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gangenen oder gegenwärtigen Realität der Formation unseres Planeten entspricht.

Alles, was oben über die Realität der Existenz der menschlichen Gesellschaft überhaupt gesagt worden, lässt sich mit vollem Recht speciell auch auf ihre äussere Gestaltung, ihre aussere Form anwenden. Schon für die organischen Körper ist eine festbestimmte äussere Gestaltung keine unbedingte Nothwendigkeit ihrer Existenz. Die niederen Organismen sind alle mehr oder minder formlos. Festbestimmte Formen erwachsen erst nach Massgabe der Steigerung in der Entwickelung organischen Lebens. Dieselbe Stufenfolge zeigen uns auch die socialen Organismen. Je weniger sie entwickelt sind, desto formloser erscheinen sie, desto weniger deutlich ist ihre Individualität ausgeprägt; je höher sie stehen, mit desto grösserer Bestimmtheit und Selbstständigkeit manifestirt sich die individuelle Persönlichkeit der gesellschaftlichen Gruppen. Schelling nannte das Leben ein Streben nach Individualisirung. Dieser Ausspruch ist vollständig richtig, indem kein Körper, kein Organismus eine absolut abgeschlossene Individualität darstellt, sondern nur ein geringeres oder grösseres Streben nach Individualisirung, ein Streben, das sich auch in der menschlichen Gesellschaft manifestirt.

Uebrigens ist es, um der menschlichen Gesellschaft alle wesentlichen Eigenschaften eines realen Wesens zuzuerkennen, durchaus nicht nöthig, ihm den Namen eines organischen Körpers beizulegen. Die Benennung: organisches System drückt dem Wesen nach dasselbe aus. Auch hinsichtlich der unorganischen Körper sind die Ausdrücke: mechanisches System und mechanisch zusammengesetzter Körper wesentlich identische. Aller Unterschied liegt nur in der Verschiedenheit des Abstandes der einzelnen Theile von einander, und in dem Verhältniss, welches der Beobachter in Beziehung auf den Körper einnimmt. - Was in den Himmelsräumen sich als Schwerkraft der Körper kund giebt, erscheint im Inneren jedes einzelnen Körpers als Cohäsionskraft seiner Theile. Wir haben schon nachgewiesen, dass die Theilchen, Atome, Moleküle nichts Unbewegliches, Undurchdringliches, Untheilbares darstellen, sondern nur eine Summe von Bewegungen bilden, wie es im Grossen mit unserem Sonnensystem und mit dem ganzen Universum der Fall ist.

Dem innerhalb eines Körpers sich befindenden Beobachter zeigt sich ein solcher Körper unbedingt als ein System sich bewegender einzelner Körper oder Theilchen, gleich unserem Sonnensystem. Die Luft z. B. ist thatsächlich ein solcher Körper, inmitten dessen der Beobachter sich selbst befindet und sie erscheint nur desshalb nicht als ein System sich bewegender greifbarer Theile, weil die Luftmoleküle durchsichtig und sehr elastisch sind. Weil nun der Mensch nicht ausserhalb dieses Körpers, sondern in ihm lebt, ist auch die Luft längere Zeit hindurch nicht für einen Körper mit eben solchen Eigenschaften, wie die übrigen Naturkörper, angesehen worden. Auf allen Seiten von der Atmosphäre umgeben, hielt der Mensch lange Zeit die Luft nur desshalb nicht für einen Körper, weil er sich zu ihr nicht so leicht in die Stellung eines äusseren Beobachters zu versetzen wusste. Anders ist es mit dem Wasser, noch anders wäre es mit einem Körper, der noch weniger durchsichtig und elastisch wäre als das Wasser.

Wenden wir diese Erwägungen auf die menschliche Gesellschaft, als organisches System, an, so ergiebt sich, dass auch hier die Ausdrücke: organisches System und Organismus identische Begriffe sind, und dass der Unterschied nur in dem Grade der Entwickelung und in dem Standpunkte besteht, den der Beobachter einnimmt. So nennen wir auch verschiedene Theile unseres Organismus gesondert Nerven-, Muskelsystem etc., ohne Rücksicht darauf, dass alle diese Theile immer zugleich zum Bestande eines und desselben Organismus gehören. Es ist, wie gesagt, für den Menschen schwierig, zur Gesellschaft, als Organismus, eine objective Stellung einzunehmen, weil er selbst zum Complex dieses Organismus als Theil, gleichsam als Zelle, gehört, während er alle übrigen Organismen und überhaupt alle Körper der Erscheinungswelt von aussen her betrachtet.

XV.

Vermehrung, Zeugung, Wachsthum, Blüthe,
Krankheit, Tod, Wiedergeburt.

Hinsichtlich der Analogie des socialen Organismus mit den übrigen Naturorganismen können noch folgende Bedenken geltend gemacht werden:

Die Naturorganismen, sich aus Keimen und Samen entwickelnd, wachsen, blühen, werden befruchtet, erzeugen ähnliche Organismen und sterben endlich ab. Alle diese Vorgänge kommen scheinbar dem gesellschaftlichen Organismus nicht zu, oder es zeigen wenigstens die Entwickelungsformen, welche die einzelnen socialen Organismen durchlaufen, auf den ersten Blick keine vollständige Analogie mit den Vorgängen in den Organismen der Natur. Wir hoffen aber das Gegentheil in Folgendem darthun zu können.

Beginnen wir mit der Zeugung, oder was dasselbe ist, mit der Vermehrung der Organismen.

Die einfachste und primitive Art und Weise der Vermehrung der Organismen oder der organischen Zellen ist die Theilung. Eine Zelle theilt sich in zwei, drei, vier und mehre Theile, und jeder Theil, sich weiter entwickelnd, zeigt ganz dieselben wesentlichen Seiten der Entwickelung, wie die ursprüngliche Zelle.

Dabei können zwei Fälle eintreten: Die aus der Theilung der Urzelle hervorgegangenen Zellen können, wie ursprünglich, in gegenseitigem organischen Zusammenhang mit ihr bleiben und dann hängt von der Vermehrung der Zellen die Entwickelung und das Wachsthum eines mehrzelligen Wesens ab. Oder die abgetrennten Zellen beginnen ein selbstständiges Leben zu führen und vermehren sich als Individuen, d. h. werden erzeugt.

Zwischen Zeugung und Wachsthum eines Organismus besteht kein wesentlicher Unterschied. Wenn eine Pflanze wächst, so erzeugen sich in ihr beständig neue Zellen. Der Samen stellt gleichsam nur eine dieser Zellen vor. Entnimmt man gewissen Arten von Pflanzen ein Blatt, eine Knospe, ein Aestchen, und pflanzt es gesondert ein, so wächst aus ihm eine eben solche

Pflanze auf, wie aus dem Samen selbst. In dieser Weise lässt sich künstlich vermittelst Theilung eine Vermehrung erreichen, wie sie sonst in der Form des Samens die Natur selbst vollführt. Häckel nennt mit Recht die Vermehrung ein Hinauswachsen des Organismus über die Grenzen seines individuellen Lebens. Auf den niederen Stufen organischen Lebens ist es grossentheils sogar schwierig zu bestimmen, wo das Wachsthum des Organismus aufhört und eine selbstständige Zeugung anfängt. So z. B. ist es hinsichtlich der einfachsten Wasserpflänzchen, der Palmellen, schwierig zu entscheiden, ob sie wachsen oder sich eigentlich gesondert vermehren, da die abgetrennten Zellen lange Zeit durch eine mehr oder weniger feste klebrige Intercellularsubstanz mit ihnen verbunden bleiben.

Die Vermehrung mittelst Ableger, durch Sporen, die sogegenannte geschlechtliche Vermehrung sie alle sind nur Modificationen der ursprünglichen Art und Weise der Vermehrung mittelst Theilung, welche wiederum nichts Anderes ist, als ein Hinauswachsen des Individuums über gewisse Grenzen.

Nun fragt es sich: geschieht nicht wesentlich dasselbe auch in Beziehung auf die menschliche Gesellschaft? Jeder sociale Organismus repräsentirt ein vielzelliges organisches Wesen, das in Folge der Vermehrung der Individuen innerhalb des Organismus wächst und im Fall des Hinauswachsens über gewisse Grenzen diese von sich abtheilt. Diese Trennung geschieht entweder durch einfache Auswanderung eines Theils der Glieder der Gesellschaft, oder durch Gründung neuer Kolonien.

Da die menschliche Gesellschaft im Vergleich mit den Organismen der Natur ein höher stehender ist, dessen einzelne Zellen mit einer grösseren Selbstthätigkeit begabt sind, so wird eine solche Trennung einzelner Individuen vom socialen Organismus auch durch eine grössere Freiheit und Selbstthätigkeit, als bei einer Abtrennung einzelner Zellen der Naturorganismen, bedingt und sichtbar. Es besteht hier folglich wieder nur ein relativer, aber kein wesentlicher Unterschied. In Folge der vielseitigeren Entwickelung des socialen Organismus sind auch die Bedingungen der Vermehrung, des Wachsthums und der Abtrennung einzelner Zellen von ihm selbst viel complicirter, als die entsprechenden Bedingungen der Entwickelung in der organischen Natur, die Fundamentalgesetze aber der Entwickelung sind dieselben.

Das gegenseitige Verhältniss selbst zwischen Wachsthum, Hinauswachsen und Vermehrung des Organismus einerseits und der Nahrung, die er sich aneignet, andererseits, ist ein homogenes in der Natur und in der Gesellschaft. Herbert Spencer in seinen > Grundlagen der Biologie erklärt die Grenzen, welche das Wachsthum des Organismus beschränken, dadurch, dass der Verbrauch der Nahrung überhaupt schneller vor sich geht, als das Wachsthum selbst. In Folge dessen besteht zwischen der Vermehrung der Nahrung und der Zunahme des Wachsthums kein gleiches Verhältniss; im Gegentheil, es muss, bei Gleichheit aller übrigen Bedingungen, der Ueberschuss der vom Organismus aufgenommenen Nahrung über die wirklich verbrauchte Masse sich nach Massgabe der Vergrösserung der Dimensionen des Thieres verringern.

Lässt sich dieses Gesetz nicht mit Fug und Recht auch auf die menschliche Gesellschaft anwenden? Vergrössert sich nicht, entsprechend der ökonomischen Entwickelung der Gesellschaft, die Consumtion verhältnissmässig in höherem Grade, als die Vermehrung der Bevölkerung, d. i. als das innere Wachsthum der Gesellschaft zunimmt? Man vergleiche z. B. nur die statistischen Tabellen über Production und Consumtion eines beliebigen Staates in Europa mit den gleichzeitigen Tabellen der Bewegung der Bevölkerung desselben Landes, und man wird sich unzweifelhaft von der Richtigkeit der Anwendung dieses Gesetzes auch auf den socialen Organismus überzeugen.

Eben so besteht auch eine vollständig reale Analogie zwischen den verschiedenen Entwickelungsperioden der Naturorganismen und der menschlichen Gesellschaft.

In der organischen Natur hängt die Entwickelung eines jeden pflanzlichen und thierischen Individuums, und eben so einer jeden besonderen Art und Gattung, hauptsächlich von drei Perioden ab: von der Aufblühzeit, der Blüthezeit und der VerBlühzeit.

Die Periode des Aufblühens charakterisirt sich nach Häckel (Generelle Morphologie) vorzugsweise als Periode der Zunahme des Wachsthums. Die Zahl der Zellen innerhalb des Organismus und die Zahl der Individuen derselben Art und Gattung vergrössern sich, sie nehmen einen immer grösseren Raum ein und zwar so lange, bis die Art oder Gattung im Kampfe um's

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