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des Staatsstreichhofes auftreten? So war ich in der sonderbaren Lage, mich vor dem Verhörrichter zu einer Nothlüge gezwungen zu sehen, wo mir die volle Wahrheit unmittelbare Dienste geleiftet hätte.

In den auf das Verhör folgenden Tagen erlaubte man mir täglich eine Stunde lang unter freiem Himmel, zwischen zwei Mauern, in einem zwanzig Schritte langen Gange zuzubringen. Ich hörte wohl, daß Leidensgefährten rechts und links von mir lustwandelten, aber ich konnte sie nicht sehen; von menschlichen Wesen bekamen wir blos den Wächter vor dem eisernen Gitter am Ende der Allee und den andern Wächter auf der Höhe der Laterne, von wo aus er sämmtliche in Sternform auslaufende Alleen überschauen konnte, zu Gefichte. Der Wächter am Gitter verkürzte mir die Zeit mit Erzählungen aus der Belagerung von Danzig.

Bald kam auch die Erlaubniß, zweimal in der Woche, während einer Stunde, Besuch zu empfangen. Man empfing diese in einem weiten Sprechsaale, der durch ein doppeltes Drahtgitter in zwei Hälften getheilt ist. Zwischen den Drahtgittern ist ein breiter, leerer Raum. In der einen Hälfte des Saales befinden sich in kleinen Logen, die kaum zwei Personen faffen können, die Besucher; in der anderen Hälfte, in entsprechenden Logen, die Gefangenen. Man sieht seine Freunde nur in der Ferne und durch zwei Gitter; man kann ihnen nicht die Hand drücken, und es ist einem zu Muthe, als wäre man durch Welten von ihnen getrennt. Es ist ein Gefühl, wie man es manchmal in einem schweren Traum hat; man will vorwärts, voll Sehnsucht nach einem geliebten Gegenstand, aber man ist gebannt, festgewurzelt, keiner Bewegung fähig. Doch habe ich hinter diesen Gittern manchen schönen Augenblick genossen. Wie dunkel auch der Raum gewesen, ich konnte doch die Thränen sehen, die in übertriebe ner, darum nicht minder liebenswürdiger Besorgniß um mein Schickfal floffen. Da erschien auch das wohlthuende, wohlwollende Gesicht Ferdinand Hiller's, daraus mir seine ganze schöne Symphonie: „Es muß doch einmal Frühling werden!" wie aus einem ganzen Orchester in heiteren Fanfaren entgegengrüßte. Ich schwor es mir damals, ihm den Text zu einem Oratorium zu schreiben, nach dem sich seine musikalische Seele, die sich nur in Compositionen großen Stiles genügen kann, wie der Hirsch nach Wasserquellen sehnte, und ich habe mir Wort gehalten. Möge er mit seinem,,Saul" die Philister und prahlHänfigen Reclamegoliathe der Musik schlagen; da kam auch der Minister der Republik, Herr Frelon, um mir seinen juristischen Rath und Beistand, und die liebenswürdige, geistreiche Madame Mohl, die Frau unseres gelehrten Landsmannes und die Freundin der Madame Recamier, um mir die Hülfe ihrer zahlreichen Verbindungen anzu bieten. Und wie viele andere liebe Freunde und Freundinnen!

Endlich kam auch der Avocat-General, Herr Meßinger, den ich, als eine Gerichtsperson, durch kein Gitter getrennt empfangen durfte. Er unterrichtete mich, daß nun die Sachen so weit gediehen seien, um Freilassung gegen eine Geldcaution und auf Bürgschaft eines französischen Bürgers verlangen zu können. Sofort feßte ich das Gesuch auf, und nicht drei Tage vergingen, da, — es war schon gegen Abend da hörte ich mit wunderbar geschärften Sinnen durch die dicke Kerkerthür den herrlichen Ruf „Liberté!" — Die Riegel sprangen, und Liberté! scholl es deutlich in meine Zelle. Und wie ich auf den Gang eilte und immer weiter die Treppe hinab und dem Ausgang entgegen, rief ein Poften dem anderen zu: Liberté, und wie ein Echo scholl es weiter Liberté! bis der schöne Ruf an der leßten Gitterthür verhalte: Liberté!

Da standen vor einem Fiaker meine beiden Bürgen, Ferdinand Hiller, und der seinen Grundsäßen allzeit getreue, seinen politischen Glaubensgenoffen immer hülfreiche Banquier, Herr Leopold Königs warter, und fort gings mit verhängtem Zügel in die Freiheit.

Der ganze Riesenprozeß, der mit so viel Lärm angefangen, zerrann in Nichts; Verschwörung, geheime Gesellschaft, Korrespondenten-Verbrechen, Alles sank ins Wasser. Die ganze Affaire schrumpfte zu einer polizeilichen Verfolgung zweier der mit uns verhafteten Franzosen wegen schlechter Wiße zusammen. Das Polizeiminifterium hatte feine Unfähigkeit, seine Unkenntniß der Personen und der Verhält niffe bewiesen und zu unserer Genugthuung wie zur Freude der altehrwürdigen Polizeipräfektur war es kurze Zeit darauf vom Schauplage verschwunden, um nicht wieder aufzutauchen. Wir hatten den Troft, daß unser Märtyrerthum doch zu etwas gut gewesen; nicht alle Märtyrer können das von sich behaupten.

Meine Blumen und Blüthenbäume haben wohl die Stuben meiner guten Kerkermeister geschmückt, meine zurückgelassenen Pasteten und Weinflaschen ihre Abende erheitert. Möge ihnen Beides wohl bekommen sein! Aber wer Amelie gewesen, nach der ich mich in meiner Einsamkeit, von der Inschrift wie von einer Zauberformel gezwungen, gesehnt habe, konnte ich bis auf den heutigen Tag nicht erfahren.

Oh Amélie! où êtes-vous à-présent ? *

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,,D. Juan Tenorio" behandelt die uns durch die Oper,,Don Juan" bekannte Geschichte, jedoch mit kecken, echt spanischen Nüanzen. Zwei Erzlibertiner, Luis Mejía und Juan Tenorio, kämpfen um die Palme der Libertinage, die demjenigen zufallen soll, der in einem Jahre am meisten Unheil gestiftet. In Sevilla - alles Bedeutende im spanischen Leben wird dahin versezt wollen sie sich zur Karnevalszeit wieder treffen und sich ihre Abenteuer erzählen. Mit dieser Begegnung beginnt das Drama. Beide Kavaliere bringen die geschriebene Liste ihrer Abenteuer mit, und da stellt sich heraus, daß D. Juan 32 Männer im Duell erstochen und 62 Weiber betrogen hat, während D. Luis von den Ersteren nur 23, von den Leßteren 56 aufzuweisen vermag. Eine Novize, die eben das Gelübde ablegen wolle, meint D. Luis, fehle D. Juan noch; dies nachzuholen, giebt er ihm 20 Tage; D. Juan will nur 6 Tage und erklärt D. Luis, in dieser Zeit wolle er noch dazu die Braut eines guten Freundes, und zwar D. Luis' eigene, verführen.

D. Luis läßt ihn nun verhaften und begiebt sich zu seiner Braut, um sie zu schüßen. Allein D. Juan, der den Gefängnißwärter bestochen, folgt ihm auf der Ferse und hört, wie Doña Ana endlich einwilligt, D. Luis zu ihrem Schuße um 10 Uhr bei sich einzulaffen. Dies genügt: D. Juan erscheint zur festgefeßten Stunde, läßt D. Luis knebeln und eilt in seinem Mantel in das Haus der Doña Ana, wo er sein Verbrechen vollzieht.

Schon vorher hat er aber durch Bestechung der Dueña seiner eigenen Braut, Doña Jnes, den Einbruch in das Kloster, wo diese lebt, vorbereitet und durch Liebesbriefe die Ruhe des Mädchens gestört. Von Doña Ana weg eilt er nun mit dem Schlüssel der Dueña ins Kloster, bestürmt Doña Jnes mit seiner Liebe und trägt die ohnmächtig Gewordene fort. In seinem Laudhause, fern von Sevilla, kommt sie wieder zu sich und will in höchster Aufregung entfliehen, aber es gelingt D. Juan, durch die Sprache der heißesten Liebe, die diesmal nicht erlogen ist, fie so zu bethören, daß sie sich in seine Arme wirft. Da erscheint D. Luis, um ihn für die an Doña Ana verübte Schmach zur Rechenschaft zu ziehen, und gleich darauf auch der wüthende Vater der Doña Jnes. Vergebens wirft sich D. Juan vor diesem auf die Kniee, erklärt ihm, daß er Ines und ihre Tugend anbete, daß sie ihn verwandelt habe und er fortan ein anderer Mensch sein werde; der Alte will nichts hören. Zugleich tritt D. Luis hervor und heißt ihn einen winselnden Feigling. Wüthend, den Weg zur Tugend sich so verfchloffen zu sehen, schießt D. Juan den D. Luis nieder, und da auch der Alte auf ihn eindringt, ersticht er auch diesen in der Selbstvertheidigung, wirft sich dann vom Balkon in den Guadalquivir und entflieht.

Wir finden ihn wieder in der Grabstätte der Tenorio's, wo der zweite mystische Theil beginnt. Sein Vater hat hier alle Bildsäulen der Tenorio's, die der Ines und ihres Vaters, des Komthurs, aufstellen laffen. Die Gestalt der Doña Jnes übt von neuem ihre Gewalt an D. Juan; Schmerz, Reue, Liebe beftürmen ihn bei ihrem Anblick. Da erscheint plößlich ihr Schatten und verkündet ihm, daß er mit ihr das ewige Leben theilen oder mit ihr verderben solle; so habe Gott auf ihr Flehen für ihn beschloffen. — Noch erschüttert von dieser Erscheinung, wird er von einigen Freunden heimgesucht, die seine Verstörung der Furcht vor den Statuen zuschreiben. Allein D. Juan benimmt ihnen diesen Argwohn, indem er die Bildsäule des Komthurs bei sich zu Tische ladet.

Eben erzählt er ihnen bei der Tafel seine Geschichte, als es an der Hausthür, dann immer näher und näher pocht. Wenn es ein Geist ist, meint D. Juan, so braucht der Kerl nicht zu pochen, er soll durch die Wand kommen. So geschieht es, zum Entseßen der Freunde, die beim Anblick des Komthurs das Bewußtsein verlieren. D. Juan faßt sich jedoch bald und weist den Komthur an den für ihn hergerichteten Plaß; doch dieser ladet ihn nun selbst zu sich und zum Gerichte Gottes, eine Einladung, die D. Juan mit frohem Muthe annimmt, nachdem er noch durch einen Pistolenschuß sich überzeugt hat, daß er wirklich einen Geist vor sich habe. Jest erwachen die

Vgl. Nr. 8 des „Magazin".

Freunde und beschuldigen D. Juan, etwas Narkotisches in den Wein gethan zu haben, um ihnen ein Geschichtchen vom Komthur aufbinden zu können, der während ihrer Bewußtlosigkeit dagewesen. Es kommt zum Streit und Duell, in welchem ein Freund fällt.

Wieder finden wir D. Juan auf dem Kirchhofe im Grübeln über sein Schicksal versunken. Er ruft dem Komthur: da wandelt fich deffen Grab in eine Tafel, die anderen Gräber öffnen sich, und die von D. Juan Erschlagenen feßen sich an dieselbe, wohin ihn der Komthur einladet. Feuer und Asche sind dort die Gerichte; die Sanduhr zeigt, daß sein Leben abgelaufen. Jezt endlich will D. Juan bereuen, aber der Komthur erfaßt ihn, um ihn zur Hölle zu führen. Da erscheint Doña Jnes und verkündet Gottes Barmherzigkeit. Die Schatten verschwinden; aus den Blumen steigen Engel, und unter einer himmlischen Musik sinkt D. Juan zu den Füßen der Doña Ines und stirbt.

Dieses Drama, welches mit dem Triumphe der Sinnlichkeit beginnt und mit dem der Religion endet, giebt sich hierdurch als eine Art, Fauft"-Tragödie zu erkennen, die aber in echt spanischem Geist, wie schon Calderon's,,wunderthätiger Magier", nicht in einer seltsamen Phantasie, sondern in der Religion ihren fertigen Abschluß findet. Es versteht sich auch, daß man dieses Drama nicht nach seiner Darstellungsfähigkeit, sondern lediglich als Gedicht beurtheilen muß. Als solches bleibt es, trog mancher Längen, sehr fesselnd. Manche Thatsachen, wie die Entführung der Doña Jnes, die Tödtung des Alten, die Einladung zum Gastmahl, sind beffer motivirt als in der Oper. Dadurch aber, daß D. Juan Doña Jnes wirklich liebt, gewinnt er sich die Sympathie des Lesers, die der einfache Bruder Lüderlich nicht beanspruchen kann. Wünschenswerth wäre indessen eine größere Ausführung des Charakters der Doña Ines gewesen, deren Liebe zu D. Juan nur angedeutet ist.

Das Doppel-Drama: „Der Schuster (zapatero) und der König“, schildert in zwei Theilen den Charakter D. Pedro's des Grausamen, Königs von Kastilien, der an Richard III. erinnert; doch entspringt die Härte und Grausamkeit D. Pedro's nicht gemeiner, boshafter Gesinnung, sondern angeborner, ungezähmter Leidenschaftlichkeit. Im ersten Theile, den wir nur kurz berühren, entspinnt sich zu Sevilla eine Verschwörung gegen den König. Die Verschwörer kommen nächtlicher Weile in einer Kirche zusammen und suchen durch eine geisterhafte Verhüllung das Volk glauben zu machen, daß Geister hier umgehen. Ein Schuster, der das Wahre an der Sache entdeckt und Bestechung zurückgewiesen hat, wird von den Verschwornen niedergemacht. Der König, der unter der Maske des Soldaten deffen Tochter liebt, wird hierdurch auf die Verschwörung aufmerksam, und es gelingt ihm, mit Beihülfe des rachedürstenden Schustersohnes, sich der Verschwornen zu bemächtigen und ihre Pläne zu vernichten.

Dieses erste, ein reines Intriguenstück, bildet die Einleitung zu dem vieraftigen zweiten Theile, in welchem der Schusterssohn eine Hauptrolle spielt. Der König hat ihn nicht nur Rache für den Mord seines Vaters nehmen lassen, er hat ihn zum Edelmann und Capitain gemacht, wofür ihm Blas eine Dankbarkeit, eine Hingebung widmet, die zur Schwärmerei wird, denn er weiht dem Könige nicht nur sein ganzes Wesen, sondern auch seine Liebe, wie er dies in den Worten ausspricht:

in meiner Brust lebt keine Leidenschaft als 3hr,
Ihr seid mein Muth, mein Glaube, ja mein Leben;
In meinem Herzen geht Euch Niemand vor:
Nicht Religion, nicht Liebe nichts! Ich lebe,

Um Euch zu dienen nur.

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Sagt mir:

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ich geh' und stoße zu,

der schönen Frauenwelt Englands das lebhafteste Intereffe zu erregen, läßt sich leicht denken. Die zahlreichen Leserinnen des Buches in Großbritannien freuen sich in dem Gedanken, daß einft auch ihre Prinzessin Victoria cine würdige Nachfolgerin solcher von der Nachwelt gefegneter Königinnen sein werde.

وو

Russisch-japanesisches Wörterbuch. Als die katholischen Missionare im sechzehnten Jahrhundert nach Japan kamen, schien ihnen die dortige Volkssprache so schwer, daß fie dieselbe für eine Erfindung des Teufels erklärten, um die Verbreitung des Evangeliums zu erschweren. Troßdem war es ihnen gelungen, sich einigermaßen mit dem Japanesischen bekannt zu machen, als die gegen fie verhängte Verfolgung und die völlige Proscription des Christenthums im Jahre 1597 ihren Studien ein Ziel seßte. Erst vor einigen dreißig Jahren richtete sich die Aufmerksamkeit der europäischen Sprachforscher wieder auf Japan, indem der berühmte Orientalist Abel Remusat die Grammatik des Jesuiten Rodriguez und Klaproth sein Mémoire sur l'introduction des caractères chinois au Japon" herausgab. Seitdem lieferten namentlich Siebold, Hoffmann, Pfizmaier und der englische Missionar Medhurst werthvolle Beiträge zur Kennt niß der japanesischen Sprache, welche endlich durch die amerikanische Expedition des Commodore Perry in eine ganz neue und fruchtbringende Phase getreten ist. Die Handelsverbindungen, welche die Amerikaner mit jenem lange verschlossenen Inselreich eingeleitet, wurde für sie Veranlassung, auch die Sprache deffelben zu studiren; es erschien in New-York eine japanesische Botanik, mit englischer Uebers segung und Anmerkungen (1855), und eine japanesische Version des Evangeliums St. Lucae (1856). Zu gleicher Zeit hatten bekanntlich auch die Russen eine Expedition nach Japan unternommen, als deren erstes wissenschaftliches Resultat man soeben in Petersburg ein russischjapanesisches Wörterbuch veröffentlicht hat.) Dasselbe ist von dem Herrn Goschkewitsch ausgearbeitet worden, der sich in der Eigenschaft eines Dolmetschers im Gefolge des russischen Botschafters und Admirals Putiatin befand und der durch einen zehnjährigen Aufenthalt in Peking bei der dortigen russischen Mission Gelegenheit hatte, sich eine praktische Kenntniß mehrerer ostasiatischen Dialekte zu erwerben. Er wurde in seiner Arbeit durch einen gebornen Japanesen, Tazibanana-Koosai, unterstüßt, der den Ruffen nach ihrem Vaterlande gefolgt ist, wo er neulich die Taufe mit dem Namen Wladimir Offipowitsch Jamatov (Jamato nennen sich nämlich die Japanesen selbst) angenommen hat. Die Mitwirkung eines solchen Kollegen muß dem Herrn Goschk witsch ohne Zweifel bei der Ausarbeitung seines Werkes sehr zu statter gekommen sein; auch wird es von russischen Blättern als das beste japanesische Lerikon gerühmt, das bis jest erschienen ist. Unsererseits begnügen wir uns damit, auf diese jedenfalls interessante, linguistiche Erscheinung aufmerksam zu machen, indem wir das unparteiischere Ur theil deutscher Sprachkenner darüber abwarten. Der Verfasser ist, wie aus den neuesten Petersburger Zeitungen ersichtlich, in diesen Tagen zum zweitenmal nach Japan avgereist, um in Folge des ver dem Admiral Putiatin mit der japanesischen Regierung abgeschloffenen Vertrages das Amt eines Konsuls in Hakodade, auf der Insel Jeffo, zu übernehmen. Er wird von seiner Frau begleitet, und soll dies, wie es heißt, das erste Beispiel sein, daß einer Europäerin gestattet wird, sich in Japan aufzuhalten.

*) Русско-японскій словарь, сост. ОсипомЪ Гошкевичемъ. Спб. 1857.

Und dank' Euch für die Krume Brods, die Ihr

Mir zuwerft. Ja, ich liebe sie (Ines),

Ich bete sie wie eine Gottheit an, sie ist

Mein Sein und Hoffen, doch, Señor, sprecht nur:

,,Es falle meine Rache über sie!" und Eurem Ruf

"

Gehorsam, werd' ich selbst ihr Henker.

(Schluß folgt.)

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Böchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thir. 20 Sgr. und viertel jährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 38.

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Literatur des Auslandes.

Frankreich.

Berlin, Dienstag den 30. März.

Brachvogel's, Narciß“ vor dem Forum der französischen Kritik. Während die neue Revue Germanique den Franzosen einige Akte des,,Fechter von Ravenna" vorführt, bespricht Herr St. René Taillandier in der Revue des deux Mondes (vom 1. März) daffelbe Drama Friedrich Halm's, das der kundige französische Kritiker für das beste deutsche Theaterstück der neueren Zeit erklärt. Es ist diese Anerkennung in schägbarster Weise von ihm motivirt, und man wird ihm auch in Deutschland darin gern beistimmen, wenn auch unter Protest gegen die ästhetischen Doktrinen, die Herr Taillandier in der Einleitung seines Artikels über das deutsche Theater mit einiger Breite dozirt, er, der doch der deutschen Kritik den Vorwurf macht, sich gar zu sehr in dieser Sucht nach Abstractionen zu gefallen. Ja, als eine ganz leere, auf keinerlei thatsächlichen Momenten ruhende Abftraction müssen wir es bezeichnen, wenn Herr Taillandier z. B. in feiner Einleitung sagt: „Ungeachtet der Gleichgültigkeit der großen Menge (gegen das Theater), sucht das gebildete Deutschland immer noch seinen dramatischen Dichter. Es giebt dort Journale, die ausdrücklich gegründet sind, um dramatische Dinge zu besprechen; es giebt dort Professoren der Aesthetik, deren Hauptbeschäftigung darin besteht, eine Form der dramatischen Kunst aufzufinden, die derjenigen, welche Shakspeare und Calderon, Corneille und Racine, Goethe und Schiller verherrlichten, überlegen sei (?!). Nun, so suchen wir denn mit Deutschland den so viel erwarteten Dichter; wir sind neugierig, zu erfahren, ob in diesem Lande der Theorieen für Alles, der transfcendentalen Aesthetik, wirklich eine neue dramatische Theorie sich aufgethan hat". Ganz konsequent ist es, wenn, bei dieser vorgefaßten Meinung von dem Lande der Theorieen, Herr Taillandier nicht blos die Idee des der geschichtlichen Wahrheit, wie den Bedingungen der Kunst, Hohn sprechenden Trauerspiels „Narciß“, sondern auch dessen Erfolg in Deutschland der eingebildeten Sucht nach einer neuen dramatischen Theorie oder gar dem Einflusse einer ästhetischen Schule beimißt. Herr Brachvogel, der Verfaffer des „Narciß“, gehört weder einer Schule an, noch ist er bei Abfassung dieses Trauerspieles von irgend einer philosophischen Idee ausgegangen und beherrscht gewesen. Ihm war es allein um den Erfolg auf den Brettern zu thun, und diesen hat er, wenn auch auf Kosten der historischen und der ästhetischen Wahrheit, erreicht.

Doch abgesehen von diesem Irrthum hinsichtlich der Schultheorie und der „transscendentalen Aesthetik“, erscheint uns das Urtheil, das Herr Taillandier über ,,Narciß" fällt, vollkommen gerecht. Wir können uns sehr wohl in die Lage und den Unwillen eines Franzosen verfeßen, der in diesem Stücke die Zeit Voltaire's und der Encyklopädisten so willkürlich traktirt und die bekanntesten historischen und literarischen Personen so mißhandelt sieht. Eine ähnliche Empfindung haben wir, wenn wir die Romane lesen, zu welchen Herr Brachvogel ebenfalls einen Beitrag durch seinen Friedemann Bach" geliefert, in denen Friedrich der Große und feine Zeit verarbeitet sind und worin dem Könige, wie seinen Umgebungen - ganz à La Beauganz à La Beaumelle Gedanken, Redensarten und Beweggründe untergelegt werden, an die sie niemals gedacht, ja, die mit ihrer Natur geradezu in Widerspruch sind.

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Es wird für deutsche Leser nicht uninteressant sein, zu sehen, wie Herr Taillandier die wahre Situation des Narciß Rameau mit der ihm in dem Brachvogelschen Trauerspiel angedichteten vergleicht: ,,Der Held des Drama's", sagt er, „ist jenes verdorbene Genie, jener Gaffen-Philosoph, jener Bettler, Narr und Cyniker, dessen Bildniß Diderot mit solcher Meisterhand gezeichnet. Jedermann er räth, daß Rameau's Neffe dieser Held ist, doch allerdings mit den jenigen Modificationen und Beschönigungen seiner Verrücktheit, die anzubringen der Verfasser sich die Freiheit genommen hat.

,,Es war zum offenen Kriege zwischen den Encyklopädiften und ihren Gegnern gekommen. Die ersten Bände der Encyklopädie wa

1858.

ren erschienen: da wird die philosophische Armee, die bis dahin fast ohne Schwertstreich überall gesiegt hatte, mit einemmale im Theater, in der Akademie und in der Preffe heftig angegriffen. Lefranc de Pompignan macht aus seiner Empfangsrede in der Akademie einen Anklageakt gegen den neuen Geist; Palissot schreibt sein Lustspiel: Die Philosophen", worin Rousseau, Diderot und d'Alembert dem Spotte des Theaterpublikums preisgegeben sind, und Fréron und Desfontaines klatschen dazu Beifall in ihren Zeitungen. Es sind dies die Pariser Kämpfe von 1760. Voltaire vervielfacht fich; niemals ist das Sprühen feines Wiges stärker und furchtbarer gewesen. Gegen die Zeitungsschreiber schleudert er seine Satire vom,,armen Teufel", und gegen Lefranc de Pompignan fliegen, wie kleine, zischende Naketen, jene Pamphlete mit den beißenden Si, Quand und Pourquoi. Palissot hatte Voltaire nicht angegriffen; er hatte an diesen sogar ein Schreiben gerichtet, worin er ihn von Diderot und dessen Gesellschaft absondert: Palissot mußte daher von einem Anderen gezüchtigt werden, und dieses Geschäft fiel Diderot zu. Leßterer will, nach Voltaire's Vorgang, ebenfalls einen „armen Teufel" fchildern; er will jene Hungerleider von Pamphletisten darstellen, die für Geld Alles thun; er entwirft daher ein Bild von dem Leben der Journalisten des achtzehnten Jahrhunderts, worin das Treiben in den Kaffeehäusern und der literarischen Klicken mit Meisterhand gemalt ist.

,,Unter diesen Leuten, welche Voltaire die schreibende und kabalirende Canaille“ nennt, ist es vornehmlich Einer aus der Palissotschen Klicke, den Diderot in das Auge faßt: es ist ein Musiker, der Neffe Rameau's, ein durch Laster und Elend aller Art heruntergekommenes Genie. Ihn wählt Diderot zum Modell seines Bildes, und daher folgt er ihm Schritt für Schritt. Inzwischen war Diderot doch viel zu enthusiastischer und wohlwollender Natur. Was hilft es ihm, daß er sich mit dem ganzen Zorne gegen Palissot bewaffnet? Er bringt die Arbeit nicht zu Stande; er ist nicht zum Satiriker gemacht. Während er einen „Pauvre Diable" schreiben will, wie ihn Voltaire, voll gelehrter und grausamer Ironie, zu einer unsterblichen Figur ge= macht hat, gestaltet sich ihm das Bild unter der Hand um; er vergißt die Komödie Palissot's über das Original, mit dem er beschäftigt ist, und statt dieses, wie er gewollt, von seiner verächtlichen Seite aufzufaffen und darzustellen, fängt er an, es liebzugewinnen.

,,Sein Held flößt ihm schmerzliche Sympathieen ein, und so schildert er neben seinem Cynismus sein Genie, neben seiner Niederträchtigkeit seinen Enthusiasmus und neben seiner Verrücktheit den gefunden Verstand dieses armseligen Abenteurers. Daraus ist nun jene handfeste, zuweilen ertravagante, stets aber nackte, unverschämte und darum eben um so wahrer aufgefaßte Gestalt geworden, die uns einen tiefen Einblick in die literarische und sittliche Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts thun läßt. Man muß ihn hören, diesen enthusiastischen Musiker, besonders wenn Diderot ihm Fragen über die Musik vorlegt und er vom Dämon seiner Kunst hingeriffen wird. Welche Begeisterung! welche Grimassen! welche Verzerrungen! welche großartige Karikatur! Verblüfft und in Verwirrung gebracht, fragt Diderot ihn, warum er nicht arbeite, warum er dieses diabolische Feuer, diese Begeisterung, nicht zu meistern und zu einem ernsten Zwecke zu verwenden wisse, warum er seinen Genius so elendiglich verkommen lasse? Hier war Stoff zu einem Manne, und doch war nur ein Bajazzo aus ihm geworden.,,Armer Rameau, warum komponiren Sie nicht?" - Ach, mein Herr Philosoph, die Noth, fie ist ein grausames Ding, sie ist das Leichentuch des Talentes. Ich sehe sie, mit den Zähnen grinsend, mit trockener, brennender Zunge gierig und fast sterbend nach einigen Tropfen Wassers verlangend, die durch das Danaïdenfaß laufen............. Ich weiß nicht, ob die Noth den Geist des Philosophen stählt, aber dessen bin ich gewiß, daß sie die Gluth der Dichter und der Musiker furchtbar erkalten macht. Es singt sich schlecht unter einem solchen Danaïdenfaffe"".

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„Die Noth, sie ist die Entschuldigung für die Verworfenheit Rameau's; die Kunst, sie ist das Einzige, was ihn auf Augenblicke erlöst und ihn über sich selbst erhebt. Sobald er auf seinen Schmutz

zurückfällt, ist er eben nur der entlassene Lakai einer Schauspielerin und rächt er sich für die Demüthigungen seines Lebens, indem er den widerwärtigsten Materialismus, den es jemals gegeben, als sein Glaubensbekenntniß affektirt.

,,So war Rameau's Neffe, wie ihn ein Maler, der ihn gut gekannt, nach der Natur gezeichnet. Es ist zu gleicher Zeit das Bild niß eines Menschen und das Bildniß einer ganzen Menschenraçe im achtzehnten Jahrhundert. Sehen wir jeßt, was Herr Brachvogel daraus gemacht. Narcis Rameau ist in dem Trauerspiel eine treue Seele, die durch ein tiefes unverdientes Leid in Verzweiflung und Wahnsinn gestürzt worden. Er war verheiratet; seine Frau war jung, schön, und er liebte sie mit Leidenschaft, doch eines Tages ging fie fort und ist nicht mehr zurückgekehrt. Von einem vornehmen Herrn verführt, in den Strudel des Pariser Lebens hineingezogen, hat sie den bescheidenen Heerd des Künstlers verlassen, und wer weiß, in welchen vergoldeten Sälen, oder in welcher verpesteten Kloake, die Unglück liche jezt ihre Schande hinschleppt! Narciß hat sich nicht die Mühe gegeben, ihren Spuren nachzugehen; die Welt ist seit jenem Tage in seinen Augen nichts als ein Sammelplag von Niederträchtigkeiten. Er rächt sich an dem Universum: er gießt Hohn über das Menschen geschlecht und über denjenigen, der es geschaffen. Das Genie, das er mit auf die Welt gebracht, und das große Dinge hätte produziren können, soll ihm nur noch dazu dienen, sich selbst herabzusehen. Jedes Wort, das aus seinem Munde kömmt, ist vergifteter Spott; man hört ihm zu, man lacht, aber man hat die Spiße des Dolches empfunden, und die Wunde wird lange bluten. Täglich, Morgens wie Abends, erblickt man Narciß, die Bitterkeit im Herzen, den Spott auf den Lippen, die Kleinen wie die Großen anfallend, auf den Boulevards, in den Theatern und in öffentlichen Gärten. Wer aber ist jene Frau, deren Verrath die treue Seele von Narcis so umgewandelt hat? Staunen wir die Einbildungskraft des Herrn Brachvogel an: jene Frau ist Niemand anders, als die Marquise von Pompadour in eigener Person. Antoinette Poisson war nämlich, bevor sie Herrn Lenormand d'Etioles geheiratet, die Frau von Narciß Rameau gewesen. Seit dem Tage, an welchem Antoinette ihren Mann verließ, hatten Beide sehr verschiedene Wege eingeschlagen Der ehrliche Kerl von Mann hat eine Schmach nach der anderen erlebt, bis er sich in der niedrigsten Hefe der Gesellschaft sah; das schuldvolle Weib dagegen ist, von einer Ehrenstaffel zur anderen, bis zu den Stufen des Thrones gelangt. Um Darstellung dieses Kontrastes ist es Herrn Brachvogel namentlich zu thun gewesen, und darum hat er mit solcher Dreistigkeit alle geschichtlichen Ueberlieferungen verleßt.

,,Einmal entschlossen, über Personen und Zustände der Vergangen heit nach Willkür zu verfügen, scheut sich Herr Brachvogel selbst vor den lächerlichsten Erfindungen nicht mehr. Die Ehe von Antoinette Poisson und Narciß Rameau ist eine ganz zulässige Phantasie im Vergleich mit den Dingen, die nun noch kommen. Das Drama beginnt in dem Augenblicke, wo die Marquise von Pompadour im Begriff ist, den König Ludwig XV. zu heiraten! Seien Sie nicht zu ungehalten; die Sache ist einmal so eingeleitet, und es läßt sich nichts baran ändern; ohne diese Episode wird das Drama unmöglich. Frau von Pompadour wird also die Königin entthronen und sich in NotreDame krönen lassen. Herr Brachvogel besißt über diesen Punkt die genauesten Nachrichten: es haben lange Unterhandlungen mit Nom stattgefunden; die Botschafter der Marquise haben vom Papst die nöthigen Dispense erhalten, um darauf hin die Ehescheidung des Königs zu bewirken; in einigen Tagen wird Antoinette Poisson-Rameau-Etioles Königin von Frankreich sein. Inzwischen hat aber auch die regierende Königin ihre Partei, und diese hält sich keinesweges schon für geschlagen. Ein Ereigniß seltsamer, mysteriöser Art hat den Männern dieser Partei, welche die unverschämten Prätensionen der Favoritin zu Schanden machen wollen, neue Hoffnungen eingeflößt. Als nämlich Frau v. Pompadour vor einigen Tagen in ihrer Equipage über die Boulevards fuhr, erblickte sie plöglich ihren Mann. „Narciß!" ruft sie und bekömmt eine Ohnmacht. Ich habe vergessen, zu sagen, daß Frau v. Pompadour nicht weiß, was aus Narciß geworden, und daß der sonst so in allen Dingen bewanderte und stadtkundige Narciß völlig unwissend darüber ist, was aus seiner Frau geworden und welcher Herkunft eigentlich die bisher niemals von ihm in Person erblickte Marquise v. Pompadour sei. Zum Verständniß dieser überraschenden Combination haben wir auch noch hinzuzufügen, daß, bei dem Anblick ihres Gatten, in Frau v. Pompadour die Erinnerung an ihre Jugendliebe erwacht ist, und daß sie, mitten unter ihren Triumphen, von einem plöglichen Widerwillen und von Gewissensbissen ergriffen, durch die Mahnungen ihres Herzens zu jener ersten, so wahren und reinen Neigung zurückgeführt wird, die von ihr in so treuloser Weise verrathen worden war.

,,Der Ausruf und die Ohnmacht der Favoritin sind nicht unbemerkt geblieben. Wer ist Narciß? fragen die Freunde der Königin. Warum ist sie bei seinem Anblick in Ohnmacht gesunken? Welcher

Zusammenhang findet zwischen ihr und diesem Vagabunden statt? Eine königliche Schauspielerin, Demoiselle Doris Quinault, die sich ganz besonders man weiß nicht recht, warum? der Verfasser wird es aber wohl wissen für die Königin interessirt, ist die Erste, die auf den Gedanken kömmt, daß man von diesem Verhältnisse Nugen ziehen könne, um die Intriguen der Favoritin scheitern zu machen. Sie zieht Narciß an sich und weiß ihm sein Geheimniß zu entreißen. Und während Dlle. Quinault an die Mittel denkt, diese unschäßbare Geschichte auszubeuten, vertraut sich Frau von Pompadour, die vom Dämon ihres Herzens gequält wird, dem Minister, Grafen von Choiseul, an dem Minister, dem sie Ursache hat, am Allerwenigsten zu trauen....."

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Herr Taillandier berichtet nun weiter, wie durch Choiseul in Gemeinschaft mit der Schauspielerin Quinault der Plan zu dem Drama erdacht wird, das man in den Gemächern der Frau v. Pompadour aufführt; wie Narciß in diesem Drama als Samuel, der von der Königin von Juda verlassene erste Gatte derselben, auftritt; wie sich Antoinette und Narciß erkennen und mit welchen Phrasen und Tiraden, die von Herrn Taillandier in's Französische überseht werden, diese ihren Geist aufgeben. Auf den Umstand, daß ein Wigwort der Höflinge Ludwig's XV:,,Après nous le déluge!" der sterbenden Pompadour als emphatischer Ausruf in den Mund gelegt wird, haben wir selbst schon einmal mit der Bemerkung hingewiesen, daß dergleichen Quiproquo's ganz geeignet seien, uns in den Augen der spottlustigen Franzosen lächerlich zu machen. Herr Taillandier, der nichts weniger als spottlustig ist, kann sich doch nicht enthalten, maliziöse Bemerkungen darüber zu machen, daß ein Stück mit solchen Tiraden und solchen logischen Mißgriffen bei dem ästhetischen Publikum nicht blos in Berlin, sondern in ganz Deutschland, Furore machen konnte. Nicht ein Sittengemälde Frankreichs im achtzehnten Jahrhundert, sagt der französische Kritiker, sondern ein grob gearbeitetes deutsches Melodrama haben wir in diesem „,,Narcis" vor uns, deffen unverdienter Erfolg den Autor zu der Meinung veranlaßt habe, daß er ein großer Dichter sei, der, wie er in der Vorrede zu dem gedruckten Stücke fich ausdrückt, das Recht habe, die Geschichte zu verbessern und historischen Charakteren seine eigenen Motive unterzuschieben. Herr Brachvogel scheine allerdings (meint Herr Taillandier schließlich) unverbesserlich zu sein, doch das deutsche Publikum, das durch seine „transscendentalen Aesthetiker" verleitet worden, dergleichen Mißgeburten für Schönheiten zu halten, müsse man vor solchen kritischen Stimmführern warnen.

Wir können Herrn St. René Taillandier versichern, daß Alles, was er über den Einfluß der deutschen Aesthetiker auf das Publikum sagt, auf einem Irrthum beruht, und daß die transscendentale Philo sophie an dem Erfolge des „Narciß“ ganz unschuldig ist.

Spanien.

Das moderne Drama der Spanier.

IV. Don José Zorrilla.
(Schluß.)

Jene Doña Ines, des Capitains Geliebte, ist die vermeintliche Tochter eines Juan Pascual, eines geheimen Anhängers des Bastards D. Enrique, dem Zener die Auslieferung D. Pedro's, todt oder lebendig, versprochen hat. Allein der Zufall will es, daß der König in das Haus Pascual's geräth und von diesem ungekannt bewirther wird, wobei Pascual sich so energisch gegen das Regiment des Königs ausspricht, daß ihn D. Pedro auffordert, an den Hof zu kommen, wo er ihm Gelegenheit verschaffen wolle, in seinem Sinne und auf eine wohlthätige Weise in die Geschäfte einzugreifen. Pascual folgt dem Rufe und erkennt dort zu spät, daß er den König unter seinem Dache und in seiner Gewalt gehabt hat, wird aber von diesem nicht nur wegen seiner freimüthigen Aeußerungen nicht zur Verantwortung ge zogen, sondern in der That zum ersten Minister und Regenten eingefeßt. Diese Großmuth hält aber den hinterlistigen Pascual nicht ab, einen Aufruhr gegen D. Pedro anzuzetteln. Pascual ist nämlich nicht der einfache Landmann, für den er sich ausgiebt, sondern Guillen de Castro, dejs sen Schwester D. Pedro einst entehrt hat, wofür Pascual Rache nehmer will. Der König hat ihm indessen gleich anfangs nicht getraut und Don Ines der Obhut des Capitains übergeben, um sie im Fall der Noth als Geißel zu gebrauchen. Dieser Fall tritt nur zu bald ein, und der König wird von dem durch Pascual aufgewiegelten Volke bis in seine Gemächer verfolgt und nur dadurch vom Tode gerettet, daß der treue Blas die in seiner Gewalt befindliche Ines mit dem Dolche bedroht. Hierdurch erhält D. Pedro die Freiheit, Sevilla zu verlassen, und begiebt sich mit einigen Getreuen in die Burg Montiel. Von aller Seiten stürmen hier die Feinde auf ihn ein: der Bastard D. Enrique, sein eigenes Volk und ein französisches Heer unter Du Guesclin. — Der Capitain hält bei dem Könige aus und bewacht Doña Jues,

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Der Wachsamkeit des Capitains gelingt es, Pascual, der sich in die Burg geschlichen hat, um seine Tochter zu befreien, festzunehmen und ihm zugleich das Geheimniß, welches über der Geburt der Doña Ines schwebt, zu entreißen. Indessen wird der König durch die Aussprüche seines Astrologen erschreckt, und eine furchtbare Geisterbeschwörung, die an,,Macbeth" mahnt, zeigt ihm in D. Enrique seinen Besieger. Er beschließt daher, ein Anerbieten des Franzosen Du Gues clin anzunehmen und mit seiner Hülfe zu entfliehen. Allein der verrä therische Franzose liefert ihn an D. Enrique aus:

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Uud nun erfolgt ein Zweikampf, in welchem Enrique am Erlie gen ist, aber, durch Du Guesclin verrätherischer Weise unterstüßt, endlich D. Pedro tödtet. Unmittelbar darauf folgt aber die Strafe, denn der Capitain erscheint vor Don Enrique und fordert seinen Herrn. Zu dieser kecken Forderung berechtigt ihn die Wissenschaft von dem Aufenthalte der todtgeglaubten Tochter Enrique's. Alles will dieser für jene Entdeckung hingeben, sein Königreich! Blas verlangt nur seinen Herrn. Als man ihm die Leiche desselben zeigt, erhebt er sich zur furchtbaren Rache an D. Enrique. Er zeigt ihm auf den fernen Zinnen von Montiel seine Tochter, Doña Jnes, in den Händen der königlichen Soldaten und stößt, nachdem er den verzweifelnden Vater gehörig gemartert, in eine Trompete, auf deren

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Ludewig's amerikanische Aboriginal - Sprachen. Wenn wir hiermit einen Gegenstand zur Sprache bringen, der den meisten unserer Leser, selbst den gelehrten, fern liegt, geschieht dies just zunächst deshalb, um ihn etwas näher zu bringen und auf seine Wichtigkeit für die Naturgeschichte der Menschheit aufmerksam zu machen, dann aber auch, um dem hohen Verdienste eines deutschen Gelehrten im Auslande, einem edlen Manne und liebenswürdigen Vertreter der besten Seite des Germanismus in Amerika, ein Denkmal zu sehen.

Wir meinen Dr. Herrmann Eduard Ludewig aus Dresden und sein mühsam mit dem anhaltendsten Gelehrten- und Forscherfleiße in Amerika gearbeitetes Werk über die Literatur der amerikanischen Aboriginal-Sprachen, herausgegeben und vervollständigt von Trübner in London.")

Ludewig, geboren 1809 in Dresden, dort bis 1844 als braver Mann und Jurist wirkend, wanderte im genannten Jahre nach Amerika aus, wo er auch bald als Rechtspraktiker einen guten Namen gewann. Dabei widmete er stets alle seine Mußestunden literarischen, besonders linguistischen und philologischen Studien. Schon 1837 trat er mit seinem,, Livre des Ana, Essai de Catalogue-Manuel", auf seine eigenen Kosten gedruckt, vor das gelehrte Publikum, einige Jahre später mit der,,Bibliothekonomie“. Gleichzeitig studirte und forschte er anhaltend in der noch immer problematischen Hypothese über den Ursprung der amerikanischen Urbewohner. Viele dieser Studien erschienen in Naumann's ,,Serapaeum", wo auch seine werthvollen Abhandlungen über,,Amerikanische Bibliotheken",,,Hülfsmittel für die Amerikanische Bibliographie" und der Buchhandel in den Vereinig ten Staaten Nord-Amerika's" zu finden sind. Nach zweijährigem Aufenthalte in der neuen Welt erschien seine,,Literatur der Ameri kanischen Lokalgeschichte". Diese führte ihn auf sein Hauptwerk: ,,Die Literatur der Amerikanischen Aboriginal-Sprachen", an dem er bis 1856 unablässig und unter den größten Schwierigkeiten arbeitete. Es waren 172 Seiten davon gedruckt, als er am 12. Dezember 1856 starb.

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Es ist ein Verdienst des Herausgebers und Verlegers, das Werk in Inhalt und Form sorgfältig und klar zu Ende geführt und damit eine neue, ungemein reichhaltig vervollständigte Ausgabe von Vater's Linguarum totius orbis index", nach Professor Jülg's Revision von 1847, begründet zu haben. Für Fortseßung und Vollendung dieses Werkes bedarf der Herausgeber des Beistandes aller Gelehrten und Interessenten dieses neuen Zweiges der Wissenschaft, um welchen wir hiermit dringend ersuchen.

Dr. Ludewig war korrespondirendes Mitglied vieler gelehrten Gesellschaften in Europa und Amerika und wurde überall von den betreffenden Gelehrten hoch geschäßt, wie aus dem Nachlasse seiner ungemein umfangreichen Korrespondenz hervorgeht. Im Privatleben zeigte er alle Eigenschaften, die Liebe und Achtung einflößen und ein warmes Andenken zurücklassen.

Stets zugänglich und immer bereit, Jedem mit Rath und That in literarischen Dingen beizustehen, war er ein Schaß für die Wissenschaft in beiden Hemisphären. Sein Verlust wird lange in einem ausgedehnten Kreise wissenschaftlicher und persönlicher Freunde gefühlt werden. In ihm betrauert Deutschland einen der besten Vertreter deutscher Wissenschaft und Gelehrsamkeit in Amerika, den echten Typus einer Klasse von Männern, wie sie nur in Deutschland möglich zu sein scheinen, in denen sich mit dem Genius die, gewissenhafteste, ausdauerndste, ihren Lohn in sich selbst findende, strenge Gelehrsamkeit und Wissenschaft vereinigt. In anderen Ländern sind diese

*) The Literature of American Aboriginal Languages. By Hermann E. Ludewig. With Additions and Corrections by Prof. W. W. TurEdited by Nicolas Trübner. London: Trübner & Co. 60 Paternoster Row. Berlin: Asher & Comp.

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