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ab, kam zur Exekution, aber beim Anblick des aufspritzenden Blutes wurde ihm so unwohl, dass er sich erbrechen musste. Letzteres geschah wirklich, als er in demselben Augenblick erwachte. Macnish berichtet einen Fall, dass jemand, mit hartnäckigem, hochgradigem Podagra behaftet, allnächtlich träumte, sich in den Kerkern der Inquisition zu befinden und die ausgesuchtesten Folterqualen zu erleiden. Dieser entsetzliche Traum verliess ihn lange Zeit nicht, so dass der Kranke allabendlich mit Grauen der kommenden Nacht entgegensah 1).

Der eigenen Erfahrung entnehme ich folgendes Beispiel: Ich hatte einen anscheinend sehr langen Traum, gegen dessen Ende ich mich in einen langen Gang eines weitläufigen Gebäudes verlor. Vom anderen Ende des Ganges kam mir eine Dame mit rauschender Schleppe entgegen, und in der Absicht, trotz des Halbdunkels ihre Züge zu sehen, ging ich nahe an ihr vorbei und erkannte eine scheinbar mir längst bekannte Dame, wobei ich mit der im Traume selbst noch disponiblen Phantasie den Prozess dieses Bekanntwerdens reproduzierte. Bei der Begrüssung im Vorbeigehen blieb ich nun aber mit dem Fusse an der Schleppe hängen, und erwachte in diesem Augenblick mit einer nervösen Zuckung desselben Fusses, die diesen, der Traumsituation ganz entsprechend, ein wenig nach auswärts drehte. Dieser lange Traum war nun offenbar erst durch die Zuckung hervorgerufen und fiel in so kurze Zeit, dass mir während desselben die brennende Cigarre nicht ausgegangen war.

So scheint es denn, dass in der That alle unsere Träume in derselben Weise zustande kommen, mag die erregende Ursache in uns liegen, oder ausser uns. Das Gehirn empfängt einen Reiz und wendet auf denselben das in ihm liegende Kausalitätsgesetz an, das heisst es konstruiert mit Hilfe der Phantasie eine korrespondierende Ursache, die nach aussen verlegt wird und die Form einer auf den Schluss dramatisch hinzielenden und durch das transcendentale Zeitmass verdichteten Vorstellungsreihe annimmt. Dabei wird aber nicht immer gleich weit ausgeholt, um das.

1) Spitta: Schlaf- und Traumzustände etc. 246.

Schlussereignis zu motivieren; die Vorstellungsreihen sind von höchst verschiedener Länge. Da wir nun nicht wohl annehmen können, dass das transcendentale Zeitmass individuell verschieden sei, so müssen diese Längenunterschiede entweder an der Besonderheit der Erregungsursachen liegen oder vom Grade der Phantasie des Träumers abhängen, wenn nicht vielleicht beide Ursachen zusammengenommen die Länge des Traumstückes bedingen.

Es ist nicht uninteressant, hier einen vergleichenden Blick auf die künstlerische Produktion zu werfen. In der geheimnisvollen Werkstätte des Dichters entstehen dramatische Konzeptionen meistens in der Weise, dass zunächst irgend eine Szene ihm vorschwebt, deren dramatische Motivierung, intuitiv zusammengedrängt, dem Dichter oft plötzlich sich einstellt. Offenbar hängt es vom Grade der Phantasie ab, wie weit dabei ausgeholt wird, und so verrät sich die nahe Verwandtschaft des Traumes und der Dichtkunst, für welche schon so vieles von verschiedenen Beobachtern beigebracht worden ist, noch in einem weiteren Punkte. Der Verdichtungsprozess von Vorstellungsreihen scheint sogar bei jeder Art künstlerischer Produktion stattzufinden und zum Wesen der Intuition überhaupt zu gehören, daher denn sogar naturwissenschaftliche oder philosophische Probleme in einer Reihe unbewusster und verdichteter Schlüsse oft plötzlich durchschaut werden. Eine Hypothese ist meistens das Kind der Phantasie, und alle grossen Theorieen sind als Hypothesen zur Welt gekommen.

Einen interessanten hierher gehörigen Ausspruch hat Mozart über seine Produktionsweise gethan:,,Wenn ich recht für mich bin und guter Dinge, etwa auf Reisen im Wagen oder beim Spazieren und in der Nacht, wenn ich nicht schlafen kann, da kommen mir die Gedanken stromweis und am besten. Woher und wie, das weiss ich nicht, kann auch nichts dazu. Die mir nun einfallen, die behalte ich im Kopf, und sumse sie wohl auch vor mich hin, wie mir andere wenigstens gesagt haben. Halte ich nun fest, so kommt mir eines nach dem anderen bei, wozu so ein Brocken zu brauchen wäre, um eine Pastete daraus zu machen, nach Kontrapunkt, nach Klang der verschiedenen Instrumente etc. Das erhitzt mir nun die Seele, wenn ich nämlich nicht gestört werde. Da

wird es mir immer grösser, und ich breite es immer weiter und heller aus, und das Ding wird im Kopfe wahrlich fast fertig, wenn es auch lang ist, so dass ich's hernach mit einem Blicke, gleichsam wie ein schönes Bild oder einen hübschen Menschen, im Geiste übersehe, und es auch gar nicht nacheinander, wie es nachher kommen muss, in der Einbildung höre, sondern wie gleich) alles zusammen. Das ist nun ein Schmaus! Alles das Finden und Machen geht in mir nur wie in einem schönen, starken Traume vor. Aber das Überhören so alles zusammen ist doch das beste." 1) Mozart hat wohl keine Ahnung gehabt, wie interessant seine Worte sind, in welchen er unwillkürlich den Vergleich mit dem Träumen zieht. Geben wir seinen Worten einen um weniges präziseren Ausdruck, so besagen sie, dass das Geheimnis musikalischer Konzeptionen in der Verdichtung von Gehörvorstellungen liegt. Man wird dabei unwillkürlich an das kräftige Wort Luthers erinnert:,,Gott sieht die Zeit nicht der Länge nach, sondern der Quere nach an; vor ihm ist alles auf einem Haufen" womit Luther die Allwissenheit Gottes, dem er den höchsten Grad des transcendentalen Zeitmasses zuschreibt, auf Vorstellungsverdichtung zurückführt und in Parallele bringt mit der intuitiven Erkenntnisweise des Genies, wobei in ein mit einem Blicke zu überschauendes Nebeneinander verwandelt wird, was dem reflektiv suchenden Menschen als ein zeitliches Nacheinander erscheint.

Vergleicht man nun mit diesen Folgerungen, zu denen uns die Betrachtung der Produktionsweise des Traumes und des Genius nötigt, die Theorie der Materialisten, die in allen Gedanken nur Ausschwitzungsprodukte des Gehirnbreies sehen wollen, so begreift es sich, warum man bei den Erfindern solcher Theorieen vergeblich sich nach irgend einem genialen Gedanken oder einer grossen Entdeckung umsieht. Es funktioniert in ihnen nur das physiologische Zeitmass, nicht das transcendentale, und so heisst es denn auch hier: Du gleichst dem Geist, den du begreifst. Dagegen wundert es mich, besonders mit Bezug auf die oben erwähnten Worte Luthers, durchaus nicht, dass in neuerer Zeit

1) Passavant: Lebensmagnetismus etc. 59.

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Splittgerber in einer übrigens vortrefflichen Schrift 1) das Problem der dramatischen Träume so schwerwiegend auffasst, dass er zu der hyperbolischen Erklärung sich getrieben sieht: „Es dürfte mit

zur Lösung des vorliegenden Problems schliesslich nichts. anderes übrig bleiben, als auf den überweltlichen Ursprung der Seele zurückzugehen, demgemäss die letztere nur durch die Verbindung mit der körperlichen Materie in der jetzigen Weise an die Schranken des Raumes und der Zeit gebunden ist, sobald sie dieser Fessel aber auch nur annähernd in der beginnenden Ekstase des Traumes entledigt worden, ihre höhere Freiheit und gottverwandte Natur sofort an den Tag legt." Solche Erklärungsversuche erinnern mehr an Plato, als an Aristoteles; aber sie beweisen wenigstens, dass Splittgerber das Problem in seiner ganzen Bedeutung erkannt und sehr klar sich gestellt hat.

Unser Problem hat sich aus einem psychologisch-ästhetischen allgemach in ein metaphysisches verwandelt, und die Hauptfrage ist noch immer unerklärt: Wie kann ein Traum mit einem Ereignisse abschliessen, der doch eingeleitet wird durch einen mit diesem Ereignisse scheinbar gleichzeitigen Empfindungsreiz? Wäre diese Gleichzeitigkeit wirklich, so läge der Traum, wenn auch verdichtet, doch immer noch vor dem Reize, der ihn doch erregte; die Wirkung wäre demnach vor der Ursache, und das kann nicht zugegeben werden. Die Lösung ergibt sich aber aus den bisherigen Ergebnissen.

Es ist eine experimentelle Thatsache, dass der Vorstellungsprozess im Wachen einer messbaren Zeit bedarf; es ist aber eine Erfahrungsthatsache, dass in gewissen Zuständen des Geistes dieses Gesetz nicht mehr gültig ist. Demnach kann unser physiologisches Zeitmass nicht in der Natur des Geistes liegen, für dessen Erkenntnis der Nervenapparat nur retardierend wirkt. In der künstlerischen Produktion und im Traume wird mit dem Schwinden des reflektiven Bewusstseins jenes Hindernis abgestreift und das transcendentale Zeitmass entbunden. Dasselbe Bewusstsein aber, in welchem die Vorstellungsreihe bei den dramatischen Träumen

1) Splittgerber: Schlaf und Tod. I. 131.

verdichtet liegt, muss auch den erregenden Reiz in irgend einer Weise früher wahrnehmen, als er sich nach physiologischem Zeitmass dem Gehirn, d. h. dem physiologisch vermittelten Bewusstsein mitteilen kann. In dieses kurze Zeitintervall wird die verdichtete Vorstellungsreihe hineingeschoben, und schliesst im gleichen Augenblick, in welchem die Erregungsursache ins Gehirnbewusstsein tritt, mit einem korrespondierenden Traumereignis bereits ab. Für diejenige Wahrnehmungsweise, die mit transcendentalem Zeitmass geschieht, ist also die Wirkung beendigt, während für die an das physiologische Zeitmass gebundene Wahrnehmung die Ursache eben erst eintritt. Die rätselhafte Erscheinung, dass in den dramatischen Träumen die Wirkung der Ursache scheinbar vorhergeht, erklärt sich demnach aus der Doppelheit unseres Bewusstseins, d. h. aus der Doppelheit der Personen unseres Subjekts. Wer aber diese Lösung des Problems nicht annehmen will, der muss notwendig zwischen den nachfolgenden Hypothesen eine Wahl treffen: 1. Die Wirkung ist in den dramatischen Träumen vor der Ursache. Diese Annahme verbietet die Logik.

2. Es liegt in der Natur der Träume eine teleologische Einrichtung, vermöge welcher im Augenblicke der Erweckung durch einen äusseren Sinnesreiz der Traum mit einem qualitativ korrespondierenden Ereignis abschliesst. Diese Annahme ist zwar logisch zulässig, aber rein willkürlich, weil durch nichts zu erweisen.

3. Diese teleologische Einrichtung könnte auch hervorgerufen werden durch das Hellsehen der menschlichen Psyche, welche in ihrem transcendentalen Bewusstsein die Erweckungsursache vorhersieht, und den Traumverlauf teleologisch hinbewegt, sei es nun, dass die noch in der Zukunft liegende Erweckungsursache als causa finalis den Traumverlauf bestimmt, oder dass ihn das transcendentale Bewusstsein willkürlich so einrichtet, dass und damit die plötzliche Störung des Schlafes gemildert wird '). Diese Annahme ist entbehrlich für jeden, der den Verdichtungsprozess der Vorstellungsreihe in den dramatischen Träumen anerkennt.

) Vgl. Hellenbach: Magie der Zahlen. 141.

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