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wo man die brasilianische Menschenjagd in Deutschland möglichß er giebig zu machen sucht, drei oder vier protestantische Prediger an Punkten, welche von europäischen Reisenden öfterer besucht werden, mit tärglicher Besoldung angestellt hat, ist von höchft geringer Bedeutung für die Frage der Religionsfreiheit in Brasilien. Daß die Fortbezahlung selbst dieser wenigen und kleinen Besoldungen mehr gesichert ist, als 1830 der durch Patente und die oben angeführten Artikel der Constitution den Offizieren zugesicherte Sold gesichert schien, möchte ich doch bezweifeln. Indessen ist es doch nicht unwichtig, zu bemerken, daß in der Provinz Rio grande, wo die größte Zahl protestantischer Kolonisten schon seit lange angesiedelt ist, dem Vernehmen nach die protestantischen Prediger keine Besoldung vom Staate empfangen. Uebrigens vergeffe man auch nicht, daß die Protestanten, auch wenn sie nicht Staatsbürger sind, zu den Staats-Einnahmen, aus denen die katholische Geistlichkeit besoldet wird, ebenso gut als die katholischen Brasilianer beisteuern. In einigen größeren Städten ist man allerdings tolerant, hauptsächlich mit aus dem Grunde, weil der katholische Klerus wegen seiner Unwiffenheit und Sittenlosig. keit nicht geachtet und der Indifferentismus Mode ist, die deutschen protestantischen Kolonisten“ im Lande, fern von den großen Städten, befinden sich aber in ganz anderen Händen und unter ganz anderem Druck (siehe die Berichte von Dr. Heußer und Deveß). Sie müssen ihre Kinder katholisch, vor katholischen Zeugen, taufen lassen; man will fie (siehe Kerst:,,Die Kolonieen in Rio grande") zwingen, ihre Kinder in den katholischen Nationalschulen erziehen zu lassen; rein protestantische Brautleute auf den Plantagen müssen vor der Trauung das Versprechen leisten, ihre Kinder katholisch erziehen zu lassen, man verweigert gestorbenen Proteftanten ein anständiges Begräbniß u. s. w. Daß der Bischof von Rio Janeiro Dissidenten-Ehen für ein bloßes Konkubinat erklärt hat und diesem Urtheil zufolge eine gefeßlich nicht geschiedene protestantische Frau sofort, als sie zum Katholizismus übertrat, mit ihrem katholischen Galan trauen ließ, ist kein einzeln dastehendes Faktum, welches die brasilianische Toleranz und protestanti sches Eherecht in Brasilien beleuchtet.

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Die Schwierigkeit, ein tadelloses Eherecht neben dem kanonischen in Brasilien zu schaffen, gebe ich zu; daß aber ein weniger unvollkommenes Gesez nach den bekannten Mustern leichter herzustellen ist, als Herr Dr. França glauben machen will, kann nicht bezweifelt werden. Indeß hat der Senator Don Manoel (ich glaube im v. J.) ehrlich den Gedanken ausgesprochen, der das wesentlichste Hinderniß ift: die Intoleranz der Staatskirche. Man vertröstet die protestantischen Kolonisten“, die man bereits nach Brasilien verlockt hat, und solche, die man jeßt en masse zu verlocken sucht, auf den Zeitpunkt, wo der Papst Brasilien erlauben wird, praktisch tolerant zu sein, und bis man alle Materialien für die Berathung eines mußtergültigen Eherechts der Dissidenten gesammelt haben wird. Darüber dürfte denn wohl noch manche Generation hinsterben. Ich denke, daß es weise gehandelt ist, protestantischen Auswanderern eher abzurathen, als sie zu verlocken, nach Brasilien zu gehen, bis der Zeitpunkt eingetreten sein wird, wo die Religionsfreiheit in diesem Lande unzweifelhaft constitutionelles Recht und jede geseßliche Bürgschaft in dieser Beziehung gegeben sein wird und bis die Religionsfreiheit in Brasilien durch internationale Verträge, nach dem von England stets beobachteten Verfahren bei Abschließung solcher Verträge mit katholischen Staaten, den Deutschen garantirt sein wird. Die Bemerkung des Dr. França, daß die Abschließung solcher internationalen Verträge, in denen die Freiheiten und Rechte der Deutschen stipulirt werden, sich wohl für die Argentinische Conföderation (wo die vollkommenste,,Religionsfreiheit“ conftitutionelles Recht, die römisch-katholische Religion aufgehört hat, „Staatsreligion“ zu sein) und für Marokko, aber nicht für Brasilien schicke, will ich nicht näher erörtern; aber ich nehme keinen Anstand, zu bemerken, daß ich für den Glauben der protestantischen Christen und der Juden in Brasilien, unter der vom brasilianischen Staatsrecht anerkannten Herrschaft des kanonischen Rechts, mehr fürchte, als unter der Herrschaft des Koran in der Türkei und selbst in Marokko. Brasilien mag immerhin sehr schöne Gefeße haben, es hat eben auch, wie Jeder weiß, der Brasilien kennen gelernt und das Unglück gehabt hat, dort Recht suchen zu müffen, ganz ausgezeichnete RabuLiften. Aber zwischen den schönen Gefeßen und ihrer Ausführung liegt eine ungeheure Wüfte voll von Parteilichkeit, Käuflichkeit, Beftechung, Schikanen, erkaufbarem Meineid, Fremdenhaß und anderem dornigen Geftrüpp, das ebenso üppig wuchert, wie nur die Cayors des tropischen Brasiliens wuchern können, durch welches auch dem entschlossenften und gebildetsten Fremden zum Recht durchzubringen, unmöglich wird. Der deutsche Gelehrte mag sich immerhin mit der ziemlich sterilen Aufgabe amüsiren, die Weisheit der brasilianischen Gefeßgebung zu analysiren; für einfache, praktisc,: Menschen, wie z. B. die deutschen Unswanderer, find diese Ceißesspiele ohne allen Werth. Für den Kolonisten“, der im tropisgen Brasilien den Slegersflaven erfeßen soll, genügt fest allein die Kenntniß des Dienfootenzeseges von 1837, welches ihn zu einem echten Sklaven, in des Wortes

eigentlichstem Sinne, macht, genügt das bescheidene Licht, welches Heußer, Deveß und einige,,Kolonisten", denen es gelingt, ihre Berichte, troß aller strengen Ueberwachung, nach Europa gelangen zu lassen, aufstecken.

Entschuldigen Sie, verehrter Herr, daß ich in allen diesen, sicher wichtigen Fragen teinen einzigen berühmten Lehrer des Staatsrechts, wie Herr Dr. França, sondern nur so unberühmte Namen als den Physiker Dr. Heußer, den ehemaligen Kolonisten Deveß, den brafilianischen Capitain Hörmeyer und ähnliche citire; ich glaube wirklich im Ernst, damit nicht der Würde und dem Ernst des Gegenstandes Eintrag zu thun.

Herr Dr. França sucht auch in Abrede zu stellen, daß die Erwerbung des brasilianischen Bürgerrechts durch allerhand Mittelchen sehr erschwert wird. Ich könnte, um ihn zu widerlegen, einfach auf die Verhandlungen in der vorjährigen brasilianischen Kammer, bei Gelegenheit der Erwägung zahlreicher Petitionen um Gewährung des Bürgerrechts, verweisen; der deutsche Leser würde aber wenig dabei gewinnen, wenn ich nicht zugleich die Debatten überseßte und erläuterte, wozu hier der Raum gebricht. Und so gestatten Sie mir, nur aus einem Büchelchen, das ebenso gut der „Literatur des Auslandes“ als die Broschüre des Herrn Dr. França angehört, die beiden folgenden Stellen überseßt mitzutheilen. Die Schrift führt den Titel: „0 governo e a colonisação", Rio de Janeiro 1857, und hat den Grafen v. Rozwadowski zum Verfasser. Der Autor hat in mancherlei dienstlichen Verhältnissen einen sehr großen Theil Brasiliens kennen gelernt, denn er war im Süden von Jaguarão (Provinz Rio grande do Sal) und wiederholt am Amazonenstrom, den er im Dienst der kaiserlichen Regierung bis Nauta in Perú beschifft hat, beschäftigt. Er hat seine Ausbildung auf der Wiener Militair-Akademie erhalten und hatte in der k. k. Armee den Grad eines Ingenieur-Hauptmanns erlangt. Er ist nun brasilianischer Bürger und kann also aus eigener Erfahrung sagen, was dazu gehört, diese Kostbarkeit zu erlangen, und was sie, bei Licht besehen, für die Gegenwart werth ist. Er sagt:

,,Mögen diejenigen (in Brafilien), welche Neger bedürftig sind, doch aufhören, sich zu verwundern, daß Chinesen, Portugiesen, Deutsche, Italiäner, Franzosen, Schweizer oder Slaven durch die Leistung von Vorschuß der Reisegelder und einiger unbedeutender Geldsummen nicht zu bewegen sind, fich für völlig unbestimmte Zeiten als Handarbeiter oder Leibeigene (servos) „,„, glebae adscripti”” zu verpflichten, ohne Hoffnung, je eine unabhängige Existenz und Familien-Verbindungen, ohne die Möglichkeit, ihre Kinder, welche sie schon mit sich brachten, oder die hier geboren wurden, erziehen, ohne irgend welchen geistlichen Beistand ihres Kultus erlangen zu können, ja sogar ohne bürgerliche Rechte sind, welche sich selbst für Naturalisirte auf die Prärogative beschränken, votiren zu dürfen, ohne felbft gewählt werden zu können, und sie kaum (die Naturalisirten) vor Deportation schüßen, welche der Neid oder irgend welches Uebelwollen (malquerença) gegen den,,,,Fremden"" zu jeder Stunde erregen kann, sobald dieser durch sein Verdienst, die Unabhängigkeit seiner Meinungen, oder selbst wegen des Gedeihens seines Handels und des Wachsthums seiner Glücksgüter einigen Ehrgeizigen,,,,de aldea"" (vom Dorfe) unbequem wird, wie vor kurzem erst in einer der nördlichen Provinzen geschehen; ich sage, selbst also verstümmelte bürgerliche Rechte können nicht erlangt werden, als nur durch eine Reihe unbestimmter und komplizirter Formalitäten und mit einem außer Verhältniß stehenden Kostenaufwande (circa 100 Milreis)." Und weiter fährt er fort: Mögen auch diejenigen ernüchtern, die durch irgend welche phantaftische Illusionen fich der Verführung ausgesezt sehen, ihre Heimat aufzugeben, zu dem Zwecke, die dahinschwindende Negerkaste Brasiliens zu erseßen; denn sie werden in traurigster Weise sich über die Zukunft, welche ihnen die brasilianifche öffentliche Gaftfreundschaft präparirt, getäuscht finden, indem sie sich zu dem schweren Schritte der Auswanderung durch den Wahn bestimmen lassen, im Territorium Brasiliens nicht die Stellung von Parias — welche die Geseße und die herrschenden Vorurtheile (proccupações) ihnen bereiten, welche die Regierung selbst ge= gen die Fremden nährt und sanctionirt, nicht ein Eril, sondern ein Vaterland, nicht unbillige Unterdrücker, söndern gütige Mitbürger und Brüder zu finden.“

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Wenn Herr Dr. França auf die Knownothings Nord-Amerika's verweist, so können wir ihm versichern, daß diese Minorität der Union sich in Deutschland keiner Sympathieen erfreut, aber zugleich ist es unsere Pflicht, hervorzuheben, was von allen vorurtheilsfreien Beobachtern, die Brafilien kennen gelernt haben, mit Recht hervorgehoben wird, daß der grimmigste Fremdenhaß in Brasilien allgemein ist, daß das ganze brasilianische Volk, mit äußerst wenigen, zu zählenden Ausnahmen, zu denen ich mit Freuden den Herrn Dr. Ferreira França zähle, in die Kategorie der Knownothings gehört.

Wir wünschen aufrichtig, daß es Dr. França und seinen Gesinnungsgenossen gelingen möge, eine aufrichtige und gründliche Bekehrung

(wozu viele Jahre angestrengtester Arbeit nöthig sein würden), die fich durch unzweifelbare, hervorstechende Handlungen manifeftirt, in Brasilien zu bewirken; ich werde dann, wenn ich noch lebe, unter den Ersten sein, einer solchen Bekehrung öffentlichen Beifall zu zollen. Aber bei der gegenwärtigen Gestalt der brasilianischen Verhältnisse und Zustände, nach den unzähligen, vorliegenden, empörendsten Thatsachen, der ganzen bisherigen Geschichte der Deutschen in Brasilien, die so überreich an gegen dieselben verübten Treulosigkeiten, Betrug, ja ungeheuren Verbrechen ist (z. B. das in der Geschichte fast beispiellose ungefühnte Verbrechen, das 1838 an 500 Deutschen, die von Hamburg nach Perú geschleppt wurden, mit kältester Grausamkeit verübt worden), angesichts der jest in Deutschland in Scene gesezten Menschenjagd und der Mittel, deren sich Brasilien dabei bedient, ist es meine und jedes ehrenhaft gesinnten Deutschen Pflicht, nach Kräften dem brasilianischen Menschenhandel entgegen zu treten, und ich hoffe, daß auch die verehrliche Redaction des „Magazin“ von diesen Gesinnungen beseelt ist.

Mit vollkommener Hochachtung 2c.

England.

Nachdrucker würden stets auf dem Anstand lauern, um sich irgend einen Formfehler in der Registrirung zunuze zu machen; wie sie das immer bei den Patenten gethan haben.

4) Bei der Erwägung dieses Gegenstandes ist der Punkt im Auge zu behalten, daß die Nachbildung von Kunstsachen beeinträch tigender für das Publikum ist, als der Nachdruck von Schriftwerken und dekorativen Zeichnungen; denn hier ist der Käufer mit dem nachgedruckten Werke ebenso gut bedient und befriedigt, wie mit der rechtmäßigen Ausgabe, während der Eingriff in das künstlerische Verlagsrecht für den Käufer einer Nachahmung noch benachtheiligender ist, als für den Künstler. Als analoger Fall erscheint der Kommission der Nachdruck von Waaren-Etiketten, da das Gefeß hier keine Registrirung vorschreibt. In Beziehung auf die hier zu Lande nachgedruckten fremden Waaren - Etiketten äußerte kürzlich der Kanzler Wood, er kenne nichts, was, ohne vor dem Richter belangbar zu sein, schimpflicher wäre, als ein solches Verfahren.

5) Es ist ferner zu bedenken, daß die Verbindlichkeit zur vorgängigen Registrirung, die in das Gefeß aufgenommen werden soll, mit Kerst, Geh. Reg.-Rath. der Gerechtigkeit der Sache selber gar nichts zu schaffen hat. Die Nachtheile der Registrirung vielmehr, die sich bei der Gründung von Actien-Gesellschaften, bei der Rhederei und Patentverleihungen heraus gestellt, haben jüngst die Gesezgebung veranlaßt, sie theils gänzlich aufzuheben, theils bedeutend zu beschränken.

Verlagsrecht von Kunstsachen in England.

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Die am 2. Dezember 1857 eingesezte Kommission für das künstlerische Verlagsrecht bezeichnete in einem kürzlich publizirten Berichte über das Ergebniß ihrer Untersuchung zuvörderst die britischen Gefeße über diesen Gegenstand als mangelhaft und ungerecht; denn: 1) Bieten sie den Verlegern keinen genügenden Schuß gegen die Nachbildung.

2) Die Käufer solcher Werke sind ebenso schußlos der Beeinträchtigung und dem Betruge bloßgestellt, indem ihnen stümperhafte Nachbildungen für echte Originale geboten werden.

3) Die durch die mangelhaften Geseze begünstigte Verbreitung schlechter Kopieen bringt die Meister der Originale in Verruf und führt die Entsittlichung junger und dürftiger Künstler herbei, die bei der Fabrication dieser nachgepfuschten Machwerke verwendet werden.

4) Ungerecht ist die mangelhafte Gefeßgebung gegen das Ausland, das mit Großbritannien in derartige internationale Verträge getreten ift. Denn solche Verträge beruhen auf dem Prinzip der Gegenseitig keit; während nun die Werke britischer Künstler in dem Gebiete der in den Verträgen namhaft gemachten Staaten vor Nachdruck geschüßt find, entbehren die Künstler dieser Staaten des gleichen Schußes in den britischen Ländern.

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Die Kommission schlägt demnach vor, in die Bill zur Vervollftändigung und Verbesserung der Gefeße über das künstlerische Verlagsrecht folgende Bestimmungen aufzunehmen:

1) Alle vorhandenen Parlamentsakte, betreffend das künstlerische Verlagsrecht, sind aufgehoben.

2) Die amendirte Akte muß sich über alle Theile des britischen Gebietes erstrecken.

3) Sie muß alle Kunstwerke britischer Meister beschüßen, auch wenn sie in irgend einem fremden Staate ausgeführt oder zuerst erschienen sind.

4) In gleicher Weise muß die Bill unter ihren Schuh nehmen die Werke fremder Künstler, in welchem Lande auch sie ausgeführt oder zuerst veröffentlicht worden, mag dieses Land mit Großbritannien in freundlicher oder feindlicher Beziehung stehen.

Ob der Erwerbung des Verlagsrechts eine Registrirung der Kunstwerke voranzugehen habe, darüber erhob sich im Schoße der Kommission eine weitläufige Debatte, die endlich zur Verständigung über folgende Punkte führte:

1) In Betracht der Anzahl und der Natur der Kunstwerke, die täglich, sowie der Umstände, unter welchen sie erzeugt werden, schien es der Kommission, daß eine vollständige von allen britischen und fremden Künstlern veranlaßte Verlags-Registrirung, die durch Modelle, Beschreibungen u. f. w. die Werke charakterisirt, für welche das Verlagsrecht beansprucht wird, schlechterdings unmöglich sei. Sie mirs weber son ben fünftlern, nos son ben Berlegern gemündt, unb bietet auch dem Publikum nicht den geringsten Vortheil.

2) Machte man die Registrirung zur vorgängigen Bedingung, um das Verlagsrecht zu erwerben, dann müßte jede Skizze in des Künft lers Mappe zuvor nach London geschickt und einregistrirt werden: eine drückende und kostspielige Bedingung, welcher die Schriftsteller nicht unterworfen find, und durch die, bei der unnöthigen Centralisation der verwaltenden Behörde, die Masse der Künstler von der Wohlthat des vorgeschlagenen Gesezes ausgeschlossen bliebe. Diese Bedingung würde auch den früheren Werken der lebenden Künstler die Gewährung des Verlagsrechts unmöglich machen.

3) Die gestellte Bedingung wäre ferner ein Sporn mehr zu dem Raub an den Künstlern und zum Betrug des Publikums; denn die

6) Die Stellung der Künstler im Leben, die Geldschwierigkeiten, mit denen so manche zu kämpfen haben, die entlegenen Orte, in denen sie ihre Studien zu machen und ihre Werke zu schaffen haben; die häufigen Veränderungen, die sie mit diesen vornehmen, oft lange nachdem sie zum erstenmal in die Deffentlichkeit und in den Handel alle diese Umstände müßten in Betracht gezogen gekommen sind werden, bevor man ihnen eine so lästige Bedingung auflegt, die so schwer zu lösen ist und so gewiß vernachlässigt wird, und die sie nothwendig dahin bringen dürfte, daß sie, wie die Schriftsteller, ihre Verbindung mit dem Publikum nur durch Verleger oder Kommissionäre vermitteln: ein Zustand der Dinge, der für den Einfluß der Kunst eben nicht wünschenswerth erscheint.

7) Sollte es, troß diesen Erwägungen, die Geseßgebung dennoch für geeignet halten, die Registrirung aufzunehmen, so schlägt die Kommission vor, es damit anstehen zu lassen, bis das projektirte Gesez in Kraft und Thätigkeit getreten ist und sich durch die Erfahrung herausgestellt hat, auf welche Punkte die Registrirung zu richten und anzuwenden ist.

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Mannigfaltiges.

-Griechenland und die ausländische Literatur. Db. gleich die Griechen unserer Tage mehr, als für sie und für ihre wahre Bildung gut und ersprießlich ist, aus fremden Sprachen, namentlich auch aus der seichten französischen Roman-Literatur, in ihre Sprache übersehen, so wissen sie doch auch mit richtigem Takt und mit Geschmack manches gute und nügliche Werk des Auslandes, welches die Verpflanzung nach Griechenland wirklich verdient, in ihre Sprache zu übertragen, und nebenbei fehlt es auch nicht an Originalarbeiten, die dort gedruckt werden und die wieder ihrerseits der Beachtung des Auslandes nicht unwerth sind. Was neugriechische Uebersetzungen anlangt, von denen uns neuerdings Kunde zugekommen ist, so erwähnen wir hier das Lexikon der griechischen Archäologie", welches der Grieche D. Pantasis in Athen (der nämliche, der auch die dort seit einigen Jahren erscheinende,Egnuegis zur giouadir" herausgiebt und auch sonst ein thätiger Schriftsteller ist), aus dem Englischen von W. Smith, und zwar nach der zweiten Ausgabe, überseßt und wovon kürzlich das fünfte Heft erschienen ist; ferner die,,Kleine Syntar des attischen Dialektes", von Krüger, aus dem Deutschen von Konst. Xanthopulos (von welchem schon früher Aehnliches nach eigener Bearbeitung Χρονολογία erschienen war, und der noch im vorigen Jahre eine „,Xgovoλoyia ñs dexaías ioroglas" herausgegeben hatte). Von selbständigen Ar beiten zeichnen wir hier aus:,,Das noch in Griechenland geltende Strafrecht der Römer und Byzantiner" (Evozizov dixatov zwv 'Poμαιῶν καὶ τῶν Βυζαντινῶν καθ ̓ ὅσον ἰσχύει τῶν ἐν Ἑλλάδι), som Professor P. Paparrigopulos in Athen, eine „Hodegetik“ (Odnyòs τῶν φοιτητῶν τοῦ πανεπιςημίου Όθωνος) für bie Stuvirensen bet Universität in Athen, von Athanasios Rusopulos, „Englische Grammatit“ ('Enıτoμñ àyɣλıxñs roaμμatixñs), von G. Polymeris in Hermupolis auf der Insel Syra. In London erschien eine „Grammatik der neugriechischen Sprache", von einem Griechen selbst, E. A. Sophokles, in englischer Sprache (Romaic or Modern Greek Grammar), wie man sich überhaupt gegenwärtig in England, sowie in Nord-Amerika, befonders um die neugriechische Sprache bekümmert, und fast scheint es, daß dies dort von Seiten der Gelehrten, Hellenisten, Schulmänner 2. in einem höheren Grade der Fall sei, als namentlich bei uns in Deutschland.

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 gr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird,

No 53.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Reumann, Niederwallkr. Nr.21), sowie von allen königl. Poft-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Ueber das Gefängnißwesen. *)

Berlin, Dienstag den 4. Mai.

Daß in Bezug auf das Gefängnißwesen in neuester Zeit sowohl praktisch als theoretisch Bedeutendes gethan und geleistet worden ist, wird keiner, wenn er auch die Geschichte des Gefängnißwesens nur ganz oberflächlich kennt, in Abrede stellen können. Aber in dem Maße, in welchem von den Zwecken der Strafe der der Besserung immer mehr in den Vordergrund getreten ist, sind die Anforderungen an die Straf- und Gefängniß-Anstalten immer größer und die Fragen in Bezug auf die Einrichtungen der Gefängnisse, in Bezug auf die Behandlung der Gefangenen und in Bezug auf die Art ihrer Beschäftigung immer verwickelter und schwieriger geworden.

Man giebt ja gern zu, daß Kinder gut zu erziehen eine immer noch unendlich schwierige Kunst ist, in Bezug auf welche nicht leicht Jemand sich wird rühmen können, die Meisterschaft, sei es als Theoretiker oder als Praktiker, erlangt zu haben. Und das Streben, die Kinder gut zu erziehen, ist immer da gewesen; es ist so alt, wie die Liebe der Aeltern zu ihren Kindern. In Bezug auf ihre verurtheilten Verbrecher hat die menschliche Gesellschaft troßdem, daß seit Jahr tausenden die Pflicht der Menschenliebe in Bezug auf alle Menschen gepredigt wird, diese Pflicht zu üben sich erst in neuester Zeit, und zwar in ihrem eigenen wohlverstandenen Interesse, zur Aufgabe gemacht. Es darf uns also nicht befremden, daß in Bezug auf die Frage nach der besten Einrichtung der Gefängnisse, insofern diese ErziehungsAnstalten für Erwachsene, für solche sein sollen, an denen im späte ren Alter in Betreff der Erziehung nachgeholt werden soll, was in ihrer Jugend verabsäumt worden ist, sowohl die Theorieen wie auch die praktischen Leistungen immer noch unendlich viel zu wünschen übrig bleibt. Wir müffen darum auch jeden Beitrag zur theoretischen und praktischen Lösung dieser unter den gegenwärtigen sozialen Verhältnissen höchst wichtigen Frage in dem Maße freudig willkommen heißen, als wir erkennen, daß der, welcher ihn liefert, nicht blos die dazu erforderliche wissenschaftliche und human-sittliche Bildung, sondern auch die dazu unumgänglich nöthige, nur durch anhaltende und scharfe Beobachtung der Wirklichkeit zu gewinnende, praktische Erfahrung besigt. Der Verfasser des uns vorliegenden Buches hat seine Betheiligung an dem Aufstande in Baden in den Jahren 1848 und 1849 als Sträfling im Freiburger Zuchthause und in einem Zellengefängniß zu Bruch fal, von 1849 bis 1852, wo er,,auf Wohlverhalten" begnadigt wor den ist, gebüßt. Wer seine Zuchthausgeschichten“, den,,Kalender für Zeit und Ewigkeit", deffen Redacteur er gewesen, und seine sonstige, durch ein gediegenes sittliches Streben ausgezeichnete literarische Wirksamkeit, welcher er seit 1852 obgelegen, fennen zu lernen Gelegenheit gehabt, wird als ein unbefangener Beurtheiler einräumen müssen, daß die Art, wie er sich zur römisch-katholischen Kirche und zu einem „positiven Chriftusglauben“ bekennt, weit entfernt, ihn zu einem Gegner der vernünftigen theoretischen und praktischen Huma nitätsbestrebungen der Gegenwart zu machen, vielmehr den Beweis liefert, wie Einer in Bezug auf den religiösen Glauben dem Alten anhangen und doch auf dem Gebiete des Lebens ein tüchtiger, praktisch wissenschaftlicher Vorkämpfer für das sein kann, was die Neuzeit im Intereffe der Humanität und des wahren Fortschrittes im fittlichen Leben gebieterisch fordert.

Den ersten Abschnitt, in welchem der Verfasser die einsame und die gemeinsame Haft in Bezug auf die äußere Lage des Gefangenen bespricht, eröffnet er mit einer Schilderung der Gefangenen, aus der wir die folgenden Stellen als charakteristisch für den Geist und die Tendenz des Werkes hervorheben:

,,Weitaus die meisten haben ein verirrtes krankes Ehr, und Rechtsgefühl; sie haben keinen Sinn für Autorität und objektive Schranken des einzelnen Menschen; ihre Bildung reicht nicht hin, sie

*),,Erfahrungen in einsamer und gemeinsamer Haft, sammt unmaßgeblichen Gedanken über das Gefängnißwesen". Von J. M. Hagele, Verfasser der Zuchthausgeschichten". Leipzig, Verlag von Gustav Mayer, 1857.

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1858.

wider die Begehung von Verbrechen zu wappnen; der Mangel an religiös kirchlichem Sinn (mit Pietisterei und s. g. Ultramontanismus haben wir in vorliegenden Blättern nichts zu thun) benimmt ihnen die Widerstandskraft gegen die fündhaften und lasterhaften Gelüfte des Herzens. Kurz, halbe und falsche Bildung und der Mangel an religiösem Glauben, womit Genußwuth, Hochmuth, innere Zerrissenheit, Zerfahrenheit und Unzufriedenheit mit Gott und Welt Hand in Hand gehen, das ist, nach meiner innersten Ueberzeugung, das Krebsübel der Gegenwart, die tiefste Quelle unbehaglicher sozialer Zustände, die Mutter weitaus der meisten Verbrechen und die Hauptursache, weshalb Strafanstalten mit gemeinsamer Haft heute mehr als je Hochschulen des Verbrechens sind." ,,Bildung der Verbrecher auf Grundlage der positiven Religion, deren schönste und reichste Frucht sittliche Erstarkung und Erhebung ist, dies werde euer Feldgeschrei, ihr Gefängnißreformatoren, sonst werdet ihr in aller Ewigkeit nichts ausrichten, möget ihr an kranken Seelen nun sozialsystematisch, Auburnisch, pennsylvanisch oder auf andere Weise herumdoktern!“

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,,Unter Hunderten (der Mitgefangenen) traf ich kein halbes Dugend, die offen mit ihren gemeinen Verbrechen geprahlt hätten, wenige, welche offen und ehrlich den Grund ihrer Verurtheilung angaben, und auch nicht Einen, der seine Verschuldung als bedeutend, fein Urtheil als gerecht und damit sein Loos als ein verdientes hätte gelten lassen.“

Nachdem der Verfasser gezeigt, warum die Listen der Rückfälle eine schlechte Grundlage für die Beurtheilung eines GefängnißSystems oder einer bestimmten Strafanstalt sind, bespricht er die Arten von Gefängnissen, die gegenwärtig bestehen, nämlich:

a) solche, wo die Gefangenen Tag und Nacht beisammen leben, essen, arbeiten, schlafen - Repräsentanten des f. g. Sozialsystems; b) solche, worin die Gefangenen den Tag über mit einander arbeiten und schweigen sollen, Nachts aber getrennt in Zellen schlafen - Repräsentanten des Schweig- oder Auburnschen Systems; endlich e) solche, deren Hauptaufgabe nicht etwa in absoluter Absperrung von der Außenwelt, sondern in der Trennung der Gefangenen bei Tag und Nacht liegt - Repräsentanten des Isolirsystems, Einzelhaft.

Das Schweigsystem bezeichnet der Verfasser als praktisch aufzugeben." In Bezug auf die beiden anderen Systeme sagt er:

,,halte ich das s. g. Sozialsystem nicht für durchaus verwerflich, so finde ich andererseits das Isolirsystem keinesweges unbedingt empfehlenswerth, Alles hat seine Licht- und Schattenseiten. Was eine tüchtige Oberleitung aus einer Anstalt mit gemeinsamer Haft zu machen versteht, ist durch Obermaier in München längst offenbar geworden; daß mangelhafte Oberleitung und verkehrte Einrichtungen ein Zellengefängniß in ein Narrenspital zu verwandeln im Stande seien, haben andererseits Thatsachen der traurigsten Art mehr als genügend gelehrt.

„Aber wären, was niemals zu erwarten steht, die Vorstände der Anstalten mit gemeinsamer Haft auch lauter Obermaier's, sie würden nimmermehr im Stande sein, Hochschulen der Sünden und des Lafters in wahrhafte Buß- und Besserungs-Anstalten zu verwandeln. Die Krebsschäden des Sozialsystems sind Früchte des Systems selbst, näher des Beisammenlebens von Verbrechern jeder Art, jedes Alters, jeder Bildungs- und Verbildungsstufe. Durch das Isolirsystem wird dieser Krebsschaden von selber aufgehoben, das ist keine Frage, sondern gerade der Entstehungsgrund der Zellengefängnisse, und lassen sich einerseits mitunter sehr abschreckende Früchte dieses Systems nicht wegraisonniren, so ist andererseits und namentlich in Bruchsal der thatsächliche Beweis geliefert worden, daß eine folgerichtige, aber dabei verständige Durchführung der Einzelhaft und zweckmäßige Einrichtungen die Uebel der gemeinsamen Haft keineswegs durch Nachtheile anderer Art erseye, sondern die Vorzüge jener Haft mit neuen und so großen verbinde, daß die Regierungen in ihrem eigenen Interesse daran gut thäten, wenn sie am Isolirsystem keinesweges verzweifelten oder troftlos daran herumerperimentirten, sondern Bruchsal als Muster eines deutschen Zellengefängnisses gelten ließen, Zellengefängnisse bauen und

eine immer zweckmäßigere Durchführung der Einzelhaft anstreben würden." Nachdem Herr Hägele eine ,,Widerlegung des Zellensystems", welche einer der Hauptschriften des Ritters Appert über das Gefängnißwesen angehängt ist, mit dem ihm eigenen gesunden Humor als eine grund und bodenlose Chimäre abgefertigt, stellt er uns das in Bruch sal bestehende Gefängniß als ein Beispiel zweckmäßiger Verwirklichung der dem Isolirsystem zu Grunde liegenden Idee in allen feinen Einrichtungen anschaulich vor Augen. (Fortsegung folgt.)

Frankreich.

Zur Sittengeschichte. Von F. v. H.

Die französischen Journale haben unlängst mit vielen Lobsprüchen ein Buch erwähnt, das Epoche zu machen geeignet schien. Es sollte die Sitten der Provinz und zugleich eine weibliche Seele schildern, die danach firebt, die Probleme des Lebens zu lösen, zu ergründen, was die Bedeutung von Glückseligkeit, von Leidenschaft und Herzenstrunkenheit sei. Also ein Buch, das halb von Balzac, halb von George Sand hätte geschrieben werden müssen. Der Titel lautete ganz in der Manier dieser beiden Autoren, einfach und doch verheißend:,,Madame Bovary, oder die Sitten in der Provinz". Der Verfasser führt den unbekannten Namen Gustav Flaubert und hat sein zweibändiges Werk einem berühmten Pariser Rechtsgelehrten gewidmet, da es in einer glänzenden Vertheidigungsrede desselben unverhofft zu einer Art von Berühmtheit gelangt zu sein scheint.

Es zeugt von unbegreiflicher Gleichgültigkeit und Achtungslosig keit gegen das lesende Publikum, ein Buch dieser Art ohne irgend ein Signal der Warnung in die Welt gehen zu lassen. Die Lobsprüche, welche die namhaftesten Journale demselben ertheilt haben, werden durch die Gewohnheit erklärt, gar nicht oder nur sehr flüchtig die Bücher zu lesen, die sie anzuzeigen haben, aber daß sich bis jest nicht ein einziger gewissenhafter Rezensent gefunden hat, der das vielgelobte Buch einer näheren Würdigung unterwarf, giebt eine sehr traurige Ansicht von der französischen Kritik. Es wäre ihre Pflicht gewesen, wenigstens das voreilige Lob zu widerrufen und vor dem Buche zu warnen, wie vor einem tollen Hunde. Tückisch wie ein solcher schleicht es auf den ausgetretenen Bahnen des Romans einher und sprigt dann plöglich das tödtliche Gift der raffinirtesten Sittenlosigkeit aus. Man denkt anfangs, es handele sich um ein verbotenes Liebesverhältniß, wenn auch mit all seiner Schuld, doch auch mit all seiner Strafe; aber nur die erstere wird geschildert und mit einer Ausführlichkeit, einer Schärfe der Beobachtung, die eines besseren Gegenstandes würdig gewesen wäre.

Um eine Probe von der übertriebenen Detailmalerei des Verfassers zu geben, wollen wir hier eine Stelle übersehen, die zugleich ein Beitrag zur französischen Sittengeschichte ist. Eine junge Frau, die seit kaum sechs Wochen Mutter und schon ebenso lange von ihrem Kinde getrennt ist, hat den Wunsch, dasselbe bei seiner Amme, einer armen Tischlerfrau, aufzusuchen. Wie kann Häuslichkeit und Pflicht treue erhalten werden, wenn das Palladium der Familie, das Kind, entfernt und Miethlingen preisgegeben wird! Rousseau hat schon diese unnatürliche Sitte zu bekämpfen gesucht; eine Zeit lang schien er zu fiegen, aber man ist namentlich in den mittleren Ständen allgemein in Frankreich wieder zu derselben zurückgekehet. Die Bequem lichkeit und der Egoismus der Frauen wird dadurch in ein sehr grelles Licht gestellt. In Deutschland giebt es gewiß keine junge Mutter, und wäre sie noch so vergnügungssüchtig, die ihr erstes Kind nicht wie eine Löwin vertheidigen würde, wenn man es ihr nehmen und in eine schmußige Taglöhnerhütte bringen wollte. Man höre, wie frivol der französische Autor hierüber denkt, obwohl er vollkommen fühlt, wie abscheulich und ekelhaft die Lage der armen Kinder ist.

,,Madame Emma Bovary empfand ein Gelüft, ihre Kleine zu befuchen, die bei einer Tischlerfrau am anderen Ende des Dorfes untergebracht war. Das Häuschen lag an der Landstraße, von der einen Seite durch Wiesen begränzt.

Es war Mittagszeit; an allen Häusern hatte man die Jalousieen geschlossen, und die Schindeldächer waren von der Sonne so erhigt, daß unzählige Funken darauf glißerten. Es wehte ein ermüdender Wind; Emma fühlte sich schwach, die Steine des Pflasters verursachten ihr Schmerzen an den Füßen. Sie wollte umkehren oder sich irgendwo ausruhen.

In diesem Augenblick kam Leon mit einem Aktenstoß unterm Arm über die Straße; er grüßte sie und stellte sich in den Schatten eines Kaufladens. Madame Bovary erzählte ihm, daß sie ihr Kind besuchen wolle, aber sehr müde sei.

Emma mit der Bitte, fie zu begleiten. Er bot ihr den Arm. Und am Abend wußte es der ganze Ort; die Gattin des Vorstehers_erklärte es feierlich vor ihrer Magd, daß Madame Bovary sich kompromittire.

Um zu der Wohnung der Amme zu gelangen, mußte man sich links von der Straße wenden, als wolle man auf den Todtenhof gehen. Zwischen den niedrigen Häusern und Höfen führte ein schmaler Pfad, der von Dornenhecken eingefaßt war; sie standen in der Blüthe, Gänseblümchen und frische Gräser sproßten darunter. Durch die Lücken in den Hecken konnte man auf die Höfe sehen, wo friedlich einige Schweine im Sonnenschein auf den Düngerhaufen schliefen oder einige angebundene Kühe ihre Hörner an den Bäumen probirten. Die Beiden gingen langsam neben einander; sie stüßte sich auf seinen Arm, und er regelte seine Schritte genau nach den ihrigen. Um sie her summte ein Schwarm von Fliegen in der erhigten Luft.

Sie erkannten das Haus an einem Nußbaum, der es beschattete; es war niedrig und mit dunklen Ziegelsteinen gedeckt. Am Bodenfenster hingen Schnüre von Zwiebeln wie Rosenkränze herab. Einige Reiserbündel waren zum Schuß eines Beetes mit Lattichsalat, etwas Lavendel und einiger junger blühender Erbsen aufgestellt.

Schmutziges Wasser ergoß sich über den Rasen und auf den Hecken hingen gewaschene Lumpen, eine rothe Jacke und wollene Strümpfe, auch ein grobes Bettlaken.

Als die Gartenthür knarrte, erschien die Amme mit einem saugenden Kinde an der Brust, ein anderes hielt sich an ihren Kleidern fest, sein Gesicht war voll Skropheln und sah entseßlich aus. Es war das Kind eines Müßenmachers aus der Stadt, dessen Aeltern zu sehr mit ihrem Handel beschäftigt waren, um es gehörig pflegen zu können. ,,Treten Sie ein, Ihre Kleine schläft", sagte die Amme.

Die einzige Stube des Hauses lag im unteren Stockwerke. Ein breites Bett ohne Vorhänge nahm die eine Wand ein, der Backtrog die andere. Das Fenster war mit blauem Papier verklebt. In einer Ecke standen lederne Stiefel mit Nägeln beschlagen; eine Delflasche daneben, in deren Hals eine breite Gänsefeder steckte. Auf dem staubigen Gefims des Kamins lagen Feuersteine, Schwamm und abgebrannte Talglichte.

Emma's Kind schlief in einer Wiege oder vielmehr einem Korbe von rohen Weiden geflochten. Sie nahm es auf und hüllte es fester in die schmußigen Decken, die es umgaben, indem sie dazu leise sang und sich kokett hin- und herwiegte.

Leon spazirte in der Stube umber; es tam ihm sonderbar vor, diese schöne Frau im eleganten Nankinkleide umgeben von diesem schmußigen Elende zu sehen.

Madame Bovary wurde roth; Leon wendete die Augen ab, er fürchtete, fie unbescheiden angesehen zu haben. Sie legte ungeduldig das Kind wieder in sein Bettchen, es hatte sich erbrochen. Die Amme sprang hinzu und wischte das Bruftläßchen ab, versichernd, daß dergleichen nicht wieder vorkommen solle.,,Ich habe übrigens den ganzen Tag damit zu thun, das Kind reinlich zu halten, lassen Sie mir doch etwas Seife geben beim Kaufmann, damit ich nicht immer nöthig habe, in Ihr Haus zu kommen.“

,,Schon gut, schon gut", sagte Emma und eilte fort, indem sie sich die Füße draußen abwischte. Die Amme ging mit über den Hof und klagte fortwährend über das Kind, das in der Nacht stets so unruhig sei. Etwas gemahlenen Kaffee für sich und Branntwein für ihren Mann müßte dafür noch geliefert werden.

"Ihr langweilt mich, Jhr sollt Alles haben", ruft Emma und entläuft der zudringlichen Amme.

Leon gab der jungen Frau den Arm; fie ging stürmisch neben ihm, ihr Auge schweifte umher. Nach und nach mäßigte sie ihre Schritte, ihr Blick fiel auf die Schulter Leon's; sein Ueberrock hatte einen schwarzen Sammetkragen, sein aschblondes Haar fiel wohl= gekämmt darauf. Emma bemerkte, daß er sehr lange Nägel trug; diese zu pflegen war eine Hauptbeschäftigung des jungen Schreibers, und er hatte zu dem Zwecke beständig ein Federmesser in der Tasche .....“

Aus dieser gemeinschaftlichen Promenade entsteht vorläufig keine nähere Beziehung zwischen Leon und Emma, man weiß eigentlich nicht, wozu dieselbe so genau beschrieben wird. Leon liebt zwar die junge Frau, die ihrerseits sich furchtbar langweilt und nach einem galanten Verhältniß sehnt, aber der junge Schreiber ist noch unverdorben genug, nicht zu wiffen, wie man ein solches anknüpft. Er geht nach einer nahgelegenen größeren Provinzialstadt und kehrt erst nach einiger Zeit zu der jungen Frau zurück. Sie hat unterdessen die Bekanntschaft eines ausgelernten Sünders gemacht und ganz ohne alle Scheu einen Roman à la George Sand mit ihm angefangen. Sie besucht ihn in seiner Wohnung und will schließlich mit ihm entfliehen, ihren Mann und ihr Kind ohne allen Kampf verlassen. Der

Vielleicht dürfte ich..." sagte Leon, ohne den Muth zu haben, Liebhaber ist klug genug, einzusehen, daß er sehr viel Noth und Kosten seine Rede zu vollenden. "Haben Sie Geschäfte?" fragte ihn Emma.

durch diese Flucht haben würde; der Verfaffer hält es nicht für passend ihm auch nur einen Schatten von Gewissensangst zu geben. Er reist Auf die verneinende Antwort des jungen Mannes, erwiderte allein ab, und Emma wird krank vor Aerger und getäuschter Hoffnung;

auch sie hat vom Verfasser nicht eine einzige Regung des Gewissens empfangen! Nachdem ihr braver Mann, der Arzt des Landstädtchens, sie mit unendlicher Liebe und vielen Geldopfern von ihrer langen Krankheit geheilt hat, fällt sie wieder in frühere Sündhaftigkeit zurück, ohne die mindeste Reue. Der junge Schreiber erseßt den entflohenen Liebhaber; sie giebt sich in einem benachbarten Städtchen die anstößig ften Rendez-vous mit ihm, braucht sehr viel mehr Geld als sie hat und geräth so tief in Schulden, daß ihr Hausgeräth mit Beschlag be legt werden muß, um sie zu decken. Der Ehemann ist mit unbegreif licher Blindheit geschlagen. Er bemüht sich vergebens, Geld herbei zu schaffen; die Liebhaber, der alte sowohl als der neue, werden von der schamlosen Frau um Geldhülfe angesprochen, beide verweigern fie jedoch. Diese Scenen sind, beiläufig gesagt, die einzigen, bei welchen dem Verfaffer gelungen ist, seine Leser einigermaßen zu spannen und ein wenig poetische Gerechtigkeit walten zu lassen. Emma fühlt dabei zum ersten Mal das Schmachvolle ihrer Handlungsweise und die alte Wahrheit, daß bei Geldsachen die Gemüthlichkeit und die Liebe aufhören, ist in draftischer Weise hervorgehoben. Emma macht dann noch den Versuch, bei einem alten Geizhals Geld zu erbetteln; er bietet es ihr an, aber unter einer ehrenrührigen Bedingung. Man erwartet nichts Anderes, als daß die schon so tief gesunkene Frau sich ihm verkaufen werde in ihrer Noth. Aber sie stößt ihn mit Wider willen von sich, eilt in die Apotheke, zwingt den Lehrling, ihr Arsenik zu verkaufen, und stirbt den fürchterlichsten Tod. Der Verfasser gefällt sich bei Schilderung desselben wieder in der genauesten Detailmalerei, aber es gelingt ihm nicht, ein Gefühl von Theilnahme oder Rührung bei dem Leser zu erwecken. Nicht einmal für den Ehemann, dessen blinde Liebe und Treue allenfalls ein Gegenstand des Interesses hätte sein können. Derselbe findet nach Emma's Tode sämmtliche Briefe ihrer Liebhaber, aber er ist doch nicht aufgebracht gegen die treulose, verbrecherische Frau und stirbt ihr bald nach. Das einzige Kind kommt in ein Armenhaus.

Bis zum Ende des zweibändigen Romans wird man abwechselnd von Abscheu und Langweil ergriffen. Auch die Nebenfiguren, die offenbar nach Dickens gezeichnet sind und als Bilder aus der Provinz leicht zu hübschen Zügen hätten Veranlaffung geben können, find ganz unerträglich langweilig und leblos dargestellt. Der Verfaffer hat geglaubt, ihnen durch seine Detailmalerei Leben zu verleihen, aber er ist nur langweiliger dadurch geworden, denn er verbreitet sich über Personen, die gar nicht im Zusammenhang stehen mit dem Ganzen der Handlung und, troß aller Bemühungen, kein Interesse gewinnen. Der Apotheker einer kleinen Stadt, die Wirthin eines Gasthofes, ein Krämer und ein Schulmeister werden mit ermüdender Weitläufigkeit gezeichnet; sie sind vielleicht ähnlich, aber häß lich wie ein Daguerreotyp. Die platte Wirklichkeit darzustellen ist nicht Aufgabe der Kunst. Wie naheliegend war es, diese plumpen Gestalten durch einen sittlichen Gehalt zu veredlen! Man glaubt anfangs, der Verfasser habe sich ihrer bedienen wollen, um einen wohlthätigen Kontrast hervorzubringen zwischen ihrer unverdorbenen Rohheit und der verderbten Verfeinerung seiner Heldin; aber man wird nur zu bald gewahr, wie stumm das sittliche Gefühl des Verfassers sich verhält. Es schweigt hartnäckig, wo selbst ein Stein reden möchte. Der Abscheu eines jeden fittlich empfindenden Lesers erreicht gewiß seinen Gipfelpunkt, als die Sünderin den Gifttod stirbt und die ehrwürdigen Gebräuche, welche die katholische Kirche an Sterbebetten ausübt, in genauester Weise mit wahrhaft empörender Kälte und Fronie geschildert werden. Der Verfaffer hat jedoch nicht etwa die Absicht, die Religion lächerlich zu machen, denn er ironisirt die Zweifler und Spötter mehrmals. Es ist überhaupt nicht zu erkennen, welche Absicht der Verfaffer bei seinem Roman gehabt hat. Eine künstlerische ist es unmöglich, eine moralische noch weniger vielleicht wollte er nur Aufsehen erregen, indem er dies traurige Beispiel aus der französischen Sittengeschichte erzählte.

England.

Helfferich's Irische Skizzen. *)

Seit der Zeit, als Venedey sein Buch über Irland schrieb, hat sich dort Manches geändert. Der große O'Connell ist todt, mit ihm ist die Repeal - Agitation zu Grabe gegangen, und die furchtbare Hungersnoth, die wie eine verheerende Pest über das Land herein brach, hat sich am Ende als eine wohlthätige Züchtigung erwiesen, indem sie das Volk aus dem Schmuß und dem Elend emporriß, in welchem es bisher verkümmerte, und allmählich einen Zustand anbahnte, der nicht mehr eine so schreiende Anomalie in unserem civilisirten Jahrhundert bildet, als die frühere Lage des schönen und unglück lichen Erin.

Das Bild, das Herr Helfferich von dem Lande und seiner Bevöl kerung entwirft, ist freilich noch immer trübe genug, wobei man indeß Skizzen und Erzählungen aus Frland“. Von A. Helfferich. Berlin,

"

*) 1858. Verlag von Jul. Springer.

nicht übersehen muß, daß seine Schilderungen, obwohl erst jest im Druck erschienen, doch schon aus dem Jahre 1851 datiren, in welchem sich erst die schwachen Anfänge jener Befferung zeigten, die jezt unleugbar eingetreten ist. In Belfast, wo er zuerst ans Land stieg, erinnerte ihn die schmucke Handelsstadt mit ihren breiten Straßen, ihren netten Häusern und ihren zahlreichen Fabriken noch an das gewerbfleißige Schottland, das er eben verlassen hatte; aber jene Stadt und die ganze Provinz Ulster sind ja auch von schottischen Auswanderern kolonifirt worden, die ihren Ordnungssinn, ihre Betriebsamkeit und ihren Protestantismus auf ihre Nachkommen vererbt haben. Je weiter aber der Reisende nach Süden vordrang, je mehr er sich in das stockkeltische und stockkatholische Irland vertiefte, desto öder wurde die Gegend, desto zerlumpter die Bevölkerung und desto verfallener das Ansehen der Städte und Dörfer, die sich neben den feudalen Schlössern der Edlen in den Hintergrund zu verkriechen scheinen. „Wir waren", schreibt er,,,an der Gränzscheide der Connemara angelangt, und das Elend starrte uns in seiner oft wunderlichsten Gestalt entgegen. Meilenweit von der nächsten Station, einem ärmlichen Dörfchen, kam uns ein ganzes Rudel junger Mädchen entgegen, die zwar keine Strümpfe an den Beinen, wohl aber bis zu einem halben Dußend wollener Socken in der Hand trugen und, während sie neben dem Wagen einhersprangen, mit heiserem Gekreisch zum Kauf anboten. ,,Wollene Socken, Euer Ehren (your Honour, in Irland die gewöhn liche Anrede), nur Sixpence für das Paar!" Aber du siehst doch, ich habe bereits welche, und dieser Herr hier trägt nur leinene Strümpfe.,,So geben mir Euer Ehren einen Halfpenny", und der ganze Chor ruft es wieder: a half penny (sprich: häp’ny), Sir!“ Kommt man im Dorfe an, so versammelt sich in der Regel die gesammte Einwohnerschaft um den Wagen, voran die Krüppel und die Abgerissensten, und geht es weiter, so folgt wieder das Rudel Kinder mit obligater Stimmenbegleitung. Zuerst zerbrach ich mir den Kopf darüber, wie die Leute ein Paar ganz brauchbare Socken für achtzehn Kreuzer rheinisch herzustellen vermögen; aber nur kurze Zeit sollte ich im Ungewissen sein. Auf dem Wege weideten gemüthlich einige Schaafe, die der Paddy nach seiner Art geschoren hatte die Wolle war ihnen stellenweise, und je nachdem für die Strickerei das Bedürfniß vorhanden war, vom Leibe geriffen worden. Auf diese Weise verschafft sich die Irländerin die Wolle von einem Vließe, das natürlich nicht ihr gehört."

Der Verfasser ist der Ansicht, daß man Unrecht thäte, die,,irische Lazarus-Blöße" einzig und allein den Bedrückungen der Grundbefizer zuzuschreiben; die Ursache liege tiefer und sei vornehmlich in den charakteristischen Gebrechen des keltischen Volksstammes zu suchen. Dieser Behauptung widersprechen jedoch einige von ihm selbst an= geführte Thatsachen, aus welchen hervorgeht, daß, wo die Landlords, statt ihre Domainen den Verwaltern und Middlemen zu überlassen und den Ertrag derselben im Auslande zu verzehren, sich persön lich um die Bewirthschaftung ihrer Güter kümmern, auch die Lage der Bevölkerung eine andere wird und Armuth und Elend allmählich glücklicheren Verhältnissen Plaß machen. So giebt er anziehende Details über die menschenfreundlichen Bemühungen Lord George Hill's, der mitten unter den unwirthlichen Haiden Donegals eine Musterwirthschaft errichtet und den Beweis geliefert hat, daß,,Improvements" auch in Irland möglich sind, wenn man die Sache nur am rechten Ende anfaßt.,,Auf demselben Flecke, wo vor nicht zu langer Zeit die Bewohner starben, ohne in ihrem ganzen Leben einen Baum, eine Brücke, eine Treppe, ein Räderfuhrwerk gesehen zu haben, leben heutzutage wohlhabende Farmer, und der in Bunlay eingerichtete Kramladen enthält alle Gegenstände, die ein Engländer zu dem gewöhnlichen Comfort zählt. Seit Jahrhunderten war Gweedore - so heißt die Pflanzung in kleine Grundstücke parzellirt, von so geringem Werth, daß kein Gentleman sich entschließen konnte, die Agentschaft zu übernehmen. An eine regelmäßige Bezahlung der Pachtgelder war nicht zu denken, alle Rechnungen befanden sich in der größten Unordnung, und die Pächter bezahlten, was sie bezahlen mochten. Man erzählt, daß, als der Lord-Lieutenant von Irland im Jahre 1837 die Grafschaft Donegal besuchen wollte, er im Moraste stecken blieb und durch einen Bauern wieder flott gemacht werden mußte, der seine Hausthür aushob und für Se. Lordschaft eine fliegende Brücke daraus machte. Das am schwersten zu bekämpfende lebel war aber die Trunksucht. Der Entschlossenheit und Beharrlichkeit Lord Hill's gelang es, selbst mit so verwilderten Menschen und Zuständen fertig zu werden. Zuerst ließ er das Land vermessen und in Loose vertheilen, nach deren Umfang und Werth der Pachtzins berechnet wurde. Der Widerspruch war groß; G. Hill ereiferte fich nicht, ließ dagegen von den Pächtern selbst ein Comité wählen, das mit seinem Agenten und Feldmesser die Vertheilung der Loose vor= nehmen sollte. Die Einfenzung der Loose verweigerten die Bauern beharrlich; Lord Hill ließ aus einem entfernten Dorfe einen unerschrockenen Arbeiter kommen, und als nächtlicherweile das Tagewerk immer wieder zerstört wurde, griff die Polizeimannschaft einen

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