§ 1. Vergil, Von den drei augusteischen Dichtern, deren Werke Ovid, in den Kanon der klassischen Schullektüre aufgenommen Horaz. sind, ist P. Vergilius Maro der älteste, 70-19 v. Chr., P. Ovidius Naso der jüngste, 43 v. Chr. 17 n. Chr., Q. Horatius Flaccus wenige Jahre jünger als Vergil, 65-8 v. Chr. Alle drei sind von Geburt, Provinzialen in unserem Sinne und stammen der erste aus Oberitalien, der zweite aus Mittelitalien, der dritte aus Unteritalien (Andes bei Mantua - Sulmo im Lande der Paeligni Venusia in Apulien). § 2. Sueton, Servius, Die bedeutendste Biographie Vergils aus der Kaiser- Donat, zeit war die des unter Trajan und Hadrian thätigen Sach- Ribbeck. walters und Schriftstellers C. Suetonius Tranquillus (Kaiserbiographieen) in seinem verloren gegangenen Buche de viris illustribus. Aus ihr schöpfte die Vergili vita de commentario Donati sublata (in der Sammlung der Suetonschen Fragmente von Reifferscheid). Aufser andern enthält auch der Kommentar des Grammatikers Maurus Servius Honoratus im vierten Jahrhundert der Kaiserzeit, dem wir in unseren Erläuterungen vielfach begegnen werden, Notizen zur vita unseres Dichters. Nach den Quellen verfafst ist die narratio de vita et scriptis P. Vergili Maronis von Otto Ribbeck (abgedruckt vor der kleinen Teubnerschen Textausgabe). Derselbe Gelehrte hat eine grofse Vergilausgabe in 5 Bänden 1866 abgeschlossen. § 3. nicht Über die Schreibung Vergilius und Virgilius sagt Vergil, Ribbeck: Indoctorum hominum magistellorumque ridi- Virgil. culam contumaciam, qui praedilectam a pueris nominis Virgilius formam ab impiis novarumque rerum studiosis eripi sibi lamentantur, argumentis testimoniisque delenire pudet taedetque, postquam ante hos quadringentos prope annos Angelus Politianus in miscellaneis Geburt und verum docuit, quod et titulis tam liberae rei publicae § 4. die Mantua Vergilio, gaudet Verona Catullo singt Ovid in einer seiner Liebeselegieen nicht ganz genau, denn der Geburtsort Vergils ist ein pagus bei Mantua, Andes. Geburtsjahr 70. Geburtstag 15. Oktober. Sein Vater war ein Lohnarbeiter, der aber bald als tüchtiger Landwirt sein kleines Vermögen zu mehren verstand, Mutter, Magia Polla, war die Tochter eines viator, der den fleifsigen, rechtlichen Schwiegersohn zu schätzen wufste. Auf dem Lande wuchs der Knabe heran, hier prägten sich der zarten Seele die Bilder ein, die er später in seinen Dichtungen wiederspiegeln liefs. O fortunatos nimium, sua si bona norint Agricolas! (Georg. II 458.) Doch mufste er bald in die Stadt, um in die Elemente des Wissens eingeführt zu werden, erst nach Cremona, dann nach Anlegung der toga virilis im 15. Lebensjahr nach dem entfernteren Milano (Mediolanum), endlich auf die rhetorische Hochschule nach Rom. Dieser rhetorische Unterricht war für jeden Jüngling, der sich der Staatscarriere widmen wollte, von der gröfsten Bedeutung. Allein es stellte sich bald heraus, dafs er sich für eine solche Thätigkeit wenig eignete. Munus oratoris non ingenii solum, sed laterum etiam et virium est. (Cic.) Weit mehr zog ihn die Poesie und die Philosophie an, aus deren Born er im Kreise gleichgesinnter talentvoller Kameraden mit vollen Zügen trank. Felix qui potuit rerum cognoscere causas! (Georg. II 490.) § 5. Jugend- Nach der Heimat zurückgekehrt, widmete er sich gedichte. ganz dem Landleben und seinen Studien. Hier besuchten ihn oft und gerne die Musen. Molle atque facetum Vergilio annuerunt gaudentes rure Camenae. (Horatius.) In den Ausgaben seiner sämtlichen Werke finden sich kleinere Gedichte von hohem Werte, wie der Kräuter klofs (Moretum) und das Schenkmädchen (Copa), (letzteres Gedicht verdient in der Über tragung des klassischen Liederbuchs von Emanuel Geibel, Berlin 1875, nachgelesen zu werden) — allein die Autorschaft Vergils ist bei allen mehr oder weniger bezweifelt worden; einige nugae in der Catalecta überschriebenen Sammlung gelten als echt. § 6. Haupt Vergils Dichterruhm gründet sich auf die Sammlung Die drei der 10 Eklogen unter dem Titel Bovxoλixά, auf werke. das Gedicht über den Landbau l'emoyizά in 4 Büchern (Ackerbau, Baumzucht, Viehzucht, Bienenzucht), und auf die uns in 12 Büchern überlieferte Aeneis. Die erste Sammlung erwuchs aus dem Studium der sidó221a des Oεóxiτos (um die Mitte des 3. Jahrh. v. Chr.) und der Anregung des Legaten des Triumvir Antonius in Oberitalien, C. Asinius Pollio von 42 an; das zweite Gedicht, das er selbst ein carmen Ascraeum, an sein griechisches Vorbild 'Holodos von Askra in Böotien erinnernd, nannte, widmete er seinem hohen Freunde und Gönner C. Cilnius Maecenas in Rom am Hofe des Augustus (36—30); das dritte Gedicht, das ihn unsterblich machte, begann er 29 v. Chr. zur Feier der gens Iulia und der origines populi Romani auf Veranlassung und Wunsch des Kaisers. Bucolica triennio, Georgica septem, Aeneida undecim perfecit annis. (Donati vita.) § 7. ner andini Als unser Dichter mit seinen Eklogen beschäftigt Verlust seiwar, traf ihn das herbe Geschick, seine väterliche Be- schen Besitzung durch die Ackerverteilung an die Veteranen des sitzung. Oktavian zu verlieren, wobei er selbst in Lebensgefahr geriet. Er fand mit seinem Vater eine Zuflucht bei einem seiner früheren Lehrer, dem Epikureer Siron, Entschädigung durch seine hohen Gönner in Rom. Deinde Georgica in honorem Maecenatis edidit, qui sibi mediocriter adhuc noto opem tulisset adversus veterani cuiusdam violentiam, a quo in altercatione litis paulum afuit quin occideretur. (Vita.) Darauf bezieht sich das 10. Gedichtchen der Catalecta: ނ Villula, quae Sironis eras, et pauper agelle, me tibi et hos una mecum, quos semper amavi, siquid de patria tristius audiero, commendo, in primisque patrem. Tu nunc eris illi Mantua quod fuerat quodque Cremona prius. Ruhm und § 8. Während er an den Georgica arbeitete, lebte er zuAnerken meist in Neapel und Campanien. In Rom besafs er ein nung. Haus auf den Esquiliae, wie sein Freund Horaz, neben Verhältnis zu Augustus. Des Dichters Tod. dem ihres beiderseitigen Gönners Maecenas gelegen; seiner $ 9. - Für die Teilnahme und das Interesse des Augustus ist bezeichnend die Notiz in der vita Donati: Georgica reverso post Actiacam victoriam Augusto atque Atellae reficiendarum faucium causa commoranti per continuum quadriduum legit suscipiente Maecenate legendi vicem quotiens interpellaretur vocis offensione. Das lebhafteste Interesse nahm der Kaiser an der Arbeit, die den Dichter den Rest seines Lebens beschäftigte, der Aeneis, sed nec emendavit nec edidit. (Servius.) Seinem Drängen gab Vergil insoweit nach, als er ihm einige der gelungensten Partieen vorlas (recitavit voce optima!). Den grössten Eindruck machte er mit der Recitation der Verse des 6. Buches, welche von dem jungen Marcellus, dem Neffen und Schwiegersohn des Augustus, handelten, mit dem grofse Hoffnungen im Jahre 23 in das Grab gesunken waren. Ob Aeneidis libri sexti recitationem gravi.aere eum donavisse traditur Augustus. § 10. Die letzten Schicksale des Dichters soll die vita selbst erzählen: Anno aetatis quinquagesimo secundo impositurus Aeneidi summam manum statuit in Graeciam et |