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kommen kann, die wir für freie Entschlüsse halten; denn zunächst hinter der Handlung liegt der Wille des Magnetisierten, dem Versprechen nachzukommen, und es ist erst ein zweites Problem, dass dieser durch einen übermächtigen fremden Willen hervorgerufen wurde.

Mouillesaux befahl seiner Kranken während ihrer Krise, am anderen Tage zu bestimmter Zeit einen Besuch zu machen, der, weil ihren Neigungen widersprechend, ihr unangenehm sein musste. Er erweckte sie sodann und bot alle Vorsicht auf, dass sie sich an dieses Versprechen nicht erinnern sollte, stellte sich aber zur betreffenden Stunde in die Nähe des Hauses in Gesellschaft einiger Freunde. Mit dem Glockenschlage erschien die Somnambule, ging mehrmals unentschlossen vorüber und trat endlich mit sichtbarer Verlegenheit ein. Als nun Mouillesaux sie mit ihrem Versprechen bekannt machte, erzählte sie, es hätte ihr seit dem Morgen beständig der Gedanke vorgeschwebt, dahin zu gehen, alle ihre Gegenvorstellungen seien vergeblich gewesen und von ihrer inneren Unruhe und Angst hätte sie sich zur betreffenden Stunde nur befreien können, indem sie sich auf den Weg machte. 1)

Dr. Teste befahl einst seiner Somnambulen, am nächsten Mittag in ihrem Zimmer den Ofen zu heizen es war im Juli zwei Kerzen anzuzünden und ihn so mit ihrer Stickarbeit bis ein Uhr zu erwarten. Als er zu ihr kam, hatte sie alles genau befolgt. Motive für ihre ungereimte Handlungsweise vermochte sie nicht anzugeben, und als sie, da es ein Uhr schlug, das Feuer und die Kerzen auslöschte und die Handarbeit weglegte, wusste sie wiederum nicht, warum. 2) Einem somnambulen Knaben gab sein Magnetiseur in der Krise ein Geldstück mit dem Beisatze, dafür Birnen zu kaufen. Er nahm es an, indem er lachend aus seiner Tasche ein zweites Nach dem Erwachen gefragt, wie viel er Geld

Geldstück zog.

in der Tasche hätte, wunderte er sich sehr, darin zwei Münzen zu finden, kaufte sich aber beim Weggehen sogleich in der Nähe Birnen.3)

1) Exposé des cures de Strasbourg. III. 70.

2) Teste: Le magnétisme animal expliqué. 431.

3) Archiv. III. 2. 83.

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So kann man also auf die Vorstellungs- und Willensrichtung der Somnambulen wirken, ihnen Neigungen oder Abneigungen einpflanzen, die nach dem Erwachen verbleiben, und ihre Handlungsweise bestimmen, ohne dass sie eine Ahnung hätten von der Ursache ihrer Impulse. Deleuze verbot einer Kranken, nach dem Erwachen nach ihren Füssen zu sehen man hatte ihr Blutegel angesetzt, vor welchen sie Abscheu hatte und in der That blieb ihr diese Massregel ganz unbekannt. Eine andere Kranke verlangte vom Arzt den festen Willensentschluss, dass sie, wenn sie im Wachen nachteilige Speisen nehmen möchte, von einer unüberwindlichen Bangigkeit befallen werden sollte, was mit Erfolg geschah, 1) Auf diese Weise können Kranke bestimmt werden, im Wachen Arzneien zu nehmen, die sie verabscheuen, und sie wissen es alsdann nicht, dass sie nur einem Befehle gehorchen. Auch der eigene feste Entschluss der Somnambulen kann diese Wirkung herbeiführen, und Bertrand sagt ganz allgemein, dass wenn sie sich vornehmen, zu einer bestimmten Stunde im Wachen etwas zu thun, sie es ausführen, ohne zu wissen warum. 2) Ein solcher Willensimpuls, aus der transcendentalen Region ins Wachen wirkend, scheint sogar die dramatische Traumform annehmen zu können, wie bei jenem merkwürdigen somnambulen Mädchen, worüber Billot mit Deleuze korrespondierten. Dieses Mädchen hatte für eine bestimmte Stunde Harzräucherungen verordnet; da man es vergass, wurde sie durch eine Phantasmagorie gewarnt, indem vor ihren Augen eine dicke Wolke aus einem Rauchfass aufstieg, deren Geruch ihr die Verordnung in die Erinnerung brachte. Ein anderes Mal war es die Hallucination einer Spritze, wodurch sie an ihre Verordnung gemahnt wurde. 3)

Der allfällige Einwurf, es werde in allen derartigen Fällen die Erinnerungslosigkeit von den Somnambulen nur simuliert, erledigt sich durch die Erwägung, dass das magnetische Versprechen nur ein spezieller Fall der Abhängigkeit einer Gedankenrichtung

') Deleuze: Instruction pratique etc. 138. 435.
2) Bertrand: Traité du Somnambulisme. 183.
3) Billot: Recherches psychologiques. I. 74.

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vom fremden Willen des Magnetiseurs ist, und dass es dazu nicht einmal eines eigentlichen Somnambulismus bedarf. Hansen legte seinen Studiengenossen, während sie schliefen, die Hände auf, liess dann verschiedene Vorstellungen durch sein Gehirn ziehen, und diese übertrugen sich als Traumbilder auf die Schlafenden, wie sich herausstellte, wenn er sie morgens nach ihren Träumen frug. In einer Gesellschaft in Berlin veranlasste Hansen den Juwelier Ehrenwerth, der zur Bedienung eines Kunden in seinen Laden hinausgegangen war, gemäss allgemeiner Verabredung durch seinen blossen Willen dahin, mit drei kostbaren Diamantringen zurückzukommen und ihm dieselben in die Hand zu legen.') Ein Augenzeuge erzählte mir von einer Abendgesellschaft in Norderney, in welcher ein Magnetiseur durch seinen Willen eine der anwesenden Damen zwang, aus dem Nebenzimmer einen Schwamm zu holen und damit einem der Herren das Gesicht abzuwischen. Trotz allen sichtbares Widerstrebens vermochte sie es nicht, sich diesem Gedankenbefehle zu entziehen. Skeptiker der physiologischen Richtung, wenn sie nicht etwa durch die Vorstellungen des Magnetiseurs Hansen überzeugt worden sein sollten, werden vielleicht geneigter sein, das Einschlägige aus den Schriften von Braid gelten zu lassen. 2)

Die Thatsache, dass ein menschliches Gehirn seine Vorstellungen durch seinen blossen Willen auf ein fremdes Individuum zu übertragen vermag, und dass die Erinnerung daran auch den Wechsel des psychischen Zustandes überdauert, ist von so grosser philosophischer Bedeutung, dass ihr Wert noch gar nicht abgeschätzt werden kann. Wenn der Mensch in der Meinung sein kann, selbständig zu handeln, während er doch den Antrieb dazu einem fremden unausgesprochenen Willen erhalten haben kann, dann löst sich in diesem Verhältnisse vielleicht auch das Rätsel der Menschengeschichte. Den einen erscheint die Geschichte der Menschheit, wie die Lebensgeschichte der Individuen

von

1) Zöllner: Wissenschaftliche Abhandlungen. III. 556. 532.

2) Preyer: Der Hypnotismus. Ausgewählte Schriften von Braid.

Berlin 1882.

als das resultierende Produkt der sich durchkreuzenden Individualwillen, was bei der Abhängigkeit derselben von Naturpotenzen, Klima, Nahrung etc. auf einen Naturmechanismus hinausläuft; die anderen sehen die biologische und geschichtliche Entwicklung teleologisch nach einem Ziele geleitet und von einer Ursache bestimmt, die wir nicht kennen. Dass die letztere Ansicht mit der ersteren vereinbar, und wenn selbst nicht, doch logisch zulässig ist, das beweisen die obigen Beispiele; es sind nur verschiedene Auffassungsweisen eines und desselben Gedankens, wenn wir diesen verborgenen Antrieb unserer Handlungen in ein transcendentales Ich verlegen, oder in den Schopenhauerschen Willen, in das Hartmann sche Unbewusste, oder in den Gott der Christen. Man mag dieser oder jener Ansicht sein, immerhin wird man, da der Antrieb unserer Handlungen nicht immer in unserem sinnlichen und Hirnbewusstsein liegt, mit Lichtenberg der Meinung sein können:,,Wir auf dieser Kugel dienen einem Zweck, dessen Erreichung eine Zusammenverschwörung des ganzen Menschengeschlechts nicht verhindern könnte."

8. Die Assoziation psychischer Zustände mit den
Vorstellungen.

Es ist ein Anzeichen des vollkommen entwickelten somnambulen Zustandes, wenn mit dem Erwachen Erinnerungslosigkeit eintritt, mit der Wiederkehr des Schlafes aber die früheren Vorstellungen desselben aufleben. Je ungleichartiger die psychischen Zustände und je entschiedener sie getrennt sind, desto geschlossener ist auch ihr Vorstellungskreis, d. h. desto mehr sind bestimmte Zustände mit den von ihnen erweckten bestimmten Vorstellungen assoziiert. Darauf beruhen alle jene Phänomene, die als Traumwiederkehr und Traumfortsetzung schon im gewöhnlichen Schlafe zu beobachten sind. Einem Hypnotisierten hatte man durch Einflüsterungen die Traumbilder erzeugt, dass er auf der Anatomie eine Sektion vornahm und dann im zoologischen Garten durch einen Löwen erschreckt wurde. Als er am gleichen Tag ein zweites Mal hypnotisiert wurde, kehrten alle Gesten und Bewegungen wieder, und zwar in der gleichen Reihenfolge, wie

sie den Vormittagstraum begleitet hatten; nach dem Erwecken. ergab sich, dass der ganze Traum wiedergekehrt war. In der darauffolgenden Nacht trat während des normalen Schlafes dasselbe Traumbild zum dritten Mal auf.1) Der gleiche oder verwandte Zustand zieht also die gleichen Vorstellungen mit sich; andrerseits aber erklärt sich aus dieser Assoziation, dass jede auflebende Vorstellung geneigt ist, jenen psychischen Zustand herbeizuführen, der sie früher erweckt hatte. Es ist das nicht schwer zu erklären; denn eine jede Erinnerung tritt nicht isoliert auf, sondern zieht nach den Gesetzen der Assoziation noch viele andere nach sich, womit sie einst verknüpft war, und da alle diese Vorstellungen mehr oder minder mit ihrem ursprünglichen Gefühlswert aufleben, muss auch mehr oder minder der frühere psychische Zustand von ihnen erweckt werden. Das zeigt sich nicht nur im gewöhnlichen Traume, sondern schon im Wachen, welches keineswegs in einem ganz gleichartigen psychischen Zustande verläuft, weil jedes Anschlagen einer Erinnerungstaste den damaligen Zustand durch ihren Gefühlswert herbeizuführen sucht.

Wenn wir in einem öffentlichen Lokale, unseren eigenen Gedanken hingegeben, sitzen, so ist es möglich, dass wir selbst von einem laut geführten Gespräch am Nebentische nichts auffassen. Unsere Aufmerksamkeit wird davon nicht erregt; dass aber gleichwohl der Schall der Worte unser Ohr erreicht hatte, zeigt sich sofort, sobald solche Gespräche einen für uns interessanten Gang annehmen, oder gar unser Name ausgesprochen wird. Dieser Name als der Inbegriff aller unserer im normalen Tagesbewusstsein niedergelegten Vorstellungen, als der Centralpunkt, nach welchem sie alle konvergieren, ist die am stärksten tönende Erinnerungstaste; wenn sie angeschlagen wird, bringt sie uns sofort aus dem Zustande der Absorption in den der Aufmerksamkeit und Besonnenheit zurück. Darin beruht das Geheimnis, dass Nachtwandler, wenn sie beim Namen gerufen werden, erwachen, aber auch oft verunglücken, wenn ihr normales Ich der augenblicklichen Situation nicht gewachsen ist. Auch manche Somnam

1) Heidenhain: Der sogenannte tierische Magnetismus. 58.

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