Organe, sondern eine überflüssige Stoffzugabe, eine bloße Anhäufung von Fett, die den Körper mit einer unnüßen Laft beschwert. Nach dieser zweifachen Entwickelung geht, wie Flourens sagt, in der Liefe unserer Gewebe und Organe eine innere Arbeit vor, die all diese Theile vollständiger, fester und zugleich alle Functionen sicherer, den ganzen Organismus vollkommener macht. Diese leßte Arbeit, die Flourens die Arbeit der Erkräftigung (travail d'invigoration) nennt, geht zwischen vierzig und fünfundfunfzig vor sich und erstreckt sich sogar, nach jenem Physiologen, bis ins fünfundsechzigfte und fiebzigste. Hier läßt er das erfte, das kräftige Greifenalter beginnen; denn das hohe Alter verlegt er erft in das fünfundachtzigste Jahr. Vielleicht giebt der gelehrte Akademiker dem Mannesalter eine etwas zu große Ausdehnung und zieht dagegen die lezte Alterstufe, die er das heilige Alter nennt, in zu enge Gränzen. Es ist allerdings schwierig, hier die Gebiete streng abzustecken, da sie bei jedem Menschen wechseln; indeß giebt es ein gemeinfames Maß, an das wir uns mit um so größerer Zuversicht halten werden, als es allgemein angenommen und von der Zeit sanctionirt ist. Gemeiniglich also läßt man das Mannesalter sich mit dem sechzigften Jahre schließen und das abnehmende Alter anfangen.

Buffon zwar redet in seinem siebzigsten Jahre die Jünglinge an: Habe ich nicht den Genuß dieses Tages eben so gegenwärtig, in ebeu solcher Fülle, wie Ihr?" Und er nannte das Greisenalter ein aus unserer Art zu rechnen entsprungenes Vorurtheil. Wer wollte nun einen Buffon zu sechzig Jahren alt nennen, der sich im fiebzigsten noch jung fühlte? Judeß, wenn einige bevorrechtete Menschen ihre Manneskraft nach dem sechzigsten Jahre behalten, so ist das noch nicht die Regel. Vielmehr verkünden um diese Periode gewisse Zeichen den Anfang des Verblühens. Das Gesicht wird schwach, das Gedächtniß

ftumpf, das Gehirn verhärtet sich gewiffermaßen. Das Weib kann nicht mehr Mutter werden, der Mann verliert einen Theil seiner cha rakteristischen Fähigkeiten. Es tritt dann auch die Abnahme der Kräfte in Vorrath ein, zum Unterschied von den Kräften in Thätigkeit. (So unterschieden schon die Alten vires in posse, die der Jugend beschieden sind, von den vires in actu, die allein dem Alter verbleiben.) Dieser Charakter spricht sich mit dem Fortschritt der Jahre immer schärfer aus; merklich ist er aber schon nach dem sechzigsten Jahre.

Wir werden demnach, etwas abweichend von Flourens, folgende fünf Altersperioden feststellen:

1) Die von der Geburtsstunde bis zum zwanzigsten Jahre. Sie entspricht dem Wachsthum in die Höhe und umfaßt die Kindheit und das Jünglingsalter.

2) Die vom zwanzigsten bis zum vierzigsten Jahre. Sie entspricht der Entwickelung in die Dicke und begreift die erste und zweite Jugend. 3) Die vom vierzigsten bis sechzigsten Jahre. Es ist das Mannesalter, charakterisirt durch die oben erwähnte Arbeit der Erkräftigung. 4) Die vom sechzigften bis achtzigsten Jahre. Es ist das erste Greifenalter, deffen Hauptmerkmal in dem Verbrauch der vorräthigen Kräfte besteht. Die Schwäche der Organe und die Erschlaffung der natürlichen Functionen steigern sich fortwährend.

5) Die fünfte Periode, das zweite Greisenalter, kann recht gut durch ein scharf unterscheidendes Merkmal bezeichnet werden. Mit Recht sagt Burdach: Je weiter das Leben rückt, desto mehr wechselt es bei den verschiedenen Individuen, und es hält schwer, auf dem Wege der Abstraction den wesentlichen und normalen Charakter der leßten Perioden festzustellen." Alle Züge des vorangegangenen Alters sind nur stärker markirt; alle Kräfte vermindert; die Abnahme erstreckt sich auf alle Theile des Organismus. Endlich fühlt der Greis eine vollständige Erschöpfung (jene Schwierigkeit, zu sein, wie Fontenelle, jene universelle Ohnmacht, wie Bacon sagt), die stets der Vorläufer des natürlichen Todes ist.

Diese fünf Perioden: zwei des Wachsthums, eine des Stillstandes und wieder zwei der Abnahme, sind, mit Ausnahme der lezten, von gleicher Länge, und diese stimmt mit der Theorie des Pythagoras überein; nur nahm er, weil ihm die Zahl 4 als die vollkommenfte galt, vier Lebensalter an und beschränkte das Leben unbarmherzig auf acht zig Jahre; den über Achtzigjährigen zählte er nicht mehr unter die Lebenden. Darin war Cäsar Pythagoräer. Ein hochbejahrter Soldat traf ihn auf der Straße an und bat um den Abschied, um, wie er fagte, in Ruhe zu sterben. Cäsar betrachtete die vor Alter zusammengefunkene Gestalt und rief scherzend: „Lebft Du denn?

Faffen wir das Gesagte zusammen: Die Ziffern der Statistik, die Thatsachen der Geschichte und die Säge der Physiologie führen zu folgenden vier Schlüffen: 1) die gegenwärtige durchschnittliche Lebensdauer in Europa ift 36-40 Jahre. 2) die gewöhnliche Lebensdauer ift fünfundsiebzig Jahre. 3) die abnormale Dauer ist mindestens hun dertfunfzig Jahre. 4) die natürliche Dauer ist, aufs Geringste gerech net, hundert Jahre.

Cicero sagte: „Wie kurz auch das Leben sei, es ist stets lang genug, wenn es gut und edel gewesen ist.“ Schönes Wort! Wort eines Weisen! Aber im Allgemeinen will es den Greisen nicht ein. Sie wollen gut, aber auch lange leben, und selbst unter der Laft der Schmerzen keuchend, werden sie sich, mit dem Holzträger in der Fabel, doch anders besinnen, wenn der Tod auf ihren Ruf erscheint. Der alte Goethe rief:,,Liebliches Leben, süße und theure Gewohnheit, zu sein und zu wirken, ich soll Dir also entsagen müssen?" Da nun die ses Gefühl unserer Natur eingepflanzt ist, so hat man überall und immer Mittel gesucht, das Leben zu erhalten und dessen Lauf zu verlängern. Die ersten Versuche dazu steigen bis zu Anfang der Arzneitunde hinauf. Die Sorge für das Leben war das Hauptziel der Gymnaftil bei den Griechen, und die Gerokomie (Pflege des Alters) zählte ihre Adepten im ganzen Alterthum. Das habsüchtige und leicht gläubige Mittelalter verfolgte mit gleicher Leidenschaftlichkeit die Verwandlung der Metalle und die Bereitung einer Effenz zur Lebensverlängerung. Unter langem Leben verstanden die Alchymisten eine Dauer von 900-1000 oder doch mindeßtens von 600 Jahren. Auch die neueren Zeiten hatten ihre Elixire und ihre geheimnißvollen Rezepte, felbft das gegenwärtige Jahrhundert blieb in seinem Trachten nach möglich. fter Verlängerung der Existenz nicht ganz hinter seinen Vorgängern zurück, nur hat sich diese Kunst, nach Maßgabe der fortgeschrittenen Wissenschaft, auf rein hygienische Mittel beschränkt. Heutzutage sucht man nicht mehr das Leben in einen abgenußten Körper dadurch zurück zurufen, daß man ihn, wie es Gabian und selbst der große Boerhaave vorschreibt, mit einem Kinde in Berührung bringt; man erseßt nicht mehr, wie das öfter in Paris versucht worden, das im Alter abnehmende Blut durch jugendliches; noch weniger denkt Einer daran, sich unter den günftigen Einfluß der Gestirne zu stellen. Die Magnet kuren Mesmer's, das Panaceum Paracelsus', die Elixire Cagliostro's, der Thee des Grafen von Saint-Germain: was ist aus ihnen gewor

den! Die Erfahrung hat all diese phantastischen Mittel gerichtet, fo wie die Präparate von Gold, Perlen, Edelsteinen, Bernstein und Be zoar, die Bacon noch als geeignete Substanzen zur Lebensverlängerung empfahl.

So lange man in dem Leben eine rein physische und chémische Operation gesehen hat, konnte man es für möglich halten, seine Dauer zu verlängern. So meinte Hufeland, eine eigene Wissenschaft, die Makrobiotik, zu gründen. Allein im menschlichen Organismus waltet noch etwas Anderes, als der Verein von Kräften, welche die träge Materie regieren; für jenes geheimnißvolle Etwas, deffen Natur unserem Anschauen und Denken sich entzieht, haben wir, weil der Begriff uns fehlt, nur ein Wort: Lebenskraft. Wie wollten wir uns nun einbilden, die normalen Gränzen des Lebens auszudehnen, wenn wir die Ursache seiner Manifeftationen nicht kennen? Geben wir die Hoffnung auf! Alles, was wir fünftig thun können, ist, die zahlreichen Ursachen des Todes aus dem Wege zu räumen und so mittelbar auf die individuelle Lebensverlängerung einzuwirken. Man kann, wie gegen die Krankheit, auch gegen das Alter kämpfen, sagt Cicero; und das ist bis auf einen gewiffen Punkt wahr. Je mehr die Arzneikunde, die Gefundheitslehre und besonders die Physiologie fich vervollkommnen: desto näher werden wir dem Ziele kommen, das die Natur uns gesteckt und das bis jeßt nur eine verhältnißmäßig geringe Zahl unter uns erreicht hat. Dieser Zustand der Dinge liegt nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit, da er nur die Entwickelung des Gefeßes unserer Lebensdauer ist. Gegen diejenigen, die auf direktem Wege die Verlängerung ihres Lebens suchen, kann sich die Wissenschaft zu Nichts verstehen. Die Wissenschaft wird niemals die Gränzen der Natur überschreiten; wie könnte sie auch, da sie ja nur in diesen Gesezen ihre Pfeiler und Grundlage hat. Nun denn, es ist ein Gefeß, das die Dauer des Lebens regelt: kein ftrenges, absolutes Geseß; denn es giebt bisweilen etwas nach und läßt Ausnahmen zu. Des Lebens Pendel schwingt zwischen gewissen Punkten; einen äußersten überschreitet er nicht. Die Erreichung dieses äußersten Punktes erzwingen wollen, hieße, das Naturgefeß ändern, wäre ein Eingriff in das Reich Gottes, und so weit kann die menschliche Wissenschaft nicht gehen.

...

Der französische Buchhandel.

Die Beilage der Revue des deux Mondes, welche den besonderen Titel „La librairie, les beaux arts, l'industrie et le commerce” führt, ist bereits zu wiederholten Malen gegen den heutigen französischen Buchhandel zu Felde gezogen, indem derselbe als unwissenschaftlich, Harakterlos und fern von jedem höheren und edleren Interesse dargestellt wird. Auffallend ist, daß diese wiederholten Provocationen noch von keinem französischen Buchhändler widerlegt oder auch nur beantwortet worden sind. Die Beilage des Journals vom 1. September enthält abermals einen solchen, von J. Reymond unterzeichneten Artikel voller Recriminationen, die, wenn wir auch annehmen, es sei darin viel übertrieben, immerhin ein sehr schlechtes Licht auf den heutigen Büchermarkt der Franzosen werfen. Nachstehendes möge als Probe dienen: ,,Heutzutage kann jeder Mensch, der tausend oder funfzehnhundert Francs in der Tasche hat, um die Druckkosten zu bezahlen, dreift zum ersten Besten der meisten Pariser Verleger, ja, felbft zu denjenigen sich begeben, deren Verlagskatalog die Elite der literarischen Berühmtheiten des Tages aufzuweisen hat, und er kann sicher sein, mit feinem Manuskripte und seinem Gelde gut aufgenommen zu werden, wie obskur auch sein Name und wie werthlos seine Arbeit sein möge. Der Verleger wird sich kaum den Titel des Buches ansehen, unter welchen er seinen Namen und den Firma-Stempel feines Hauses zu seßen bereit ist, wenn nur eben die Deckungssumme hinreichend. Sind dabei auch einige Hundert Francs, die auf Annoncen zu verwenden - um so beffer, dann ist unser Schriftsteller in einigen Wochen zum großen Manne proklamirt. Immerhin hat er den Vortheil, daß, ift einmal sein Buch erschienen, sein Name in den Verlagskatalog mitten unter berühmten, zeitgenössischen Autoren eingetragen, er sich nur bei der Société des gens de lettres zu präsentiren braucht, um - gegen Erlegung einer Kleinigkeit, höchstens 2000 Francs, den Titel und das Diplom eines homme de lettres zu empfangen. Hat er dagegen nichts weiter, als Talent, so wird er vergebens an die Thür der Pariser Verleger anklopfen; er wird keinen finden, der heutzutage noch Zeit und Mühe verwenden wird, sein Manuskript zu lesen oder gar zu beurtheilen. Eine folche Beurtheilung liegt gänzlich außerhalb der Aufgabe ihres Geschäftes, zuweilen aber auch außerhalb ihrer Fähigkeiten. Er wird sich alsdann an die Zeitungs-Redactionen wenden müffen, die indessen in ihre Feuilletons und Literatur-Spalten auch nur solche Artikel aufnehmen, die schon von bekannten Namen unterzeichnet sind und die sie nicht vorher zu lesen brauchen. Seine leßte und beste Zuflucht wird die Redaction irgend eines literarischen Blattes sein, die allein noch fich

eutschließt, Manuskripte von Verfassern, die nicht schon bekannt sind, zu lesen und neuen Talenten zur Bekanntwerdung zu helfen. Aus diesem Zustande der Dinge läßt es sich leicht erklären, wie es kömmt, daß der literarische Buchhandel heutzutage nur noch vom Wiederabdrucke von Romanen, Novellen und vermischten Auffäßen lebt, die früher in Zeitungen, Revuen und anderen Blättern gestanden.

,,Sehr wenige Buchhändler geben sich jest die Mühe, Bücher in ihrem befonderen Auftrage schreiben zu lassen; noch seltener aber sind die, welche die Manuskripte lesen wollen, die man ihnen anbietet. Die paar wissenschaftlichen oder literarischen Schriftsteller kennen, deren Werke sich leicht und sicher abseßen lassen; wissen, wo man, vielleicht in irgend einer dem Bankerott nahen Fabrik, einen billigen Papier Ankauf machen kann; fich über die billigeren Saß- und Druck-Preise in Paris und in der Provinz genau in Kenntniß halten; im Stande sein, zu einer bestimmten Zeit den Ueberreft der Auflage eines gangbaren Buches aufzukaufen; endlich vor Allem und über Alles die Geschicklichkeit haben, fich Abzugsquellen zu eröffnen, indem man in der Provinz und im Auslande so viel Verbindungen als möglich anknüpft, die gutmüthig genug sind, Alles, was in Paris erscheint, unbesehen zu kaufen - dies sind für den größten Theil aller heutigen Pariser Verleger die Bedingungen des Erfolgs und die Begriffe, auf welche fich im Allgemeinen die Männer beschränken zu müssen glauben, die den Beruf haben, den Markt der Intelligenz mit seinen Bedürfnissen zu versehen.

„Und gleichwohl könnte dieser Stand der französischen Verlagsbuchhändler, der mit der ganzen gebildeten Welt Relationen hat, ein so wesentlicher Faktor der Kultur-Verbreitung sein, wenn er seine Pflich ten, seine Aufgaben und seine wahren Intereffen vollständig begriffe! Oder sollen es ihm erst die Folgen, die sein jeßiges Verfahren haben wird, beweisen, daß er gegen sein eigenes Intereffe handelte, als er mit dem Rechte der Prüfung, der Wahl und der Kontrole auch die Garantie vernachläffigte, die er dem Publikum schuldig war? Haben unsere Verleger darthun wollen, daß man, um Buchhändler zu sein, nur Geld und etwas Handels- Geschicklichkeit zu haben braucht, so ist vielleicht der Tag nicht mehr fern, wo sie neben sich die Konkurrenz eines enormen Kapitals, einer großartig organisirten Geschäftsverwaltung sehen werden, die gegen sie ihre eigenen Waffen kehren wird. Wohl dann denjenigen, die an ihr Haus eine ihm nicht untreu wer dende Anzahl auserlesener Schriftsteller zu feffeln und Verlags- Kataloge zu liefern verstanden, die von dem Urtheile der Verleger zeugten und dem Publikum eine Garantie gewährten! Für diese allein wird dann noch ein Kampf mit jener Konkurrenz des Kapitales möglich sein."

Mannigfaltiges.

der Vereinigten Staaten aufgestellt und nahm endlich den vom General Taylor ihm angebotenen Posten eines Gesandten am Hofe St. James andas höchste und wichtigste diplomatische Amt, das ein Amerifaner bekleiden kann. In England verschaffte ihm sein enormer Reichthum, der ihm vorangegangene hohe Ruf und seine ansprechende Persönlichkeit die schmeichelhafteste Aufnahme;") er that viel dazu, die Bande zu befestigen, welche zwischen England und Amerika bei aller Verschiedenheit der politischen Institutionen durch Gleichheit der Sprache und des Ursprungs geknüpft worden, und die Anläffe zu Mißverständnissen, welche die sich oft kreuzenden Intereffen der beiden Länder hervorrufen, nach Möglichkeit zu entfernen. So gelang es ihm vor einigen Jahren, die Fischerei-Streitigkeiten zu ordnen, welche durch die unbesonnenen Maßregeln des Ministeriums Derby eine so bedenkliche Gestalt angenommen hatten, daß ein Bruch fast unvermeidlich schien. Der Sieg der demokratischen Partei (Lawrence war eifriger Whig) rief ihn nach seinem Vaterlande zurück, wo er fortfuhr, seine kommerziellen Pläne zu verfolgen und sich zugleich lebhaft an allen politischen und sozialen Fragen der Zeit zu betheiligen, bis ihn der Tød, zwar in seinem dreiundsechzigsten Jahre, aber in der Fülle seiner Kraft und geistigen Thätigkeit, ereilte.

Zeitungs-Annoncen in England. In der leßten Nummer der Quarterly-Review befindet sich ein intereffanter Artikel zur Geschichte der Zeitungs-Annoncen in England. Der Verfasser hat einige sehr kuriose Notizen über die Kosten gesammelt, welche gewissen industriellen Spekulanten ihre täglichen Zeitungs-Inserate verursachen. Folgendes sind einige dieser Zahlen - Angaben: Holloway giebt für Ankündigung seiner abführenden Pillen jährlich 30,000 Pfd. Sterl. (200,000 Thlr.) aus; die Herrengarderobe - Handlung von Moses & Son 10,000 Pfd. Sterl. (67,000 Thlr.); die Makassar-Del-Fabrikanten Rowland & Son 10,000 Pfd. Sterl.; der Dr. de Jongh für Ankündigung von Leberthran 10,0000 Pfd. Sterl.; die Betten- und Matraßenhändler Heal & Son 6000 Pfd. Sterl. (40,000 Thlr.); der Schneider Nicoll 4,500 Pfd. Sterl. (30,000 Thlr.) 2. Zur Zeit der Eisenbahn-Manie nahm die Times in einer einzigen Woche 6700 Pfd. Sterl. (45,300 Thlr.) für Annoncen ein. Gegenwärtig beträgt die durchschnittliche Einnahme dieser Zeitung für Inserate über 3000 Pfd. Sterl. (20,000 Thlr.) wöchentlich.

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Jedem das Seine! Man hat oft genug der deutschen Zeitungs-Preffe zum Vorwurfe gemacht, daß sie bisweilen Artikel aus anderen Blättern entlehnt, ohne die Quelle anzugeben. In England scheint man sich auf diese Art literarischer Freibeuterei auch zu verstehen. So finden wir in den Stuttgarter,,Erheiterungen" (fiebenundzwanzigster Jahrgang [1855], dreizehntes Heft) bei einer Erzählung. unter der Ueberschrift,,Ein Heiratsgesuch" Colburn's New Monthly Magazine, January 1855 als Quelle angegeben, während diese Erzählung echt deutschen Ursprungs ist und unter dem Titel „Eine Heirat auf dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege"" in Trewendt's Volkskalender für 1855 seiner Zeit viel Beifall gefunden hat.**) Wäre der englische Ueberseßer fo gewissenhaft gewesen, wie der deutsche Rücküberseher, d. h. hätte er Trewendt's deutschem Volkskalender die verdiente Ehre gegönnt, als Quelle citirt zu werden, so wäre es wohl schwerlich einem Deutschen eingefallen, diesen allerdings ganz anmuthigen Schwank ins Deutsche zurückzuübertragen. Interessant ist übrigens der Vergleich zwischen dem Original und der Rückübersegung. So trefflich lettere als solche genannt werden muß, so ist und bleibt doch jede Ueberfegung nur ein schwacher Abklatsch des Originals, und man wird in ihr nur selten das Mark und die Frische des leßteren wiederfinden.

Abbott Lawrence. Der kürzlich verstorbene Mr. Abbott Lawrence, ehemaliger Gesandter der Vereinigten Staaten in London, gehörte zu einer Klaffe von Männern, die in Amerika häufiger als in anderen Ländern gefunden werden, Männern, die lediglich durch eigene Anstrengung, durch raftlose Industrie und kühnen Unternehmungs, geist emporgekommen, den Befiß von unermeßlichen Reichthümern mit Staatsmännischer Begabung und patriotischem Streben vereinigen. Sein Bater, Samuel Lawrence, war einer der,,Helden des Unabhängigkeitskrieges" gewesen, d. h. er hatte bei Bunker-Hill mitgefochten und eine Kugel durch seinen Hut erhalten, dann aber sich nach seinem Geburts dorfe Croton zurückgezogen, wo er einen kleinen Kramladen anlegte, in welchem seine fünf Söhne, darunter auch Abbott, ihre kaufmännische Laufbahn begannen. Funfzehn Jahr alt, kam Abbott mit drei Dollars in der Tasche nach Boston, wo sein Bruder Amos unterdessen ein Detailgeschäft eröffnet hatte, in welches Abbott einige Jahre später als Theilnehmer eintrat und welches sich bald in einen blühenden Großhandel verwandelte. Dank ihrer Umsicht und dem Glück, das fie begünstigte, blieben die Brüder Lawrence fteis unberührt von den Erschütterungen, denen die Handelswelt Amerika's so oft unterworfen ist. Sie standen an der Spiße jener industriellen Unternehmungen, welche die Fabrikstädte Lowell und Lawrence hervorgezaubert und ganz Neu-England in einen Heerd des Gewerbfleißes umgeschaffen haben. Deutsches zu übertragen, ohne die Quelle anzugeben, nicht frei, wie wir dies

So erwarben sie ein kolossales Vermögen, von welchem sie den edelsten Gebrauch machten; namentlich zeichnete fich Abbott durch die fürstliche Freigebigkeit aus, die er bei Unterstüßung wissenschaftlicher und philanthropischer Institute bewies. Im Jahre 1847 schenkte er z. B. der Universität Harvard eine Summe von 50,000 Dollars (gegen 70,000 Thlr. preuß.) zur Gründung der Lawrence Scientific School. Von seinen Mitbürgern zu wiederholten Malen in den Kongreß gewählt, half er die Gränzfrage reguliren, die beinahe zu einem Kriege mit England geführt hätte, wurde 1848 als Kandidat für die Vice-Präsidentschaft

*) Im Sommer 1851 hatten wir Gelegenheit, auf einer der glänzenden Soireen, die Herr Lawrence in seinem Hotel in Piccadilly, Hyde-Park-Corner, gab, neben dem greisen Herzog v. Wellington die ersten Staatsmänner EngLands und viele Berühmtheiten des Auslandes zu sehen, die alle dem Herrn Abbett Lawrence ihre Hochachtung an den Tag legten. D. N.

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**) Auch die Household Words von Dickens halten sich von diesem Fehler, einmal im`ˇ„Magazin“ nachgewiesen haben.

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