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zuerst Hr. Schiller mit seiner Fabel: Der Fuchs und der 1797. Kranich, gar übel von der Fechtschule. Es wird nach allen. Regeln gezeigt, daß es der Fabel an Sinn, an Zusammenhang und an Erreichung ihres Zweckes fehle, daß sie folglich ein elendes Gedicht und ihres Verfassers unwerth sey. Dagegen erzählt Hr. Nicolai, à son tour, seinem Gegner eine andere Fabel vom gemeinen Verstande und einem gewissen philosophischen Verstande, nöthigen Falls auch auf einen gewissen poetischen Verstand zu deuten; nämlich: Farinelli und Garrik, an Friedrich Schiller. Der erste Sänger in der Oper kam mit einem Schauspieler ins Gespräch, der lebhaft erwiederte, und ihm sogar geradezu widersprach. Der Sänger, vom Fette dick, und glänzend vom Golde, sah ihn über die Achsel an, sagend: Wie unterstehst du dich gegen mich zu räsonniren, der ich der erste Sänger in Europa bin, und Ritter des hohen Ordens von Calatrava? Du aber bist nur ein Komödiant! Das bin ich, sagte der Schauspieler, und kein Kastrat!" Der Sinn dieser Fabel ist: daß es Leute gibt, so gemein, daß sie Verzicht thun auf die Fähigkeit, die hohen Triller des Formtriebes und Spieltriebes, und das hohle Gurgeln der Wissenschaft nachzumachen, deßwegen, weil sie dazu nicht gelangen könnten, ohne etwas ganz Gemeines aufzuopfern, was die Trillerschlager und Gurgler nicht achten; was aber doch allein das menschliche Geschlecht erhält, und Niemanden hindert, der erste in seiner Kunst zu seyn. So viel vom philosophischen und gemeinen Verstand."

Nun kommt die Reihe an die übrigen Xenien, die in Masse beurtheilt werden, um den plumpen Ton zu rügen, der durch sie in die deutsche Litteratur eingeführt werden soll; es sind ihrer quatrecent, qui ont de l'esprit comme quatre, eine Art von Dokter Luthers Tischreden, welche die Herren inter pocula ge= macht, und bey lebendigem Leibe haben drucken lassen. Ihrem eigenen Geständniß nach sollen es Feuerwerke seyn, und die find's auch; denn gleich Schwärmern plaßen sie auf, sinken und stinken. Hr. Nikolai untersucht hierauf, woher all dieser Unfug rühre; und beweiset durch der Herren reichlich angeführte eigene Worte, daß bloß Mangel an Selbstkenntniß und Selbstbeherrschung Schuld daran sey, der thörichten Dünkel, Inconsequenz, Inconsistenz, und grämlichen Unmuth bey ihnen erzeugt. In dieser Gemüthsverfassung vergessen nun diese Herren, daß sie bloß durch

1797. vortreffliche Schriften dem deutschen Publikum werth wurden, und verlangen nach ihrer überschwänglichen Eitelkeit, daß das Schlechteste für vortrefflich geachtet werden soll, sobald es von ihnen herkommt. In ihrem Uebermuthe geben sie zu erkennen: sie verachten das deutsche Publikum, wenn sie indeß fortfahren, Gutes und Schlechtes untereinander zu schreiben, so könnte es leicht geschehen, daß sie endlich von dem Publikum verachtet würden, das sie ehemahls ehrte, weil man sie noch gerade bey= nahe für Menschen halten muß, ganz verschieden von denen, die man ehemahls bewunderte. Daran sind ihre Schmeichler und Klienten Schuld. Vom Weihrauchduft derselben umnebelt, bilden sie sich ein, sie allein wären etwas in der deutschen Litteratur werth, und wenn sie etwa auch gnädigst erlaubten, auch etwas freylich weniger als sie werth zu seyn. Alle andern sind ihnen Philister, Bediente, die ihnen, den Königen, die Stube fegen, Hunde, Ochsen, Esel, Geschmeiß 2c.

In dieser Einbildung glauben sie nun, jeden Schriftsteller und Leser, wie der Erzbischof von Granada den Gil Blas, nach Gefallen beym Aermel nehmen, und, mit einem Par Xenien auf den Weg, ihrer Dienste entlassen zu können. Ueber alle andere sich erhaben dünkend, glauben sie jedem mit Verachtung und Grobheit begegnen zu dürfen, so wie es ihnen einfällt. Damit wollen sie den Grund zu einer neuen poetischen Universal-Monarchie legen, welche ein Ende nehmen wird, hoffentlich nicht wie die von Zimmermann ehemahls gesuchte prosaische Monarchie traurig, sondern lächerlich, wie die Regierung der beyden humpelnden Könige von Brentford im Rehearsal, deren jeder nur Einen Stiefel hatte. Diese lettere, in der That drollichte Vergleichung benüßt nun der Verfasser, um den Krieg, den die Xenien führen, recht hudibrastisch folgender Maßen zu schildern:

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Die Xenien sind aufgestanden in Masse, und postiren sich vor Brentford - dem Flecken, wo die Herren regieren - 400 bis 500 an der Zahl, in grünen, rothen, grauen, bunten Wämsern, und in Kitteln, bewaffnet mit Flegeln, Mistgabeln, dicken Prügeln, und was zuerst in die Hand kommt, alles gilt. Wehe dem, der die Zwiebeln der Brentforder ausgraben, ihre Rettige plündern, ihre zerlumpten Kittel ihnen ausziehen, und in ihren schmußigen Hütten die Oefen einschlagen wollte, woran ihr hoher Genius sich

wärmte! Nichts Geringeres, meinen sie, sollen die tückischen 1797. Philister im Sinne haben; und wenn sie sich das unterständen, bekämen sie keinen Pardon. Aber gegen den, welchen diese wichtige Beute nicht reißt, sind die Xenien und ihre Herren zahm wie die Lämmer. Sie laffen manche fremde Truppen vorbey= ziehen; und besonders gegen einige, welche ihnen ein wenig starf und kurz angebunden scheinen, sind sie recht manierlich, präsentiren die Dreschflegel; und endlich, wenn sie sehen, daß die Anderen nichts Arges meinen, werden sie zutraulich, biethen einem Voß oder Garve im Vorbeygehen eine Prise Weihrauchkörner aus ihren hölzernen Tabacksdosen an. Danken gar schön, es sind viel zu schmußige Hände darin gewesen! Doch wer von den Vorübergehenden etwa über die wichtige Stellung und die zerrissenen Hosen des Brentfordschen Xenien-Heeres ein wenig den Mund verziehen möchte, thue es nur, wenn er ganz vorüber gegangen ist, sonst wird er geschimpft. Denn die Xenien, ob sie gleich dem nicht viel schaden können, der auf seinen Füßen feststeht, sind doch grobe Knollen, und ihre beyden Heerführer wissen den Koth wunderbar weit zu werfen.“

Die großen Thaten werden nun erwartet von den Füchsen mit den brennenden Schwänzen, als Avantgarde auf die feindlichen Aecker geschickt. Denn wirklich sind die beyden Heerführer selbst beym Hintertreffen, beym Wurfgeschüß von Koth und Steinen geblieben, wodurch die Xenischen Rettige und Zwiebeln —

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zu vertheidigen sind.“

,,Aber, o widriges Schicksal! Die angegriffenen Nachbarn (gar nicht Philister, sondern ehrliche, gute Pächter und Ackersleute von Twinkenham und Richmond, eben so gut und besser, wie die naseweisen Bursche von Brentford) haben unter die Füchse geschoffen, ehe sie auf ihr Land kamen; das Vieh wird scheu, die Lunten zu kurz, die Schwänze brennen an, und so laufen die Füchse in die eigenen Aecker ihrer gnädigen Herren zurück. Nun beginnt das große Gefecht der Brentforder wider ihre Füchse. Jupiter wägt in seiner Wage das Schicksal der Xenien mit verbrannten Schwänzen, und der Xenien mit Mistgabeln bewaffnet.

1797. Die Flegel fallen, die Füchse bellen und beißen, die verwundeten Xenien heulen, die Aehren rauchen, alles ist in wildem Getümmel, die Brentforder Erndte brennt halb ab, und wird halb zertreten; wenige Füchse, dem Kampfe entronnen, laufen versengt ins nächste Didigt. D ihr Könige von Brentford! wäret ihr nicht so rachsüchtig gewesen, ihr hättet euer eigenes Land nicht verwüstet! Eure Füchse wären nicht versengt, eure Flegel nicht zerschlagen, und eure Forken nicht zerbrochen worden! Aber die Xenien, diese Brentfordbeschüßer fürchten sich vor ihrer eigenen Tapferkeit; damit nur Philister und Füchse nicht wieder kommen mögen, singen sie beym Abzuge den drohenden Siegesgesang:

Unserer liegen noch Tausend im Hinterhalt; daß ihr nicht

etwa,

Rückt ihr zu hizig heran, Schultern und Rücken entblößt!

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Denn freylich dem sind sie nicht furchtbar, der ihnen gerade ins Angesicht sieht. Und nun ziehen sie, wohlbehalten und ermüdet vom Siege, in den engen Paß hinter dem Ofen ihres Genius."

Weiterhin hat der Verfasser Gelegenheit, das Geniewesen ein wenig zu beleuchten, da dann die Grundlehren dieser neuen Kirchenväter in ihrer eigenthümlichen Blöße dargestellt werden, und alles mit der Herren eigenen Worten belegt wird. Da zeigt sich's denn unter anderen, daß das eingebildete Genie, wie der Dalai Lama ist, dessen Dünkel angebethet seyn will, und der den Anbethern seinen Koth austheilen läßt. Es ist, von dieser Digression aus gar nicht weit aus dem Wege, um auf Hrn. Göthe zu kommen, dem die deutsche Litteratur unläugbare Werke des echten Genius verdankt; der sich aber gleich bey seinem ersten Eintritte alles erlauben zu dürfen glaubte, und den eben deßhalb, wie hier aus den Memoires secrets de la république de lettres erzählt wird, Lessing durch Herausgabe Wertherischer Briefe würdigen wollte, so daß Göthe jest in Lessings Werken als ein Gegenstück zu Kloß erschienen seyn würde, wenn nicht ein Freund Lessings, der noch lebt, und um den Göthe es nicht verdienet hat, ihn nicht davon zurückgebracht hätte. Die Lächerlichkeit, daß Hr. von Göthe die in der bürgerlichen Welt ihm anklebende Excellenz auch in die litterarische überträgt, und mit

dieser drollig vornehmen Miene Auctoren und Leser als seine 1797. Subalternen behandelt, führt hier sehr am rechten Orte die Anekdote herbey, daß er den verstorbenen Dichter Bürger, der sich darauf freuete, in Weimar seine persönliche Bekanntschaft zu machen, ganz ministeriellement eine Zeit lang im Vorzimmer warten, unterdessen aber bloß sich etwas vorspielen ließ, und dann ihn kalt und steif abfertigte. Bürger machte im Nachhausegehen auf diese Audienz folgendes Impromptu:

Mich drängt es in ein Haus zu gehen,
Drin wohnt ein Künstler und Minister.
Den edlen Künstler wollt ich sehn,
Und nicht das Alltagsstück Minister:
Doch steif und kalt blieb der Minister
Vor meinem trauten Künstler stehn,
Und vor dem hölzernen Minister
Kriegt ich den Künstler nicht zu sehn.
Hohl ihn der Kuckuck und sein Küster!

Unter so vieles andere, was diese Anzeige dem Leser überlassen muß, gehört auch der Vorschlag zu einem Titelkupfer für den nächsten Schillerschen Musenalmanach (dem Hr. Nikolai nach der Progression des 1796ger zum 1797ger eine große Leere an guten Sachen prophezeyt). Diese Skizze ist mit Hogarths Geist gezeichnet. Das Resultat des Ganzen besteht nun ganz klar darin: In den Xenien geben die HHrn. Göthe und Schiller Hrn. Nikolai Unwahrheit, poetische Grobheiten und Injurien, und er gibt ihnen dafür in diesem Anhange Wahrheit, prosaische gute Gründe und Bemerkungen aus schlichtem, gemeinem Verstande. Es steht nun zu erwarten, ob sie die ihnen zum Schluß gegebene Lehre zu ihrem und des Publikums Besten beherzigen werden; sie lautet in Claudius Worte folgender Maßen:

Trau nicht auf deinen Tressenhut,
Und auf die Klunker dran;

Ein großes Maul es auch nicht thut,
Das lern vom plumpen Mann,
Und von dem andern lerne wohl,

Wie man mit Ehren fechten soll!

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