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Am folgenden Nachmittage sehen wir uns wieder. Aber gleich steht die Scene von gestern Abend wieder vor meinen Augen.

Wir plaudern wie in alter Zeit, aber es herrscht eine Spannung zwischen uns, die nicht zu heben ist. Wir sprechen es nicht aus, aber jeder weiß, was einzig der Grund sein kann.

Es lag wie Blutdunst zwischen uns.
Auch am folgenden Tage.

Ich wollte mir diese Störung unserer Stimmung verscheuchen, sie beseitigen, indem ich sie sezirte, indem ich nach Parallelen suchte, geeignet durch größere Gewalt als Gegenreiz zu dienen.

Was war es denn: ein überfahrenes Pferd, das neunhundert oder tausend Mark wert war, ein Tier! — nichts weiter.

Wenn es noch ein Mensch gewesen wäre!

Und ich dachte daran, an den Sezirfaal. Wie ruhig und oft ich einer Amputation zugeschaut hatte, wo das quellende, dampfende Blut floß, und es hatte mir nie etwas getan, nie meine Nerven aus dem Gleichgewichte gebracht, sodaß mir das Effen immer recht gut geschmeckt hatte, ganz vorzüglich sogar.

Das hatte mir nichts getan, niemals.

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Und wie viel Menschen hatte ich schon sterben sehen. Einmal wie lange ist das nun her als wir uns gegenüber standen mit der Waffe in der Hand, im Morgentau des Waldes, als das erste fahle Sonnenlicht am Himmel aufkroch, und dann die zwei Schüffe blitzschnell hintereinander und durch den Rauch mit zuckendem Schreck, wie der andere an die Brust greift, und in sich zusammenstürzt zu Boden. Der sichere Gedanke: du hast einen Menschen erschossen!

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Das tat mir nichts, ich war ganz ruhig. -- Nachher Nachher war es nur eine Fleischwunde, ohne Schaden, zur größten Freude; aber im ersten Augenblicke einzig der Gedanke, daß er tot sei, als das Blut so zwischen den auf die Brust gefrallten Fingern hervorsicherte.

Und wie manche Schlägermensur, wo das Blut nur so von der Schädeldecke floß, und ganze Fleischfeßen aufflappten, unter Aufstöhnen und Ohnmacht. . Aber das half nichts!

Das machte es nur noch schlimmer. Es trug nur noch zu der Stimmung bei.

Und als wir auf der Straße gingen, vorüber an einem Schlächterladen, jawohl, da blieb ich mit ihr stehen. Diese mächtigen Fleischstücke, eine ganze Reihe halber Schweine mit dem blassen Fleische, die großen blutigen Stücke des roten Rindfleisches, aus denen das feine wässerige Blut rieselte.. Das sollte helfen.

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Ich wollte den Gedanken vertreiben. Endlich, Tage vergingen und der Vorfall war vergessen, wir dachten nicht mehr daran. Das Leben um uns her zerstreute. Und jene Liebesstimmung kehrte endlich wieder, schen und ganz langsam, wie tastend.

Einmal überfam sie uns wieder, plößlich, wie ein ausbrechender Wirbelwind, dem man nicht widerstehen fann, aber dann gleichzeitig wie aus dem Hinterhalte, wie ein eisiger Wafferguß: die Scene mit dem überfahrenen Gaul, das Dunkel der Nacht, die jagenden Droschken und Wagen, der knirschende Ruck der Pferdebahn, das Aufschreien der Menschen, und nun wieder das zerschundene, blutig gemarterte, verendende Pferd im gelben Flackerschein der Lichter; die sich im Kreise drängende Menschenmasse, und jener unmerkliche Blutdunst, wie roter Rauch vor den Augen!

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Ich sagte mir selbst immer wieder, daß es krankhaft sei, aber ich vermochte mich nicht zu überzeugen.

Es dauerte lange, sehr lange, bis ich, ohne nicht gleich auf den Gedanken zu verfallen, wieder die Pferdebahn benußen konnte.

Ich konnte nicht dagegen ankämpfen.

Jene Liebesstimmung und das Grauen waren unlöslich verknüpft; und als sich die Geschichte ein paar mal wiederholt hatte, ertrug ich es nicht länger,

und eines schönen Tages fanden wir beide, in schöner Uebereinstimmung, einen hübschen Grund, um ruhig unseinander zu gehen. Es half ja doch nichts!

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Das Blut schreckte uns.

Und das alles einzig um ein überfahrenes Pferd ...

Litterarische Neuigkeiten.

Hamerling's Briefe an Ålbert Möser.

Von Adolf Wilhelm.

Ist sie eine Täuschung, die Stimme in der Brust des Leidenden, sich nach Ruhe Sehnenden, die ihm zuruft: „Du darfst nicht ruhen, du kannst nicht von hinnen gehen, bevor dein irdisches Tagewerk getan?" Mit diesen von Todesahnung durchzitterten Worten schloß Robert Hamerling seine Stationen meiner Lebenspilgerschaft". Ja, die Stimme des Ruhe Ersehnenden war eine Täuschung: ein Jahr nach dem Niederschreiben dieser Frage deckte ihn bereits der Grabhügel, und selbst sein jeßt erschienenes philosophisches Werk, in dem er die Summe seiner philosophischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse und Ansichten zu ziehen suchte, hat er nicht mehr selbst herausgeben können. Immer aber bleibt es ein Glück, daß wir von dem deutsch-österreichischen Dichter eine Selbst biographie besitzen, die troß ihrer stellenweise streng subjektiven Färbung wohl geeignet ist, der geschäftig Mythe webenden Fama, gegen deren Scheinwahrheiten und monströsen Absurditäten ja fein bedeutsamer Dichter oder Denker gefeit ist, den Boden unter den Füßen zu entziehen. Als eine wertvolle Ergänzung dieser autobiographischen Skizze Hamerlings ist das soeben publizirte Buch von Albert Möser zu betrachten: Meine Bezie= hungen zu Robert Hamerling und dessen Briefe an mich" *).

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Bogen zählt es. Schmucklos und doch anmutend ist sein äußeres Nicht bedeutend an Umfang ist das Büchlein, nur fünf Gewand, und unter dieser schlichten Umhüllung birgt sich eine Fülle von charakteristischen Zügen, die für den Menschen und Dichter Hamerling von hohem Werte sind. Die Briefe, die nicht wie Hamerling irrtümlich in seiner Selbstbiographie sagt aus seinem Triester Aufenthalt stammen, umfaffen zur Hauptsache die Periode, in der die beiden großen Even Ahasver in Rom" und der König von Sion" entstanden und werfen auf die Genesis dieser hervorragenden dichterischen Schöpfungen fräftige Schlaglichter. Interessant ist es zu lesen, wie Hamerling den Vorwurf der Kritik, daß in seinem erstgenannten Epos Nero dem Ahasver gefährliche Konkurrenz mache, daß diese lettere Gestalt nicht wirkungsvoll genug in dem Mittelpunkt der Handlung stehe, zu entkräften sucht, indem er an Möser (am 25. März 1865) schreibt: Was nun aber die Gestalt des Ahasver betrifft, den Sie selbst zu wenig hervortretend finden, so bitte ich nicht zu übersehen, daß er zu Viclem, was geschieht, den geheimen Anstoß giebt (so namentlich zum Brande) und so das weltgeschichtliche Prinzip verkörpert, daß alles historische Geschehen, wenn es auch Ausfluß des Individuums scheint, doch im Grunde auf das Walten des geheimen, im Schaffen

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*) Berlin, Hans Lüstenöder 1890,

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wie im Zerstören instinktiv tätigen Geistes der Menschheit überhaupt zurückzuführen ist. Als Vertreter des Allgemeinen, der Menschheit, stehter dem auf die Spiße getriebenen Individualismus, dem egoistisch auf sich selbst gestellten Subjekt gegenüber. Andererseits ist es gerade nur Ahasver, dessen Gestalt und Auftreten dem Christentum, das als nächste Entwickelungsphase auf die neronische Welt folgt, seine rechte Bedeutung anweist, indem er als das Ewigmenschliche demselben gegenüber tritt und in die Zukunft hinausweisend der Dichtung eine welthistorische Verspektive giebt." Der oben erwähnte kritische Einwurf bleibt troßdem bestehen, denn Nero ist der eigentliche Held des Epos, nicht Ahasver, welchem, indem, oder besser, weil sich in ihm die Idee der Todessehnsucht verkörpern soll, äußerlich alles dramatische Leben fehlt. Denn die Idee des Lebensgenusses (Nero) läßt sich viel leichter und markanter in Handlungen um= seben und versinnbildlichen, als die der Todessehnsucht. Interessant zu lesen ist es ferner, daß man Nero zum bloßen Sprach-= rohr des Dichters, zum Träger der subjektiven Ansichten Hamer lings machen wollte. Alle diese Niederschriften sind für das rechte Verständnis und die Würdigung des Ahasver" von Bedeutung. Ebenso enthalten die Briefe manch treffende Aufschlüsse über das Werden und die rechte Beurteilung seines zweiten großen Epos. Welche stattliche Reihe von Büchern studirte der Grazer Poet, um nur erst mit der Münsterschen Gegend vertraut zu werden. Münsterländisches, dessen er nur irgend habhaft werden konnte, las er mit dem Stifte in der Hand, so Kerkenbroick's, Hamelmann's, Graßbeck's Münsterische Wiedertäufer-Chroniken, mittelalterliche Litteraturwerke, kulturhistorische Schriften, die für die Zeit, in der der König von Sion" spielt, von Bedeutung waren. So nimmt es uns nicht Wunder, daß Hamerling, der niemals Westfalen besucht hat, seinem Epos ein staunenswert getreues Lokalfolorit geben konnte, daß er Münster und dessen Umgebung troß der poetischen Verklärung einen solch farbensatten Realismus verleihen konnte. Hamerlings Arbeitsweise war überhaupt eine durch und durch cigentümliche. Hatte sich seinem Geiste durch beharrliches Studium der einschlägigen, selbst der trockensten Schriften das Bild der dichterischen Person oder des landschaftlichen Charakters mit Hülfe von Auszügen cingeprägt, so gebrauchte er diese Ekizzen, Anmerkungen zc. nicht weiter. Die Aufzeichnungen an Möser legen ferner für sein sorgfältiges, peinlich genaues Ausfeilen und Glätten seiner dichterischen Schöpfungen vollgültiges Zeugnis ab. Wenn irgend einer, so befolgte er das Horaziche ,,Nonum prematur in annum“.

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Für einen andern Zug in Hamerlings Wesen ist das Buch ferner nicht ohne Interesse: für sein sonderbares Verhältnis zu der zeitgenössischen Kritik, mit der er stets auf dem Kriegsfuße stand. Fast jeder Brief enthält Seitenhiebe zum größten Teil allerdings wohl berechtigte - gegen die Kritiker, für welche Art Sünde wir Poeten immer eine besondere Neigung haben", bekennt Hamerling. Gleich im ersten Briefe an Möser läßt er sich zu einer Invektive gegen die Kritiker hinreißen. Die Pritik war überhaupt Hamerlings empfindliche Seite, ge= wissermaßen seine Achillesferse. Einerseits war es ihm Bedürfnis, alle Rezensionen, die über seine Dichtungen erschienen, zu lesen so bittet er in einem Schreiben Möser, ihm, dem Isolirten, doch mitzuteilen, was dieser etwa in Zeitungen über ihn lesen würde, denn dergleichen sei ihm ein wahrer Trost, auch fast sein einziger" und andererseits erfreute ihn das Lob nicht besonders, während eine absprechende Kritif und mochte sie in einem Provinzial-Käseblättchen erschienen sein. thn auf's tiefste schmerzen konnte. Sein ganzes Leben hindurch hat Hamerling sich mit der Kritik herumgeschlagen. Manche Dinge, die über den Ahasver" gesagt wurden, „grinsten ihn an wie sinnverwirrende, unlösbare Rätsel", sagt er in einem Briefe, und in einem andern äußert er mit einem gewissen Triumph: Ich habe mir auf Grund meines poetischen Schaffens nie eine geistige Superiorität über meine Mitmenschen angemast. Nur wenn ich Kritiken lese, werde ich stolz und fühle mich gescheuter als andere Leute".

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Schreiben zieht er eine interessante Parallele zwischen seiner und Linggs Poesie. Während in der Völkerwanderung" faum eine vollausgeführte, wahrhaft fesselnde, gigantische Ge-. stalt, vielmehr alles Masse jei, was vielleicht echt episch set, so feien ihm die Charaktere immer die Hauptsache, die Innerlichfeit großen Lebens und Strebens. Sehr richtig urteilt er über den Lyriker Lingg: Er ist doch vorzugsweise Epiker in der Lyrik; und besäße er soviel Kompositionstalent wie epischen Stil, so wäre er der größte Epiker der modernen Welt". Etwas man möchte sagen wunderlich ist sein Urteil über Schiller, für den er allerdings schwärmt, wenngleich er ihn nicht mehr oft liest. Er ist ein hoher Genius voll Tiefe und Weite, voll Verstand und Wärme, gedankenvoll und doch überaus gestaltungskräftig. Vielleicht hat er mit Ausnahme einiger fleiner ich meine lyrische Poesien nichts absolut Klassisches, Vollendetes und Mustergiltiges geschaffen; das tut aber nichts, er ragt als ein Riese in unserer Litteratur empor". Treffender wenn auch nicht unanfechtbar scheint uns des Dichters Ansicht über die Spottdrossel im deutschen Dichterwalde", über Heine, den er zwar nicht für den größten Dichter, aber für das größte poetische Genie der Deutschen nach Goethe und Schiller hält. Seine Popularität wird nicht abnehmen, wie die Philister meinen, sondern noch wachsen, da in ihm das innerste Wesen der Zeit in der pikantesten, genialsten Weise sich spiegelt. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß dieser unsern Größten fast ebenbürtige Dichter als Mensch eine Kanaille gewesen. Von seiner Gesinnungs- und Charakterlosigkeit haben die wenigsten Menschen den rechten Begriff; man muß alle seine Werke, namentlich die prosaischen, und auch die gedruckten Briefe aufmerksam gelesen haben, um darüber urteilen zu können.

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Dieses Urteil erscheint etwas herbe und fast möchte man sagen philisterhaft. Man bedenke jedoch, was für eine fein besaitete und von dem Gefühl echter Menschlichkeit durchdrungene Dichternatur Hamerling war, den der wißelnde, mit überlegenem Sarkasmus kämpfende Pariser Aristophanes abstoßen mußte. Und gerade den Sänger des Königs von Sion" von der menschlich liebenswürdigsten Seite fennen zu lernen, ist das Mösersche Buch geeignet. Der treuherzige innige Ton, der gleich den ersten Brief durchweht; die Liebe und Sorgfalt, mit welcher der gefeierte Dichter neidlos für seinen weniger bekannten Freund und Poeten thatkräftig wirkt; die vielfachen Aufschlüsse über sein innerstes Wesen, jeine Neigungen und Gewohnheiten, über seine bösartigen Gastrizismen und Krampfanfälle, über seine fast dreißig Jahre währende schleichende Krankheit all dieses zeigt uns eine große, durch und durch edle Menschennatur, die uns mit Hochachtung und Bewunderung erfüllt. Nicht ohne Rührung wird man bespielsweise folgendes Bekenntnis des Grazer Philokteten lesen: „Kränkelnd, wie ich bin, im höchsten Grade nervös erregbar, jeden Versuch aus meiner Stille und Einsamkeit herauszutreten mit hundertfachen Herzqualen bezahlend, jedes Loßreißen von dem, was mir einmal wert geworden oder woran ich mich gewöhnt, als eine Unmöglichkeit empfindend, in einer Epoche lebend, deren Gährungen mein eigenes politisches und nationales Gefühl bis zur Leidenschaftlichkeit aufstacheln, einer Leidenschaftlichkeit, die in drangvoller Energie nach äußerer Betätigung schmachtet mein Nero, mein Jan sind eigentlich nur poetische Ventile solch inneren Dranges so hinlebend, fühle ich mich bei aller Stille meiner äußeren Existenz oft so todesmatt wie ein aus lärmender Schlacht getragener blutender Kämpfer“.

Wollen wir zum Schluß die Bedeutung des Möserschen Buches charakterisiren, so müssen wir unsere eingangs aufgestellte Behauptung wiederholen: Das Buch ist eine wertvolle Ergänzung zu Hamerlings Selbstbiographie. Nirgends tritt des Herausgebers Person störend in den Vordergrund. Die eingestreuten Bemerkungen, welche zum Verständnis der Briefe unerläßlich sind, sind ruhig, vorwiegend objektiv, ja zuweilen nüchtern-falt und lassen kaum den Grad und die Herzenswärme der Freundschaft ahuen, welche die beiden Männer zu einander beseelte. Alles in Allem: in dem Möserschen Buche liegt ein gutes Stück von Hamerlings eigenstem Wesen als Dichter und Mensch offen vor uns.

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Ueber Goethes Faust" ist schon so viel geschrieben, daß die Kommentare an Umfang das Dichterwerk bei weitem übertreffen; eine ganze Litteratur ist daraus erwachsen. Mit Hinweisung auf dies reiche Material müssen wir von jedem nähern Eingehen auf das Werk selbst absehen und uns mit der Bemerkung begnügen, daß die berühmteste Dichtung des berühmtesten Dichters der beiden letzten Jahrhunderte Anspruch erheben darf, in jede civilisirte Sprache übersezt zu werden. Fausts Erscheinen auf Dänisch ist darum mit Freude zu begrüßen, und Dank gebührt dem Ueberseßer, der die Riesenarbeit unternommen und glücklich vollendet hat. Denn riesenhaft ist die Arbeit nicht nur in Bezug auf den Umfang, sondern auch zufolge des Gedankeninhaltes, der Zeile für Zeile mit größt möglicher Treue in rhythmischer und fast durchweg gereimter Form wiederzugeben war. Es muß bemerkt werden: wie geschmeidig und leichtfließend auch die Sprache in vorliegender Uebersetzung ist, wie volltönig Reim und Rhythmus dem innern Gehörsinn jedes gebildeten Lesers flingen, so vermag doch nur ein spezieller Kenner das Talent und die Sorgfalt, womit die Aufgabe gelöst ist, in vollem Maße zu würdigen. Das Werk gereicht dem Sprachfün ler, der es vollführt hat, zur Ehre, wie auch der Sprache, in der es sich vollführen ließ; denn daß der Charakter der Sprache von wesentlicher Bedeutung ist, läßt sich nicht bestreiten. Wie oft nicht bildet eine Strophe in Moment der Entstehung sich mit so prägnanter und konziser Bestimmtheit gleichsam wie beim Prozeß der Krystallisation daß das gewöhnliche Verhältnis zwischen Stoff und Form nicht mehr zu existiren scheint: beide sind zu einem untrennbaren Ganzen verbunden. Das Geistige ist so völlig mit dem Sprachlichen zu eins geworden, daß kaum der Dichter selbst mehr anzugeben vermag welches Element das andere beherrscht. Solche Verse gleichen dem Glücksfund eines Sonntagskindes. Goethe ist reich daran; und so oft der Ueberseßer auf eine solche Stelle stößt, bleibt ihm nichts übrig, als nach einem gleichen glücklichen Zufall zu haschen; läßt dieser ihn im Stich, ist alle Mühe umsonst. Und solch glücklicher Griff ist hier neben der Sorgfalt der Arbeit zu rühmen. Professor Hansen gehört nicht zu jener Klasse von Ueberseßern, welche die ersten Verse einer Strophe wortgetreu wiedergeben und alsdann die andern Reimzeilen, so gut es eben angeht, mitlaufen lassen: mit ficherm Blick greift er immer ins Zentrale eines Verskompleres und, indem er mit feinem Verständnis das Ganze so wiedergiebt, wie es dem Vorbild am nächsten kommt, opfert er, wo ein Opfer unvermeidlich, das Geringfügigste. Als Meister der Form hat er sich bereits durch seine Ueberseßung des Mirza-Schaffy bekundet; nun liefert er den Beweis, daß auch das Tiefsinnige und Inhaltsreiche ihm gelingt. Der dänischen Faustübersehung ist eine Erläuterung vorangeschickt, die selbst für diejenigen, welche mit den deutschen Kommentatoren vertraut sind, durch ihre Uebersichtlichkeit und kritische Klarheit eine wertvolle Beigabe bildet. Und so sei denn Professor Hansens Werk der dänischen Lesewelt aufs wärmste empfohlen!"

Und Thor Lange schreibt:

Es sind berückende Verse, die der Geisterchor dem schlafenden Faust vorsingt:

Säume nicht dich zu erdreisten,

Wenn die Menge zaudernd schweift; Alles kann der Edle leisten,

Der versteht und rasch ergreift.

Das Verständnis allein reicht nicht aus; auch das Talent an sich genügt noch nicht: es gehört Mut und rasches Handeln zum Gelingen. Ja Mut, viel Mut und Vertrauen auf seinen Glücksstern muß der besigen, der sich in eine solche Aufgabe wagt, wie jie hier vollendet vorliegt. Denken wir uns jemand, der die Verskunst vollkommen beherrscht und seinem Geschmack unbedingt vertrauen darf. Er will ein oder das andere, wenn auch ganz kürze Gedicht überseßen. Die Stimmung hat sich seiner bemächtigt; er fühlt, daß er in seiner Sprache etwas Schönes daraus bilden kann. Aber dann wird er fich sagen: nein, es ist doch nun und nimmermehr wie das Original! Wer die Vorzüge der Ueberseßung zu schätzen vermag, lieff das Gedicht mit größerem Genuß in der Ursprache. Da ist's besser, einen Dichter zu übersehen, dessen Sprache nur wenige verstehen.

Nichtsdestowiger besigen wir jezt eine dänische Uebersetzung des vollständigen Faust. Dies ist ein fait accompli. eine künstlerische Tat. Indeß sei bemerkt: wenn auch anzunehmen, daß jeder gebildete Däne Goethes Faust kennt, so ist diese Dichtung für die meisten keineswegs so zum geistigen Eigentum geworden, wie ein leichtfaßliches, kurzes Gedicht. Das große Meisterwerk des großen Dichters liest sich nicht leicht, es erfordert Studium. Als ein Verdienst des Uebersegers muß es daher betont werden, daß dem Werke ein Kommentar vorausgeschickt ist, welcher der dichterischen Wiedergabe würdig an die Seite gestellt werden darf.

Der Glanzpunkt des Ganzen, sowohl von Seite des Dichters als auch des Uebersezers, ist der Schluß-Akt. Höher vermag kaum ein Dichter sich emporzuschwingen. Der lockende Wohlflang der Verje, die mystische Musik des Schluß-Chores alles das in der Ueberfegung wiederzugeben, bedingt nicht nur feinstes Verständnis, das erfordert auch Glück. Aber das Glück ist ja mit dem Kühnen. Darum hat Fausts Ueberseßer das Recht, mitzusprechen. Macte virtute! E. K.

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Blumenmärchen von Paul Mantegazza. Vom Verfasser autorisirte deutsche Ausgabe. Aus dem Italienischen von Dr. med. R. Teuscher, Jena, Costenoble, 8°.

deren 60

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Wer schon etwas von Mantegazza gelesen hat, wird sich kaum darüber wundern, daß er als Gelehrter ein Buch wie diese Blumenmärchen schreiben konnte. Wem noch der famose Vergleich aus seinem Buche Lebensweisheit für die Jugend" in Erinnerung ist, wo er das Cyclamen einen „geflügelten Kuß“ nennt, der wird seiner Phantasie wohl alles zutrauen. In der Tat feiert diese in den Blumenmärchen wahrhaft Orgien. In jedem von ihnen es sind erzählt er die Entstehungsgeschichte einer anderen Blume. Nun ist es gewiß schon kein glücklicher Gedanke, dasselbe Thema cinen ganzen dicken Band von mehr als 400 Seiten hindurch zu variiren; es müßte ermüden und langweilig werden, selbst wenn all diese Entstehungsgeschichten sinnreich erfunden wären; nun sind sie das aber durchaus nicht; sie stehen mit den betreffenden Blumen meist auch nicht im geringsten inneren Zusammenhang; es sind überaus phantastische, schwülstige Geschichten, die mit den Blumen gewaltsam in Beziehung gebracht sind. Wer wird z. B. beim Anblick eines Cyclamens an einen Kuß denken, noch dazu an einen geflügelten? Mantegazza aber tut es und von dieser gewiß Höchst eigenartigen Vorstellung ausgehend erzählt er in den Blumenmärchen, daß das Cyclamen aus dem Kuffe zweier Liebenden entstanden sei. Die Märchen von der Narzisse und Hyazinthe fordern keineswegs zu ihrem Vorteil zu Vergleichen mit jenen Verwandlungen Ovids heraus, die diese zwei Blumen betreffen.

Daß Mantegazza das Veilchen blau von der Farbe des Himmels nennt, ist unverzeihlich; bei den Dichtern ist man diese Farbenblindheit schon gewohnt, und kann sie mit dem „holden (?) Wahn" entschuldigen, der sie erfüllt; nicht aber bei einem berühmten Gelehrten, zumal es so leicht ist, die Farbe des Veilchens zu bestimmen, nachdem die Blume selbst ihr ja den Namen gegeben: violett.

Mantegazza hat sein Buch den fünftigen Kindern seiner jezigen Kinder gewidmet, damit sie eines Tages erfahren, daß ihr Großvater in seinem Alter zum Kinde geworden; diese Märchen passen indes keineswegs für Kinder, denn fast in jedem gebraucht er das Wort „Wollust", schwärmt von den Schönheiten des Frauenleibes und preist die Freuden der Liebe; für Erwachsene eignen sie sich freilich auch nicht, am ersten noch für überspannte, lüsterne Backfische.

Der Verfasser wird von seinen überschwänglichen Landsleuten vermutlich nun auch als großer Dichter gepriesen werden; nun, wem eine schrankenlose Phantasie und bombastische Tiraden Poesie sind, dem mag er als Dichter gelten; jeder andere aber wird ihn einen überspannten Schwäßer nennen.

Der Uebersezer hätte seine Kenntnis der italienischen Sprache an die llebertragung eines würdigeren Werkes wenden sollen, und daß die italienische Litteratur über Besseres verfügt, ist in ihrem Interesse zu hoffen. Theodor von Sosnosky.

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Verantwortlich: Dr. Curt Grottewiß, Berlin. Verlag von F. & P. Lehmann, Berlin W., Köthenerstr. 30. Gedruckt bei R. Gensch, Berlin SW,

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Verlag

Don

S. & P. Lehmann.

Erscheint jeden Sonnabend. — Preis 4 Mark vierteljährlich. Bestellungen werden von jeder Buchhandlung, jedem Postamt (Nr. 3589 der Postzeitungsliste), sowie vom Verlage des „Magazins“ entgegengenommen. Anzeigen 40 Pfg. die dreigespaltene Petitzeile. Preis der Einzelnummer: 40 Pfg. &

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Nr. 11.

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Juhalt: Marie v. Ebner-Eschenbach: Margarete. Fedor v. Zobeltiß: Ernst Wichert. Arno Holz: Gedichte. Dr. Albrecht Schüße: Ein Spaziergang, Berlin als Kunststadt. Ludwig Pietsch: Wie man Schriftsteller werden kann. X. - Theater von Friß Mauthner: H. A. Jones' „Arbeit“; Sardous Thermidor“. Litterarische Neuigkeiten: Briefe über Merkwürdigkeiten der Litteratur; The women of Turkey, besprochen von Fr.; Mehmeds Brautfahrt, besprochen von Dr. Robert Plöhn; Isländische Volkssagen, besprochen von L. Freytag; Bahrs Mutter, Egestorffs Freilichtbilder, besprochen von C. G. Notizen. Litterarische Neuerscheinungen des Auslandes.

Auszugsweiser Nachdruck sämmtlicher Artikel, außzer den novellistischen und dramatischen, unter genauer Quellenangabe gestattet. Uubefugter Nachdruck wird auf Grund der Gesetze und Verträge verfolgt.

Margarete.")

Von

Ebner - Eschenbach.

I.

Es war ein heller Wintermorgen; der Himmel schimmerte weiß und glänzend, kleine Schneeflocken wirbelten luftig in der klaren Luft.

Durch das Spiegelfenster eines geräumigen, traulich eingerichteten Studirzimmers sah ein junger Mann ihrem Treiben zu. Er war dreißig Jahre alt, groß und schlank, trug die Uniform eines Ulanen-Majors und allerlei funkelnden Ordensschmuck auf der Brust. Bequem lehute er im Fauteuil vor dem Schreibtisch, den zahlreiche Briefschaften, Papiere und Schriften, teils geordnet, teils wirr durcheinandergeworfen, bedeckten. Zwischen denselben, in einen reichen Goldrahmen gefaßt, stand das Miniaturbild eines blonden Mädchens, das befremdet herab zu lächeln schien auf die so wenig zu ihm passende Umgebung. Troß dieses wahrhaft kindlichen Lächelns jedoch, und trotz des vertrauensseligen Ausdrucks, mit dem die leuchtenden Augen in die Welt blickten, ruhte auf der Stirn ein nachdenklicher Ernst, der dem zarten Gesicht einen wunderbaren Adel und Zauber verlieh..

Der Blick des jungen Mannes hatte sich dem Bilde zugewant; er betrachtete es lange und glitt mit der Hand zärtlich und innig darüber hin. Eine kurze Spanne Zeit nur noch und das holde Geschöpf war sein Nicht schwer

*) Wir sind in der glücklichen Lage, unsern Lesern hier eine der ersten novellistischen Arbeiten der berühmten Dichterin darbieten zu können. Es ist vielleicht charakteristisch für die ablaufende Litteraturepoche Deutschlands, daß der maßvolle und schöne Realismus dieser Noyelle bisher den Druck hintangehalten hat.

D. Red.

errungen, nein, der köstliche Preis, der jedes Opfer wert gewesen wäre, war ihm, dem Liebling des Glücks, beinahe in demselben Augenblick zugefallen, in dem sich der erste heiße Wunsch nach dem herrlichen Besitz in seiner Seele geregt hatte. - Das Beste für dich! hatte sein Schicksal cinmal wieder gesprochen: Nimm, was dir gebührt!

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Niemals lebhafter als in der gegenwärtigen Stunde war diesem Mann die Gunst, mit der das Leben ihn überschüttet hatte, zum Bewußtsein gekommen. Seine Bruft hob sich mit einer Empfindung unaussprechlich freudiger Dankbarkeit, und vor der übermächtigen schwand und zerrann die leise Sorge: Kann es immer so fortgehen? wie ein kleines Wölkchen vor der siegreichen Sonne.

Jetzt schlug die Hausglocke an; ein Wagen rollte durch die Einfahrt, bald darauf öffnete sich die Tür, der Kammerdiener meldete:

„Herr Graf Steinau“, und dieser trat ein. Eine hagere und breitschultrige Gestalt, von vornehmer Haltung und staatsmännischem Aussehen. Die scharfen grauen Augen, das unharmonische Gesicht hatten einen eigentümlichen Ausdruck von mißvergnügter Klugheit. Der Kopf war hoch gewölbt, an den Schläfen stark eingedrückt, die Nase an der Wurzel etwas zu breit, an der Spitze etwas zu dünn, um die schmalen Lippen spielte ein charakteristischer Zug eine gewisse refignirte Geringschätzung. Wenn diese Lippen sich öffnen würden, um die innersten Gedanken des Diplomaten auszusprechen, sagten sie wohl: „Es tut mir leid, Ihr Menschen, daß ich Euch verachten muß!" Seine spärlichen Haare, die bereits so mancher Silberstreifen durchzog, waren kurz gehalten; der dichte, weiche, liebevoll gepflegte Vollbart hingegen quoll in üppiger Fülle und jugendlich goldbraunem

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Farbentone zur Brust nieder. Steinau war mit äußerster | riß den Wagenschlag auf... da ein Schrei, ein Ruck Eleganz gekleidet und ebenso reich wie sein Freund mit der Wagen stand still. Die beiden Herren und die verschiedenartigen „Bedienten-Blendern“ dekorirt. Seinem beiden Diener waren in demselben Augenblick auf dem schwarzen Frack, der weißen Kravatte, sah man von weitem Boden. Ein Wachmann hielt die schäumenden, an allen ihren englischen Ursprung an. Gliedern zitternden Roffe am Zügel, unter ihnen lag ein

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„Ich komme zu früh, wir haben noch Zeit", sagte Kind. Robert stürzte hinzu, erfaßte es und hob es empor. er, trat an den Schreibtisch und streckte ohne Umstände | Es war ein schwarzgelockter, dürftig gekleideter Knabe von die Hand nach dem Miniaturbilde aus. „Allerliebst!" etwa sechs Jahren. Der rechte Arm hing ausgerenkt am murmelte er nach kurzer, aber höchst aufmerksamer Be- Körper herab, auf der Stirn gegen die Schläfe zu zeigte trachtung, „ja, mein guter Robert . . .“ sich ein blutunterlaufener Streifen. Das Kind gab keinen Laut von sich, schreckgelähmt starrte es Robert mit weit geöffneten dunklen Augen an.

„Nun?"

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Nichts."

doch deine alte Marotte. Am Hochzeitstage eines jeden deiner Freunde überfällt sie dich, da wird dir's klar: die Braut, die der heimführt, die hätte eigentlich für mich gepaßt. So bleibt man Junggeselle, Tenerster. | Du mußt endlich einmal früher zusehen.“

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Wie heißest du? wo wohnst du?" fragte dieser und näherte das Ohr dem Munde des Verwundeten. Er erhielt eine leise geflüsterte Antwort, legte den kleinen Jungen fanft und sorgsam auf die Kiffen des Wagens und sprach zu Steinau: „Fahre du voraus, ich komme sogleich nach.“ „Und jezt? Was willst du jetzt „Das Kind nach Hause bringen.“

Steinau hörte ihm mit überlegenem Schweigen zu. Als jedoch Robert, sich erhebend, mit den Wort schloß: „Priskas Schwestern sind ebenso schön, ebenso liebenswürdig wie sie. Wie wärs ..." wante der Diplomat das sich mürrisch ab und rief: „Ich heirate auf keinen Fall, | bevor ich Gefanter bin.“

„Das kannst du morgen werden. Uebrigens, sei ruhig, auch dann wird man dich nicht mit Gewalt zum Altare schleppen."

Der alte Kammerdiener erschien wieder, meldete, daß angespannt sei und brachte seinem Herrn den Säbel, die Czapka und die Handschuhe.

„Meinen besten Glückwunsch, Herr Graf," murmelte er. „Danke, Hildebrand, danke.“

Und ich bitte auch ferner . . .'

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wird's?

„Bis du verrückt? Ueberlasse das dem Wachmann; ist sein Amt. Steig ein! ... Nun | Siehst du denn nicht? Wir haben schon Publikum!”

In der Tat hatte sich eine ansehnliche Menschenmenge um die beiden Wagen versammelt; es fielen gereizte Reden, die Steinau, vor Ungeduld und Wut bebend, in Herausfordernder Weise beantwortete. Einzelne Männer und Weiber drängten sich mit drohenden Geberden heran. Ohne ihrer zu achten, tauschte Robert einige Worte mit der Wache und mit dem Kutscher, der eben wieder den Bock besticg, winkte dem Diener, neben ihm Platz zu nehmen, sprang in das Coupé und fuhr davon.

Voll Ingrimm sah Steinan ihm nach. Bleich vor

Versteht sich," unterbrach ihn Robert, „wir bleiben | Zorn blieb er, um den Leuten zu zeigen, daß er sie nicht die Alten."

Er drückte dem Greise kräftig die Hand und eilte von Steinan gefolgt durch das Vorzimmer, wo sich die ganze Dienerschaft versammelt hatte, um ihm Glück zu | wünschen. Der Diplomat konnte eine spöttische Bemerkung über das patriarchalische Verhältnis zwischen Robert und seinen Leuten nicht unterdrücken, und jener erwiderte: „Du stehst mit den deinen auf anderem Fuße.“

„Ja, weil ich nicht in die Lage kommen will, fie mißhandeln zu müssen, um das richtige Verhältnis wieder herzustellen."

Sie stiegen beide in die am Fuße der Treppe wartende Equipage, und Steinau befahl seinem Fiaker nachzufahren.

Die feurigen Braunen lançadirten aus dem Tor, bliesen die Nüstern auf, schnaubten, biffen in die Stangen und machten es dem Kutscher schwer, sie in eine gleich mäßige Gangart zu bringen. Es war ihm halb und halb gelungen, als er in eine schmale, bergansteigende Gaffe lenkte, durch die soeben ein mit Eisenstangen beladener Karren im Galopp zweier Hunde, führerlos einherrasselte, den Pferden gerade entgegen. Diese scheuten bogen ans, eines von ihnen schlug über den Strang, und nun war kein Halten mehr, in toller Flucht jagten sie, der Mündung der Gaffe, dem offenen Markte zu. Robert

fürchte, eine Weile mit gekreuzten Armen und herausforderuder Miene im Angesichte des Volkshaufens stehen, und gab dann seinem Fiaker Befehl, langsam nach der Domkirche zu fahren.

Leise fluchend drückte er sich in die Wagenecke. „Narr!“ murmelte er, „Romanheld! Das denkbar Ungeschickteste in solchem Falle; wie lange müßt ein anderer sich besinnen, bis er darauf käme! Der triffts von selbst... Das nennt man erste Regung, Eingebung des Augenblicks... Na warte, du wirst ihn noch einmal teuer bezahlen, deinen Gefühlsluxus... den kostspieligsten, den es giebt!"

II.

Den ohumächtig gewordenen Knaben in seinen Armen, betrat Robert einige Minuten später den Flur eines alten, großen Vorstadthauses. Ein Weib, das an einem dampfenden Waschtroge gestanden, kam laut kreischend aus dem Seitengange herbeigeeilt, senkte jedoch nach einem raschen Blick auf den fremden Herrn, den Diener und die vor dem Tor stehende Equipage sofort ihre Stimme und gab sich als die Hausbesorgerin zu erkennen.

In kurzen Worten teilte Robert ihr mit, was geschehen, fragte, ob ein Arzt in der Nähe wohne und befahl, nachdem er die Antwort erhalten: „Gleich gegen

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