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so lange wir uns auf die Analyse unserer Wesenshälfte im Wachen beschränken, und zwar selbst dann, wenn der Streit zwischen Physiologen und Psychologen längst zu Gunsten der letzteren entschieden wäre. Logische Spekulationen allein werden die Seelenlehre nicht begründen können, so wenig als die blossen Gemütsbedürfnisse der Gläubigen, in welchen nur der Wunsch der Vater des Gedankens ist.

Wenn die Philosophie, von den Erfahrungsthatsachen des Traumes ausgehend, diese Aufgabe geleistet haben wird, dann, aber erst dann wird es für sie Zeit sein, noch die weitere Frage in Angriff zu nehmen, ob sich in einem grösseren Umfang, nämlich hinsichtlich des Makrokosmos dasselbe wiederholt, was sich im Traume hinsichtlich des Mikrokosmos zeigt. Die Frage wird dann lauten, ob ein allumfassendes Weltsubjekt vorhanden ist, welches sich in Millionen von Sonnen und Milliarden von Wesen in Raum und Zeit dramatisch spaltet.

III.

Der Traum ein Dramatiker.

1. Das transcendentale Zeitmass.

Je mehr wir in der Geschichte der Philosophie orientiert sind, je geringer also die Hoffnung ist, aus ihrem Studium noch neue Daten zur Lösung des Welträtsels zu gewinnen, desto mehr beschwert uns dieses Rätsel. So entsteht das Bestreben, innerhalb der Erfahrung nach solchen Erscheinungen Umschau zu halten, die noch nicht gehörig ausgenützt, und aus welchen die metaphysischen Offenbarungen noch nicht genügend herausgepresst wurden, welche in ihnen zwar liegen, aber bisher nicht erkannt wurden. Dieses Bestreben ist umsomehr gerechtfertigt, als ja die moderne Philosophie darauf verzichtet, apriorische Systeme aufzubauen, und es weiss, dass nur die Thatsachen der Erscheinungswelt ihr Fundament sein dürfen.

Thatsachen der Erfahrung, die noch nicht genügend ausgenutzt wurden, gibt es nun allerdings in grosser Anzahl; aber die meisten werden sogar bezüglich ihrer Existenz bestritten, weil sie nicht zur alltäglichen Erfahrung gehören, daher denn Folgerungen aus ihnen vorläufig noch keine Überzeugungskraft besitzen.

Im Nachfolgenden jedoch soll eine Erscheinung erörtert werden, die den Vorzug geniesst, ganz unbestritten zu sein, ohne dass sie doch schon genügend verwertet worden wäre. Diese Erscheinung gehört der Traumwelt an. Sie ist von hohem Inter

esse zunächst für die Ästhetik und Psychologie; bei näherem Zusehen zeigt sich aber, dass sie auch ein metaphysisches Problemin sich birgt und zugleich löst.

Die poetische Begabung unserer Traumphantasie hat schon manchen Bewunderer gefunden; man hat aber gemeint, diese Begabung sei nur lyrischer Natur. So sagt noch einer der jüngsten Forscher in einer übrigens höchst interessanten Schrift 1) geradezu ,,Der ästhetische Wert des Traumes liegt nicht in dem dramatischen, sondern in dem lyrischen Elemente desselben". Die nachfolgende Untersuchung soll nun zunächst das dramatische Element. des Traumes vor Augen stellen. Sodann aber, indem wir der Quelle nachgehen, aus welcher diese dramatische Begabung fliesst, werden wir zu einigen wichtigen Folgerungen gelangen, in welchen der Gegensatz zwischen der physiologischen Psychologie und der spiritualistischen Seelenlehre unter Berücksichtigung der berechtigten Bestandteile beider zur Versöhnung gebracht wird.

Um die Wichtigkeit des zu untersuchenden Traumphänomens klarzustellen, bedarf einer kurzen Vorbemerkung. Meines Wissens ist es Helmholtz gewesen, der zuerst experimentell nachgewiesen hat, dass die Fortpflanzung von Reizen im Nervensystem einer Zeit und zwar einer messbaren Zeit bedarf 2). Im Zustandekommen unseres Bewusstseins macht sich demnach ein verzögerndes Moment geltend. Von der Erweckung eines Reizes in den peripherischen Nervenenden unserer äusseren Sinne bis zur Entstehung einer Empfindung im Centralorgan der Nerven, dem Gehirn, vergeht eine Zeit, die zwar nur den Bruchteil einer Sekunde einnimmt, aber doch um so länger dauert, je länger die zu durchlaufende Strecke der Nervenleitung ist. Ferner hat Fechner in seiner Psychophysik nachgewiesen, dass die im Gehirn vor sich gehende Verwandlung des Reizes in einen bewussten Empfindungsakt einen weiteren Zeitteil beansprucht, dass also hier ein weiteres verzögerndes Moment sich geltend macht.

Die Funktionen des Nervensystems sind demnach an ein

1) Volkelt: Die Traumphantasie. 189.

2) Müllers Archiv für Anthropologie 1850. 71 83.

bestimmtes Zeitmass gebunden.

Indem das Bewusstsein durch ein organisches Substrat, das Nervensystem, erweckt wird, erfährt es die Hindernisse, die sich aus der beschränkten Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenreize ergeben. Innerhalb einer gegebenen Zeit ist nur eine bestimmte Anzahl von Empfindungen möglich. Wenn also bei der Veränderung eines Objekts eine ununterbrochene Reihe atomistischer Vorgänge in minimalen Zeitintervallen sich vollzieht, so nehmen wir sie doch nicht wahr, und erst eine grössere Summe solcher Veränderungen fällt in unser Bewusstsein. Von dem beständigen Wachsen eines Grashalms gewahren wir nichts, sondern erst summierte Beträge, die wir vergleichen können, während die verschwindend kleinen Mittelglieder für unser Bewusstsein verloren gehen.

Wenn nun aber aus der Erfahrung nachgewiesen werden könnte, dass in gewissen Zuständen bewusste Empfindungen ohne jene verzögernden Momente zu stande kommen, so wäre damit bewiesen, dass solche Bewusstseinsakte nicht mehr an das materielle Substrat der Nerven gebunden sind, aus dem das beschränkende Zeitmass entspringt. Und wenn etwa innerhalb eines minimalen Zeitteilchens eine so lange Reihe von Vorstellungen in uns abläuft, dass hierzu im normalen Zustande Stunden nötig wären, so folgt daraus unwiderleglich, dass diese Art von Bewusstsein unabhängig ist von dem materiellen Nervenapparate, der ja, wie das experimentell bewiesen ist, in seinen Funktionen an ein viel beschränkteres Zeitmass gebunden ist.

Wenn es nun solche Wesen geben sollte, die nicht unser, sondern ein verlängertes oder auch verkürztes Zeitmass in der Wahrnehmung besässen, so würde sich für dieselben die Welt ganz anders darstellen als uns. Mit solchen Wesen könnten wir uns über die Objekte nicht verständigen; wir würden nicht glauben, in einer gemeinschaftlichen Welt zu wohnen, und würden uns wahrscheinlich gegenseitig Illusionen vorwerfen. Es ist ein sehr nüchterner Forscher, Ernst von Bär, der Vorläufer Darwins, der diese Frage untersucht und nachgewiesen hat, dass die Vorstellungswelt eine gewaltige Umwandlung erleiden würde, wenn das für unsere Wahrnehmungen gültige Zeitmass verändert würde.

Später hat auch Felix Eberty derartige Untersuchungen angestellt 1), so dass ich auf Grundlage beider Schriften die Frage nach der intellektuellen Natur der Planetenbewohner in naturwissenschaftlicher Weise zu lösen versuchen konnte 2). So gewiss hinsichtlich der physischen Natur der Planetenbewohner das Wort gilt:,,Andere Welten, andere Wesen", so gewiss gilt in Bezug auf ihre intellektuelle Natur das andere Wort:,,Andere Wesen, andere Welten". Eine Zeitlänge messen wir ab nach der Anzahl der von ihr umfassten Veränderungen in der Natur. Diese Anzahl hängt aber für uns von unserer subjektiven Wahrnehmungsgeschwindigkeit, von unserem angeborenen Zeitmass ab. Eine bestimmte Summe von Wahrnehmungen erzeugt uns also den Schein einer bestimmten Zeitdauer, wobei wir unser angeborenes Zeitmass zu Grunde legen. Wenn der ganze Naturprozess noch einmal so schnell oder noch einmal so langsam abschnurren würde, so würden wir das wohl mit unserem Zeitmass, aber nicht mehr bemerken, wenn auch dieses eine korrespondierende Veränderung erfahren würde. Wir würden also nicht glauben, kürzer oder länger zu leben, als in unserem jetzigen Zustande.

Wenn nun aber auch vom Standpunkte der Logik gegen derartige Argumente nichts einzuwenden ist, so hat doch der Leser längst den Einwurf bereit, dass ja die Denkbarkeit einer Sache nichts für ihre Wirklichkeit beweist, und er wäre erst durch den Nachweis befriedigt, dass solche hypothetische Wesen mit verändertem Zeitmass auf anderen Sternen auch wirklich existieren. Es lässt sich nun aber die Frage, ob es solche Wesen gibt, in einer Weise beantworten, die auch den skeptischsten Leser zufriedenstellen muss, ohne dass wir doch die Reise nach anderen Weltkörpern anzutreten brauchen.

Wir selbst sind solche Wesen, und nicht etwa bloss ausnahmsweise, sondern während eines ganzen Dritteils unseres Daseins, nämlich im Traume, aber auch sonst noch in gewissen Zuständen.

1) F. Eberty: Die Gestirne und die Weltgeschichte.

2) Die Planetenbewohner. 114 etc.

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