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leitet, das ihm nahe an zwei Monate Zeit gekostet, all sein Geld aufgezehrt und ihn noch in neue Schulden verseßte, ohne ihn auf entsprechende Art zu entschädigen oder auch nur anzugeben, worin denn die Unbrauchbarkeit dieses Trauerspieles bestehe — so sehr dies Alles sein großmüthiges Herz zernagte, so war er dennoch viel zu stolz, als daß er sein Gefühl für eine solche Behandlung hätte errathen laffen. Er begnügte sich, gegen den, der ihm diese abweisende Entscheidung einhändigen mußte, zu äußern:,,er habe es zu bedauern, daß er nicht schon von Frankfurt aus nach Sachsen gereift sei." — Ein Gutachten über das Schauspiel, im November 1782 von Jffland verfaßt, das sich in den Akten des Mannheimer Theaters vorfand, sprach nach einer theils tadelnden, theils lobenden Kritik des Stückes schließlich die Anficht aus, daß soviel Genie und Fleiß, in Anerkennung der traurigen Lage des Verfaffers, eine Unterstüßung verdiene. Streicher giebt die Summe von 8 Louisd'or als dasjenige an, was Iffland vorgeschlagen habe. Allein“, fügt er hinzu,,,Se. Ercell. der Freiherr von Dalberg konnten diesem Gutachten ihren Beifall nicht schenken, sondern entließen den Dichter ebenso leer in Börse und Hoffnung, wie er vor zwei Monaten daselbst angekommen war."

Schiller findet ein Asyl in Bauerbach, dem Gute der Frau von Wolzogen. Neue Prüfungen, neue Täuschungen. Der Konflikt zwischen Pflicht und Liebe und Dalberg's Annäherung treibt ihn von Bauerbach nach Maunheim, wo er das Amt eines Theaterdichters übernimmt. Neue Widerwärtigkeiten reifen den Entschluß, die Einladung Körner's, nach Sachsen zu kommen, anzunehmen. Es soll die Dichtkunst nicht mehr der einzige Zweck seines Lebens sein; er ist entschlossen, den Besuch der Muse nur in der aufgeregtesten Stimmung anzunehmen, dafür aber mit allem Eifer sich auf die Rechtswissenschaft zu werfen. Die lezten Stunden vor seiner Abreise verbrachte er mit seinem Freunde Streicher. Als die Freunde gegen Mitternacht schieden, gaben sie fich die Hand darauf, Keiner an den Anderen schreiben zu wollen, bis Streicher Kapellmeister und Schiller Minister sein würde. Aber Streicher ward nicht Kapellmeister, sondern unternahm 1795 eine Pianoforte-Fabrik in Wien, wo er am 25. Mai 1833 gestorben ist. Und Schiller wurde nicht Minister eines kleinen Fürsten. Er wurde mehr, weit mehr, er wurde ein König im Reiche der Geister. Der quälendste Akt im Drama seines Lebens ist zu Ende; die bittersten Stürme der Noth sind überwunden. Schiller hat, wenn je ein starker Menschenwille, die Fluth wahrgenommen, und sie trug ihn zur rechten Zeit in den rettenden Hafen."

"

Hiermit schließt der Band. Wir fügen noch hinzu, daß die Würdigung der ersten Dichtungen Schiller's, die in diese Periode fallen, namentlich seiner Dramen: „Räuber“, „Fiesko“, „Kabale und Liebe“, eine durchaus liebevolle und gerechte ist. Der Verfaffer geht nicht darauf aus, wie die meisten Kritiker, die Fehler dieser Jugendwerke hervorzuheben und durch eine ftrenge Censur fie, die auf unsere Vorältern eine so mächtige Wirkung geübt, in den Augen der Enkel herabzuseßen, sondern, indem er sie weniger nach abstrakten ästhetischen Prinzipien, als nach der historischen Bedeutung, die sie für den Dichter und seine Mitwelt hatten, beurtheilt, weift er treffend nach, wie trog dem besonderen Gepräge, das ihnen ihre Zeit auf gedrückt, doch das Wahre und Schöne, das für alle Zeiten gilt, aus ihnen hervorleuchtet. M.

Schweden.

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Die Lage Schwedens nach der Handelskrifis von 1857.*) Als der Handelssturm in Amerika losbrach, konnte Keiner einige Eingeweihte vielleicht abgerechnet - ahnen, daß er so schnell unsere Geftade erreichen und so entsegliche Verwüstungen anrichten werde. Handel, Industrie, Ackerbau entfalteten seit Jahren ihre volle Blüthe. Eine bis dahin in dem Umfange unbekannte Ausfuhr hatte Summen in das Land gebracht, die vor 15 bis 20 Jahren für fabelhaft gegolten hätten. An Geld war Ueberfluß, industrielle und landwirth schaftliche Unternehmungen erstanden auf allen Seiten und verhießen Schweden den Anbruch des goldenen Zeitalters.

In wenigen Wochen, welch ein Umschlag!

Kaum hatte der Telegraph die Unglücks-Ereignisse in Hamburg und London angezeigt, als auch die Stockholmer Börse in ihren Grundvesten erzitterte und die ganze Handelswelt der Hauptstadt unter ihrem Sturze zu begraben drohte.

Bald kam die Reihe an die anderen Handelspläße des Reiches, und der Orkan fuhr verwüstend bis an die Gränzen Lapplands. Aus den Höhen des Großhandels senkte sich das Unwetter in die Niederungen des Kleinverkehrs; der Fabrikant sah sich genöthigt, die Arbeiten zu beschränken, wo nicht ganz einzustellen; die Besißer von Hammerwerken waren ohne Geld, und dem Landwirthe blieben seine Erzeugnisse unverkauft auf dem Halse.

*) Nach der „,Revue Suédoise". Vgl. Nr. 93 des „Magcain".

Bei einem solchen Stand der Dinge fiel der Kredit auf einmal, die Sicherheit im Handel verschwand. Die Läden wurden felten besucht, und das Einzelgeschäft hatte, so zu sagen, den legten Athem ausgehaucht.

Keiner verkaufte, Keiner kaufte, Alle aber suchten Geld aufzutreiben. Reiche und Arme klagten um die Wette.

Solche Scenenverwandlung im Nu, folche Noth nach solchent Reichthum, solcher Sturz aus solcher Höhe was hat sie herbeis geführt? Wie kam das eben noch blühende Schweden in Einem Lage fast an den Bettelstab?

Die Ursache enthüllte sich uns Schlag auf Schlag aus den ge prüften Handelsbüchern der gefallenen Häuser. Diese, durch Hamburger Kaufleute von etwas bequemem Gewissen aufgemuntert, von dem Köder eines schnell und ohne Mühe erworbenen Vermögens ges lockt, besonders von den täglichen Anforderungen eines ihre Mittel weit übersteigenden Lurus und Aufwandes gedrängt, lebten endlich nur von dem oft unbeschränkten Kredit, der ihnen theils in Hamburg, theils in London geöffnet war. Aber diese entlehnten Summen mußten gedeckt, diese auf die Zukunft gezogenen und oft kein wirkliches Geschäft darstellenden Tratten mußten honorirt werden. Da kam denu das Vigilanzwesen auf, wie man es hier zu Lande nannte: es bestand darin, daß man von B borgte, um C zu bezahlen, von C, um B zu. befriedigen, und so die Reihe herum, bis zu dem Augenblick, wo B oder C oder Beide fielen und man endlich sein Geschäft ins Klare bringen mußte.

Nicht alle gefallenen Häuser hatten es so weit getrieben, jeden falls aber waren sie nicht ohne Schuld; denn entweder betheiligten fie sich bei diesem unseligen Schwindel oder schenkten denen, die ihm fröhnten, ein zu großes Vertrauen.

Das Unheil hätte ganz oder zum Theil vermieden werden können, wenn der schwedische Handel mit mehr Vertrauen auf seine eigenen Kräfte, mit mehr Behutsamkeit und weniger Gewinngier, gesucht hätte, soviel als möglich die fremden Kapitalien zu missen, um die schwedischen Kapitalien zu benußen. Unglücklicherweise stand das Diskonto in Hamburg niedrig und in Schweden hoch, und die schwedischen Kapitalisten, die Bank an der Spiße, machten so viele und so kleinliche Umstände der Förmlichkeit und der Vorsicht, ehe sie mit einem Vorschuß herausrückten, daß man nur in der dringendsten Noth zu ihnen seine Zuflucht nahm.

In manchem Lande können Handel und Industrie im Nothstande fein, ohne daß es die Volksschichten außerhalb derselben sehr verspüren; in Schweden ist dem nicht so. Die Bodenkultur im Großen braucht gegenwärtig ungeheure Kapitalien. Bisher war sie, so zu sagen, noch in den Windeln, und die unermeßlichen Dominien, lange im ausschließlichen Befiß des Adels, lagen mehr oder weniger brach. Die Kapitalien wurden auf Alles eher, als auf die Güterverbesserung verwendet; sie hätten übrigens auch nicht dazu ausgereicht.

Die lezten zwanzig oder dreißig Jahre haben diesen Zustand allgemein umgeändert. Der Zuwachs der Bevölkerung, die Nothwendigkeit, neuen Bedürfnissen zu genügen, die Abnahme der großen Dominien, die Zerstückelung der Landgüter, der kräftige Antrieb, der aus der Fremde und namentlich aus Großbritannien kam, haben in die Landwirthschaftliche Industrie Schwedens eine auffallende Umwälzung gebracht. Ungeheure Wälder wurden ausgerobet, Sümpfe ausgetrocknet, Seen abgeleitet oder verflacht, neue Verfahrungsweisen eingeführt, und der blos handgriffliche, nie, über die Gegenwart hinausschauende, von den Umständen gegängelte Ackerbau unserer Vorfahren wich dem wissenschaftlichen, geregelten, systematischen Ackerbau.

Dazu bedurfte es aber unermeßlicher Kapitalien: man wollte vorwärts und rasch vorwärts schreiten, und worauf man souft eine zwanzigjährige Arbeit hatte verwenden müssen, das fand sich in einem Jahre gethan.

In Schweden waren diese Kapitalien nicht vorhanden; das Ausland übernahm es, sie vorzußtrecken. Die in der Erde vergrabenen Summen, auf Unternehmungen verwendet, deren Früchte erst in Jahren zu erwarten ftanden, fraßen inzwischen Atarke Zinsen, die wiederum nur unter günstigen Konjunkturen gezahlt werden konnten. So lange nun' die Boden-Erzeugnisse durch beträchtliche Nachfrage hohen Preis hielten, konnten die Gutsbefißer bedeutende Ueberschüsse machen und diese hauptsächlich zu weiteren landwirthschaftlichen Verbefferungen verwenden. Allein der Abfluß ihrer Produkte, auf den sie gerechnet hatten, staute beim Beginn der Krisis; ihre Scheunen waren voll, aber ihre Kaffen leer.

Daher die Klemme, die noch fortdauert, und die in diesem Jahre die Zahl der Bodenverbefferungen um ein Beträchtliches verringern dürfte. Dazu kam, daß die ins Fabelhafte gestiegenen Preise der Boden-Erzeugnisse die Speculation ebenso fabelhaft steigerte, und daß der Kauf und Verkauf liegender Gründe zu einem Börsenspiel wurde. Alles kaufte um die Wette, um mit großem Gewinn wieder loszuschlagen; die Güter gingen in einem Jahre um das Doppelte in die

Höhe, und alle Welt spekulirte noch, als die Krisis hereinbrach. Verkäufer und Käufer hatten ihre Berechnungen auf die Hauffe der land wirthschaftlichen Erzeugniffe gegründet; da diese aber keine Käufer mehr fanden, so hatten die leßten Güterkäufer die ganze Laft der Krisis zu tragen.

Unsere Hüttenbefißer sind keine Industrielle im Sinne des Auslandes. Ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, das Erz zu schmelzen und den Guß in Gänsen oder in Zainen an die besonderen Manufakturen zu liefern. Sie hatten bisher nicht flüssiges Kapital genug, um zur Gewinnung des Erzes selbst die nöthigen Vorschüsse zu machen. Diese werden ihnen auf den künftigen Eisenertrag von den ausführenden Kaufleuten gemacht. Können die Kaufleute keine Vorschüsse machen, so stehen die Hochöfen still. Hier, wie in der Agrikultur, herrscht fast durchweg große Fahrlässigkeit; selten, daß ein Unternehmen das besißt, was in jedem gutgeleiteten Unternehmen unerläßlich ist ein Hülfskapital, wovon ein Theil als Betriebskapital verwendet wird, um das Unternehmen im Gang zu erhalten, der andere für unerwartete Vorkommnisse aufgespart wird.

Schweden besaß ehemals unermeßliche, aber unbenußte, also werthlose Wälder. Seitdem aber, nach dem Kriege und den Unglücksfällen, die im Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts unser Vater land heimgesucht, der Handel wieder auflebte, wurde die Benußung der Wälder einer der ertragreichsten Handelszweige. Ausländische, in Schweden eingebürgerte Kaufleute, aufgemuntert durch die Gleich gültigkeit der Regierung, die Unzulänglichkeit der Gefeße, die Unwissenheit, Fahrlässigkeit und Habgier der Bevölkerung richteten in den Forsten, des Nordens besonders, unglaubliche Verwüstungen an. Um die Wette wurde niedergeriffen, gefällt, gesägt und in wenigen Jahren lagen unabsehbare Urwälder zu Boden, um sich nimmer wieder zu erheben. Im Norden geht der Nachwuchs des Hochholzes, unzähligen Wechselfällen, klimatischen und anderen Einflüssen ausgesezt, nur langsam von statten, und der gänzliche Ruin eines Waldes verdammt den Boden, der ihn getragen hat, zu ewiger Unfruchtbarkeit.

Die lezten Jahre insbesondere arbeiteten die schwarzen Banden/ in einem großen Maßstabe. Die wirkliche oder künstliche allgemeine Thätigkeit, die der orientalische Krieg herbeiführte, spornte sie von neuem. Kaum aber hatten die kämpfenden Mächte Frieden geschloffen, als der Holzhandel plöglich fank und den Betheiligten empfindliche Streiche verseßte. Gegenwärtig ist er fast auf Null heruntergegangen, und das wäre kein großes Unglück, wenn sich nicht dadurch im Norden Schwedens Arbeitsmangel und Rothstand kundgäbe. Hoffen wir, daß die bisherige unsinnige Ausschöpfung einer unserer größten Nationalquellen einer rationalen Forstwirthschaft Plah machen wird. Die Krisis, wird vielleicht auch der Bevölkerung Norrlands die Lehre geben, daß der wahre Reichthum nicht aus der Zerstörung, sondern aus der Schöpfung, nicht aus der Vertilgung, sondern aus der Vermehrung der Naturreichthümer hervorgeht.

Die ganze Blüthe Schwedens vor der Krisis war demnach in vielem Betracht mehr eine täuschende, als echte, und die Krisis hatte das Gute, auf das Uebel wie auf die Heilmittel hinzuweisen. Diese Heilmittel sind: Behutsamkeit in den Unternehmungen; Liebe zur Ordnung und zu geduldiger, mühsamer vielleicht, aber sicherer und ergiebiger Arbeit; Abscheu gegen allen Schwindel der Agiotage und Speculation; Verwinderung der Einfuhr; Vertrauen auf die eigenen Kräfte; allmähliches Sichablösen vom fremben Kredit; Gründung eines besseren Bankwesens im eigenen Lande.

Angesichts der ungeheuren Zerrüttung, die über das Land herein gebrochen, fühlte sich die öffentliche Meinung wie von Schrecken gelähmt und verlangte gebieterisch das Einschreiten der Regierung. Ohue hier in eine Untersuchung über die Zweckmäßigkeit eines solchen Einschreitens einzugehen, bemerken wir, daß der Reichstag zwölf Mill. Rirdaler bewilligte, die zur Unterstüßung des Handels und verschiedener Industrieen verwendet werden sollten. Zwei Negoziatoren wurden auf das Festland geschickt, die auch wirklich eine Anleihe, aber unter so läftigen Bedingungen zustande brachten, daß eine lange Zeit fast: Keiner das Geld anrühren wollte. Diese Finanz-Operation rief heftige Kritiken hervor und wird ohne Zweifel dem Lande ein schweres Geld kosten.

Das war in kurzem die Lage unmittelbar nach der Krisis. Seitdem haben sich die Zeiten nicht viel geändert: die Geschäfte heben sich nur langsam; unsere Meere sind offen, aber unsere Häfen leer. Die Ausfuhr ist gering, die Einfuhr Null. Und es hat das Anschen, als wollte das noch lange anhalten. So lange die Magazine von den in den lezten Jahren durch die Industrie angehäuften Erzeugnissen überfüllt sind, darf man nicht erwarten, daß das Geschäft in Schwe den oder sonstwo wieder auflebe. Der Konsum hat überdies stark abgenommen, Keiner kauft mehr als das unumgänglich Nothwendige.

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Jebe Münze hat aber auch ihre Kehrseite; kein Uebel, das nicht auch sein Gutes hätte. Die übertriebenen Preise selbst der Gegenstände des ersten Bedürfnisses, die zuleßt das bloße Leben zur Unmöglichkeit gemacht hätten, gingen um die Wette herunter und stellten wieder das normale Verhältniß zwischen den Hülfsmitteln und den Bedürfnissen, zwischen Soll und Haben her.

Steht es nun so verzweifelt, wie man anfangs geglaubt hat? Es ist aller Grund vorhanden, mit „Nein“ zu antworten; die Krisis hat Alles schwarz sehen lassen, weil man vor der Krisis Alles rosenfarben sah.

Für den Augenblick ist der Kredit zu Grunde gerichtet, er dürfte sich jedoch auf sichereren Fundamente wieder aufbauen; die Handelsund Industriewelt hat bereits die ersten Schritte dazu gethan.

Der Großhandel hatte unstreitig hartes Mißgeschick erfahren; viele Häuser sind von Grund aus zerstört, viele leiden noch unter den Nachwirkungen bedeutender Verluste; aber im Ganzen genommen hat die Krisis unsere Handelspläge von einem guten Theil ungesunder Elemente gesäubert, von den falschen Spekulanten, die den Handel lähmen, statt ihn in Gang zu erhalten. Für einen großen Theil der betroffenen Handelshäuser war das über sie hereingebrochene Unwetter nur vorübergehend, die Klemme momentan, und mehrere sind schon wieder zu sich gekommen.

Die Hüttenwerke werden wieder neu aufleben, in dem Maße, wie die Ueberfülle ihrer Produkte an den fremden Plägen sich vermindert. Derselbe Fall ist mit dem Ackerbau, und haben sich diese beiden Zweige erst erholt, dann wird die Genesung der NationalIndustrie nicht lange auf sich warten lassen. Wenn übrigens das Ausland in Schweden mit beträchtlichen Kapitalien verwickelt ist, so sind diese so wenig gefährdet, daß sie vielmehr in landwirthschaftlichen und anderen Unternehmungen angelegt sind, die reichlich wuchern werden und Schweden immer einen von künftigen Krisen unabhängigen Wohlstand und Nationalreichthum sichern.

Mannigfaltiges.

- Dr. W. Böhmer's theologische Polemik. Im vorigen Jahrgang unserer Zeitschrift (Nr. 130) erwähnten wir eines Buches über die Lehr-Unterschiede der katholischen und evangelischen Kirchen 2c., das damals eben erschienen war und den Konsistorialrath Prof. Dr. Böhmer in Breslau zum Verfasser hat. Wir konnten nicht umhin, die Unparteilichkeit und Milde des Verfassers anzuerkennen, der, auf dem Grunde der allgemeinen Idee des Christenthums, eine Versöhnung und Einigung aller christlichen Konfeffionen erstreben möchte. Nichts weniger, als theologische Aufeindung oder gar Zelotismus', athmet in dieser Schrift eines evangelischen Theologen, der das Gute, wo er es in anderen Kirchen wahrnimmt, mit Bereitwilligkeit ehrt und anerkennt. Nicht für möglich haben wir es daher gehalten, daß diese Schrift die theologische Anfeindung und den Zelotismus gegen sich herausfordern werde. Und doch ist dies geschehen, wie aus einer Broschüre ersichtlich, welche Herr Dr. Böhmer foeben zur Abwehr gegen einen ebenso maßlosen als unwürdigen Angriff herausgegeben hat.") Als Einleitung ist der Schrift ein Briefwechsel des Verfassers mit der königl Staats-Anwaltschaft in Breslau vorgedruckt, welche Leztere Herrn Dr. Böhmer aufgefordert hatte, auf Bestrafung des Pamphletisten wegen persönlicher Beleidigungen anzutragen, was aber von dem Aufgeforderten abgelehnt wurde, der sogar den Wunsch aussprach, daß die mit Beschlag belegten Exemplare der als Schmähschrift qualifizirten Broschüre dem Buchhandel wieder übergeben werden. Unsere Zeitschrift ist nicht der Ort zur Besprechung theologischer Polemik. Da Herr Professor Böhmer jedoch uns die Ehre erwiesen hat, seine Gegenschrift uns zu übersenden, so wollen wir hier mindestens konstatiren, daß fie mit derselben Milde und mit demselben Bestreben, der Wahrheit und Gerechtigkeit die Ehre zu geben, geschrieben ist, wie das von dem Gegner angefochtene Buch. Höchstens könnte "man der Schrift, wie dem Buche, den Einwurf machen, daß darin etwas Unmögliches versucht wird: Andersglaubenden nämlich die eigene subjektive Ueberzeugung im Lichte objektiver Wahrheit darzustellen.

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Magazin

Wöchentlich erscheinen 3 Rummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 gr., balbfährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 97.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beitu. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Reumann, Niederwallstr. Nr. 21), sowie von allen königl. Poft-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes

Nord-Amerika.

Berlin, Sonnabend den 14. Auguft.

Die Judianer im Westen der Vereinigten Staaten. Balduin Möllhausen, Sohn eines preußischen Artillerie Offiziers, schied, noch nicht 24 Jahre alt, mit ehrenvollstem Zeugniß aus dem preußischen Soldatendienst und eilte, von unbezwingbarer Sehnsucht getrieben, nach dem fernen Westen Nord-Amerika's. Dork reifte damals (im Jahre 1851) der Herzog Paul Wilhelm von Württemberg und beabsichtigte eine genauere Erforschung der Rocky Mountains. Unserem Möllhausen wurde gestattet, an diesem Unternehmen theilzunehmen, welches jedoch wegen kaum zu beseitigender Hemmniffe bei dem Fort Laramie am Plattefluß abgebrochen werden mußte. Er vereinte sich daher hier mit Ottoe-Indianern, jagte drei Monate lang mit den Omaha's, schiffte alsdann den Mississippi hinab, traf wieder mit dem Herzog zusammen und half auf verschiedenen Erkurfionen dessen naturhistorische Sammlungen vermehren. Im Jahre 1852 kehrte er nach Berlin zurück und überbrachte dem dasigen zoologischen Garten eine Anzahl höchst interessanter Thiere.

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Wer einmal in Gegenden, die der Kultur noch nicht erschlossen sind, längere Zeit hindurch mit Entbehrungen aller Art zu kämpfen hatte, dabei aber die großen Aufgaben von Angesicht zu Angesicht kennen lernte, welche die Forschung noch zu lösen hat, der kann die Ruhe, welche ihm eine Stadt, wie Berlin, darbietet, wenn er weiß, daß sein rüstiger Körper vor Wind und Wetter sich nicht zu scheuen hat, nur dazu verwenden, sich zu neuen, kühneren Unternehmungen vorzubereiten. So war es mit Möllhausen. Er erweiterte seine Kenntniffe, vervollkommnete sich in seinen künstlerischen Leistungen und reifte, mit den besten Empfehlungen versehen, 1853 nach Washington. Das Gouvernement der nordamerikanischen Freistaaten weiß die große Zukunft wohl zu würdigen, die dem germanischen Element in dem ungeheuren Gebiete eröffnet ist, welches der Atlantische und der Stille Ocean umschließt, und es denkt bei Zeiten an Mittel und Wege, das Wohl der in reißender Progreffion steigenden Bevölkerung nach allen Seiten hin nachhaltig zu fördern. Zu seinem Glück der oft so klein lichen Geschäftigkeit der europäischen Diplomatie faft überhoben, kann es, ohne viel Rühmens davon zu machen, in stiller, wohlgeleiteter Thätigkeit einen Landstrich nach dem anderen der Kultur gewinnen und die Mittel, welche das alte Europa seinen stehenden Heeren zuwenden` muß, auf Eroberungen verwenden, die der Wissenschaft und zugleich den materiellen Interessen der gesammten, namentlich aber der europäischen Menschheit zugute kommen.

Von diesem Gesichtspunkt aus sind auch die drei Expeditionen zu beurtheilen, welche das gedachte Gouvernement im Jahre 1853 entfandte, um die zweckmäßigste Linie zur Anlegung einer Eisenbahn nach Kalifornien zu ermitteln.

Die eine dieser Expeditionen sollte unter dem Befehl des Gous verneurs Stevens sich zwischen dem 47. und 49. Grad nördlicher Breite nach Westen bewegen, in der Gegend der Quellen des Missouri und Columbia die Rocky Mountains überschreiten und die Thäler beider Flüffe möglichst verfolgen.

Die zweite, unter Capitain Gunnison, follte auf dem 38. Grab nördlicher Breite, also auf einer Linie vorgehen, welche den nächsten Weg zwischen San Francisco und St. Louis und den schiffbaren Gewäffern des Mississippi bezeichnet und in ihrer Verlängerung das Gebiet der Vereinigten Staaten faft in zwei gleiche Hälften scheidet. Die dritte Expedition, welcher Möllhaufen als Topograph und Zeichner beigegeben wurde, stand unter dem Befehl des Lientenant Whipple. Sie sollte sich auf dem 35. Grad nördlicher Breite bewegen und begann ihre Arbeit bei dem Fort Smith_am Arkansas, 270 englische Meilen von Memphis am Mississippi entfernt. Man durchschnitt das Teras-Gebiet bald näher bald entfernter vom CanadianFluß, dann das von Neu-Mexiko, erforschte die Päffe der Sierra Madre, überschritt (den Colorado und langte nach unsäglichen An Arengungen, wie sie nur die Begeisterung für ein so großartiges

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1858.

Unternehmen hervorzurufen vermag, nachdem man sich elf Monate lang mit einem nicht unbedeutenden, von einer Infanterie-Abtheilung geschüßten Train auf meist ungebahnten Wegen Beschwerlichkeiten aller Art hatte unterwerfen müssen und eine Strecke von 1892 englischen Meilen zurückgelegt hatte, zu Pueblo de los Angelos an.

Möllhausen hat seine Erlebnisse auf diesem Entdeckungszuge in anziehendster Weise geschildert;") unbefangenen Blickes schaute er in die ihm neue Welt; die Eindrücke, die sie auf ihn machte, weiß er lebendig darzustellen, namentlich verdienen seine Mittheilungen über die Indianer, mit denen er in Berührung kam, große Beachtung. :..: (Schluß folgt.)

Frankreich.

Ein Mumien-Roman. **)

,,Mumien-Roman" (Roman de la Momie) jedenfalls ein etwas absonderlicher Titel, doch man erschrecke nicht; ein geistreicher Franzose, der nebenbei Gelehrter ist, oder vielleicht ein Gelehrter, der nebenbei geistreich ist, hat es unternommen, Jeden, der Vergnügen daran findet, auf die einfachste, anmuthigste und leichteste Weise ins ägyptische Alterthum, in jene versteinerte Wunderwelt einzuführen, die uns sonst so kalt und seltsam anblickt. Freilich ein etwas starkes Stück, und wohl nur dadurch theilweise zu rechtfertigen, daß das übrigens wohlfeile Büchlein zu der sogenannten Eisenbahn-Literatur gehört. -Verehrter Leser, hier hast du also Gelegenheit, bei dem dumpfen Geräusche des dahineilenden Bahnzuges, das, mit dem gleichförmigen Gerüttel verbunden, ohnedies eine einschläfernde Wirkung hervorbringt, deinen Geist in die Zeiten der Ramses' und Menephtha's, und wie sie Alle heißen, zu versenken und von Pyramiden, Obelisken, Sphinren, Labyrinthen zu träumen. Wenn dein Geist von deutscher Dorfgeschichten, von den Liebschaften der Tonele's und Babele's und Nankele's u. f. w. gesättigt ist, wenn dir vielleicht die samojedische Lyrik, die neulich ins Hochdeutsche überseht worden, nicht mehr be hagen will, wenn das rührende Mitgefühl an den Schicksalen zweier karaibischen Liebenden fast aufgebraucht ist, dann nimm dieses Buch und lies, wie die braunen Aegypterinnen mit ihren goldenen Nasenringen und Fußspangen in grauer Vorzeit geschmachtet und geliebt haben.

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Doch Scherz bei Seite -wir haben einen jener Romane vor. uns, die wesentlich eine Erfindung der neueren Gelehrten find. Jeder, der sich etwas mit historischen Wissenschaften und alten Sprachen beschäftigt hat, wird wissen, was Antiquitäten find, wenn auch die Ges lehrten selbst darüber keinesweges einig geworden. Von den Antiquis täten erfährt man über die alten Völker alles Mögliche, über ihre Sitten, Gebräuche, ihre Häuser, ihre Nahrung, Kleidung u. f. w., vorausgeseßt, daß Belegstellen darüber vorhanden find; aber wohl die Meisten werden darüber einig sein, daß, im Ganzen genommen, die Antiquitäten ein sehr trockenes Studium sind, und daß man aus ihnen das Leben jener alten Völker etwa nur so studiren kann, wie die Botanik aus einem Herbarium. Geistreiche Gelehrte haben also das eingesehen und, um das Studium der Antiquitäten etwas geschmackvoller zu machen, jene Gattung von Roman erfunden, den man füg lich den antiquarischen Roman nennen könnte. Ich erinnere hier nur an einen der bekanntesten in Deutschland, an Becker's,, Gallus", in welchem das Leben der Augufteischen Zeit geschildert wird. Man wird wohl darüber einig sein, daß diese ganze Gattung etwas sehr Bedenkliches hat, und zwar aus sehr einfachen Gründen. Der eigentliche Kern der Erzählung liegt doch immer in dem inneren Seelenleben der handelnden Personen.

*,,Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee", von Balduin Mollhausen. Eingeführt von Alerander v. Humboldt. Mit 13 3 luftrationen in Delfarben und Londruck, 10 Holzschnitten und 1 Karte. Leipzig, Hermann Mendelssohn. 1858. 4. Gin Prachtwerf, das dem deutschen Buchhandel zu großer Ghre gereicht. **),,Le Roman de la Momie", par Théophile Gautier. Paris, L. Hachette & Co.

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Nun aber ist die Denk- und Gefühlsweise entfernter Beiten und fremder Völker faft durchgängig eine von der unsrigen so sehr verschiedene, daß sie uns ganz uninteressant und fremdartig vorkommen und für einen Roman ganz untauglich sein würde. Versucht also der Dichter, uns wirkliche Griechen, Römer u. f. w. vorzuführen, so wird der Zweck der Unterhaltung und gemüthlichen Betheiligung ganz verfehlt; will er dagegen unterhaltend sein, so mag er seine Griechen und Römer mit ihrer Gesinnung für sich behalten; er muß dann moderne Figuren erfinden, und das antike Kostüm ist dann bloßer Masken flitter; kurzum, diese Stilgattung schwankt zwischen gelehrter Pedanterei und haltlofem Leichtsinn mitten inne, und das Beste, was sich in ihr erreichen läßt, wird schwerlich weit über Wieland hinauskommen, dem das antike Kostüm doch höchstens ein poetisches Hülfsmittel ist.

Unser französischer Verfasser hat auch seine Aufgabe mehr von der Testeren Seite gefaßt; offenbar hat er, wie dies den Franzosen seit der Befeßung der Nordküfte-Afrika's u. f. w. besonders geläufig geworden, seiner Fabel die Anschauungen zu Grunde gelegt, die heute zutage das morgenländisch-muhammedanische Wesen darbietet, und dann die Figuren nach geschichtlichen Notizen und der ägyptischen Sammlung im Louvre zu Paris kostümirt. Es ist damit etwa, wie mit den Bildern der französischen Maler, in denen sie biblische Geschichten - orientalisch Lund, national darstellen; alle Patriarchen, von Abraham angefangen, find Beduinen und tragen den arabischen weißen Mantel. Eben folche Bilder giebt es auch von ägyptischen Geschich ten. Uebrigens kann man nicht umhin, zu geftehen, daß der Verfaffer in der Einfachheit und Naivetät der Erzählung guten Geschmack bewiesen hat. Sie ist, in Kürze gefaßt, folgende:

Zur Zeit, als Moses und die Kinder Israels unter dem Drucke jenes Pharao schmachteten, von dem die Schrift redet, lebte zu Theben, der Hauptstadt des Reiches, ein Oberpriester, Namens Petamunoph, der eine schöne Tochter, Namens Tahofer, hatte. Das Mädchen langweilte sich in dem prächtigen Palaste, und in eine unbestimmte Traurig teit versunken, blieb sie unempfindlich für die Genüsse der sie umgebenden Uleppigkeit, für die Aufmerksamkeit ihrer Zofen und die Musik Aufführungen ihrer Lieblingssklavinnen; fie liebte und verbarg vor Allen ihr Geheimniß, das sie nur für sich behalten wollte. An dem. An dem Lage, mit dem unsere Erzählung beginnt, hielt der triumphirende Pharao mit dem fiegreichen Heere feinen Einzug in die Hauptstadt, und Nofre, die geliebte Gespielin der Tahofer, bewog diese, den Jubel mit anzusehen, in der Hoffnung, sie zu zerstreuen. Nofre ahnt die Leidenschaft ihrer Gebieterin, aber sie täuscht sich über den Gegenstand derselben; denn sie glaubt, daß dies Ahmoses, einer der glänzend ften Offiziere aus der Suite des Pharao (sic), feí. Indeffen Tahofer sieht den schönen Dëris mit Gleichgültigkeit vorübergehen, obgleich sie recht gut weiß, wie sehr fie dieser (königl. ägyptische Gardelieutenant?) liebt; sie wird auch nicht gewahr, daß der Pharao selbst, im vollen Glanze seines Ruhmes, auf den Schultern seiner Offiziere (in einem Tragfeffel) vorüber getragen, auf sie langsam seinen schwarzen Blick heftet: Er hatte nicht den Kopf gewandt, nicht eine Muskel seines Angesichts hatte gezuckt, und seine Maske war unbeweglich geblieben, wie die Goldmaske einer Mumie; doch seine Augensterne waren burch die angemalten Wimpern feitwärts auf Tahofer hinüber geglitten, und ein Funke des Verlangens hatte ihre düsteren Pupillen belebt; was eine so schreckliche Wirkung hervorbrachte, als ob die granitnen Augen eines Götterbildes sich erleuchteten und plöglich einen menschlichen Gedanken ausdrückten.“- Man wird hieraus sofort erLennen, wie die Phantasie unseres Dichters sich an den steinernen Koloffen und den Mumien entzündet hat.

Doch das junge Mädchen war in ganz anderen Gedanken vertieft; fie liebt einen jungen Hebräer, Poëri, der, glücklicher als seine Stammgenoffen, Gnade gefunden hat vor Pharao und als Aufseher der Krons güter bestellt ist. Aergerlich über die Gleichgültigkeit dieses Fremden, der allein von Allen ihre wunderbare Schönheit niemals bemerkt zu haben scheint, faßt sie einen verzweifelten Entschluß, und in der Nacht ihren Palaft verlaffend, fucht sie in schlechter Kleidung die Wohnung des Hebräers auf und bittet um Herberge. Er läßt sich durch ihre klug erfonnene Fabel täuschen und nimmt sie unter seinem Dache auf. Glücklich, bei dem Geliebten wohnen zu können, wird sie indessen bald mit Schrecken gewahr, daß Poëri's Herz nicht mehr frei ist, und um sich ihres eigenen Unglücks zu vergewissern, nimmt sie nicht Anstand, dem Poëri auf einem der geheimen Ausflüge zu folgen, die er all. nächtlich macht, indem er, ein zweiter Leander, über den Nil schwimmt, auf die Gefahr hin, zu ertrinken oder von den Krokodilen gefreffen zu werden. Freilich ein starkes Stück. So entdeckt sie das Geheimniß des jungen Mannes, und von Erschöpfung und Schmerz gebrochen, fällt sie ohnmächtig an der Thür ihrer Nebenbuhlerin Rahel nieder. Diese nimmt sie mitleidig in ihre arme Hütte auf, und in der folgenden Nacht, bei Poëri's Rückkehr, klärt sich Alles auf. Rahel, von so vieler Hingebung gerührt und überdies der Liebe ihres Poëri ficher, willigt edelmüthig ein, Tahofer als ihre Schwester zu betrach

Unter

ten und mit ihr Poërës Herz zu theilen. - Armer Poëri! deß forscht man in ganz Theben nach der verschwundenen Tochter des Petamunoph, und der Pharao ift (wie sich bei seiner oben beschriebenen Gesichtsmaske füglich erwarten ließ) in einen schredlichen Zorn gerathen, als er das Verschwinden des Mädchens erfahren, das seine königliche Gunft vor Allen ausgezeichnet hatte. Keiner seiner Diener wagt, ihm zu nahen, so furchtbar ist seine Wuth; aber tief in der Nacht kommt eine alte Frau zu ihm und erhält Gehör: es ist Thamar, die Aufwärterin Raher's, welche, auf die Nichthebräerin aufgebracht, ihre Herrin von einer Nebenbuhlerin befreien will. Sie entdeckt dem Pharao den Zufluchtsort der Lahofer, und diese, vom Pharao selbst geholt, wird in dem Palaste eingeschloffen. Doch während der Pharao sich vergeblich bemüht, ihre Liebe, die bereits einem Anderen gehört, zu erlangen, schlägt für die Hebräer die Stunde der Be= freiung; Aegypten wird von schrecklichen Plagen heimgesucht, und das jüdische Volk verläßt unter Moses' Anführung das Land der Knechtschaft. Der Pharao vertraut während seiner Abwesenheit die Regierung des Landes der Tahofer und zieht aus, um die Flüchtlinge zu verfolgen, die er am Ufer des Meeres einholt. Dieses wird durch einen furchtbaren Sturm (sic) getheilt, und die Juden ziehen (bei diesem Sturme!!) hindurch. Freilich ging er nach der ausführlichen sehr poetischen Schilderung „über den Köpfen der Hebräer hinweg, die er niedergebeugt hatte, wie Aehren", aber leider begreifen wir nicht, wie dies nach physikalischen Gesezen möglich ist. Denn wenn der Wind so stark war, daß er das Meerwaffer bis auf den Grund ausblies, wie wenn man etwa die Suppe aus dem Löffel bläft, so mußte er, wenn das Waffer nicht wieder von beiden Seiten zurückströmte, den Hebräern doch jedenfalls nicht über die Köpfe, sondern unter den Beinen durchblasen, wobei er sie leicht hätte in die Luft wirbeln können. Jedenfalls verriethen sie großen Muth, daß sie bei einem solchen Orkane durchs Meer zu marschiren wagten - doch dies sind wohl zu nüchterne Bemerkungen. Nach der Bibel ist dies Wunder etwas kleiner; denn da wehte auf Moses Gebet ein heißer Wind die ganze Nacht und trocknete das Waffer aus und erst hierauf erfolgte der Durchzug (II. B. Mose 14, V. 21); auch der folgende Vers: Da gingen die Kinder Israels mitten durch das trockene Meer; denn das Wasser stand wie eine Mauer zu ihrer Rechten und Linken" - bedeutet, bei Lichte besehen, etwas sehr Natürliches. Wer sagt uns denn, daß das Waffer aufrecht gestanden, und daß beiderseits die Fische neugierig auf den Zug geblickt, wie es auf alten Bildern abgemalt ist? - Wenn durch den heißen Wind eine trockene Furth über den schmalen Meerarm entstanden war, bildete dann nicht das Waffer rechts und links in der That eine starke Mauer, die sie gegen die Aegypter schüßte, wie zwei Festungsmauern einen abziehenden Feind?

Der Pharao geht also, wie in der Bibel, mit seinem ganzen Heere zu Grunde, und Lahoser erwartet ihn vergebens. Nachdem sie einige Zeit über Aegypten regiert, stirbt sie, und man seßt sie in dem prachtvollen Grabe bei, das der König für sich selber erbaut hatte, ohne indeß darin seine Stätte zu finden; denn sein Leichnam war nicht aufgefunden worden. Anstatt seiner wurde also die Mumie der königlichen Gemahlin hineingelegt und ihr ein Papyrus mitgegeben, auf welchem die obige Lebensgeschichte der Tahofer geschrieben war. Diesen hat man denn in neuefter Zeit gefunden und, wie man sieht, entziffert.

Dies ist also die Geschichte. Bemerken wollen wir, daß man allerdings zu Theben ein Königsgrab entdeckt hat, in welchem, laut den hieroglyphischen Inschriften, eine Königin Tasoser oder Jaseser (die Franzosen, vielleicht Vicomte de Rougé, lesen Tahofer) beigefeßt war, freilich mit ihrem Gemahle, dem Könige Merra Setnecht; auch war das Grabmal ursprünglich von einem anderen, wahrscheinlich nicht rechtmäßigen Könige Siphtha, dem Nebenkönige des Menephta, unter dem nach jest gangbarer Annahme die Juden ausgezogen sein sollen, erbaut worden. Man wird hieraus sehen, daß der Verfaffer des Mumien-Romanes gute Studien gemacht haben muß; im Uebrigen können wir nicht umhin, die Erfindung als ziemlich schwach zu bezeichnen, ganz abgesehen davon, daß es durchaus unpassend ist, ein weltgeschichtliches Ereigniß, wie den Auszug der Ifraeliten, als Schlußeffekt für eine schwächliche Liebesintrigue zu benußen. Daß vornehmer Leute Töchter bisweilen ihren Aeltern aus Nymphomanie fortlaufen, mag antik und modern, ägyptisch und franzöfifch sein; eine Weitherzigkeit aber, wie die der edelmüthigen Rahel, ist psychologisch, ethnographisch und geschichtlich ein Unding; dieser Edelmuth erinnert stark an das Quartier latin in Paris.

J. Michelet's„Richelieu und die Fronde.“
(Schluß.)

Richelieu, der Politiker, der Geschäftsmann, konnte einen solchen Einfluß nicht üben. War feine Idee des Gleichgewichts und der Abwägung der Kräfte eine lebensfähige Zdee, die Europa einen neuen

Geist einhauchte? Reinesweges! Er selbst vergriff sich im Grunde mit dieser Idee. Zudem er das Gleichgewicht zwischen Proteftanten und Ratholiten suchte, bemerkte er nicht, daß die Protestanten, isolirt, aus einandergeriffen, gar nicht einmal eine Partei waren, während die Katholiken die Kraft und die Einheit einer Faction hatten. Der Tod Waldstein's gab dem Kaiser die Rolle eines Oberhauptes der katholischen Armeen wieder, und wenn wir sagen Kaiser, meinen wir die Jesuiten: fie sind die Sieger der Sieger. Die Protestanten waren einen Augenblick durch ein Wunder vereint gewesen, und dieses Wunder war Gustav Adolph. Richelieu konnte ihnen keine Einheit geben, ja, wollte auch nicht, als Priester, Kardinal und, wie er hoffte, einfti. ger Legat Roms. Er unterstüßte und kräftigte vielmehr moralisch die Katholiken, d. h. die Stärkeren. Das war sein Gleichgewicht im Jahre 1632. Im Allgemeinen zeigte dieser große Geschäftsmann wenig Voraussicht. Er fah den schnellen Erfolg Gustav Adolph's nicht voraus, und dann schlug er ihn zu hoch an. Er sah den Tod Gustav Adolph's nicht voraus und handelte so, als wenner ewig leben sollte, als wenn ein sterblicher Mensch, ein Held, beständig im Kampfe, Europa mehr bedrohte, als die dauernde Partei in Wien. Er sah die gezwungene Treue Bayerns gegen Defterreich nicht voraus, nicht die Treulosigkeit Sachsens and Brandenburgs, die ihn zum Kriege trieben und dann im Stiche ließen. Ueberrascht durch den Lod Gustav Adolph's, durch den Waldstein's, wodurch die Einheit und das Uebergewicht der katholischen Partei im Innern wieder hergestellt wurde, mußte er, wohl oder übel, die Stelle Gustav's vertreten und die sonderbare und unmögliche Rolle eines Hauptes der Proteftanten übernehmen; er, der Kardinal, mußte anfänglich den Krieg bezahlen, dann ihn führen.“

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A

Wie hier, fo find es in der ferneren Wirksamkeit Richelien's meist die Umstände und der Zufall, nicht die Berechnung, die seine äußere und innere Politik bestimmen und ihm über die Ränke des Hofes, die Intriguen der Königinnen, die Verschwörungen der Großen, die Anmaßungen der Geistlichen den Sieg verschaffen.,,Richelieu, obgleich man es oft gesagt hat, gleicht nicht Ludwig XI. und noch viel weniger dem leßten Könige von Frankreich, den man den Konvent nennt. Daß er ein systematisches, und, centralisirendes Genie gehabt, ist wahr; doch nicht in dem Maße, wie man gewöhnlich annimmt. Das Größte, was er in diesem Sinne gethan, die Schöpfung der Intendanten, das that er am Tage nach einer feindlichen Invasion (1636), unter der Herrschaft der drängenden Noth, nicht nach einer vorausgefaßten Idee. Hier und bei so vielen anderen Gelegenheiten that er etwas ganz Anderes, als er beabsichtigt hatte. Aber die ficht bare Größe seines Geistes und seines starken Willens, seine ungeheure Thätigkeit, die traurige Würde seiner stolzen Stellung verdeckten die krummen Wege, die er einschlug, halfen ihm aus den unendlichen Jämmerlichkeiten seiner argen Widersprüche. Der erste Mann einer schlechten Zeit kann kaum anders als schlecht sein. An ihm gab es häßliche Flecken, karikaturmäßige Züge. Der Priester, der zu gleich Kavalier war, zeigte die Lächerlichkeiten eines Pedanten der Sorbonne, eines elenden Reimers; ferver, die Unbesonnenheiten eines Wüftlings, wie sie zwar bei den damaligen Prälaten gewöhnlich waren, doch an einem Manne von so fürchterlichem Ernste besonders an ftößig erschienen. Er befaß die Reizbarkeit eines Priesters; ihn be feelte als Politiker die Wuth des Spielers, der darauf erpicht ist, unter allen Umständen zu gewinnen, der sein wie der Anderen Leben auf eine Karte seßt. Indek kann man fragen, ob er wirklich graufam gewesen. Nichts deutet darauf hin. Die vierzig Verurtheilten, die in zwanzig Jahren während seiner Verwaltung hingerichtet wurden, waren ohne Zweifel von schlechten Richtern gerichtet worden; aber fie waren deshalb nicht weniger schuldig. Die Meisten von ihnen waren. Verräther, die Frankreich dem Auslaude überlieferten. Er verzieh nur schwer; aber er hätte auch nur auf Unkosten Frankreichs verziehen. Wen er liebte, den liebte er auch mit Innigkeit. Er vergaß nie eine Wohlthat, und es gab teinen befferen Freund. Selbst gegen diejeni gen, die er nicht liebte, bemühte er sich, gerecht zu sein. Als der Geistliche den Sterbenden aufforderte, seinen Feinden zu vergeben, fagte er das edle und, wie es scheint, auch wahre Wort: Ich habe nie andere Feinde gehabt, als die des Staates." Er ftarb so ge fürchtet, daß man selbst im Auslande nicht wagte, zu sagen, daß er todt sei. Man besorgte, er würde zum Troß sich einfallen laffen, durch eine schreckliche Willensanstrengung wieder lebendig zu werden. Der König, der ihn haßte, gehorchte ihm selbst nach seinem Tode noch pünktlich."

Richelieu war am 4. Dezember 1642 geftorben, und am 14. Mai 1643 ftarb auch Ludwig XIII. „Die Regentin, Anna von Defterreich, betritt ihre funfzehnjährige Herrschaft auf einem mit Blumen beftrenten Pfade. Das sonderbare Volk, das so viel von dem Salischen Gesege spricht, ist ganz glücklich, unter die Herrschaft des Spinnrockens zu fallen, ohne daß man weiß, warum und wie diese Fremde so angebetet wird. Sie ist ein Weib und hat gelitten. Die Herzen find

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gerührt und im voraus für fie eingenommen. Sie ist schwach. Jend der hofft, Vortheil davon zu ziehen. Es wird eine Herrschaft der Galanterie werden. Aber wer wird der Begünstigte sein? Die LiebesLotterie erweckt tausend Träume und Hoffnungen. Alles wendet sich zu ihrem Vortheil. Die Günftlinge der leßten Regierung, die Condé, gewinnen eine Schlacht für sie und machen Rocrop zur glänzenden Einleitung der glänzenden Herrschaft Ludwig's XIV. Das Kind und die weise Regentin tragen den Ruhm davon. Glückliche Königin, die eine Schlacht gewinnt, während sie ihr Kind wiegt!" --,,Dieses; große Glück hatte jedoch zwei unglückliche Umstände zur Folge. Es schuf einen unersättlichen und unerträglichen Helden, Condé, und andererseits verherrlichte es die Erhebung Mazarin's; es war die Weihe des Königs der Schurken. Man darf nicht glauben, daß die Königin, überrascht von dem Tode des Königs, dem Ersten Besten die Macht. angeboten habe. Sicherlich war das ganze Geschäft schon im voraus geregelt. Ihre Indolenz fagte ihr, daß es beffer fei, ein fertiges Bett zu haben, in dem sie sich ausstrecken und schlafen könne, als erft ein neues Arrangement zu treffen, das fie nöthigte, zu wollen und zu deuken. Von London, Brüffel und Madrid kamen zahlreiche Verbannte, die sich Märtyrer der Sache der Königin nannten und dafür die. Märtyrerkrone verlangten. Wie sollte fie Allen genügen? Ihr Dhr war ganz offen dem Rathe deffen, der sie die Süßigkeiten der Une dankbarkeit kennen lehrte. Hierin war Mazarin in der That bewundernswürdig. Er hat oft seine Rolle gewechselt, nie aber in diesem Punkte. Sein Charakter bietet den schönen Typus einer Konsequenz, die sich nicht verleugnet. Undankbar gegen seine Schöpfer, Joseph und Chavigny, undankbar gegen Condé und Reß, krönte er sein Leben durch die größte Undankbarkeit, durch die gegen die Königin, seine alte Geliebte. Im Jahre 1631, als ihn Richelieu der Königin mit der Empfehlung vorstellte, daß er Buckingham ähnlich sei, gefiel er ihr. Im Jahre 1639 ward er als Flüchtling, der sich in Frankreich niederließ, wenigstens für den Augenblick begünstigt. Im Jahre 1642, nach dem spanischen Vertrage, war er der Gebieter der Königin. Die übrigen Staatsmänner, die Richelieu für den Rath der Königin empfohlen hatte, Chavigny, Bouthilier, waren verhaßt · und verabscheut, und bald machten fie fich unmöglich. Mazarin war ein Fremder ohne fefte Wurzeln in Frankreich und bereit, abzureifen, sobald er die Königin in die Geschäfte eingeweiht haben würde. Er schnürte sein Bündel. Ein gutes Mittel zu bleiben.

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,,Die Revolution der Fronde war eine moralische Revolution. Man hat das verdunkelt; man muß es aber wieder ins Helle seßen. Jemehr man dem Kultus des Königthums huldigte, desto weniger konnte man den jungen König, jenes unschuldige Gößenbild, auf dem das Geschick eines Volkes ruhte, in den Händen eines Menschen laffen, deffen Niederträchtigkeit die Königin felbft nicht beftritt. Die Fronde war der Krieg der redlichen Leute gegen die unredlichen. Mazarin trug den Sieg davon. Was bleibt von der Fronde? Materiell nichts, als ein ungeheures Elend. Und moralisch? Noch schlimmer! Der Ekel vor der That; der Abfcheu, jemals wieder zu handeln. Ist das Alles? - Ja, für die Gegenwart! Für die Zukunft bleibt noch etwas, was später erst seine Wirkung üben wird: eine Sprache und ein Geift. Wenn man uns einen Vergleich gestattet, so hatte Frankreich bis dahin gleichsam das Zungenband noch gehabt, das man zuweilen den Kindern durchschneidet, um ihnen den freien Gebrauch der Zunge zu verschaffen. Die Froude löfte Frankreich jezt die Zunge. Mazarin hat die Luft an dem Komischen und dem Burlesten entfesselt. Der Gößendienst des Königthums war für einen Augenblick erloschen. Das gab ein tolles Gelächter, als man die Gesichter unter der Larve gesehen, die Götter in ihrer menschlichen Schwachheit. Man blieb nicht bei Mazarin, dem Manne der Königiu, stehen. Die Königin selbst, la bonne Suissesse, wie Reß fagt, die das Volk einfach Madame Anna nannte, wurde in Liedern und noch mehr in Geschichten vorgeführt. „Der Bettvorhang der Königin“ (le rideau du lit de la Reine), war der Titel eines dieser Pamphlets. Noch mehr! Richelieu stieg aus seinem Grabe. Sein kleines Tage= buch, von einer erschrecklichen Authentizität, erzählte im Namen der Geschichte die innere Komödie viel kräftiger und komischer, als fie der schwache Marigny und der gutmüthige Scarron hätten erdichten können. Der Altar flößte ebensowenig Achtung ein, als der Thron. Die starken Geifter, die man unlängst verbrannt hatte, ftanden bei der Frønde und außerhalb derselben in Gunft. Der vertraute Freund des Kardinal Reß, der luftige Briffac, welcher des Nachts mit seinen Freunden die Straßen durchläuft, findet es, wenn er müde ift, die Nachtwächter zu schlagen, ergößlicher, Gott zu schlagen. Wenn er ein Kruzifir sieht, läuft er mit erhobenem Schwerte auf daffelbe zu und schreit: „Seht da den Feind!! Der Günktling Richelieu's, der Atheist Beautru, ist nichtsdestoweniger immer um die fromme Königin, wie ein Hausthier, ein Lieblingshund oder eine Lieblingskaße. Seine Wißworte sind in Aller Munde. Eines Tages, bei einer Prozeffion, nimmt er seinen Hut vor dem Kruzifir ab. „Was?“ sagt man, „auch

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