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vom fremden Willen des Magnetiseurs ist, und dass es dazu nicht einmal eines eigentlichen Somnambulismus bedarf. Hansen legte seinen Studiengenossen, während sie schliefen, die Hände auf, liess dann verschiedene Vorstellungen durch sein Gehirn ziehen, und diese übertrugen sich als Traumbilder auf die Schlafenden, wie sich herausstellte, wenn er sie morgens nach ihren Träumen frug. In einer Gesellschaft in Berlin veranlasste Hansen den Juwelier Ehrenwerth, der zur Bedienung eines Kunden in seinen Laden hinausgegangen war, gemäss allgemeiner Verabredung durch seinen blossen Willen dahin, mit drei kostbaren Diamantringen zurückzukommen und ihm dieselben in die Hand zu legen.') Ein Augenzeuge erzählte mir von einer Abendgesellschaft in Norderney, in welcher ein Magnetiseur durch seinen Willen eine der anwesenden Damen zwang, aus dem Nebenzimmer einen Schwamm zu holen und damit einem der Herren das Gesicht abzuwischen. Trotz allen sichtbares Widerstrebens vermochte sie es nicht, sich diesem Gedankenbefehle zu entziehen. Skeptiker der physiologischen Richtung, wenn sie nicht etwa durch die Vorstellungen des Magnetiseurs Hansen überzeugt worden sein sollten, werden vielleicht geneigter sein, das Einschlägige aus den Schriften von Braid gelten zu lassen. 2)

Die Thatsache, dass ein menschliches Gehirn seine Vorstellungen durch seinen blossen Willen auf ein fremdes Individuum zu übertragen vermag, und dass die Erinnerung daran auch den Wechsel des psychischen Zustandes überdauert, ist von so grosser philosophischer Bedeutung, dass ihr Wert noch gar nicht abgeschätzt werden kann. Wenn der Mensch in der Meinung sein kann, selbständig zu handeln, während er doch den Antrieb dazu von einem fremden unausgesprochenen Willen erhalten haben kann, dann löst sich in diesem Verhältnisse vielleicht auch das Rätsel der Menschengeschichte. Den einen erscheint die Geschichte der Menschheit, wie die Lebensgeschichte der Individuen

1) Zöllner: Wissenschaftliche Abhandlungen. III. 556. 532.

2) Preyer: Der Hypnotismus. Ausgewählte Schriften von Braid.

Berlin 1882.

als das resultierende Produkt der sich durchkreuzenden Individualwillen, was bei der Abhängigkeit derselben von Naturpotenzen, Klima, Nahrung etc. auf einen Naturmechanismus hinausläuft; die anderen sehen die biologische und geschichtliche Entwicklung teleologisch nach einem Ziele geleitet und von einer Ursache bestimmt, die wir nicht kennen. Dass die letztere Ansicht mit der ersteren vereinbar, und wenn selbst nicht, doch logisch zulässig ist, das beweisen die obigen Beispiele; es sind nur verschiedene Auffassungsweisen eines und desselben Gedankens, wenn wir diesen verborgenen Antrieb unserer Handlungen in ein transcendentales Ich verlegen, oder in den Schopenhauerschen Willen, in das Hartmannsche Unbewusste, oder in den Gott der Christen. Man mag dieser oder jener Ansicht sein, immerhin wird man, da der Antrieb unserer Handlungen nicht immer in unserem sinnlichen und Hirnbewusstsein liegt, mit Lichtenberg der Meinung sein können:,,Wir auf dieser Kugel dienen einem Zweck, dessen Erreichung eine Zusammenverschwörung des ganzen Menschengeschlechts nicht verhindern könnte."

8. Die Assoziation psychischer Zustände mit den
Vorstellungen.

Es ist ein Anzeichen des vollkommen entwickelten somnambulen Zustandes, wenn mit dem Erwachen Erinnerungslosigkeit eintritt, mit der Wiederkehr des Schlafes aber die früheren Vorstel

lungen desselben aufleben. Je ungleichartiger die psychischen Zustände und je entschiedener sie getrennt sind, desto geschlossener ist auch ihr Vorstellungskreis, d. h. desto mehr sind bestimmte Zustände mit den von ihnen erweckten bestimmten Vorstellungen assoziiert. Darauf beruhen alle jene Phänomene, die als Traumwiederkehr und Traumfortsetzung schon im gewöhnlichen Schlafe zu beobachten sind. Einem Hypnotisierten hatte man durch Einflüsterungen die Traumbilder erzeugt, dass er auf der Anatomie eine Sektion vornahm und dann im zoologischen Garten durch einen Löwen erschreckt wurde. Als er am gleichen Tag ein zweites Mal hypnotisiert wurde, kehrten alle Gesten und Bewegungen wieder, und zwar in der gleichen Reihenfolge, wie

sie den Vormittagstraum begleitet hatten; nach dem Erwecken ergab sich, dass der ganze Traum wiedergekehrt war. In der darauffolgenden Nacht trat während des normalen Schlafes dasselbe Traumbild zum dritten Mal auf. 1) Der gleiche oder verwandte Zustand zieht also die gleichen Vorstellungen mit sich; andrerseits aber erklärt sich aus dieser Assoziation, dass jede auflebende Vorstellung geneigt ist, jenen psychischen Zustand herbeizuführen, der sie früher erweckt hatte. Es ist das nicht schwer zu erklären; denn eine jede Erinnerung tritt nicht isoliert auf, sondern zieht nach den Gesetzen der Assoziation noch viele andere nach sich, womit sie einst verknüpft war, und da alle diese Vorstellungen mehr oder minder mit ihrem ursprünglichen Gefühlswert aufleben, muss auch mehr oder minder der frühere psychische Zustand von ihnen erweckt werden. Das zeigt sich nicht nur im gewöhnlichen Traume, sondern schon im Wachen, welches. keineswegs in einem ganz gleichartigen psychischen Zustande verläuft, weil jedes Anschlagen einer Erinnerungstaste den damaligen Zustand durch ihren Gefühlswert herbeizuführen sucht.

Wenn wir in einem öffentlichen Lokale, unseren eigenen Gedanken hingegeben, sitzen, so ist es möglich, dass wir selbst von einem laut geführten Gespräch am Nebentische nichts auffassen. Unsere Aufmerksamkeit wird davon nicht erregt; dass aber gleichwohl der Schall der Worte unser Ohr erreicht hatte, zeigt sich sofort, sobald solche Gespräche einen für uns interessanten Gang annehmen, oder gar unser Name ausgesprochen wird. Dieser Name als der Inbegriff aller unserer im normalen Tagesbewusstsein niedergelegten Vorstellungen, als der Centralpunkt, nach welchem sie alle konvergieren, ist die am stärksten tönende Erinnerungstaste; wenn sie angeschlagen wird, bringt sie uns sofort aus dem Zustande der Absorption in den der Aufmerksamkeit und Besonnenheit zurück. Darin beruht das Geheimnis, dass Nachtwandler, wenn sie beim Namen gerufen werden, erwachen, aber auch oft verunglücken, wenn ihr normales Ich der augenblicklichen Situation nicht gewachsen ist. Auch manche Somnam

1) Heidenhain: Der sogenannte tierische Magnetismus. 58.

bulen sollen durch das Aussprechen ihres Namens geweckt werden können. Nächst unserem Namen sind diejenigen Vorstellungen am besten geeignet, den mit ihnen assoziiert gewesenen Zustand zu erwecken, die von besonderem Interesse für uns sind und seinerzeit unser Inneres stark aufgewühlt haben.

Häufig geschieht es, dass unser erster Schlaf durch plötzliches Erwachen wiederholt unterbrochen wird, nämlich so oft, als sich in die ersten Traumbilder ein Gegenstand mischt, der, weil er eine Erinnerung an die Wirklichkeit ist, den psychischen Zustand bei der ehemaligen Wahrnehmung hervorruft: das Wachen. Manchmal scheinen hiezu sogar solche Vorstellungen zu genügen, von welchen ausgehend wir erst durch Assoziation an die Wirklichkeit erinnert werden. Hat nun der Schlaf einige Tiefe erreicht, dann wird dieses Anschlagen einer Erinnerungstaste nur mehr in dem Fall erfolgen, dass die erweckte Vorstellung von psychischem Gewicht ist und unsere Affekte des Wachens hervorruft. Ist sie von quälender Natur, dann heben sich unsere Augenlider selbst aus tiefem Schlafe langsam empor, so oft auch diese leicht erweckbare Vorstellung auftritt. Die schlafraubenden Gedanken sind auch die schlafunterbrechenden, und sie gleichen jenen Gefängniswärtern, die man den zum Tode durch Entziehung des Schlafes Verurteilten mit in die Zelle gab, und welche den Verurteilten, sobald sich seine Augen schlossen, wieder ins Bewusstsein zurückriefen.

Dieses Phänomen nun, dass Erinnerungsfragmente aus einem psychisch ungleichartigen Zustand diesen selbst herbeiführen, zeigt sich gesteigert in Bezug auf den Somnambulismus und das Wachen. Nach dem gleichem Gesetze, nach welchem eine im Schlaf angeschlagene wache Erinnerungstaste das Wachen mit sich bringt, tritt umgekehrt der Somnambulismus wieder ein, wenn im Wachen eine somnambule Erinnerungstaste angeschlagen wird. Eine Somnambule wusste nach ihrer Genesung nichts mehr von ihren magnetischen Zuständen; sobald sie aber unbesonnener Weise daran erinnert wurde, musste sie sich augenblicklich zurückziehen und schlafen. Bei jedem Gespräch über ihren Zustand, nicht nur in ihrer Gegenwart, sondern überhaupt im Hause, wurde sie un

ruhig oder schlief ein. 1) Eine Somnambule Kerners, die in der Krise die Ankunft ihres Vaters angezeigt hatte, dann aber erwachte, verfiel gleich wieder in Somnambulismus, als jemand unvorsichtiger Weise äusserte, es scheine doch nicht, dass ihr Vater heute noch komme. Das gleiche geschah beim Spaziergang im Garten, weil das sie begleitende Kind von dem in der Dünggrube liegenden Messer sprach, wovon sie selbst in der Krise geredet hatte.2) Einst war sie in der Krise sehr heiter, und es kam ihr besonders lustig vor, als sie helisehend in der Küche des oberen Stockes die Magd eine Ente rupfen sah. Sie gab die Stellen an, an welchen aus Nachlässigkeit die Stoppeln der Federn stehen geblieben waren, und man fand ihre Angaben bestätigt, als man hinaufging. Als sie nun am Abend mit der Familie zu Tisch sass, und jene Ente aufgetragen wurde, schrie sie plötzlich: da sind ja die Stoppeln an der Ente, von welchen ich heute Nacht geträumt habe! sprang auf und eilte, schon somnambul geworden, ins Bett. Sie erklärte nun, dass der Anblick der Ente sie wieder somnambul gemacht hätte.3)

Das gleiche Verhältnis herrscht zwischen Hochschlaf und Somnambulismus. Werners Somnambule, durch das Anhören von Musik in Hochschlaf vertieft, kam nach dem Aufhören der Musik in gewöhnlichen Somnambulismus zurück, wusste dann nichts mehr von ihren im Hochschlaf gesprochenen Worten und sagte, dass auch Albert (ihr visionärer Schutzgeist, Produkt der dramatischen Spaltung) ihr dieselben nicht mitteilen wolle; denn würde sie diese Worte vernehmen, so würde sie sogleich wieder in Hochschlaf kommen, was für sie nicht gut wäre. 4)

Dass auch andere Zustände durch Erinnerungsfragmente aus denselben wieder erweckt werden können, zeigen die Irrsinnigen. Man muss es vermeiden, nach ihrer Genesung von ihrer früheren Krankheit zu sprechen, weil sie davon nicht nur unangenehm be

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2) Kerner: Gesch. zweier Somnambulen. 320. 288. 3) Kerner: Gesch. zweier Somnambulen. 277. 280. 4) Werner: Schutzgeister. 180.

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