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rührt werden, sondern sogar rückfällig werden können. Ein junger Mann war dadurch in Wahnsinn verfallen, dass er seine treu geglaubte Braut nach mehrjähriger Trennung als Gattin eines anderen und als säugende Mutter wieder sah. Er wurde geheilt und wusste dann nichts mehr von seiner früheren Liebe; aber die ganze Erinnerung stellte sich wieder ein, als er einst eine säugende Frau sah. 1) Der Abt Eleutherius hatte einen besessenen Knaben zu sich genommen, der bei ihm von seinem Übel befreit, aber wieder rückfällig wurde, als einst der Abt eine unvorsichtige Anspielung auf die frühere Krankheit machte. 2) Es ist dieses ein weiterer Beitrag zur Verwandtschaft zwischen Wahnsinn und Somnambulismus, welcher die Ansichten von Mesmer und Puységur unterstützt, dass Wahnsinnige überhaupt nur ungeregelte Somnambulen seien, die demgemäss durch regelrechte magnetische Behandlung geheilt werden könnten.

Es scheint mir, dass damit auch einiges Licht auf den noch immer rätselhaften Hexensabat fällt. Es heisst nämlich, dass den zur Fahrt gerüsteten Hexen nichts Verdriesslicheres begegnen konnte, als wenn der Ruf des Nachtwächters ihr Ohr traf; ebenso feindlich war ihnen das Ertönen der Kirchenglocken. Auf dem Sabat selbst aber durfte niemand das Zeichen des Kreuzes machen oder den Namen Jesu aussprechen; in beiden Fällen wurde der Zauber gebrochen und die ganze Sabatgesellschaft verschwand. Man schloss daraus auf die Vortrefflichkeit des dem Satan so verhassten Glaubens. 3) Es ist aber leicht einzusehen, dass der gebrochene Zauber eben nur das Erwachen aus somnambulen Visionen bedeutete, herbeigeführt durch das Anschlagen solcher Erinnerungstasten, welche im Mittelalter sogar bei den Abgefallenen noch immer mit einem intensiven Gefühlswert verbunden waren.

Wer die Litteratur über den Somnambulismus durchmustert, worin schon ein kaum mehr zu übersehendes, aber noch sehr

1) Schubert: Symbolik des Traumes. 178.
2) Görres: Mystik IV. 331.

3) Roskoff: Geschichte des Teufels. II. 219.

- Görres: Mystik. V. 248.

wenig geordnetes Material von Beobachtungen vorliegt, kann sich häufig davon überzeugen, wie viel Unheil in der magnetischen. Behandlung dadurch angerichtet worden ist, dass man diese Assoziation zwischen Vorstellungen und dem psychischen Zustande als ihrem Träger nicht bedachte. Wenn der Somnambulismus in gesunde Bahnen gelenkt werden soll, muss er vollständig getrennt gehalten werden vom Zustande des Wachens, jedes Anschlagen einer Erinnerungstaste muss vermieden werden, weil sonst beide Zustände durch Vermischung getrübt werden und die wertvollen, im Somnambulismus auftretenden Fähigkeiten nicht rein entwickelt werden oder verloren gehen. Kerner sagt: ,,Man darf den Somnambulen nie sagen, was sie gethan, was sie gesagt haben, wenn man sie bei ihrer Hellsichtigkeit erhalten will."1) Wenn man der Seherin von Prevorst nach dem Erwachen aus dem magnetischen Schlafe sagte, was sie in demselben gesprochen, so wirkte es auf sie sehr schädlich und oft fiel sie wieder in den magnetischen Schlaf zurück. 2) Dr. Wienholt, in der Meinung, seine Somnambule sei eben in der Krise, fragte sie, ob sie auch abends magnetisch schlafen würde. Dies veranlasste eine starke Ohnmacht; denn bisher hatte man es ihr, ihrem Wunsch entsprechend, im Wachen verheimlicht, dass sie somnambul war. Eine andere Somnambule desselben Arztes, gefragt, an welchen Merkmalen sie ihren jetzigen Schlaf für unvollkommener als sonst erkenne, erwiderte, dass sie sich in neuerer Zeit an vieles aus demselben im Wachen erinnere. 3) Ein magnetischer Schlaf, so sagte eine Somnambule, aus dem volle Rückerinnerung stattfinde, sei von keinem Nutzen für die Gesundheit. 4) Von dem merkwürdigen Knaben Richard sagt sein Bruder und Arzt nach der Genesung desselben: ,,Noch immer vermochte Richard nichts zu hören oder zu lesen, wovon in dem eigentlichen Zustande des magnetischen Hellsehens die Rede gewesen; selbst entfernte Beziehungen, sogar Wortfügungen, die früher in besonderer Bedeutung gebraucht wurden,

') Kerner: Blätter aus Prevorst. XII. 21.
2) Kerner: Seherin von Prevorst, 105.
3) Wienholt: Heilkraft etc. III. 3. 207. 286.
4) Archiv XII, 1. 89.

machten auf ihn einen widerwärtigen Eindruck, wiewohl er sich davon keines Grundes bewusst war. So bekam er ein Notizeneiniges von seinem Schlaf in Das Blatt berühren und zer

blatt von mir in die Hände, wo unleserlicher Schrift bemerkt war. reissen war eins. Als er zufälliger Weise in meinen Gedichten gedankenlos blätterte, stiess er auf die ,,Wunderblume", welche er im magnetischen Schlafe rezitiert hatte, und wütend warf er das schuldlose Büchlein zur Erde." 1) Fischer, indem er die erfolgreiche Behandlung rühmt, wodurch ein Pfarrer ein kataleptisches Mädchen hergestellt hatte, fügt bei, dass diese Behandlung in zwei Hauptpunkten bestand: Die Kranke in keiner somnambulen Handlung zu stören, ihr vielmehr durchaus zu allem, was sie beginnen wollte, behilflich zu sein; dagegen im wachen Zustande sie ganz als gesund zu behandeln und zu ununterbrochener Fortsetzung ihrer Beschäftigung anzuleiten. 2) Er hielt demnach die beiden Zustände vollständig getrennt durch Verhinderung jeder Rückerinnerung. Ennemoser empfiehlt, den Somnambulen weder im Wachen noch im Schlafe, sei es Lob oder Tadel über ihre Sehergabe auszusprechen, 3) und Charpignon führt ein Beispiel bedenklicher Folgen davon an, dass man einer Somnambulen Mitteilungen über die Erscheinungen ihres Schlaflebens machte, welche in ihr Angst erweckten. *)

Häufig ist es der eigene Heilinstinkt, der die Somnambulen zu Vorkehrungen anleitet, wodurch die beiden ungleichartigen psychischen Zustände auseinandergehalten werden. Eine Kranke Kerners verlangte allein gelassen zu werden, um ihr Stübchen wieder auf dieselbe Art herzurichten und, selbst die geringste Kleinigkeit nicht ausgenommen, zu ordnen, wie dasselbe vor dem Anfang ihrer Krankheit gewesen. Sie müsste es beim Erwachen durchaus wieder so erblicken, wenn sie nicht von neuem in ihren Zustand zurückfallen sollte. Mit unbegreiflicher Schnelligkeit räumte sie nun hinweg, was von Krankenapparaten da war, die Arznei

') Görwitz: Richards natürlich magnetischer Schlaf. 145.

2) Fischer: Der Somnambulismus. III. 128.

3) Ennemoser. Mesmerische Praxis. 482.

4) Charpignon: Physiologie etc. 269.

warf sie zum Fenster hinaus, brachte Gläser und Sessel hinweg, und stellte den Tisch, wie er vor ihrer Krankheit gestanden. Einen Stuhl, der damals vorhanden war, holte sie bei Nacht eine Treppe hoch, und sprang mit ihm ohne Licht pfeilschnell und ohne anzustossen in ihr Stübchen. Beim Erwachen sollte man ihr eine Haube geben und sagen, es seien ihr auf Anordnung des Arztes die Haare geschnitten worden. Sie legte sich darauf zu Bett und der Somnambulismus ging in gewöhnlichen Schlaf über, aus dem sie erwachte. Es war nur eine Person bei ihr geblieben, und sie äusserte ihre Zufriedenheit, dass die ihr vom Arzte angeratene Haube da sei. Am anderen Tag jedoch wurde sie wieder somnambul, weil auf der Strasse eine Vorübergehende sie einer anderen mit den Worten bezeichnete, es sei das die Jungfer St., die nun nicht mehr somnambul sei.1) Eine andere Kranke warnte davor, ihr den Krankenbericht ihres Arztes vor Ablauf eines Jahres zu lesen zu geben; sie würde davon betrübt werden und wieder in den vorigen Zustand kommen.2) Sogar der auch nach der Genesung teilweise noch bestehende Rapport der Somnambulen mit ihrem Arzte verlangt Berücksichtigung, wie das Beispiel jener Kranken beweist, die acht Tage nach der Genesung wieder somnambul wurde, weil nach ihrer Abreise der zurückgebliebene Arzt von ihrer Krankheit gesprochen.3)

Aus dieser notwendigen Trennung, in der die beiden Zustände gehalten werden müssen, ergibt sich von selbst, dass auch Somnambulen, die in der Krise mit ihren Ideen und Interessen des Tages beschäftigt werden, in ihrer Gesundheit oder wenigstens in der Entwicklung ihrer somnambulen Fähigkeiten geschädigt werden. Bei Somnambulen, die zu Heilverordnungen gegen pekuniäre Ablohnung von ihren Magnetiseuren gepriesen werden, muss diese Fähigkeit, auch wenn sie wirklich vorhanden war, allmählich versiegen, weil es die beiden Zustände vermischen und trüben heisst, wenn ein pekuniäres Interesse mit dem Somnambu

1) Kerner: Gesch. zweier Somnambulen. 293.

2) Archiv. V. I. 42.

3) Archiv. VII. 2. 144.

du Prel, Philosophie der Mystik.

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lismus verknüpft wird, oder nach dem Erwachen der Lohn sie an den Somnambulismus erinnert. Es heisst eben auch hier, dass das Gute seinen Lohn in sich selber tragen muss. Puységur, der eine solche Somnambule behandelte, die mit Kranken in Rapport gesetzt Heilverordnungen erteilte, hatte demnach sicherlich Recht, wenn er es den Hilfe Suchenden zur Bedingung machte, dass niemals eine Entlohnung stattfinden, ja nicht einmal in blossen Worten gedankt werden durfte, weil diese Erinnerung an ihre somnambulen Zustände ihr Erstaunen und Missfallen erregen müssten. Die gänzliche Trennung der beiden Zustände ist die Hauptbedingung für die reine Entwicklung des Somnambulismus. Darum empfiehlt Puységur, auch bei Somnambulen, die sich selbst verordnen, die Quelle dieser Verordnungen zu verheimlichen. Man kann ein denkendes Wesen, das weder anatomische noch physiologische Kenntnisse besitzt, nicht wohl überzeugen, das es gut daran thun würde, seinen eigenen im Schlaf erteilten Verordnungen nachzukommen, da es ja eben jene Kenntnisse für unentbehrlich halten muss, wenn ihm nicht die Entwicklung seines inneren Heilinstinkts vorerst erklärt, damit aber eine Erinnerungsbrücke zwischen den beiden Zuständen gebaut wird. Es sollte demnach der Somnambule auf dem Glauben gelassen werden, als verdanke er die Verordnungen der Einsicht seines Arztes, und diesem sollte es gestattet sein, sich mit fremden Federn zu schmücken.1)

9. Theorie des Erinnerungsvermögens.

Ein Satz nimmt sich, auf einer Tafel geschrieben, deutlicher aus, wenn diese vorher rein abgewischt worden ist, als wenn die neuen Lettern mit den alten zusammenfliessen. Das gilt auch im intellektuellen Sinne, und wer den Kopf des Lesers für eine Theorie empfänglich sehen will, wird gut thun, ihn vorher von den entgegenstehenden Theorien zu säubern. Um die Existenz eines transcendentalen Bewusstseins zu beweisen, muss demnach vorher gezeigt werden, dass die Thatsachen des Erinnerungsvermögens aus dem sinnlichen Bewusstsein nicht zu erklären sind.

1) Puységur: Recherches etc. 369. 407.

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