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Frankreich.

Madeleine de Scudery.

Berlin, Donnerstag den 15. April.

Diese fruchtbare Autorin (gcb. 1607, geft. 1701) hat bekanntlich in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts, wenigstens einige Dezennien hindurch, sehr glänzende Triumphe gefeiert. Ihre Romane, damals mit fast stürmischem Applaus aufgenommen und gelesen, find längst, gleich emeritirten Mobilien, ohne Hoffnung auf dermaleinstiges Wiederauferstehen, wie so manches andere Rococo, in die hintersten Fächer beftaubter Bücherschränke verwiefen oder da vergraben, wie eingefargte und zu ewiger Ruhe gelegte Leichname. Deutschen Literatoren unserer Lage dürften sie kaum weiter, als vom Hörensagen, etwa als Ausbund von Weitschweifigkeit und Langweiligkeit, bekannt sein, es müßte denn der Eine oder Andere in seiner Knabenzeit (wie es u. a. dem Schreiber dieses begegnet ist), als es noch nicht so ganz mit Pfeffel heißen konnte:

Uns friert, und das Holz auch in unserem Hain,
So flagten die Musen, wird theuer.

Heizt, sprach Apollo, mit deutschen Romanen ein,
So habt ihr ein ewiges Feuer

in seiner groß- oder urgroßväterlichen Bibliothek ein Eremplar von altmodischer Verdeutschung irgend eines jener dickleibigen Erotika aufgefunden und vielleicht in aller Unschuld sich gütlich daran gethan haben. Wenn indeß auch nicht einmal in ihrem Heimatlande mehr gelesen, gehört darum der Name der Scudery keinesweges zu den verschollenen. Nicht nur vererbt sich ihr Name und der Titel ihrer Schriften, gleichsam als verflüchtigtes Residuum dessen, was fterblich an der Person war, aus einem Geschichtskompendium französischer Bellettristik zum anderen, sondern taucht außerdem von Zeit zu Zeit einmal auf der Bühne der Erinnerung wieder auf. Vor nun zwölf Jahren war es Eugene Despois, welcher das Fräulein von Scudery seinen Landsleuten wieder in's Gedächtniß zurückführte.) Aehnliches ist soeben auch von Victor Cousin (im zweiten Februar-Heft derfelben Revue) mit Beleuchtung des Nomans:,, Artamène ou le grand Cyrus", geschehen. Dieses zehnbändige Opus erschien in den Jahren 1649-1653 und wurde, wie schon gesagt, mit rauschendem Beifall bewillkommt, gelesen, verschlungen. Schon aber im legten Jahrzehend des Jahrhunderts, wo mit den veränderten Interessen Frankreichs auch ein Umschwung in der Geschmacksrichtung eintrat, wo das Hotel Rambouillet ausgestorben war, wo Ludwig XIV. fich den Einflüffen der Maintenon hingab, oder seine Geheimpolitik auf Annullirung des Heiratsvertrages im pyrenäischen Frieden von 1659, mit anderen Worten, auf die spanische Erbschaft hinstenerte, war der Eifer für dergleichen allegorische und romantische Geisteskinder, die vierzig Jahre früher alle lesenden Zirkel in Paris, Versailles und ganz Frankreich in Verzückung versezt hatten, mehr als abgekühlt, obschon die Person der Verfasserin bis an ihren Tod hochgeachtet bei Hofe blieb. Um ihre Schriften völlig aus der Mode, wo nicht in Vergessenheit zu bringen, bedurfte es nur noch der satirischen Feder Boileau's, der in seinem: „, Discours préliminaire" (erschienen 1713, zwei Jahre nach seinem Tode) oder dem Vorwort zu seinen „Héros de roman" eine Fluth bitterster Spöttereien über die Romangattung #der Calprenède und Scudery ausschüttete, sie halb und halb als literarische Skandale brandmarkte. Weiß man doch, welche dämonis sche Gewalt der Wiß oder ein einzig Bonmot über die Franzosen übt. Seit den Invektiven Boileau's galt es wirklich für eine Schande, die Romane der Scudery noch zu lesen. Mit dem Lesen hörte auch das Verstehen derselben auf. Cousin spricht dem heutigen Frankreich and unserer Zeit überhaupt das Verständniß der ,,Clélie" oder des Sier in Frage stehenden „Artamène" ab, und man ist ihm für die Data zur Aufhellung des darin Räthselhaften zu einigem Dank verPflichtet.

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*) Le roman d'autrefois. Mlle. de Scudéry, in der Revue des deux Ondes, vom 1. März 1846.

1858.

Die Namen Cyrus und Mandane, der Hauptpersonen des Romans, find verführerisch; sie machen an Romantisirung des altpersischen Mythus von Cyrus und seiner Mutter denken oder glauben. Jedoch haben weder Cyrus und Mandane, noch die übrigen Mithandelnden, das Mindeste mit den Helden der Kyropädie, des Herodot und Ktestas zu schaffen, nichts mit ihnen gemein, als höchstens jene uralten Namen. Das Verständniß des grand Cyrus" ist einzig durch gründliche Bekanntschaft mit dem Zeitraum, worin Madeleine de Scudery lebte und den Noman abfaßte, zu ermitteln. Alsdann werfen Artamenes und Mandane ihre Verkappung ab und treten als zwei Celebritäten des Jahrhunderts, als der große Condé und seine schöne Schwester, die Herzogin Anna von Longueville, auf die Vorderbühne. Alsdann erst lassen sich in den diese Zwei umringenden Gruppen das Vollblut der damaligen hohen Aristokratie Frankreichs, die Wortführer und Stammgäste des Hotel Rambouillet mit ihren galanten Marimen, Projekten und Abenteuern wiedererkennen, wozu nach Ablauf von zwei Jahrhunderten die Portraitirung allein nicht einmal im Vaterlande des Romans mehr ausreichend ist. Zweierlei, sagt Cousin, muß in demselben scharf unterschieden werden: der ge= schichtliche Faden und die Portraits oder die Charakterzeichnung. Die Begebenheiten, sowie Alles, was die eigentliche Geschichte ausmachen soll, ist von nur mittelmäßiger Erfindung. Es diente, mit sehr geringfügigen Ausnahmen, kaum zur Unterhaltung der Zeitgenossen, geschweige daß es das Intereffe der Jeßtzeit zu erregen im Stande wäre. Ganz anders die Portraits. Diese sind in doppelter Hinsicht aller möglichen Beachtung werth: einmal um ihres literarischen Gehalts an sich willen, sodann wegen ihrer historischen Wichtigkeit; fie sind Dokumente von Bedeutung für die Geschichte der französischen Sozietät. Schon ein Zeitgenoffe der Verfasserin, Tallemant des Réaur, fagte: Man muß im „Cyrus" nur den Charakter der Personen suchen, dasjenige, was sie thun, ist nichts. Die Portraitirung (touche) ift zugleich fein und treffend wahr. Nichts Allgemeines und Vages; man fühlt, daß man nicht imaginäre Typen, Gestalten der Willkür und Laune vor sich hat; eine Menge der feinsten Züge und Schattirungen, von funstgewandter Hand gezeichnet und bis in's Detail ausgemalt, macht unverkennbar, daß alle diese Konterfei's aus dem Leben gegriffen und der Natur nachgebildet sind."

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Die Scudery, fährt Cousin fort, war wie geschaffen für den Cons versationston, und es läßt sich behaupten, daß ihre ,, Conversations", Nouvelles Conversations",,, Conversations morales" und „, Entretiens sur toute espèce de sujets" (zusammen in zehn Duodezbändchen 1680-1692 herausgegeben) ebenso viele kleine Meisterstücke der Poli-. teffe und des guten Geschmackes find, die ihre Verfasserin sehr hoch in der Frauen-Literatur des siebzehnten Jahrhunderts, unmittelbar nach den Damen Sévigné und la Fayette, stellen. Unglücklicherweise find diese allerliebsten Plaudereien oft so schleppend, bis zur Ermüdung schleppend, und die im ,,grand Cyrus" verdienten wohl, daß eine Freundeshand die steten Wiederholungen und die tausend kleinen und unwesentlichen, aber im gewöhnlichen Umgang nicht leicht vermeidlichen Zuthaten wegschnitte; denn, sagt der Dichter, das Auge ist viel weniger nachsichtig als das Ohr. Die Kunft zu sprechen leistet der . Kunst zu schreiben nicht geringen Vorschub, allein es sind doch zwei sehr unterschiedene Künste, und wer es in geschriebener" Conversation bis zur Vollendung bringen wollte, müßte, die Feder in der Hand, zweierlei Eigenschaften oder Gaben vereinigt besigen: zuerst den na türlichen und freien Fluß, die glückliche Ungezwungenheit des Wortes, sodann eine prompte und sichere Reflerion, welche die Inspirationen der Seele bewacht, ohne ihnen Zwang anzuthun, und alles Zuviel, allen Lurus davon abfonderte, ohne doch den leichten Erguß, die Frische und Fruchtbarkeit der Gedanken zu beeinträchtigen. Eine so wunder bare Kunst hat kein Schriftsteller der neueren Zeit beseffen, felbft nicht Malebranche. Wir sind Geschöpfe des Mittelalters und der Scholastik, wir verstehen uns auf's Abhandeln, Dissertiren, nicht auf's Plaudern; ich horche, mit der Feder in der Hand. Hat Einer dies Geheimniß beseffen, so war es Plato im Frühling_fer_antiken

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Kultur und in der Blüthenzeit des hellenischen Genius zwischen
Phidias und Aristophanes. Er allein hat es der Muse abgelauscht,
aber auch mit sich fortgenommen.
E. Kr.

Der theatralische Erfolg in Paris.

Emil Montégut scheint den durch Gustav Planche's Tod erledig ten Dreifuß der dramatischen Pythia in der Revue des deux Mondes eingenommen zu haben, und solch ein besonnener, urtheilsreifer Ersagmann verdient wohl auch unsererseits einer Erwähnung. Montégut hatte im ersten Februar-Heft unter der Ueberschrift:,,Théâtre réaliste", Alexander Dumas des Jüngeren neuestes Zugftück: „Le fils naturel", auf das Korn genommen und mit aller der sittlichen Entrüstung, welche den edlen Kunstrichter kennzeichnet, die außerordentliche Immoralität dieses Dramas gerügt, wenn er auch in Musterung eines Publikums, wie dasjenige seiner französischen Zeitgenoffen, einräumen muß, daß von dessen Seite einem A. Dumas Erfolg und Beifall kaum entgehen könne; denn wenn auch dieser Dramatiker keinen Funken Poesie in sich trage, verstehe sich doch sein klarer, eiskalter Verftand trefflich auf Beurtheilung der Situation und des Zeitgeschmackes und wisse dessen Richtungen bestens auszubeuten. Montégut's Initiative hat bereits auch in der deutschen Presse - so in der Augsburger Allgemeinen Zeitung"- Wiederhall gefunden. Er ist darauf im zweiten Februar-Heft einen Schritt weiter gegangen und hat mit Rezension der „,Jeunesse", Lustspiels in 5 Akten, des neuen Akademikers Emile Augier, das Théâtre littéraire ins Gefecht gezogen.

Augier hatte mit der „Ciguë” seinen ersten dramatischen Anlauf genommen und war sogleich als ein der Bühne Glück verheißendes Geftirn nicht unverdient begrüßt worden. Auch seine folgenden Stücke, ,, Gabrielle",,, Philiberte",,,L'Aventurière" u. a. hatten großen Beifall geärndtet, obwohl sie dem ersten Stück bedeutend nachstanden. Nur einmal, wo er ihn vorzugsweise verdient hätte, in seinem,,Mariage d'Olympe" war das Publikum, das kurz zuvor die „Filles de marbre” beklatscht hatte, kapriziös und ungerecht gegen den Dichter und entzog ihm die gebührende Ovation; es war aber das Beste, was er ihm bis dahin gegeben hatte. Was Montégut im Bisherigen an Augier's literarischem Charakter vor Allem tadelt, läuft auf Folgendes hinaus. Augier sei selten er selbst, oder zeige sich nicht, wie er von Natur sei, obwohl er die schönsten Mittel besige; nur zu oft mache er dem falschen Zeitgeschmack ein Zugeständniß und bringe ihm sein Besseres, feine Originaliät, zum Opfer; statt des einfach gefunden, kernigen Ausbruckes, statt des traulichen Tones, was alles ihm zu Gebote stehe und so wohl laffe, schraube er seinen Stil zu prätenziösen Tiraden hinauf oder verliere sich in sentimentale Leichtfertigkeiten, vermenge so das Natürliche und Einfache mit Falschem und Erkünfteltem, verstehe sich mithin selbst nicht recht und thue sich am meisten selbst Abbruch. so Kurz gesagt, Effekthascherei wirft er dem Dichter vor. Doch fährt der Kunstrichter fort - scheine Augier zur Besinnung zu kommen, oder sei es vielmehr schon in dem „,Mariage d'Olympe". Auch habe ihn der damalige Nichterfolg mit nichten von dem besseren und allein rechten Pfade abgebracht. Zeuge dessen sei das leßte, beifälligst aufgenommene Lustspiel: „La Jeunesse". Diesem Stücke, sowie dem Dichter, wenn er auf dieser Bahn des echten Geschmackes und der guten Sitte verharre, stellt Montégut das günstigste Prognostikon. Von dem vierten Akte fagt er: „Ja, um dieses vierten Aktes willen, find dir alle deine Sünden vergeben.“

Wir folgen der Kritik nicht bis in die Analyse des Stückes, das, nach einer sehr empfehlenden Anzeige der ,,Augsburger Allgemeinen Zeitung" (Nr. 57, Beilage) zu schließen, bereits den Weg nach Deutsch Iand angetreten hat und sich hier in kurzem durch ausführliche TheaterBerichte weit und breit bekannt machen wird. Statt dessen bieten wir den Lesern eine schon um ihres ganz parteilofen Standpunktes willen sehr lesenswerthe Expectoration, die Montégut seiner Rezension eingereiht hat.

Wir Franzosen, heißt es darin, sind ein Volk von Nachbetern und Schwenzern. Sobald ein succès am Horizont aufdämmert, fällt die ganze französische Nation auf ihre Kniee und beglückwünscht ihn. Da, wo ein Franzose einen Sprung gethan hat, hüpft ihm ganz Frankreich nach. Sobald in der Literatur etwas Neues auftaucht, drängt sich das ganze Volk der Kunstjünger auf dieselbe Bahn der Neuerung und will gleichfalls sein Glück machen, nicht, um sich auch im Neueren zu versuchen, sondern einzig im Nachthun und Mitprobiren. Zufolge dieser glücklichen Disposition entbindet sich ein Jeder von der Aufgabe, demjenigen nachzuspüren, was etwa er an Origi. nalität besige, und erstickt oder vergeudet luftig die Gaben, womit ihn die Natur beschenkt hat. Mancher, der dazu angethan ist, Sonette zu dichten, schreibt Schauspiele, weil die Gunst des Augenblickes oder das Fahrwasser (vogue) für das Drama ist; ein Anderer, zum Lustspiel

geht, weil lyrische Poesie an der Tagesordnung und der Modeartikel ist. Unberechenbar ist die Summe Talents, die jede Generation in folcher Art unnüg verzettelt. Es gab in Frankreich eine Zeit, wo Jedermann Trauerspiele verfertigte, wenigstens eine Tragödie mußte man verfertigt haben, um ein Entréebillet in die Literatur bean= spruchen zu dürfen; wer nicht eine dieser Sünden gegen die Natur und den gesunden Menschenverstand begangen hatte, galt für einen mittelmäßigen Kopf, wo nicht gar für einen inhonnetten Menschen. Unter der Restauration gaben einige geniale Köpfe Frankreich eine Gattung Poesie, die ihm zu aller Zeit gemangelt hatte. Gefühlspoesie, Poesie echter Empfindung und persönlicher, selbsteigener Rührung, und fiehe! da fingen alle Dichter, große wie kleine, an, im Mondschein zu träumen, schaukelnd auf dem Nachen Liebesspiel zu treiben, Ströme weh- und schwermüthiger Reime auszuschütten. Alsdann kommt das romantische Drama an die Reihe; alle Theater sind da vollgepfropft mit Ausgeburten des Unfinns, und die gesammte Literatur läßt sich herbei, nichts Anderes als Todtschlag, Unzucht, Blutschande, Gift becher, Kugelbüchsen mit Feuerrad, Schreien und Toben, wie von Besessenen, und viermal soviel Sprachverwirrung auszubrüten. Endlich eines Tages, wo ein Unglücksstern über Frankreich aufgegangen war, kam eine gewiffe,,Lukrezia" (NB. Ponsard) zur Welt. Mehr war nicht nöthig, um eine Reaction von halb Verstand, halb Unverstand, verhängnißvoller für die Literatur, denn alle Extravaganzen der vorherigen Jahre, in Schwung zu bringen. Von diesem Moment an fiel ein Plagregen von griechischen und römischen Tragödien, Nachäffungen des Alterthums, wie ein Duschbad zur Unzeit, auf die Einbildungskraft des staunenden Publikums nieder, dem noch die Zähne davon klappern, und das nun, um die ungesunde Feuchtigkeit zu verpusten, alle realistischen Alkali's, die man ihm eingiebt, eifrigst hinunterschluckt. Was nun weiter? Das arme Publikum hatte in den Katakomben voller Schimmel, worein man es gesperrt hatte, so sehr von Frost gelitten. Da erlebten wir eine abermalige Reaction, nicht weniger kurios als die vorhergehende. Zwei bis drei junge Leute, die nichts von Tragödie wissen wollten und zu spät gekommen waren, um die Tollheiten der Romantik zu theilen, kamen auf den Einfall, alle die kleinen Misèren ihrer Jugend aus der Zeit, wo die Noth sie unstät umherzustreichen und ein Zigeunerleben zu führen gezwungen hatte, nun auch in den Roman und auf die Bühne zu verpflanzen. Auch ihnen ist es gelungen, und alsbald hat sich der Schwarm der Nachäffer, das leidige vulgus imitatorum, aufgemacht und es ihnen wettzuthun versucht. Es kann so nicht fehlen, in kurzer Zeit werden wir von diesen neuesten romanciers alles schartig gewordene Hausund Kochgeräth, welches sich in den Kämmerlein der Pariser Portiers auffinden läßt, bis in das Kleinste aufgezählt, ausgeframt und beschrieben erhalten. (Gilt, fragen wir, dieser Stich u. a. dem Herrn Henri Murger?). Jest verwundere man sich noch, daß Frankreich das Vaterland eines Campistron, Bouchardy und Barrière, und vor Allem das Land ist, wo die Kunst nach Convention gepflegt und ge= trieben wird!"

Ueber das magische Geistesleben.
(Fortsegung.)

Das zweite von den beiden Werken, die wir denjenigen unserer Leser, welchen es um wissenschaftliche Aufschlüffe über die noch immer Staunen, wo nicht Grauen erregenden Phänomene des magischen oder instinktiven Geisteslebens zu thun ist, empfehlen wollen, ist das unter dem Titel:,,Das magische Geistesleben. Ein Beitrag zur Psychologie") erschienene Werk des Sanitätsraths Dr. Heinrich Bruno Schindler, auf welches der den gegenwärtigen Jahrgang des „,Magazin" eröffnende Artikel, als auf eine polare Ergänzung zum „,,Kosmos" bereits hingewiesen hat. Die in diesem Artikel gegebenen Mittheilungen haben den wissenschaftlichen Standpunkt des Verfaffers, von welchem aus derselbe die durch glaubwürdige historische Zeugnisse aus allen Völkern und aus allen Zeiten verbürgten Thatsachen des instinktartig sich bethätigenden menschlichen Geisteslebens als Erscheinungen darstellt, welche, so unglaublich und unmöglich sie auch einer einseitigen und oberflächlichen Verstandesbildung scheinen müffen, in dem richtig erkannten polaren Wesen des Menschengeistes ihre genügende Erklärung finden, in das gebührende Licht gestellt. Wenn wir nun noch einmal auf das Buch zurückkommen, so geschieht dies in der Absicht, unseren Lesern auch noch eine Vorstellung von der ungeheuren Masse interessanter Thatsachen, die darin zusammengebracht sind, und von der zweckmäßigen Ordnung und Uebersichtlichkeit zu geben, die der Verfasser (und hierin besteht der Vorzug, den sein Buch vor dem Colquhounschen hat) in dieses Chaos von wirklichen oder vermeintlichen Thatsachen aus dem Gebiete des Nachtlebens des Geistes zu

bringen weiß. Wie wir hören, ist Herr Dr. Schindler auch mit einer historischen Zusammenstellung der Erscheinungen des magischen Geisteslebens beschäftigt, und von ihm dürfen wir nach dem, was er bereits geleistet, gewiß eine viel systematischere und befriedigendere Arbeit, als die des Herrn Colquhoun, erwarten.zīves

Für die über dem Gegensaß von Glauben und Wissen stehende Weltanschauung, welcher der Verfasser mit dem vorliegenden Buche dienen will, dürften die folgenden Stellen aus der Einleitung noch hervorgehoben zu werden verdienen:

„Das höchste Gebilde irdischer Productionskraft ist der Mensch; zwischen dem Menschen und den anderen Erdengeschöpfen ist aber kein absoluter Unterschied, sondern nur ein gradueller. So ist der Mensch die zum Bewußtsein gekommene Erde, ihr intelligentes Selbstleben und ihr personifizirter Wille, der Erdorganismus im Kleinen. Alle Kräfte der Erde finden in ihm ihren Ausdruck und das Weltall reflektirt sich in ihm; denn in der organischen Natur wirken durchaus keine anderen Kräfte, als in der unorganischen.

,,Der Mensch, von der Erde geschaffen, erscheint uns aber auch für die Erde geschaffen; er schwankt nicht mehr zwischen dem Kummer um ein verlorenes Paradies und der Sehnsucht nach einem völlig unbekannten „Jenseits", während die Erde für ihn nichts ist, als das Nichtige und das Erdendasein nur ein Scheinleben: der Mensch weiß jezt, daß das Erdendasein sein eigener Zweck ist. Nichtsdestoweniger aber weiß er, daß nichts im Weltenraum vergeht, daß die Idee ebenso ewig wie die Materie und daß das Erdenleben für ihn der Anfangspunkt einer höheren Entwickelung ist, zu der die Keime bereits in ihm liegen, und deren Typus bereits in seiner jeßigen Entwickelung angedeutet ist.“

Der erste Abschnitt der Werkes behandelt das dem organischen Doppelleben entsprechende polare Verhalten des Geistes im Tag- und Nachtleben, im Wachen und im Träumen, im Wissen und im Glauben, im Denken und im Fühlen. Das Geistesleben ist immer, wie in dem individuellen Menschen, so auch in der Geschichte der Völker und der ganzen Menschheit, die lebendige Einheit dieser beiden Seiten, eine Einheit, auf deren bleibender Grundlage bald die eine, bald die andere Seite das Uebergewicht hat, bald das bewußte durch die Thätigkeit der Sinne und des Verstandes vermittelte Geistesleben in der Selbstunterscheidung und Sonderung vom allgemeinen Leben, bald das unbewußte mit dem allgemeinen Naturleben verschmolzene Geistesleben; bald die Form des wahren Geisteslebens: das verständige Welt- und Selbstbewußtsein; bald der Inhalt desselben: das eine, Alles in sich begreifende, in jedem individuellen Dasein sich bethätigende allgemeine Leben.

Alle die Zustände und Erscheinungen im Geißtleben, die man, auf dem Standpunkte des alles Naturleben von sich ausschließenden verständigen Welt- und Selbstbewußtseins, abnorm und unbegreiflich finden mußte, die man deshalb bisher immer entweder als unmöglich in Abrede stellte oder auf von außen her auf den Menschen wir kende gute oder böse, göttliche oder teuflische Geister zurückführte, finden, soweit sie als Thatsachen durch glaubwürdige Zeugnisse verbürgt find, in der Erkenntniß der polaren Wirksamkeit des Menschengeistes ihre ausreichende Erklärung.

Der Verfaffer faßt alle diese Zustände und Erscheinungen unter der Bezeichnung des „magischen“ Geisteslebens im Gegensahe zu dem,,intelligenten" Geistesleben zusammen. Ueber das Träumen, Ueber das Träumen, welches er als die einfachste aller Welt bekannte Form des magischen Geisteslebens mit Recht zuerst bespricht, sagt er unter Anderem Folgendes;

,,Die Intelligenz tritt im Traume zurück; nicht ist es der unser Seelenleben am Tage beherrschende Verstand, der im Traumleben waltet; ja selbst die Kategorieen des Denkens, Zeit und Raum, verschwinden. Schon ehe man einschläft, jagen sich die Bilder ohne unser Dazuthun. - Die Gefühle und Empfindungen unseres Herzens sind alsdann weit lebhafter, als im wahren Zustande, und das moralische Gefühl und Gewissen wird oft erst dann aus seinem Schlummer geweckt. Kurz vor dem Erwachen findet ein ähnlicher Zustand statt. — Zwischen den beiden Zuständen des Einschlafens und Erwachens liegt der tiefe Schlaf mit einer dem Tagleben sehr verschiedenen Seelenthätigkeit. Nur selten geht der Traum des tiefen Schlafes in die Erinnerung des Tages über. - Auch die Sprache des Traumes ist eine andere, als die des Tages (eine prägnante Bildersprache, die der Verfaffer mit Worten aus Schubert's Symbolik des Traumes" schildert). Die Reize, welche den Traum hervorrufen, find bald Sinnenreize, die noch in das Traumleben hineindringen, bald die Regungen niederer Leiblichkeit, bald die Empfindungen des magischen Seelenpoles, und während die Kräfte unseres Geistes im Traume alle thätig sind, so sind sie es doch auf eine eigenthümliche Weise.

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Die innere Welt der Erinnerung, der Phantasie, des Gefühls und des Glaubens, der Ahnung und des Gewissens, des Instinkts und Kunsttriebes wird im Traume doppelt lebendig. In jedem Menschen

wirkt im Traume der besondere Mensch, seine Gefühle und seine Kräfte, und der Träumer wird der Verräther des Wachenden; der Traum wird das geheime Gericht des träumenden Menschen.

,,Je tiefer der Schlaf, je abgeschlossener der Geist, desto reiner sein magisches Walten. So sehen wir schon im gewöhnlichen Traume den Geist Sachen produziren, denen er im Eagleben nicht gewachsen war. Leonardo da Vinci, Guido Reni, Dannecker vollendeten ihre Kunstschöpfungen erft, als der Traum ihnen das vorführte, was sie am Tage vergebens erstrebten. Oft steht der Schlafende auf und vollzieht das, was ihm im Wachen nicht möglich war. Reinhold fiel die Deduction der Kategorieen mit aller Klarheit im Traume ein; der Regierungs-Secretair Hoppe beendete eine Eramenarbeit im Schlafe und fand sie beim Erwachen so gelungen, daß er keinen Anstand nahm, fie unverändert abzugeben; Cardanus vollendete eines seiner Werke im Traum; Voltaire träumte einmal einen Gesang seiner „Henriade" anders, als er ihn gedichtet u. s. w. Zuweilen streitet man sich im Traum; man denkt nach, man sucht die Lösung eines Problems; man kann sie nicht finden, und im nächsten Augenblick legt man sie seinem Doppelgänger in den Mund. - Ganz besonders aber ist es die prophetische Abspiegelung des Zukünftigen, was dem Traume von jeher eine besondere Bedeutung gegeben hat, so daß schon bei Mose Prophet und Träumer zusammengestellt werden. Der Traum zeigt Zukünftiges an, entdeckt Verborgenes, und wie der Schlaf zur heilbrindenden Krise wird, so deutet der Traum oft das Mittel zur Heilung an."

Der Verfasser weist darauf hin, daß in den hier angedeuteten Zügen des einfachen Traumes fast alle Phänomene des bis zum Hellsehen sich steigernden. Somnambulismus schon vorgebildet find.

Weiter zeigt der Verfaffer im ersten Abschnitt seines Werkes noch, wie Alles, was die Thätigkeit des Gehirns schwächt, die Thätigkeit des magischen Seelenlebens steigert: die Nacht, der Winter, der Mond, die Askese, Krankheit und Herannahen des Todes.

Die Thatsache, daß alle Zustände des magischen Seelenlebens leicht durch Ansteckung verbreitet werden, giebt dem Verfasser Veranlassung, uns die interessantesten Erscheinungen aus der Geschichte des magischen Seelenlebens aller Zeiten vorzuführen: so z. B. den epidemischen Selbstmord der milefischen Mädchen, die Lykanthropie, den Tarantismus, den Kinderkreuzzug, die ekstatischen Zustände der Kamisarden, der Konvulsionärs, der Quäfer, der Derwische, der Schamanen, den Vampyrismus u. dgl. m.

Was über die mit den ekstatischen Zuständen verbundene Unempfindlichkeit und Unverlegbarkeit, über das Aufhören der Schwere und über die fast gänzliche Enthaltung von Nahrungsmitteln erzählt wird, theilt der Verfasser nur in historischem Interesse mit; indeffen zeigt er, daß auch diese Erzählungen nicht ganz aus der Luft gegriffen sein können.

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Im zweiten Abschnitt wird der innere Sinn", der für das magische Geistesleben das ist, was für das selbstbewußte Geistesleben die äußeren Sinne, besprochen.

,,Wie die Tagfeite des Lebens ihre Sinnesorgane hat, so schickt auch die Nachtseite ihre Fühlfäden hinaus in das Universum, und der Kosmos tritt in der Nacht dem Individuum mit seinem inneren geheimen Wirken und Walten näher. Der Mensch beherrscht in seinem Leibe Elektrizität, Magnetismus, Licht und chemischen Prozeß, die alle aus den ungemessenen Tiefen des Weltalls auf ihn einwirken; denn alle Körper des Weltalls wirken stetig auf alle übrigen. Licht und Schwere der Firsterne, ihre Attraction und Abstoßung, nichts ist so fern, was nicht auf das Leben des Menschen influenzirte."

Es wird weiter gezeigt, daß mit der von Herrn v. Reichenberg entdeckten, durch das Weltall verbreiteten Odkraft das Reich der Wechselwirkungen noch nicht abgeschlossen ist, da die Od-Empfindung sich nur auf das Angenehme oder Unangenehme bezieht. Um uns zu überzeugen, daß es einen inneren Sinn für das innere Leben der Naturkörper im Thiere und im Menschen giebt, schildert uns der Verfasser die spezifische Wirkung der Arzeneimittel, den Eindruck des Naturlebens auf den Menschen, die magische Wirkung der Steine, der Metalle, des Wassers, der Töne, der Pflanzen, die Macht des Wortes, des Blickes, der Berührung, die Wirkung des Hauches, des Speichels, des menschlichen Willens. In Bezug auf die Frage nach dem Organ des inneren Sinnes sagt der Verfasser:

,,Daß das Gangliensystem mit dem inneren Sinn in besonderer Beziehung steht, ist gewiß; aber vergebens suchen wir das SinnesOrgan in ihm; es scheint nur mit dem Örgane in ähnlicher Verbindung zu stehen, wie die Tagesfinne mit dem Gehirn. Wenn Kiefer gewisse Hautnerven, die bisher in ihrer Function noch unerforschten Paccinischen Körperchen als Organe des inneren Sinnes ansieht, so muß das Experiment darüber noch entscheiden. Höchst wahrscheinlich ist es, daß jeder Tagessinn sein polares Supplement in einem inneren SinnesOrgan hat, und daß es ein inneres Auge, ein inneres Ohr, ein inneres Geruchs- und Geschmacks-Organ giebt.“

Im dritten Abschnitt des Werkes wird,,der Seher", b. i. der Geist, insofern er instinktiv die ihm durch den inneren Sinn dargebotenen Empfindungen objektivirt, dargestellt:

Wie die Sensation der Tagesfinne der Intelligenz das Subftrat ihres Denkens wird, so wird die Sensation des inneren Sinnes das Substrat der Geistesoperationen des nächtlichen Seelenpoles. Wird das Gefühl des inneren Sinnes die bestimmende Triebkraft für eine organische Lebensthätigkeit, so nennen wir es Instinkt; tritt es in unser Bewußtsein, aber nur in der Ferm eines unklaren, nebelhaften Lebens, so nennen wir es Ahnung; wird es dagegen deutlicher, indem es, unserer Intelligenz entgegentretend, auf ethischem Gebiet mit ihr in Streit geräth, so nennen wir es Gewiffen; tritt nachtpolares Seelenleben in unser Bewußtsein in der Form der Sinnesperception des Tages, so erhalten wir Gesichts- und Gehörbilder, denen ein reales (d. i. ein außer unserem Organismus bestehendes) Substrat fehlt; wir haben Gesichte; schreiben wir aber diesen Gesichts- und Gehörbildern Realität zu, so haben wir Erscheinungen. Erlangt nachtpolares Seelen. leben ein bleibendes Uebergewicht über das tagpolare, so entstehen einerseits unter der äußeren Form des Schlafes die somnambulen Zustände bis zum Hellsehen, andererseits unter der Form des Wachens die ekstatischen Zustände bis zur Prophetie, während das Delirium bis zum Wahnsinn uns eine andere Reihe krankhafter Zustände vorführt, wobei die Störung der Geistesthätigkeiten von einem bleibenden materiellen Substrate ausgeht."

Die hier angedeuteten und alle ihnen verwandte Bethätigungen des magischen Seelen- und Geisteslebens werden ausführlich erörtert und an interessanten Beispielen aus der Geschichte der verschiedensten Zeiten und Völker erläutert. Ueber die Mittel, die bei den Baby loniern, Hebräern, Neuplatonikern, Anachoreten, Kabbalisten, in den gricchischen Mysterien angewendet wurden, um künstlich ekstatische Zustände hervorzurufen, erhalten wir sehr interessante Aufschlüffe. (Schluß folgt.)

Mannigfaltiges.

Zur konfessionellen Polemit. Obgleich das Werk des Professors der Theologie zu Breslau, Dr. Wilh. Böhmer: „Die LehrUnterschiede der katholischen und evangelischen Kirchen“ u. s. w., in dem Geiste der durch Milde verklärten Gerechtigkeit gegen sämmtliche Kirchen abgefaßt ist, so wird es doch, sicherem Vernehmen nach, von einem katholischen Geistlichen in einer Sonderschrift angegriffen werden. Daß sich der Profeffor Böhmer auf das Hervortreten dieser Sonderschrift von Herzen freut, darf versichert werden, denn er liebt troß seiner versöhnenden, theologischen Geistesrichtung jenes Aufeinander plagen der Geister in der Theologie, von welchem Dr. Luther spricht, und durch welches sogar eine Versöhnung in theologischen Dingen vermittelt werden kann. Zudem wird das Hervortreten der in Nede stehenden Sonderschrift den schlagenden Beweis liefern, daß die Mei nung falsch ist, Dr. Böhmer sei, was er in der That nicht ist und bei der Macht des evangelischen Lebensprinzipes in seinem theologischen Denken nicht sein kann, ein Puseyist. Diese Meinung ist lediglich ein logisch unbefugter Schluß, gezogen aus der Thatsache, daß Dr. Böhmer mit einer von Milde durchdrungenen Gerechtigkeit die gegenständlichen (objektiven) Bestimmtheiten der römisch-katholischen Kirche in schriftstellerischen Erzeugnissen beurtheilt.

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Gräfse's Bibliographie seltener und kostbarer Werke".) Herr Direktor Gräffe in Dresden, der sich bereits durch sein,,Lehrbuch einer allgemeinen Literatur-Geschichte" als ein aus gezeichneter Kenner der bibliographischen Literatur, besonders des Mittelalters, einen großen Ruf erworben, hat es unternommen, den Bücherliebhabern aller Länder in einem neuen Handbuche der Bibliographie, dessen Titel wir in der Anmerkung vollständig wiedergeben, mit Rath und That in allen schwierigen Fällen, wo auch Brunet und Ebert unzureichend sind, auszuhelfen. Das erste, von Aa bis Amar reichende Heft von 12 Bogen in Großquart (Preis 2 Thaler, das Ganze dürfte aus 12-16 folchen Lieferungen bestehen) liegt vor uns und liefert allerdings den Beweis, daß die neue Bibliographie, weniger kostspielig als Brunet's,, Manuel du Libraire" (Preis 300 Fres.), viel vollständiger als leßteres, besonders auch auf den Die Ansichten der Völker von der Seele. Eine kleine Gebieten der orientalischen, der germanischen und der slavischen Schrift von Professor Wuttke in Leipzig giebt eine kurze und inter- Sprachen ist, welche drei umfassende Gebiete entschieden die schwache effante Uebersicht der Vorstellungen und Ansichten, welche die verschiede Seite Brunet's bilden, dem die romanischen Sprachen der Mittelpunkt nen Völker sich von dem Geiste, der Seele, d. i. dem Lebenden im aller Weltliteratur gewesen sind. Dem Verfaffer ist durch die reichMenschen, gebildet haben von den Kaffern und Eskimo's ange haltige königliche Bibliothek in Dresden Gelegenheit gegeben, die fangen bis zu den größten Philofophen hinauf, bis Sokrates, Plato, schäßbarsten Notizen über viele feltene Werke zu liefern; auch fügt Aristoteles, Kant, Fichte kindische Träume und tiefe Gedanken. - er, wo es irgend möglich ist, neben den älteren Preisen der Bücher, Nach den Einen ist die Seele Luft, Feuer, oder fie fißt in den Adern, diejenigen Preise hinzu, zu welchen sie jezt bei den bekanntesten in den Knochen; sie fährt nach dem Tode in Vögel und andere Thiere antiquarischen Buchhändlern Deutschlands, Frankreichs und Engund macht ihre Reisen durch die Körperwelt, oder sie fährt an einen lands zu haben sind. Als ein Beweis, auf welche erschöpfende Art unbekannten Ort, sie vereinigt sich mit dem Hauche, mit der Gott- Herr Gräffe seinen Gegenstand behandelt, verdient der Artikel heit u. f. w. Die Ansichten und Lehren der Philosophen hat wohl, Amadis de Gaule" zitirt zu werden, der, über dreizehn volle Druckder Verfasser mit Absicht weniger ausführlich behandelt, und es scheint ihm mehr darauf angekommen zu sein, die Sache vom ethnographischen Standpunkte aus zu besprechen und Bekannteres als bekannt vorauszusehen. Auch die neuere Lehre der Materialisten, wonach die Seele möglicherweise aus Phosphor besteht, ist kurz berührt. Was die Seele eigentlich sei, erfahren wir freilich nicht, wenn uns auch zum Schlusse die Hoffnung gemacht wird, daß die Philosophie eine Frage zu lösen berufen sei, welche nicht eigentlich vor das Forum der Naturwissenschaft gehöre. Wir unserestheils meinen, weder die Naturwissenschaft noch die Philosophie wird uns über das eigentliche Wesen des Geistes hinreichende Auskunft zu geben im Stande sein, wenn es ihnen bisher unmöglich gewesen seit Tausenden von Jahren. Die Wirkungen des Geistes, seine einzelnen Kräfte 2c. können wir theilweise erkennen; der Geist selbst ist für die aufmerk samfte Selbstbetrachtung ein x, und wenn die Fanatiker des Stoffes dieses x um jeden Preis zu Phosphor, Käsestoff u. s. w. machen wollen, so ist das eine jener psychischen Epidemieen, die von Zeit zu Zeit in die Welt kommen. Was damit gewonnen sei, wenn Fichte den Geist als „Ich" erklärt, kann man freilich auch nicht begreifen, denn was ist,,Jch"? Der Ausdruck ist insofern allerdings geeignet, als er recht gut bezeichnet, daß hier das Denken aufhört der Geist ist sich selber das Allerfremdeste, der Akt des Selbstbewußtseins das Unbegreiflichste, - und dem Philosophen stehen nur Formeln, nur Urtheile in Worten zu Gebote — was freilich die heutigen Philosophen nicht immer zu wiffen scheinen.

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Zufällig liegt uns ein Blatt der Mailänder Zeitschrift II Crepuscolo vor (7. März 1858), in welcher (in einer Korrespondenz aus Berlin) dieser Arbeit des Herrn Profeffor Wuttke mit großem Lobe gedacht wird: I celebre Wuttke.... ha pubblicato in questi giorni un opuscolo interessantissimo, intitolato: etc....

spalten einnehmend, eine vollständige Literatur und bibliographische Geschichte dieses berühmten Ritterroman-Cyklus in Spanien, Frank reich, Italien, Deutschland, Holland und England bildet. Wir hoffen, auf dieses umfassende Werk, das der deutschen Wissenschaft zur Ehre gereichen dürfte, noch manchmal zurückzukommen.

Aus Schweden. Die Societät der Wissenschaften in Upsala hat in ihrer feierlichen Sigung vom 19. d. J., unter dem Vorsize des Prinzen Oscar, die Herren Bopp in Berlin, Diez in Bonn und Garcin de Taffy in Paris zu ihren ordentlichen Mitgliedern

ernannt.

Facciolati's lateinisches Lexikon. In Padua, ist von dem dortigen Professor Corradini eine neue Ausgabe des „Lexicon totius latiuitatis", begonnen von Facciolati, fortgesezt von Forcellini und beendigt von Furlanetti, angekündigt. Interessant ist, daß der italiänische Herausgeber dabei namentlich die gelehrten Arbeiten der deutschen Lerikographen Döderlein, Freund, Hand und Kloz benust hat, die sämmtlich, sowie der französische Lerikograph Quicherat, von ihm genannt find.

*) Trésor des livres rares et précieux, ou nouveau dictionnaire bibliographique, contenant plus de cent mille articles de livres rares, curieux et recherchés, d'ouvrages de luxe etc. avec les signes connus pour distinguer les éditions originales des contrefaçons qui en ont été faites, des notes sur la rareté et le mérite des livres cités et les prix que ces livres ont atteints dans les ventes les plus fameuses, et qu'ils conservent encore dans les magasins des bouquinistes les plus renommés de l'Europe. Par Jean George Théodore Graesse etc. etc. Dresde, Rud. Kuntze. Paris, C. Reinwald, 1858.

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Von den in Italien lebenden deutschen Gelehrten vernehmen wir von Zeit zu Zeit Klagen über die traurigen Zustände des dortigen Buchhandels und Verlagswesens, denen gegenüber wir dann eine Art von Stolz oder Mitleid empfinden — jedenfalls einem Deutschen wohlthuende Gefühle. Denn wenn in sehr vielen Fällen unsere nationalen Wünsche, unsere pia desideria, mit denen der Italiäner eine traurige Aehnlichkeit haben, so ist doch gerade unser Buchhandel ein Glanzpunkt, eine Errungenschaft unserer Nation, durch welche wir in geistiger Beziehung jedenfalls vortheilhafter gestellt find, als selbst unsere mächtigen und einheitlichen Nachbarvölker. Hätten wir auf anderen Feldern das Organisationstalent bewiesen und jene Centralisirung durchgeführt, die in unserem Buchhandel mit der Metropole Leipzig zu Tage tritt, wir müßten ohne Zweifel die erste Nation der Welt sein.

Gewiß, die Organisation des deutschen Buchhandels gewährt uns die bedeutendsten Vortheile, Vortheile, die wir zu unterschäßen nur zu oft geneigt sind, weil uns andererseits manche Uebelstände fühlbar werden, die daraus entspringen, z. B. die fabrikmäßige Buchverfertigung, das literarische Proletariat, der rein merkantile Industrialismus. Doch, um gerecht zu werden gegen ein Institut, das bereits eine solche Vergangenheit hat und unsere Nationalität dem Auslande gegenüber so würdig repräsentirt, muß man Zustände in's Auge faffen, wie sie z. B. in Italien obwalten.

Man glaube nicht, daß die Italiäner selbst sie weniger drückend empfänden, weil das Nichtwissen des Besseren und eine lange Gewohnheit sie unempfänglich dafür gemacht; man würde ihnen Unrecht thun; im Gegentheil, sie haben in neuerer Zeit angefangen, sich ein dringlich mit der Frage zu beschäftigen, wie diesen Uebelständen ab. zuhelfen sei, wie man bessere Zustände, ähnlich denen in Deutschland, anbahnen könne, und zwar haben eine Anzahl bedeutender Schrift fteller und Buchhändler die Sache selbst in die Hand genommen und zu dem Ende Versammlungen zu Florenz, Mailand und anderen Orten gehalten - leider, wie es scheint, mit schlechtem Erfolge. — Es haben sich bei näherem Eingehen in diese Frage, bei einer genaueren Prüfung der gemachten Reformvorschläge eine solche Menge Schwierigkeiten herausgestellt, daß sie fast unbesiegbar erscheinen. Die Mailänder Zeitschrift Il Crepuscolo widmet feit einiger Zeit dieser Frage be sondere Artikel, die mit gutem praktischen Verständniß geschrieben sind und in nüchternster Weise die Sache erörtern.

Wir können nicht umhin, Einiges daraus hervorzuheben.

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Die Lage, in welcher sich der italiänische Schriftsteller befindet, wenn er seine Werke veröffentlichen will, ist in den meisten Fällen eine sehr traurige und von Aussicht auf einen felbst geringen Gewinn, mit seltenen Ausnahmen, nicht die Rede. Eigentlich können nur reiche Leute und solche, die der Vortheile eines reichen und opferwilligen Gönners genießen, es unternehmen, größere Werke zu veröffentlichen, ohne zu der jedenfalls mißlichen Auskunft einer Subscription zu greifen es ist aber klar, daß weder Gönnerschaft noch Subscriptionen geeignet sind, auf den Geist des italiänischen Volkes besonders günstig einzuwirken — Beides wirkt demoralisirend unmittelbar auf den Schriftsteller, mittelbar auf das übrige Publikum. Ein Gelehrter, ein Dichter, dem der Druck seines Werkes durch die Gnade eines reichen, gewiß in den meisten Fällen mehr ehrgeizigen als großmüthigen Gönners ermöglicht wird, der die devoten Phrasen des ordinären Dedicationsstiles in der Vorrede herbeten muß, um seiner Verpflichtung in etwas nachzukommen, wird seinem Gönner gegenüber eine bedientenmäßige Stellung einnehmen, wird nie sich mit jener Unmittelbarkeit geben können, die dem echten Geistesleben so nothwendig ist. - Dankbarkeit ist eine schöne Tugend, Undankbarkeit ein großes Lafter, — aber wehe dem, dem die Pflicht der Dankbarkeit eine sittliche Fessel wird, dem sie besseren Willen und beffere Einsicht gefangen hält.

1858.

Ebenso ist das Subscriptionswesen kaum geeignet, einen besonders günstigen Einfluß auszuüben. Abgesehen davon, daß es in vielen Fällen den Eindruck eines indiskreten Anspruchs an Freundschaft, Mitleid u. s. w. macht und zuleht unterschiedlos mit einem industriösen Bettel zusammenfällt, hat es auch noch besonders den großen Nachtheil, daß das Buch (wofern es natürlich einen wirklichen Werth hat) in vielen Fällen gar nicht in die rechten Hände kommt.

Doch diese und andere Uebelstände, unter welchen der italiänische Schriftsteller leidet, find ziemlich bekannt und vielfach besprochen wor ben; fie sind nur das Ergebniß der Zustände selbst, der vollständigen Plan- und Ordnungslosigkeit des Buchhandels. - Der Italiäner handelt mit Büchern, wie der Krämer auf einem Dorfe, der den Vorrath eines Materialwaarenhändlers in der nächsten Stadt vereinzelt; heute hat er Kaffee, morgen keinen das ist zu haben und jenes nicht wird auch nie zu haben sein. Verlangst du guten Zucker, so preist er Syrup an; denn er mache auch füß. — Die Preise steigen und fallen, je nach den Umständen. Mit geringen Ausnahmen ist also Alles Kleinhandel; die verschiedenen Hauptstädte stehen mit einauder in keiner oder nur geringer Verbindung; Rom lebt für sich, Neapel für sich; was man in Florenz produzirt, kennt man in Mailand nicht, oder lernt es nur auf großen Umwegen kennen.

Sehen wir uns nun die Vorschläge an, die auf jenen Versammlungen italiänischer Buchhändler gemacht worden sind, wo man Mittel suchte, den Hauptübelständen, dem Mangel an Oeffentlichkeit und der geringen Verbreitung der Bücher in Italien, zu begegnen. Man schlug auf dem Kongreffe zu Florenz, wo man eine besondere Kommission einseßte, die Einführung einer alljährlichen Buchhändlermesse, nach dem Vorbilde der Leipziger, vor; indessen erkannte man bald, daß eine Sache, die in Deutschland die Frucht einer alten Entwickelung besonderer glücklichen Umstände ist, in Italien unausführbar sei. Nicht blos die politische Zerstückelung des Landes und die damit verbundene Verschiedenheit der Preßgefeße, des Zoll- und Münzsystems ist ein Hinderniß; die Unmöglichkeit einer solchen Messe wird gerade durch das Uebel felbft herbeigeführt, das sie beseitigen soll. Könnte man eine Gleichheit der Gefälle und Münzen (wäre indeß nicht abfolut nöthig, wie Deutschland selbst beweift), der Gefeße über literari. sches Eigenthum erzielen, so würde sich eine solche Büchermesse von selbst machen. Der Leipziger Buchmarkt wird vorzüglich ermöglicht durch die Existenz der großen Buchhändlerfirmen in den Hauptstädten Deutschland's, welche gewissermaßen diese ganze Industrie leiten und regeln; von literarischer Bedeutung zählt man in Italien kaum ein oder zwei Häuser, die obenein nur einen sehr beschränkten Geschäftskreis haben und wenig Einfluß auf das Ganze ausüben; die große Zahl der Buchhändler und Verleger besteht aus Wenigen, die im Vergleich zu ihrem guten Willen geringe Mittel haben, und aus Vielen, die weder Mittel noch guten Willen besißen, aus Winkelverlegern und Büchertrödlern, die nur von der bestehenden Unordnung leben. Wie soll man solche Leute bewegen, auf die Meffe zu ziehen, Leute, die die Entfernungen und die Schlagbäume als ein Glück betrachten, da sie nebft anderen Schwierigkeiten so gute Ausflucht gewähren, die Abrechnung zu verzögern? Wie kann man eine Gemeinschaftlichkeit der Interessen herzustellen suchen, selbst auch nur im Umlaufe des Geldes, wo die Handeltreibenden auf die Verschiedenheit der Münze als eine natürliche Quelle ihres Gewinnes spekuliren? Solche Buchhändler, die sich kaum Mühe geben, auf eine an sie gerichtete Anfrage zu antworten, zu einer jährlichen Meß-Reise einzuladen, wäre ein vergebliches Unternehmen. Wer kann glauben, daß dieselben Leute, welche sich um das, was veröffentlicht wird, gar nicht kümmern, welche selbst die vom Publikum begehrten Werke sich nicht verschaffen mögen und,' obgleich sie ohne Kosten dem Publikum ihre eigene Waare anzeigen könnten, hartnäckig dem Vortheil entsagen, der ihnen daraus entstehen würde — wer kann glauben, daß sie im Augenblick ein so richtiges Verständniß ihres Gewerbes erlangen werden, um die Meffe zu beziehen und in der Fremde das zu thun, was sie zuhause nicht thun mögen?

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