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blinder Führer, den seine eigene Gelehrsamkeit fonfus macht. So z. B. verseßt er die Gesimse des Parthenon'in Hadrian's Zeitalter und lächelt über einen Korrespondenten des Professor Crusius, der in den verzeihlicheren Irrthum gerieth, sie für das Werk des Praxiteles zu erklären.

In der vorhin erwähnten Dedication sagt Spon,,,die Luft der Provinz und der Staub des Kabinettes hätten ihn angesteckt"; und wirklich mögen seine staubigen Lucubrationen in der Bootis fchen Atmosphäre von Lyon ihren Theil daran gehabt haben, daß sein Geschmack sehr weit hinter seiner Gelehrsamkeit zurückblieb. Es ist thatsächlich, wenn es auch unglaublich scheinen könnte, daß er die Karryatiden, welche den Portikus des Pandroseum stüßen, troß der Last, die sie auf ihren Häuptern tragen, und trog ihrer diesem Geschäft entsprechenden Haltung für die Stas tuen der Grazien erklärt hat, welche Sokrates gemeißelt haben foll, als er noch die Kunst seines Vaters trieb. Sein einziger Grund für diese wunderliche Konjektur ist, daß die Statuen des Pandroseum bekleidet sind, wie es auch die Grazien des So: Prates, gegen die allgemeine Sitte, gewesen!

Bei allen diesen Verirrungen und Sonderbarkeiten schäßt man die Werke Spon's und Wheler's doch mit Recht als sorg fältige und gewissenhafte Reiseberichte gebildeter und verständiger Beobachter. Wheler war Botaniker und Archäolog in Einer Person. Er ziert und verdeutlicht seine Beschreibungen mit einer Menge merkwürdiger aber sehr grober Kupferstiche, auf denen man alle Regeln der Perspektive vermißt. Von den Athenern der damaligen Zeit sagt er, sie besäßen viel natürlichen Verstand und senen auch höflicher und gebildeter als die übrigen Bewoh, ner Griechenlands; aber Gelehrsamkeit sey unter ihnen so gut als gar nicht zu finden. Nar zwei Individuen, der Erzbischof und der Abt von Kyriani, einem benachbarten Kloster, verstanden Altgriechisch. (Schluß folgt.)

Frankreich.
Der Blumist.

Von Alphons Karr.

Wenn man gewisse Liebhabereien_beobachtet, die oft das Leben eines Menschen ausfüllen und beglücken, dann begreift man erst recht, wie es für Jeden ein Bedürfniß ist, sein Heiligenbild von Thon oder von Holz zu besigen, das er nach Gefallen ausschmücken kann. Dadurch erklärt es sich auch, wie selbst Männer von Geist ihr Leben mit einigen Blumen, einigen Infelten, ja manchmal sogar mit Einer Blume, Einem Insekt auss füllen; es lehrt sie ein bewunderungswürdiger Instinkt oder auch zuweilen eine weise Philosophie, dem Geschick so wenig Raum als nur immer möglich darzubieten, ganz bescheiden zu leben und sich mit einem Glücke zu begnügen, das sich den Augen der Welt leicht entziehen läßt.

Man muß nicht glauben, daß die Stärke und Heftigkeit einer Liebhaberei sich nach der Größe oder Kleinheit des Gegenstandes richte. Die Blumisten, die wie die Bienen in den Blumen leben, haben ihren gefährlichen Stachel wie diese. Selbst die zartesten Leidenschaften haben oft eine abstoßende Außenseite, wie man eine kostbare Pflanze mit Dornen umgiebt, um den Zahn der Heerden davon abzuhalten. Dies erinnert mich, wie mir eines Tages der wilde Charakter des Schafs offenbar wurde, das ich fters für das Bild der Sanftmuth und Freundlichkeit gehalten hatte. Lieber Herr", sagte zu mir ein Schafer, mit dem ich auf dem Wege nach Epernay zusammentraf,,,es giebt nichts Böseres als so einen Hammel. Das Kraut auf dem besäten Felde da schmeckt ihm nicht etwa besser, als das auf dem nichtbesäeten Daneben; aber doch laufen sie alle auf das besdete.... Holla, holla! Beiße sie da fort, Medor, holla.... Sie wollen nur, daß der Feldhüter mich packen und in Strafe nehmen soll. He, da ist wieder eins drüben, ein schwarzes, das meinen Hund reizen will. Bleib hier, Medor.. Es reizt ihn nur aus Schaber: nack... Medor, willst du wohl herkommen? Marsch zurück! Es will nur, daß er es würgen foll, denn das böse Thier weiß sehr wohl, daß der arme Schäfer es bezahlen muß, wenn der Hund es würgt."

Dem Schreiber dieser Zeilen hätte es beinahe einst sein Les ben geloftet, daß er über einen Lack, der blau blühen sollte, aber Blumen vom schönsten Gelb_brachte, zu dußern wagte: Was es denn eigentlich nůße, einen blauen Lack zu besißen, der doch bes ständig nur gelb blühe? Doch wir wollen hier eine Geschichte berichten, die wir selbst erlebten.

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Man erinnert sich wohl noch der Wuth, mit welcher_man vor ungefähr dreißig Jahren in ganz Europa, besonders in Franks reich und mehr noch in Holland, die Tulpenzucht betrieb. Zwiebel semper augustus wurde mit 12,000 Franken, eine,,gelbe Krone mit 1123 Fr. und einem mit zwei Braunen bespannten Wagen bezahlt. Eine nur mittelmäßige Tulpe, der,,Vicelönig“, wurde für vier Tonnen Waizen, acht Tonnen Roggen, vier Ochsen, acht Schweine, zwölf Hammel, zwei Fdffer Wein, vier Faffer Bier, zwei Fäffer Butter, tausend Pfund Käse, ein voll, standiges Bett, einen Pack Kleider und einen silbernen Becher verkauft. Zu jener Zeit las man in den Zeitungen unter den auswärtigen Nachrichten:,,Amsterdam. Der Admiral Liefhens hat bei Herrn Berghem wunderschön geblüht." - Doch wir müssen zu unserer Geschichte übergehen.

Eines Tages ließ man es sich einfallen, daß die Tulpen mit gelbem Grunde nicht mehr schön waren, und daß man sie thōrich;

terweise schon so lange Zeit bewundert habe; die einzigen Tulpen, die man ziehen müsse, seyen die weißgrundigen; alle gelbe Tuls pen müßten aus den Beeten, die nur irgend von Geltung seyn wollten, verbannt werden, ihr Saame sollte verflucht und in alle Winde zerstreut werden. Die Tulpenfreunde zerfielen in Par teien; man schrieb Briefe, Broschüren, Gedichte, Pamphlets, dicke Bücher. Die Vertheidiger der gelben Tulpe wurden Harts näckige, in Vorurtheilen Befangene, Illiberale, Feinde der Aufs klärung und Jesuiten genannt. Die Anhänger der weißen Tulpe waren als Tollkühne, Neuerer, Aufrührer, Demokraten, Unruhes ftifter, Sanskålotts und Brauseköpfe verschrieen. Freunde ents zweiten sich, Haushaltungen véruneinigten und Familien trennten sich deshalb. Als Herr Müller eines Abends mit einem seiner Jugends freunde Domino spielte, der, wie er selbst, ein großer Blumist war, sprach man über Tulpen, über gelbe und weiße Tulpen. Herr Müller hielt an den gelben fest, sein Freund war ein Ans hänger der neuen Ideen. Mehul, der ein berühmter Tulpenliebs haber war, hatte _sich so eben den weißen zugewendet. Müller und sein Freund, Beides Leute von gutem Geschmack und Lebenss art, mäßigten sich auf alle erdenkliche Weise in ihren Ausdrücken und vermieden mit größter Sorgfalt jeden Streit.

,,Gewiß", sprach Herr Müller,,,die Natur hat nichts vers gebens gebildet, da ist nicht ein Stein in ihrem kostbaren Schmuckkästchen, der nicht das Auge entzücke; es ist beklagenss werth, wenn Personen etwas ganz ausschließlich verwerfen. Es giebt in der That_mehrere weiße Tulpen, die ich gern in meine Sammlung aufnehmen würde, wenn mein Garten größer wäre."

Ich gestehe gleichfalls ein", entgegnete fein Freund, der an Höflichkeit und Zugeständnissen nicht hinter ihm zurückbleiben wollte,,,daß Erymanthe, troß ihres Gelb, doch eine sehr schäßenss werthe Blume ist." ,,Ungeachtet ihres weißen Grundes vers werfe ich keinesweges die Unika von Delphi", erwiederte Herr Müller. -,,Die ist eben nicht allzu weiß", antwortete der Freund; erst nach drei oder vier Tagen verliert sie den gelben Schein, der ihr beim Aufblühen eigen ist; wir geben auch nicht viel auf fie." -,,lind doch gefällt sie mir am besten von Deiner ganzen Sammlung." Mit so vortrefflichen Redensarten unters hielten sich die Freunde, als Madame Müller das Zimmer vers ließ, um den Thee zu bereiten.

Es ist schwer zu sagen, welche undurchdringliche Uebergange sie zur Bitterkeit, zu Schmähungen, zu Thatlichkeiten führten, aber wahr ist es, daß, als Madame Müller nach fünf Minuten zurückkehrte, fie die Beiden unter dem Tische fand, sich in den Haaren liegend und mit den Fäusten abpuffend. Herr Müller batte seinem Freunde die Dominosteine ins Gesicht geworfen und so den Kampf eröffnet. Man kann leicht denken, wie die beiden Gegner sich schämten, als die erste Hiße verraucht war. Herr Müller_schrieb auch Tages darauf an seinën Freund: „Ich bin ein reißendes Thier und ein schlecht erzogener Mensch, nimm gůs tig meine Entschuldigungen auf. Unsere alte Freundschaft wird diesen unglückseligen Augenblick vergessen machen. Meine Frau ersucht Dich, heute bei uns zu speisen. Wir werden von dem kleinen Brüsseler Kohl haben, den Du so gern isfest. Dein Freund Müller. Nachschrift. Du würdest mich sehr verbinden, theus rer Freund, wenn Du mir einige von Deinen schönen weißen Tulpen beiseitlegtest; das nächste Jahr werde ich eines meiner besten Beete für sie bestimmen. Vorzüglich wünschte ich den Palademes und die königliche Agathe." Kurz darauf empfing er folgende Antwort: Um dreiviertel auf fünf werde ich bei Dir fenn. Du wirst mir gestatten, mein vortrefflicher Freund, Dir einen Blumisten vorzustellen, der sich sehnt, Deine herrlichen Tulpen zu bewundern. Vorzugsweise wünscht er Deine Tènebrosa, Deine Julvecourt und Deine köstliche Lisa zu sehen.“

Ein Zartgefühl, welches Beide zu würdigen verstanden, hatte Herrn Müller's Bewunderung gerade auf die weißesten Tulpen gelenkt, und sein Freund war nicht weniger höflich in Bezug auf die gelbgrundigen. Diese Regung von Großmuth konnte sich jedoch bei Herrn Müller nicht fortdauernd rege erhalten, das Bugeständniß des Herrn Walter war eben so vorübergehend, wie das Gefühl und der Anlaß, die ihm zum Grunde lagen; das Versöhnungspfand seines Freundes aber überdauerte fenes Ger fühl. Die Erde, in welche man die weißen Tulpen legte, wurde weder gedungt noch gesiebt, wie die, welche für ihre gelben Schwestern bestimmt war; schon im zweiten Jahre fand Herr Müller, daß sie ihm im Garten sehr hinderlich wären, im dritten wurden sie unter eine Traufe gepflanzt und blühten nur sehr dürftig. Wenn Herr Mäller feinen Gästen die gelben Tulpen in ihrem schönsten Glanze gezeigt hatte, fo fagte er:,,Hier sind die schönsten, die man in Weiß besißt; mein Freund Walter machte sie mir zum Geschenk, und ich halte große Stücke darauf." Und wenn er dann wenige Minuten darauf hinzufügte:,,Ich begreife gar nicht, wie man weiße Tulpen ziehen kann“, so war man nas türlicherweise seiner Meinung.

Unter der Regierung Ludwig's XIV. Fannte man nur vier Rosenarten; heutzutage zählen die bescheidenen Blumisten, die, welche nicht einer und derselben Rose vier oder fünf verschiedene Namen geben, und die, welche nicht von der Liebe zum Neuen und dem Entdeckungsstolze verblendet sind, vierzig verschiedene Sorten und mehr als achtzehnhundert Spielarten. Manche Blus menliebhaber, die von dem Ehrgeize, irgend eine Spielart allein zu besigen, angetrieben werden, suchen mit demselben Eifer nach Fehlern in den Rosen, wie andere nach Vorzügen. Wenn nur eine Rose selten ist, so ist sie auch schön genug und übertrifft in

ihren Augen die herrlichsten an Fülle, Farbe und Wohlgeruch. Seit funfzig Jahren suchen diese Enthusiasten nach der grünen, blauen, schwarzen und nach der gefüllten Kapuziner Rose. Frau von Genlis, welche behauptet, die Moosrose erfunden zu haben, giebt in einem ihrer Werke ein Verfahren an, die ichwarze und grüne Rose zu ziehen. Dies Verfahren ist sehr einfach, man soll nur eine Rose auf einen Aalbeerstrauch oder auf eine Stechpalme okuliren. Wir haben die Sache versucht, doch die Stechpalme trug nur ihre grünen stechenden Blätter und ihre Korallenbeeren, und der Aalbeerstrauch vortreffliche Aalbeeren. Um blaue Rosen zu ziehen, haben die Liebhaber bis jeßt immer ohne Erfolg die geringe Anzahl von blauen Blumen, welche die Natur hervors bringt, in ihre Gärten gepflanzt, in der Hoffnung, daß die Bienen den Staub einer dieser Pflanzen auf einen Rosenstrauch tragen und ihn damit befruchten sollen, so daß er blaue Rosen hervors brachte. Die Rosen endlich, die man mit den schwärzeßten Namen belegte, wie die Nigritia, die Urika, find eigentlich nur violette. Rosen.

Die Liebhaber verstehen sich auf die geringsten Verschiedens heiten. Ein Rosenstock ist merkwürdig durch sein Holz, ein ans derer durch seine Stacheln; der ist merkwürdig durch den Mangel diefer oder jener Schönheit; dieser ist nur deshalb von Werth, weil er keinen Geruch hat, und jener würde unendlich weniger gelten, wenn er nicht etwas nach Wanzen röche. Je mehr ein Exemplar von der gewöhnlichen Rose, von jener Rose, die Jeder haben kann, abweicht, desto größeren Werth hat es für die leidens fchaftlichen Liebhaber. Ueberglücklich wäre Einer, wenn sein Rosenstrauch ein Weinstock ware, und wenn er Wein von seinen Rosen trinken könnte. Der Befißer eines Rosenstrauchs erzählte uns als etwas ganz Besonderes von demselben, daß er noch nie geblüht habe, obgleich er schon fünf Jahr alt sen. Glückseliger Glückseliger Mann! und noch tausendmal beglückter, wenn sein Rosenstrauch nächstes Jahr auch keine Blätter tragen wird!

Der Pfarrer von Palaiseau, einem kleinen Dorfe im Depar tement der Seine und Dise, der ein ausgezeichneter Blumist und Beüber einer kostbaren Rosensammlung war, ließ sich vor einigen Jahren von der Neugierde verlocken, zu einem Rosenflor zu walls fahrten, der sich im Besiß eines Englanders befand. Diese Ros fensammlung konnte man eine wahre rosa mystica nennen, denn der Garten des Englanders war, wie ein harem, von hohen Mauern umgeben, und Niemand, unter welchem Vorwande es auch immer seyn mochte, wurde in denselben eingelassen. Der Besizer war fanatisch eifersüchtig auf seine Rosen; für ihn allein sollten sie ihre reiche Farbenpracht, vom tiefsten Purpur bis zum hellsten Rosa, vom dunkelsten Violet bis zum blassen Gelb und Weiß, entfalten, nur für ihn allein sollten sie ihre herrliche Düfte aushauchen und in einander mischen. Ein Deutscher Schriftsteller fagt irgendwo:,,Dem Glücklichen ist schwer beizukommen, und in dieser Hinsicht war unser Englander gewiß der Glücklichste der Menschen. Niemand hatte je seine Rosen gesehen; er war eifersüchtig auf die Abendlüfichen, welche den Duft über seine Mauern hinaustrugen, und um mit aller in den Harems üblichen Strenge zu verfahren, hatte er schon oft daran gedacht, seine Rosen, wie die Odalisken, durch eine neue Art von Eunuchen bes wachen zu lassen, von Leuten, die, wenn auch nicht blind, doch wenigstens ohne Geruch wären.

Der gute Pfarrer, welcher schon heinahe achtzig Jahre zählte, machte sich Nachts auf den Weg, fuhr fünf Stunden weit in einem rumpeligen Wagen, langte vor Tagesanbruch an, wandte fich an den Gartner, sparte kein Zureden, ja, man beschuldigt ihn selbst, Bestechung angewendet zu haben, um den Eunuchen zu bewegen, ihn in das geheimnisvolle Asyl der Freuden seines Herrn einzuführen. Der Gärtner ließ sich rühren und öffnete beim ersten schwachen Tagesschein sacht mit einem geölten Schlüffel die Thür, an welcher der gute Pfarrer, keuchend und den Athem an sich haltend, in größter Angst seiner harrie. Ohne Gerdusch öffnete sich das Schloß, mit langsamen, leisen Tritten fchleichen die Mitschuldigen vorwärts; die Tageshelle ist so schwach, daß sich noch nichts unterscheiden läßt, aber es scheint, als athme man schon eine gewürzige Luft. Jeht wird man die Rosen ers blicken.... da tönt plößlich aus einer Jalousie eine Stimme hers vor:,,Williams! he Williams, gleich hinaus mit dem Herrn aus dem Garten!" Dem Gebote durfte man nicht widersprechen, der arme Pfarrer mußte hinaus, bestieg seinen Wagen und kehrie nach sehnstündiger Fahrt auf abscheulichen Wegen, ohne den Zweck feiner Reise erreicht zu haben, nach Hause zuric. Um ihn zu trösten, behauptete ein Nachbar steif und fest, daß der Eng lander seinen Garten nur darum so verschlossen hielte, weil er keine einzige Rose besdke.

Im Allgemeinen gestatten die Blumisten nicht Jedermann den Eintritt in ihre Garten. Gewisse Liebhaber lassen nichts unvers fucht; Bestechung, Ueberklettern, falsche Schlüssel, Mißbrauch des Vertrauens, nichts schreckt sie ab, um sich ein Pfropfreis oder ein Auge von einem Rosenbaum, den sie nicht besißen, zu verschaffen.

Im Jahre 1828 erhielt die Herzogin von Berry von den Rosen, die sie jährlich in Rosni säen lief, zwölf Blumen, die ihr von besonderer Schönheit zu seyn schienen; es kam aber nicht bloß darauf an, schöne Rosen zu haben, sondern es sollten auch neue, unbekannte Sorten seyn; fie beauftragte also Frau von Larochejacquelin, dieselben einem berühmten Gartner zu zeigen. Nachdem der Gärtner die Rosen zehn Minuten lang untersucht hatte, erklärte er, es wären drei neue Arten darunter. Eine schien ihm besonders den Vorzug über ihre beiden Nebenbuhlerinnen zu verdienen, und sie erhielt den Namen Hybride von Rosni.

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Zwei Jahre darauf, im Maj oder Juni 1830, als die Hers zogin von Berry zum legtenmale ihre Rosen in der Blüthe sehen follte, fiel es ihr ein, daß sie nun schon zwei Jahre lang das Vergnügen gende, allein die Hybride von Rosni zu besigen, und daß es wohl Zeit sey, dies Vergnügen dadurch zu erneuern, daß sie es mit Zemand theile. Sie glaubte, es würde für den bes rühmten Gärtner ein Geschenk von einigem Werthe seyn, und beauftragte von neuem Frau vou Larochejacquelin, ihm die Rose von ihr zu überbringen.

Die Dame fand den Blumisten im Schatten zweier_hoher prächtig blühenden Rosensträucher, mit Lesen beschäftigt. Er ems pfiing das Geschenk mit allen Zeichen der Erkenntlichkeit, die dieser zarten und ehrenden Aufmerksamkeit gebührten. Aber die Gabe kam zu spdt; er hatte vor zwei Jahren während der kurzen Zeit bei der Untersuchung der Rosen schnell und heimlich zwei Augen von der schönsten Qualität abgeschnitten; mit dem besten Erfolg hatte er sie gepfropft, und er empfing die Abgesandte der Herzogin im Schatten zweier Hybriden von Rosni, die an Schöns heit unstreitig die Rosenbusche von Madame übertrafen.

Die Mehrzahl derer, die sich mit den Blumen beschäftigen, thuen dies mehr aus. Eitelkeit als aus Liebe zu denselben, mehr um sie zu zeigen, als um sie selbst zu sehen. Die Blumisten selbst nur wenige nehme ich davon aus lieben die Blumen gar nicht einmal. Einige pflanzen eine Dalhia unter Kiefeln ein, um dadurch eine gestreifte zu erzielen, Andere berauben eine Camelia aller ihrer Blätter. Bei der Rückkehr der Bourbonen guillotinirte Herr P. alle seine Imperialen; Ludwig XVIII. vers bannte die Veilchen, die auch mit in die Politik verwickelt waren; später wurde ihnen aber wieder Amnestie ertheilt. Der Befehls haber des Tuilerieenschlosses, Herr von Castres, erließ einen Bes fehl gegen die rothen Neiken. Nach der Julis Revolution waren mehrere Jahre lang die Lilien aus allen Königlichen Garten verschwunden. Man ehre immerhin jede Leidenschaft und jedes Glück, aber die Leidenschaft der Blumisten ist keine wahre.

Aegypten.

Ferlini's Nachgrabungen in Nubien.
(Schluß.)

Stefani brachte indessen 8 Tage damit zu, eine andere Pys ramide bis zum Portikus abzutragen. Er entdeckte kurz darauf die Treppe und gelangte in die Kammern. Einer von den ge fundenen Leichnamen lag auch hier unter einem Stein. Man grub daneben, um den Stein aufheben zu können, als einer der Arbeiter mit der Hacke einen runden Körper von der Größe eines Straußeneies traf und zerbrach, aus deffen Innern viele kleine Gegenstände von Glas oder einem anderen Fluß von fester, weißer, durchsichtiger Composition hervorgingen. Während Stefani in den inneren Kammern beschäftigt war, durchsuchte ich den demos lirten Theil der Pyramide. Ich gewann dabei nur ein Stück Stein, auf welchem 2 Figuren eingehauen waren. Man wuns dert sich vielleicht, daß ich die Arbeiten nach allen diesen vergeb lichen Bemühungen mit so vieler Beharrlichkeit und Geduld forts fehen mochte. Ich gestehe, daß ich oftmals mich vom Kummer ganz erdrückt fühlte, wenn ich nach den Mühsalen des Tages mit meinem Freunde zum Zelte zurückkehrte, während die Arbeitss leute unter Freudensprüngen und mit gräßlichem Geheul uns folge ten, die Hände nach dem Taglohne ausstreckend, den ich als wegs geworfen achten mußte. Unsere Nahrungsmittel waren dußerst elend; eine Hälfte der Nacht mußte Jeder von uns wachen, um uns nicht unseren treulosen Arbeitern in die Hände zu geben; die Hige war unleidlich und die Furcht peinigend, Alles an ein langwieriges Unternehmen zu sehen, dessen Fruchtlosigkeit ein Augenblick herausstellen konnte. Meine Sorge brachte mich mehrmals auf den Punkt, die ganze Sache aufzugeben. Aber wenn ich auf meine Leute einen Blick warf und sah, wie sie bei ihrer schlechten Kost den ganzen Tag um einen elenden Lohn sich's fauer werden ließen, so ermuthigte ich mich und nahm mir vor, als ein Bettler oder als Herr eines Schases heimzukehren.

Nach Beendigung der zuleßt erwähnten Arbeiten ließ ich Stefani zwischen dem Dorf und den Pyramiden des östlichen Hügelabhangs, wo sich Reste einer alten Stadt zeigten, einen Versuch machen, der so fruchtlos wie die früheren ablief. Ins zwischen ermunterten uns die Eingebornen, nur immer weiter zu graben, denn sie hätten eine alte Tradition, nach welcher Schäße von mehr als 40 Ardes Gold im Boden lägen (etwa 4000 Pfund). I nahm dies für nichts mehr als eine schlaue Erfindung, um sich noch länger Arbeit zu verschaffen. Auch die vierte Pyramide, welche ich selbst untersuchte, lieferte uns nur einige unbedeutende Kleinigkeiten.

Endlich beschloß ich, einen Angriff auf eine der großen Py ramiden zu wagen, und zwar auf diejenige, welche fast gänzlich unversehrt schien. Es war dieselbe Pyramide, welche Caillaud de Nantes in feiner,,Reise am weißen und blauen Fluß" (Theil II. S. 157.) beschrieben hat, ein schönes Monument, aus 64 Stus fen (jede Klafter hoch) gebildet. Ich stieg mit 4 Arbeitern zur Spige hinauf und fah, daß die Zerstörung des vom Alter schon sehr morschen Gebäudes leicht seyn würde. Ich befahl, mit dem Abtragen der Stufen zu beginnen. Die Sonne brannte fürchters lich. Die Hige stieg auf 48° Reaumur. Ich ging mit Stefani zu einer benachbarten Pyramide, um uns in den Schatten zu seßen. Plößlich hörte ich meinen treuen Diener rufen. Das Herz voll

der Regierung weckte, weil ich dadurch Alles einzubüßen Gefahr lief. Flucht blieb das einzige Rettungsmittel. Wir erwarteten die Nacht

füßer Hoffnung, eile ich auf die Höhe des Monumentes. Mein niß um unsere Familien. Auch wünschte ich nicht, daß von meis Freund ist bei mir. Ich sehe meinen Diener die gemachte Deffenen Entdeckungen viel Larmen würde und die Aufmerksamkeit nung auf dem Gipfel der Pyramide mit seinem Leibe decken, während die Schwarzen, brennend vor Habgier, ihn mit Gewalt hinwegzudrängen und ihre Hände in die Deffnung zu stecken fuchen. Wir zogen unsere Degen und jagten das Gesindel bins unter. Dann riefen wir andere, zuverlässige Leute und ließen in unserer Gegenwart die Arbeit fortseßen.

Die Gegenstande, welche man durch die gemachte Deffnung im Innern der Pyramiden sah, ließen sich nicht deutlich erkennen, bis die obere Lage großer Steine hinweggenommen war. Nun zeigte sich eine Kammer von etwa 4 Fuß Höhe, deren 6 bis 7 Fuß breite Wände von den Stufen der Pyramide selbst gebildet wurden. Ein großer Körper befand sich in der Mitte, unter einem baumwollenen Tuche von außerordentlicher Weiße, welches, kaum berührt, in Staub zerfiel. Es war eine Art Tisch oder Altar auf vier sdulenförmigen Füßen, von einer hölzernen Bals lustrade umgeben, deren geschnigte Stäbe, abwechselnd ein großer und ein kleiner, symbolische Figuren vorstellten. In einer Vase von Bronze, welche unter dem Tische stand, befanden sich vers schiedene Kostbarkeiten, jegliches Stück in folches Zeug gewickelt, als über den Tisch gedeckt gewesen war. Um die Base her waren noch mancherlei Gegenstände in symmetrischer Anordnung mit Fdden befestigt, als: Halsgeschmeide, Glaspasten, farbige Steine, Talismane, fleine Jdole, ein metallenes Etui, runde hölzerne Büchsen, mit einem Staube angefüllt, eine Säge, ein Meißel u. dgl. m. 3 steckte alle diese Gegenstände in kleine lederne Beutel, um das Gold vor den Augen der Araber zu verbergen. Als ich von der Pyramide herabgestiegen war, drängten sich alle Arbeiter um mich, aber ich seßte ihnen Festigkeit entgegen und befahl ihnen, die Waffe in der Hand, in ihrer Arbeit fortzufah ren. Die Schwarzen flohen eilig, sobald sie mein Gewehr sahen, als könnte schon der bloße Anblick ihnen den Tod geben. Am Abend, als die Schwarzen zu ihren Zelten gegangen und meine Diener in tiefem Schlafe lagen, untersuchten wir, mein Freund und ich, die gefundenen Schäße mit größerer Aufmerksamleit. Mein Herz war voll unbeschreiblicher Freude. Ich erstaunte über die Menge und schöne Arbeit der Goldsachen. Ich sah mich im Bests einer Sammlung, wie sie in dieser Gattung noch kein Europdisches Museum besigt. Die geschnittenen Steine schienen mir den besten Arbeiten der Griechen gleichzukommen, ja sie au übertreffen. Während ich mich meinem Entzücken überließ, mals ten sich düstere Sorgen in den Mienen meines Freundes. 36 fragte ihn nach der Ursache. Er fürchtete das Aeußerste von der Habsucht unserer Schwarzen; er riech zu heimlicher Flucht mit unseren Schäßen. Ich aber war seit fünf Jahren gewohnt, ihnen gegenüberzustehen, ich kannte ihre Feigheit und widerseßte mich feinem Plane. Auch wollte ich gern noch mehr entdecken. I beruhigte meinen Freund und schlug ihm vor, unsere Kostbarkeis ten in der Wüste zu verscharren. Wir machten ganz in der Nähe unseres Zeltes eine Grube, legten Alles hinein und deckten Erde und Sand darüber. Mit dem frühesten Morgen kehrten wir zur Pyramide zurück. Gegen 500 Eingeborne waren zur Arbeit hers beigelaufen. Aus Vorsicht schickte ich Niemanden hinweg, obs gleich mir nicht so viele Leute nöthig waren. Ich beschäftigte Viele mit Nachgrabungen in der Umgegend, die sich jedoch vers geblich erwiesen. Das weitere Abtragen der Pyramide war sehr wierig. Die gewaltigen Steinblöcke lagen in einer Art Mörs tel. Nach 14tägiger Arbeit waren wir kaum bis auf die halbe Höhe hinuntergelangt. Wir fanden im Innern nichts als Strohs feile und hölzerne Schläget in sehr verwittertem Zustande. Etwa in der Mitte der Pyramide bildeten drei große Steine eine Nische. Sobald dieselbe zugänglich war, zeigte sich abermals ein baums wollener Schleier, welcher irgend einen Gegenstand verhüllte, swar diesmal feinen goldenen Schat, doch zwei bronzene Vasen von eleganter Form und so vollkommener Erhaltung, daß fle ganz neu schienen. In den Vasen war wiederum ein schwar jer Staub.

Um bis zum Niveau des Hügels vorzubringen, gebrauchten wir noch 20 Tage. Die Eingangshalle, an welcher ich den Nas men Caillaud eingegraben fand, hatte mehrere Reihen von Hies roglyphen und der Thür gegenüber die majestätische Gestalt eines auf einem Löwen fißenden Mannes. Von diesen Dingen konnte ich, ihrer Schwere wegen, nichis mitnehmen. Ich hatte gern auch die Treppe aufgedeckt, welche nach Analogie der kleinen Pyramiden hinunter in die Grabkammer führen mußte. Die Harken Lagen aber von hartem schwarzen Stein, Pallah in Rus midien genannt, widerstanden allen unseren Anstrengungen. Als ich unter dem Vestibul, von der Seite her, einen Zugang zu eröff nen versuchte, stieß ich auf dieselben Steine. Doch beschloß ich, meine Nachforschungen an diesem Orte noch fortzufeßen.

Einen Theil meiner Arbeiter verabschiedete ich. Aber am nächsten Tage kamen fie, mit ihren Lanzen bewaffnet, unaufges fordert herbei und fahen unter drohenden Geberden unseren Ars beiten au. 3 gab meinen Dienern und Regern Auftrag, fie beiteti zu beobachten. Am sechsten Tage berichtete mir ein forgfältig treuer Sllave, der ihre Sprache verstand und sich an fie gedrängt hatte, daß beschlossen hätten, mich zu überfallen und meiner Godse au berauben. Mein erster Gedanke war, ihnen zuvorzus Pommen n und mit den Meinigen sie augenblicklich anzugreifen. Stefani brachte mich davon zurück, besonders durch die Besorg.

Drei meiner treuesten Diener schickte ich mit den Kameelen nach Berber, wo die Karavanen sich zu vereinigen pflegen, welche die große Wüste Koruska durchziehen. Auf dem Nil lag stets ein Fahrs eug der Regierung zu meiner Disposition. Ich begab mich mit Stefani auf dem nächsten Wege dorthin, und wir schifften uns mit unseren Familien ein. Nach drei Tagen erreichten wir Berber. Wir warden von Abas, Aga, dem Vices Gouverneur von Nigritien, fehr gütig aufgenommen. Er behielt uns acht Tage lang bei sich und bewilligte uns Kameele und Führer für die Reise durch die Wüste. Zwei Tage nach unserem Aufbruch von Berber erreich ten wir Abu Achmet, das leßte Dorf am Fluffe, wo die Bissarah wohnen, die auf ihren Zügen durch die Wüste Tage lang ohne Trank und Speise wandern. Ich versah mich mit Wasser, und wir betraten die Wüste Koruska, das wafferlose Meer, wie die Schwarzen sagen. Nach sieben Tagen lamen wir an eine Quelle, welche unter Gestein aus drei Deffnungen fprang. Das Wasser war sehr schlecht, aber doch mußten wir davon mitnehmen. Wir erreichten am zwölften Tage die sogenannten,,Pforten“, der Anfang einer Felskette von schwarzem Granit. Noch zwei Tage, und wir befanden uns in Koruska am östlichen Nil, zwischen dem dem ersten und zweiten Katarakt.

Auf dem gewöhnlichen Wege lehrte ich nach Kahira zurück. Ich erhielt durch Vermittelung des Französischen Konsuls, Herrn Mimaut, meinen Abschied und rückständigen Sold. Die Erlaubs niß zur Abreise ward mir ertheilt, und auch der Pest, welche eben in diesen Gegenden wüthete, glücklich entronnen, sah ich endlich mein Vaterland wieder.

Mannigfaltiges.

Erinnerungen an Paul und Virginie. Als das Französische Schiff,,favorite" auf seiner legten naturwissenschaft lichen Expedition auch Isle de France berührte, konnten die Rei: fenden nicht umhin, die Orte aufzusuchen, welche durch Bernar din de St. Pierre's reizende Erzählung so berühmt geworden. Begleitet von einem jungen Kreolen, machten sich ihrer vier in einer eleganten Kutsche nach dem Pampelmus Wäldchen auf den Weg, das in jenem Roman eine Hauptrolle spielt. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, die Luft mild und rein, und die Landschaft entfaltete alle leppigkeit einer südlichen Vegetation. Von Zeit zu Zeit wurde die Gesellschaft durch den Ruf der Pas lankin Träger und durch den frohen Gefang der Negerinnen, welche Felds und Gartenfrüchte nach der Stadt trugen, aus ihren Erdumereien geweckt. Gegen sechs Uhr ging die Sonne auf, und nun erkannte man deutlich das Thal, der,,Priester-Grund" genannt, wohin der Verfasser von,,Paul und Virginie" das Haus der Frau von Latour verseßt. Dieser Ort ist mindestens drei Stunden von der Pampelmus-Kirche entfernt, und Bernan din muß seine beiden Liebenden für gute Fußgänger gehalten haben, da er sie diesen Weg alle Sonntage machen läßt, um die Messe zu hören. Die Kirche hat nichts Merkwürdiges außer ihrem Namen und Alter; es war die erste, die auf der Insel ges baut wurde. Dann besuchte man die Wohnung der Madame Pons oder vielmehr die Gräber Paul's und Virginiens. Ger wöhnlich dient dem Fremden hier ein Schwarzer zum Führer; da Madame Pons aber hörte, daß die Reisenden zur Französis fchen Marine gehörten, so eilte sie selbst aus ihrem Garten hers bei, um sich ihnen als Cicerone anzubieten. Während sie zu den Grabern gingen, erzählte ihnen der Schwiegersohn der Madame Pons, daß vor etwa zwanzig Jahren ein Besißer dieser Woh nung, Namens Chateau, ein Sonderling, der sich gern habe bes rühmt machen wollen, den Beschluß gefaßt, zwei Monumente zum Andenken an Paul und Virginie zu errichten, da diese Ges schichte feine Lieblings Lektüre gewesen. Er ließ also zwei große thönerne Urnen verfertigen und sie zu beiden Seiten seiner Haus thur im Schatten einiger Bambusstauden aufstellen. Neben dies sen bescheidenen Denkmdlern errichtete er noch bescheidenere für Frau von Latour, für Domingo, für den Hund, genug, für die ganze Familie. Die irdischen Ueberreste der unglücklichen Liebens den konnte er jedoch nicht in den Urnen aufbewahren. Indes hat die Geschichte ihren historischen Grund, denn alle Chroniken von Jøle de France bestätigen es, daß zu der Zeit, wo Mahé von la Bourdonnaye Gouverneur der Insel war, das Schiff ,,Saint-Gérans" von einem Orkan an ihre Küste getrieben wurde. Unter den Passagieren, vom Bord desselben zu retten fuchten, befand sich auch ein junges Mädchen aus einer Familie, deren Nachkommen noch auf Mauritius leben. Sie ward das Opfer einer übertriebenen Scham, da sie ihre Kleider nicht auss aiehen wollte, und ein i junger Offizier von dem Schiffe, der fie zu retten unternahm, ging mit ihr zu Grunde. Dies ist das Ge fchichtliche des Romans; das Uebrige hat die Phantasie des Beré faffers hinzugefügt, dem es die Einwohner von Isle de France nicht verzeihen wollen, daß er gesagt, fie mißhandelten ihre Schwarzen und lebten nur von Reis und Brede, einer bitteren Hülsenfrucht, die von den Kreolen sehr gern gegessen wird.

Nummern. PränumerationsPreis 22 Egr. († Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 86.

M a ga z in

für die

Beiblatt der Allg. Pr. StaateZeitung in Berlin in der Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wobllöbl. Pest - Aemtern.

Literatur des des Auslandes.

Berlin, Freitag den 19. Juli

Frankreich.

Die Assisen.

Von Cormen in. *)

Es ist Zeit, daß wir auch der Magistratur einmal auf den Zahn fühlen; die Redner und die Minister sind schon genug von uns gegeißelt worden. Wir haben die qui's und que's und die anderen barocken Constructionen der Thronreden über die Klinge springen lassen; wir haben über die hochtrabenden Reden der Deputirten unsere Gloffen gemacht; wir haben die Rede des Präsidenten des ersten Staatskörpers am Kragen gepackt, und die Magistratur allein sollte von der Peitsche des Pamphletschreibers verschont bleiben? Nein, das wäre nicht gerecht, das wäre nicht einmal gut für die Magistratur selbst. In unseren Tagen, wo Alles sich vor der Kritik beugen muß, wo sich Nichts, was schlecht und mangelhaft ist, dem Spott entziehen kann, wo die Regierenden, das Genie, der Ruhm, die Beredsamkeit, die Koms ponisten und die Dichter wie die Schauspieler ausgezischt werden, wenn sie sich blamiren, sehe ich nicht ein, warum man nicht auch an der Magistratur belachen sollte, was lächerlich ist.

Von den Wiedereröffnungen der Gerichte, jenen rhetorischen Paraden, die man zur Ehre des guten Geschmacks ganz abschaffen follte, will ich gar nicht sprechen.

Ich hab' es gesagt und bleibe dabei: jenseits der Barrièren der Hauptstadt versteht man keine Feder zu führen; es giebt wohl Redner in der Provinz, aber keine Schriftsteller, nicht einen Einzigen unter 32 Millionen Menschen. Wenn es einen darunter giebt, wo ist das Meteor? Es zeige sich am Horizont, daß man es sehe!

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Nein, nur auf unserem geistigen Boden, nur unter der Pariser Sonne kann die Kunst des Schriftstellers gedeihen. Indeß, wenn auch die Magistratur literarisch nicht sehr gebildet ift, so lange sie sich nur durch ihre Rechtsgelehrsamkeit, ihre Tugenden, ihre Rechtschaffenheit und Uneigennüßigkeit auszeich net, wird die Französische Magiftratur zu den achtbärsten in ganz Europa gehören.

Es giebt keinen Schatten ohne Licht, keine Regel ohne Auss nahme. Der Regel halte man eine Lob, der Ausnahme eine Strafrede, damit sie nicht zur Regel werde.

Man kann zwei Klassen in der Magistratur unterscheiden, die bewegliche und die unbewegliche; die, welche sißt, und die, welche steht, die, welche anklagt, und die, welche verurtheilt, die vortragende und die richtende.

Wie schön könnte nicht die Rolle der Staats: Anwalte im Drama der Assisen seyn! Sie sind das Organ der Gesellschaft, warum find sie nicht immer so leidenschaftslos wie diese? Die Gesellschaft will sich nicht rächen, sie vertheidigt sich bloß; sie verfolgt nicht den Schuldigen, sie sucht ihn, und wenn sie ihn gefunden hat, übergiebt sie ihn den Dienern des Gefeßes. Sie Halt den Angeklagten, fo lange es geht, für unschuldig, und sie beklagt den Verbrecher, indem sie ihn verurtheilt. Sie liebt keine andere Beredsamkeit, als die der Wahrheit; sie will keine andere Strenge, als die der Gerechtigkeit. Ein Mensch, der von zwei Soldaten geschleppt und auf eine Bank niedergelassen wird, wo er sich gegenüber zwölf Bürger ficht, die ihn richten sollen, ein Tribunal, das ihn verhört, einen Anklager, der ihn beschuldigt, und ein neugieriges Publikum, das ihn begafft, ein solcher Mensch, und hatte er früher Purpur und Scepter getragen, vers dient jest nur Mitleid. Sein Vermögen, seine Freiheit, fein Leben, seine Ehre, die ihm mehr werth ist, als sein Leben, find in Eurer hand, ihr Männer des Parkets, und ihr fühlt euch nicht gerührt? Nein, fie verstehen ihre Mission nicht, und statt Dolmetscher des Gefeßes zu fenn, ergreifen fie Partei und werden Schauspieler. Sie erhißen sich, krummen und biegen sich auf hundertfache Weise; sie halten kein Requifitorium mehr, sondern disputiren. Bald kommt ihnen das Feuer des Zorns aus

*) Dieser Artikel des berühmten Publizisten ist ein Auszug aus der leßten Lieferung des Werkes Les Frauçais, von dem wir schon in Nr. 65 eine Probe gegeben haben.

* Requisitoire ist bekanntlich in der Französischen Gerichtssprache die Rede des Königlichen Prokurators, worin er feinen Antrag auf die Strafe des Angeklagten motivirt

1839.

den Augen und der Schaum zum Munde heraus. Bald hållen fie sich in die Falten ihres schwarzen Tartan, um mit Elegans anzuflagen, wie die Römischen Gladiatoren sich verhüllten, um mit Grazie zu sterben. Baid'ahmen sie die Haltung, die Stimme und die Bewegungen der Tyrannen in den Melodramen nach, und sie bilden sich ein, Effekt zu machen und auf die Gemüther zu wirken, während sie nur Spektakel machen.

Da stehen sie oben auf ihrem Parket mit hochaufgerichtetem Kopf und erhißtem Gesicht und beherrschen die Jury, die zu ihren Füßen fist und von ihren Verdrehungen und ihrer Heftigs feit ganz betäubt wird. Ich habe Geschworene gesehen, welche die Augen schloffen_und_sich die Ohren zumachten, wenn ein folcher rhetorischer Sturm auf sie einbrach. Habt Mitleid mit den Herren Geschworenen, wo nicht mit den Angeklagten!

Die Geschworenen sind nicht in den Affisenhof gekommen, um theatralischen Aufführungen beizuwohnen. Ja, wenn sie ins Schauspiel gehen, das ist eine andere Sache; da wollen sie unters halten, da wollen sie durch scenische Eindrücke erschüttert werden. Da muß man sie entweder erschrecken oder rühren, und sie brine gen das Schnupftuch nur mit, um es thränenbeneßt wieder eine zustecken. Sie wissen, daß die Verbrecher und die Tyrannen der Melodramen, die in einer mißhandelten Prosa ihre Requisitorien abhalten, im Uebrigen recht gute Leute sind, und daß die uns schuldigen, die man in der Coulisse tödtet, sich ganz vortrefflich befinden und, sobald fie Muße haben, ihre durch das Stück unters brochene Domino Partie unten in der Restauration mit ihren Mördern weiter spielen. Und wenn der Schauspieler es schlecht macht, haben sie die Genugthuung, ihn auszuzischen, ohne dem Verfasser zu nahe zu treten.

Aber wenn die Wirklichkeit an die Stelle der Dichtung tritt, 'wenn dieselben Zuschauer als Geschworene im Palais de Justice figen und ihr Urtheil_tödten oder freisprechen soll, dann nehmen fie sich zusammen. Da fürchten sie nichts so sehr, als die Phans taste: hier hören sie nur die kalte Vernunft, prüfen sorgfältig die Thatsachen, suchen die Gedanken des Angeklagten zu ergründen, studiren sein Gesicht, lauschen angstlich auf seine Antworten, feine Mienen, feine Ausrufungen, feine Gemüthsbewegungen und seine freudigen Geberden, seine Blaffe und fein Zittern; da fißen sie im Angesicht Gottes, im Angesicht der Menschen, im Angesicht der heiligen Wahrheit, die sie mit den Handen ergreis fen möchten, die sie mit dem Blicke suchen, deren Beistand und Erleuchtung fie erflehen. Stört sie nicht in diesem ernsten Ges schäft! Was ist die Beredsamkeit eines Rhetors gegen das Ger wissen eines Ehrenmannes?

Nein, fie verstehen ihren Beruf nicht, die Männer des Pars Pets, die sich die Hände in die Seiten stemmen und den Mund so voll nehmen, uni ein kleines Verbrechen mit Gewalt zu einem großen aufzublasen, welche die Gemeinpläße ihrer Moral_mit fchönen Redensarten aufpußen und der Gesellschaft bange machen, wenn sie nicht das ganze Gewicht ihrer Rache auf eine Bagatelle legt, welche die Angeklagten heruntermachen, den Advokaten Grobheiten sagen und die Zeugen anfahren; die, wenn auch aus den Debatten die Unschuld der Angeklagten hervorgehen mag, nicht ehrlich die Anklage aufgeben, sondern fie unbeschadet der mildernden Umstände geltend machen; nein, die verstehen ihren Beruf nicht, die in der Sache Partei nehmen, die durch ergreis fende Bilder, durch Aufregung der politischen Leidenschaften, durch Augenrollen und drohende Geberden die Jury, das Tris bunal und das Auditorium erschüttern, damit man nur von ihnen sagen kann:,,Wie beredt, wie schön sprach er!''

Ich bin nicht Großsiegelbewahrer und habe auch keine Lust, es zu seyn; aber wenn ich es wäre, so würde ich gar manchen General Prokurator abseßen, der am unrechten Ort beredt war; ich würde es machen, wie jene Römischen Generale, die ihre Offiziere abfeßten, weil sie außerhalb der Schlachtordnung einen Feind im Zweikampf tödteten. Man muß darauf sehen, daß jedes Ding nur an seinem Ort erscheine, die Beredsamkeit und der Muth, so gut wie die Tugend.

Es giebt General Advokaten, welche die Freisprechung eines Schuldigen bewirken, nur dadurch, daß fie feine Schuld übers treiben, und eben so giebt es bei politischen Prozessen Generals Advokaten, deren übertriebener, ferviler Eifer der Regierung oft mehr schadet, als die heftigsten Ausdrücke des angeschuldigten Zeitungs Artikels.

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Seltene Ausnahmen abgerechnet, follte die Regel bestehen, daß man vor 36 Jahren nicht Mitglied des Parkets senn dürfte; denn die Mitglieder des Parkets sollen ja die Organe der Gesells schaft seyn, als solche sprechen sie im Namen derselben, und dies Fönnen sie mit nicht genug Würde, Besonnenheit, Erfahrung und Anstand. Da Niemand in der Versammlung einen Generals Advokaten, so lange er das Wort hat, unterbrechen, zurechtweisen und in Zaum halten kann, so muß er sich selbst zu leiten wissen. Wenn es an guten Magistraten fehlt, darf man mit den Anstellung gen nicht knaufern, man muß fie verdoppeln; denn es handelt sich hier um etwas, was wichtiger ist als Geld, es handelt sich um die Freiheit, um die Ehre, um das Leben der Bürger..

Wir kommen jest zu der sigenden Magistratur; auch diese hat, so gut wie die stehende, Pflichten zu erfüllen.

Ich kenne fein erhabeneres, kein heiligeres und ernsteres Amt, als das eines Jury: Präsidenten; er repräsentirt in seinen Functionen die Macht, die Religion und das Recht; er vereinigt in sich die dreifache Würde des Königs, Priesters und Richters.

Welche Vorstellung muß ein Beamter, der einen so hohen Posten, vielleicht den ersten in der Gesellschaft einnimmt, von sich, d. h. von seinen Pflichten haben, wenn er sie würdig erfüllen foll! Welchen Scharfsinn braucht er nicht, um den durch die Schlangenpfade der Vertheidigung so oft unterbrochenen Zusams menhang der Debatten wieder herzustellen! Er muß aus den Widersprüchen der Zeugen die Wahrheit ans Licht bringen, er muß den schriftlichen Aussagen die mündlichen entgegenstellen, er muß die Zweideutigkeiten erklären, das Analoge zusammen: stellen, das Zweifelhafte lösen, er muß auf die Hauptpunkte, um die es sich handelt, hinweisen, er muß einen Umstand, ein Faks tum, ein Geständniß, einen Ruf, ein Wort, eine Miene, einen Blick, einen Ton, der Licht auf das Ganze wirft, hervorhes ben; er muß den Angeklagten mit fanfter Würde ausfragen, durch Ermahnungen ihn zum Geständniß und zur Reue bewegen, seis nen Muth aufrichten, ihn aufmerksam machen, wenn er sich vers irrt, ihn leiten, wenn er wieder auf den rechten Weg kommt; er muß die Vertheidigung und die Anklage in den Schranken des Anstandes halten, ohne doch die Freiheit der Verhandlungen eins zuschränken.

Das sind die Pflichten des Präsidenten. Glücklich der, wel cher sie erkennen und ausüben kann!

Die Klippe, an der besonders viele Präsidenten scheitern, ist das Résumé der Verbandlungen. Was heißt das, eine Verhands lung resumiren? Man foll den Fall mit Klarheit auseinanderseßen, eine kurze Uebersicht der günstigen und der ungünstigen Zeugens aussagen geben, hervorheben, was zur Unterstüßung sowohl der Anklage als der Vertheidigung gesprochen worden, und die Fras gen, die von der Jury zu lösen sind, in einfacher, logischer Ords nung zusammenstellen. Jedes Résumé muß klar, fest, vollständig, unparteiisch und kurz seyn.

Aber es giebt Präsidenten, die sich's in ihrem Sessel so bes quem machen, als wollten sie ihr Mittagsschläfchen halten; es giebt welche, die mit der Feder die Karrikaturen des Gerichts faals zeichnen; es giebt welche, die mit den Fingern nachlässig in den Locken ihrer Haare spielen; es giebt welche, die ihre Lorgnette auf die schönen Damen der Zuhörerschaft richten; es giebt welche, die den Angeklagten durch die abstoßende, gebietes rische Kürze ihrer Fragen einschüchtern, die Zeugen anfahren und aus der Fassung bringen, die Advokaten chikaniren und die Jury ungeduldig machen. Die Einen find lächerlich, die Anderen uns gezogen.

Es giebt welche, die noch schlimmer sind, die sich ganz von ihren Launen oder Parteileidenschaften beherrschen lassen. Sie werfen sich über Hals und Kopf in den politischen Kampf, bewaffnen sich mit einem Gewehr und feuern ihren Schuß ab. Sie zeigen den Augen der Jury die Waffen der Anklage und stellen die Vertheidigung in den Hintergrund. Sie werfen die Falta ungeschickt durch einander, statt sie zu sichten. Sie ergehen sich in Abschweifungen, die der Sache ganz fremd find. Sie wollen der Gewalt, einer Koterie, einer Person gefallen. Sie stellen als Verbrechen dar, was für die Geschworenen nur noch Anklage ist. Sie wissen die Evidens, die Größe und die GeF fahr desselben geschickt hervorzuheben.

Sie halten lange juristische Abhandlungen und streben nach Beredsamkeit. Sie ergänzen das, was der General Advokat zur Unterstüßung der Anklage gesagt hat, durch neue Mittel, die sie erfunden haben, und sie glauben sich zu entschuldigen, indem sie hinzufügen: Das sagt die Anklage! obgleich diese Nichts davon gesagt hat, so daß sie den Skandal durch die Lige vergrößern.

Nun versese man sich in die Lage des Angeklagten, der durch Das kraftige eindringliche Wort feines Vertheidigers gestärkt und ermuthigt, durch ein solches Résumé aufs neue jeder Hoffnung beraubt wird. Man stelle sich seine Angst vor, sein Errdthen und Die krampfhaften Zuckungen seines Körpers und Geistes. Und die Jurn! vor der Leidenschaftlichkeit des Anklagers, der seinen Beruf erfüllt, und der des Vertheidigers, der für seinen Klienten spricht, hat sie auf der Hut seyn können, denn sie weiß, daß beide gewöhnlich su viel fagen. Aber wie soll man dem Präsidenten mißtrauen, der in feinen Händen die unparteiische Wagschale der Gerechtigkeit hatt? dem Präsidenten, welcher nichts als der Berichterstatter der Sache ist? dem Präsidenten, der niemals seine Meinung darf durchscheinen lassen und den Menschen immer unter der Toga der Beamten verstecken muß?

Das Gedächtniß der Geschwornen ist gewöhnlich nicht von

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Argumente einer Sache behalten, fie ordnen, vergleichen und beurtheilen kann. Sie laffen sich, wie alle gewöhnliche Menschen, aufgeregt durch die in ihnen streitenden Gefühle und ermüdet durch die Sizung, von den legten Eindrücken, die ihr Gehirn empfängt, leiten. Wenn nun diese lehten Eindrücke die einer vers doppelter Anklage sind, wie beschwert wird da das Gewissen der Jury, welche Gefahr droht dem Angeklagten!

Man zittert, wenn man bedenkt, daß bei einer Jury vom Lande, die ungebildet und leicht zu schrecken ist, das arglistige, parteiische Résumé eines Affisen-Präsidenten ganz allein ein Todess urtheil herbeiführen kann.

Das Gefeß hat gewollt, daß das lehte Wort immer dem Angeklagten bleibe, dessen Unschuld es menschlicher Weise vor ausgefeßt. Ist es nun nicht eine Verlegung der Humanität und des Gesezes, wenn der Präsident, statt ein Résumé zu geben, ein neues Requisitorium hält?

Soll der Angeklagte statt eines Gegners zwei vor sich haben, den General Advokaten und den Präsidenten? Wenn er seine flehenden Blicke zu dem Tribunal erhebt, wenn er wie in ein heilis ges Asyl seine Zuflucht dahin nimmt, soll er ein Schwert finden, das gegen seine Brust gezückt ist, statt eines Schildes, das ihn schist? Wenn er furchtsam eine Bemerkung wagt, fo erbittert er im Fall eines ungünstigen Urtheils den, der die Strafe aus: zusprechen hat. Wenn der Vertheidiger sich beschwert, schließt man ihm den Mund; wenn die Journale das Benehmen des Präsidenten darstellen, so macht man ihnen einen Prozeß ohne Jury, unter dem Vorwand, es wäre ein falscher Bericht abge stattet worden.

Wie kommt man aus dieser Verlegenheit heraus? Soll man auf Caffation antragen? Aber ist dies ein geseßlicher Grund zur Cassation? Wie will man beweisen, daß statt eines Résumés ein Requisitorium gehalten wurde? Wo will man die Zeugen wiederfinden, und da mündliche Beweise nicht genügen, woher die schriftlichen nehmen? Der Assisenhof kann doch nicht eine Protestation gegen die Parteilichkeit seines eigenen Präsidenten durch denselben zu Protokoll geben?

Bei nicht verwickelten Prozessen, bei einer Anklage einfacher Art, bei politischen und bei Preß Prozessen wärde man vielleicht das Résumé ohne Bedenken ganz abschäffen können; hier nimmt auch das Résumé in dem Munde eines nicht vorurtheilsfreien Präsidenten am leichtesten die entschiedene Form eines Requisis toriums an.

Wenn aber mehrere Angeklagte, wenn viele Mitschuldige da sind und es sich um Vergehungen von verschiedenen Graden handelt; wenn der Gegenstand der Anklage von abstrakter, ver wickelter Art ist, wenn die Zeugen: Aussagen sich widersprechen, wenn die Fragen, welche die Jury beantworten soll, von mans nigfaltiger, komplizirter Natur sind, wenn die Verhandlungen mehrere Tage gedauert haben und die Aufmerksamkeit der Ges schworenen ermüdet oder abgenüßt ist, wie will man da des Résumé's entbehren? In solchen Fällen kann man ohne Résumé unmöglich klar in der Sache sehen. Es hieße dies, das Leben und die Ehre der Angeklagten aufs Spiel seßen.

Und doch, wie soll man die resumirenden Präsidenten zur Unparteilichkeit zwingen, wenn die Vorschriften des Gefeßes, wenn die strengere Stimme der Pflicht dies nicht kann?

Ein Mittel giebt es, und das ist folgendes: Die Debatten find öffentlich, und das Résumé ist ein wesentlicher Theil der Debatten. Die Stenographie ist das umfassendste und treuste Werkzeug der Publizität. Der Stenograph muß die Rede des Präsidenten Wort für Wort wiedergeben, und die öffentliche Meinung wird ihr Urtheil fallen.

England.

Das Leben des Admiral Anson *).

Nach der Edinburgh Review.

Was Tacitus von seinem Zeitalter sagte:,,Es vernachlässigt seine großen Männer“, das ist auf alle moderne Völker ebenfalls anwendbar. Die Lebensbeschreibung, welche jest meistentheils ruhmlosen Federn anheimgefallen ist, erweckt keine Liebe mehr zu großen Thaten in den Herzen der Jugend. Kein Tacitus schreibt mehr das Leben Agricola's, kein Plutarch weiht seine Mußestuns den der Schilderung der vaterländischen Halbgötter. Wir rühmen unsere Liebe zum Vaterlande, und wir verachten, was zu seiner Größe beiträgt. Aber, fagt man, Plutarch schrieb nur Mährchen! Nun wahrlich, diese Mährchen haben doch die Civilisation nicht gehemmt, die Begeisterung der neueren Welt für große Geschicke nicht zerstört, noch auch eine falsche Vorstellung vom Alterthum verbreitet. Möchten nur die Lebensbeschreibungen eines Watts, eines Arkwight, eines Lavoisier in allen Werkstätten sich vorfin den; möchte man die Biographieen von Johann Bart, Duguays Trouin, Cool, Anson, Lapeyrouse und Christoph Columbus auf allen Schiffsverdecken antreffen; das wäre gewiß eine anziehende und lehrreiche Lektüre. Suche man doch einmal anderswo so anziehende Gegenstände, so pikante Abenteuer, so rührende Ents wickelungen, so glanzend romantische Beispiele von dem Kampfe des Menschen mit dem Schicksal. Es giebt Universitäten, wie unter anderen die von Cambridge, welche goldene Medaillen für den Verfertiger der besten Lateinischen Verse ausseßen und silberne Dreifüße für die bestskandirten Griechischen Verse; Akademieen,

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