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gemeinschaftlichen Quelle entspringen und zu einem gemeinschaftlichen Ziel hinstreben, aufgefasst werden.

Das Suchen nach einem Stützpunkt ausserhalb der realen Beziehungen, und zwar in absoluten Principen und allgemeinen Begriffen ohne Correlation zur Wirklichkeit, führte zum metaphysischen Dogmatisiren in der socialen Wissenschaft, wie früher auch in der Naturkunde und wie es noch bis heute in der reinen Ideal - Philosophie herrscht. Die Unfruchtbarkeit dieses Bodens in Bezug auf die beiden Sectionen des menschlichen Wissens ist durch die Erfahrung dargethan; in Bezug auf die Naturwissenschaft wurde diese rein ideale Richtung durch Bacon aufgehoben; im Bereich der Philosophie ist sie gleichfalls, wenn auch nicht vollständig, durch Kant misscreditirt worden; die sociale Wissenschaft aber bildet bis heute den beliebtesten und weitesten Tummelplatz für einen eben so unfruchtbaren als wortreichen metaphysischen Doctrinairismus aller Art. Dieser so vergeblichen Verschwendung geistiger Kräfte und Fähigkeiten, die eines besseren Looses werth sind, kann nur durch Uebertragung der socialen Forschungen auf den fruchtbaren Boden realer Beziehungen, durch die Anerkennung der menschlichen Gesellschaft, gleich dem Menschen selbst, als Theil der uns umgebenden Natur, eine Grenze gesteckt werden. Und gleichwie die Geologie, während sie nur die verschiedenen Perioden der Formation der Erdrinde in's Auge fasst, den ursprünglichen Act der Schöpfung nicht verleugnen kann; gleichwie ferner die Astronomie, wenn sie die Räume des Himmels misst oder die Umlaufszeiten der Gestirne berechnet, nicht die Unendlichkeit des Raumes und die Ewigkeit der Zeit verneinen kann, sondern im Gegentheil uns nur noch mehr an diese sowohl, als an jene glauben lehrt, eben so wenig kann auch die Socialwissenschaft, indem sie den Menschen als Theil der Natur und die menschliche Gesellschaft als eine Vereinigung von Kräften, die in bestimmter gegenseitiger Beziehung zu einander stehen und nach bestimmten Gesetzen wirken, erforscht, den vernünftig - freien Willen des Menschen negiren, sondern muss im Gegentheil sein Vorhandensein in jedem einzelnen Menschen als Quelle jeder einzelnen gesellschaftlichen Thätigkeit voraussetzen. Die Socialwissenschaft, wenn sie überhaupt für eine positive Wisssenschaft gelten will, muss sich auf die Ergründung der gegenseitigen Beziehung der Kräfte beschränken und nicht sich in Betrachtungen über die

Bedeutung des freien Willens verlieren, gleichwie Botanik und Zoologie die biologischen Erscheinungen des organischen Lebens aufsuchen, der Wechselwirkung und Entwickelung der einzelnen Zellen und ihrer gegenseitigen Beziehung zum ganzen Organismus nachspüren, nicht aber Betrachtungen über die Quelle der Lebenskraft, die jede einzelne Zelle und den ganzen Organismus in seiner Gesammtheit durchdringt, anstellen.

VI.

Die Bedeutung allgemeiner Begriffe.

Nachdem wir auf die Analogie zwischen der Wirkung der Kräfte in der menschlichen Gesellschaft und in der Natur hingewiesen haben, nachdem wir auseinandergesetzt haben, dass die menschliche Gesellschaft nichts Anderes sein könne, als eine Fortentwickelung der Naturkräfte, und ferner, dass die sociale Wissenschaft ein Theil der Naturwissenschaft sei, dürfen wir noch einen Schritt weiter in dieser Richtung gehen, ohne zu befürchten, einen falschen Weg einzuschlagen. Die Analogie zwischen den Erscheinungen in der Gesellschaft und in der Natur tritt nämlich noch deutlicher hervor, sobald wir, ohne uns um sicht- und fühlbare Formen und Umrisse zu kümmern, uns mit der Feststellung dessen beschäftigen, was unter den Worten Materie und Kraft in der Natur zu verstehen ist, und sobald wir von demselben völlig objectiven Standpunkt aus die Erscheinungen betrachten, die in der menschlichen Gesellschaft zum Vorschein kommen.

Diese objective Stellung zur Gesellschaft ist desshalb besonders schwierig, weil wir selbst mit zum Bestande der Gesellschaft gehörend, d. h. einen Theil des Gegenstandes bilden, der unserer Betrachtung unterliegt. Doch eben dadurch unterscheidet sich ja die wissenschaftliche Betrachtung von der gewöhnlichen des gemeinen Menschenverstandes, dass sie, das Zufällige vom Nothwendigen, das Nebensächliche vom Wesentlichen trennend, nicht bei der äusseren Oberfläche der Erscheinungen stehen bleibt.

Mit Recht sagt W. Humboldt, das Verständniss eines bestimmten Kreises von Erscheinungen sei nur von einem ausserhalb desselben liegenden Punkte aus möglich; ein überlegtes Heraustreten aus diesem Kreise sei eben so gefahrlos, als gegentheils Irrthum bei blindem Beharren in demselben unvermeidlich. Am schwersten fällt uns Menschen ein solches Heraustreten aus der uns umgebenden Sphäre bei Betrachtung des socialen Organismus, zu welchem wir selbst als dessen Theil uns in beständiger Wechselwirkung mit den übrigen Theilen und dem ganzen Organismus in seiner Gesammtheit befinden. Wenn eine Täuschung der Sinne zu falschen Schlüssen in Bezug auf die Erscheinungen der Natur führt, insoweit letztere doch nur einseitig, temporär und zufällig auf diesen oder jenen Sinn wirken, so muss eine solche Täuschung in Bezug auf die Gesellschaft, die den Menschen von der Wiege bis zum Grabe auf allen Seiten umgiebt und beständig auf alle seine Empfindungen und Vorstellungen Einfluss übt, sicher noch ungleich stärker wirken. Wenn, trotz der unanfechtbaren Genauigkeit mathematischer Berechnungen, es anfänglich schwer war, den menschlichen Geist davon zu überzeugen, dass die sichtbare Bewegung der Sonne nur eine scheinbare sei, wie viel Mühe wird es der Wissenschaft kosten, zahlreiche Vorurtheile und falsche Anschauungen im Gebiete der socialen Wissenschaft auszurotten oder zurechtzustellen. Die Gewohnheit, die Dinge von einem bestimmten Gesichtspunkte aus zu betrachten, äussere Eindrücke uns in bestimmter Form, in bestimmter Ordnung und bei bestimmter Empfänglichkeit der Sinne anzueignen, kann leicht zu falschen Vorstellungen, einseitigen Auffassungen und irrigen Schlüssen führen, veranlasst uns auch häufig Ungleichartiges zusammenzuwerfen und Gleichartigem verschiedene Eigenschaften und Eigenthümlichkeiten zuzutheilen, treibt uns nicht selten dazu, äusseren Gegenständen Qualitäten zuzuschreiben, die nur von der subjectiven Thätigkeit unserer Sinne abhängen. Ein grosser Unterschied existirt zwischen den Empfindungen des Druckes, Geschmackes, Geruches, des Klanges und der Farbe, die durch. äussere Gegenstände in unseren Sinnen hervorgerufen werden und der Art und Weise, in welcher die Naturkräfte, die diese Erscheinungen hervorbringen, wirken. Ein Gegenstand hat einen sauern Geschmack oder scharfen Geruch nicht an und für sich, sondern nur desshalb, weil wir es so empfinden. Zwischen unseren Empfindungen und der chemischen oder mechanischen Wirkung

des Gegenstandes, der mit unserer Zunge oder unserem Geruchsorgane vermittelst Verflüssigung oder Verflüchtigung seiner kleinsten Theile in Berührung kommt, ist nur das Gemeinsame, dass das Letztere die Ursache, das Erstere die Folge ist. Die Schwingungen der kleinsten Luft- und Aethertheilchen, von denen die ersteren in uns die Empfindungen des Klanges, die letzteren die des Lichtes erzeugen, sind so verschieden von den Empfindungen selbst, wie Wind und Dampf, die ein Fahrzeug in Bewegung setzen, für das sich bewegende es sind. Ein und dieselbe Ursache kann in unseren Organen verschiedene Empfindungen hervorbringen. - So bringen z. B. die Schwingungen des Aethers in unserem Auge die Empfindung des Lichtes, für unser Gefühl die Empfindung der Wärme hervor. Andrerseits bewirken verschiedene Ursachen eine und dieselbe Empfindung; so z. B. wird die Empfindung von Licht in unseren Sehnerven nicht nur durch Schwingungen des Aethers erzeugt, sondern auch durch einen electrischen, ja sogar durch einen einfachen mechanischen Schlag. - Die Gewohnheit, die auf der beständigen Wiederholung einer unzähligen Menge von Empfindungen beruht, veranlasst uns vorauszusetzen und zu glauben, dass unsere Empfindungen vollständig den äusseren Gegenständen entsprechen. Objectiv sich verhalten zu diesen Empfindungen und den sie erzeugenden Ursachen kann nur die Wissenschaft, und je objectiver dieses Verhalten ist, um so klarer, voller und vielseitiger sind die wissenschaftlichen Anschauungen und Schlüsse. Dieses objective Verhalten zu der uns umgebenden Aussenwelt ist im socialen Gebiete um so viel schwieriger, wie im Bereich der Naturwissenschaft, als die Abhängigkeit des physischen und geistigen Menschen von der ihn umschliessenden gesellschaftlichen Welt inniger, vielseitiger und stärker ist, wie seine Abhängigkeit von der ihn umringenden materiellen Natur allein. Denn es handelt sich hier nicht nur um äussere Eindrücke und Gewohnheiten, sondern um Anschauungen, Gefühle und Ueberzeugungen, die jeder Mensch mit der Muttermilch einsaugt und die sich in ihm unter dem Einflusse der ihn umgebenden socialen Welt während der Dauer seines ganzen Lebens befestigen und entwickeln. Es ist ungleich schwieriger diese inneren, die klare Erkenntniss der Wirklichkeit verdunkelnden Idole fern zu halten und umzustossen, als die falschen Vorstellungen von äusseren Gegenständen, d. h. die äusseren Idole, wie Bacon sie nennt. Um eine

völlig objective Stellung zu den socialen Erscheinungen einzunehmen, bedarf der menschliche Verstand einer bedeutend grössern Macht über sich, einer vollständigeren Beseitigung aller subjectiven Vorstellungen und Gefühle, als es bei der Erforschung der Naturerscheinungen erforderlich ist. Das ist auch der Grund, wesshalb die Socialwissenschaft als letzte im weiten Gebiete des Wissens sich geltend machte.

Schon die Gewohnheit in bestimmter Weise zu denken, so oder anders mit bestimmten allgemeinen Begriffen umzugehen, bildet ein nicht geringes Hinderniss für die wissenschaftliche Betrachtung der Erscheinungen. Dank dieser Gewohnheit und den Täuschungen unserer äusseren Sinne und inneren Vorstellungen, erscheint uns ein grosser Theil allgemeiner Begriffe nicht als der Reflex einer Menge einzelner realer Erscheinungen und Beziehungen, die in unserem Geiste zu einer indifferenten Vorstellung sich verschmelzen und verdichten, sondern als etwas Selbstständiges, Absolutes, das keiner Analyse und Zerlegung in die zusammensetzenden Theile unterliegt. Auf diesem trügerischen Grunde dienten lange Zeit die allgemeinen Begriffe von Raum und Zeit für alle metaphysischen Speculationen als unerschütterliche, wie man wähnte, Stützpunkte, als Ausgangspunkte für die Beweise der sogenannten angeborenen Ideen. Im Gebiete der socialen Wissenschaft werden auch jetzt noch die allgemeinen Begriffe von Freiheit, Recht, Nutzen, Macht aus Gewohnheit und in Folge von Täuschung des Erkenntnissvermögens für etwas Selbstständiges, ausser uns für sich Existirendes genommen, und diese Begriffe dienen bis heute zu allen aus metapolitischen Anschaunngen hervorgegangenen Systemen als Grundlage; während doch diese allgemeinen Begriffe, so wie auch die Begriffe von Zeit und Raum, nur das Resultat einer unzählichen Menge einzelner ausserhalb uns vorgehender und in unserem Geiste zu einem allgemeinen Begriff verschmelzender Handlungen und Erscheinungen sind. Um diesen Täuschungen zu entgehen, um zur socialen Wissenschaft eine eben so objective Stellung einzunehmen, wie wir es gegenwärtig der Natur gegenüber thun, um aus dem Bereich der Metapolitik auf den sicheren Boden der Wirklichkeit überzugehen, wie es im Gebiet der Naturforschung, die sich von allen metaphysischen Voraussetzungen und Annahmen losgesagt hat, schon geschehen ist, dürfen demnach allgemeine Begriffe nur als das, was sie wirklich sind, genommen, nur nach

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