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mit der Bundeslade erblickte.

Daraus nahm nun Gott das Buch der Allwissenheit und las ihm alle seine begangenen Sünden vor.') Ein Aufgeklärter unserer Tage wäre entrüstet über die an ihn gerichtete Zumutung, eine solche Geschichte zu glauben; aber diese Entrüstung beruht nur auf der Unfähigkeit, eine Addition vorzunehmen. Löst man diese kombinierte Erscheinung in ihre Bestandteile auf und hält sie einzeln dem Aufgeklärten vor, so wird er sie anerkennen, zu addieren aber vermag er nicht, und in der vereinigten Summe erkennt er nicht mehr die Summanden. Diese Art von Skeptizismus ist sehr häufig und in solchen Fällen empfiehlt es sich immer, dem Kopfe, der die Summe nicht verdauen kann, die Summanden einzeln zu bieten.

Bei der nahen Verwandtschaft im Zustande der Somnambulen und Sterbenden, verdient es auch noch erwähnt zu werden, dass die Aussprüche der Somnambulen über den Vorgang des Sterbens mit den bisherigen Berichten übereinstimmen. So sagt die Magdalena Wenger, das ganze Leben, auch wenn es achtzig Jahre gewährt, erscheine den Sterbenden ganz kurz zusammengedrängt, und alles stehe äusserst klar vor der Erinnerung. 2) Eine solche Vision hatte die Nonne Katharina Emmerich, als religiöse Somnambule; als sie starb, sah sie ihr ganzes vergangenes Leben an sich vorüberziehen, als sei es das Leben einer anderen Klosterfrau.3) Ebenso führt Passavant eine von ihm beobachtete Somnambule an, welche Rückblicke in ihr ganzes vergangenes Leben that, aus ihrer frühesten Jugend Ereignisse berichtete, deren Richtigkeit erwiesen wurde, und über ihren moralischen Zustand bis in die verborgensten Gedanken Licht erhielt, das nach ihren Worten einst jeder im Sterben erhalte.4) Es entspricht dieses der auch in anderen Zuständen beobachteten Erscheinung, dass das transcendentale Bewusstsein sich nicht als blosser Spiegel rein passiv verhält, sondern dass die Vorstellungen mit ihrem Gefühlswert aufleben; es werden also auch die erinnerten Handlungen des Lebens von den früheren Regungen des Gewissens begleitet sein.

1) Splittgerber: Schlaf und Tod. II. 45.
2) Perty: Myst. Erscheinungen. I. 325.
3) Perty II. 433.

4) Passavant: Untersuchungen etc. 99.

Dieses phantasmagorische Vorstellungsvermögen der Sterbenden, wobei sich die Ereignisse ganzer Jahre in wenigen Sekunden zusammendrängen, und der Mensch die einzelnen Phasen seines Lebens als die Entwicklungsmomente seines geistigen und moralischen Wesens überblickt, ist seit ältesten Zeiten bekannt und für die Charakteristik der Seele verwertet worden. Plotin sagt: ,,Aber mit der Zeit, gegen das Ende des Lebens, stellen sich andere Erinnerungen aus den früheren Perioden des Daseins ein; . . . denn freier geworden vom Körper wird sie auch das, was sie hier nicht im Gedächtnis hatte, wieder erwerben."1) Ähnlich der ältere van Helmont: Die vom Körper befreite Seele bedient sich nicht mehr des Gedächtnisses und der Erinnerungsmittel durch Beziehung auf Raum und Zeit non intuitu loci aut durationis sondern fasst in einem einzigen Jetzt alles zusammen. So werden wir also immer mehr zu der Folgerung getrieben, dass das Wort Vergessen relativ zu verstehen ist, dass alles, was je erfahren wurde, auch wieder reproduziert werden kann, weil eben das Vergessen lediglich den Übergang aus dem sinnlichen in das transcendentale Bewusstsein bedeutet, welches in dem Masse als es zur Geltung kommt, auch seinen Inhalt mehr oder weniger mit sich bringt.

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2)

6. Die Erinnerungslosigkeit der Somnambulen nach dem Erwachen.

Jedermann hat wohl schon die Erfahrung an sich gemacht, dass er sich leichter an Erzählungen erinnert, die sich innerhalb der Grenzen der Wahrscheinlichkeit bewegen, als etwa an orientalische Zaubermärchen, worin dem Leser Unwahrscheinlichkeiten und Unmöglichkeiten aufgebürdet werden. Im ersteren Falle werden eben Vorstellungen erzeugt, die in geregelter kausaler Verknüpfung stehen; im letzteren Falle wird das Kausalitätsgesetz beständig verletzt, und die Erinnerung wird gerade durch denjenigen Umstand erschwert, vermöge dessen wir solche Märchen, die uns eine wohlthuende Erlösung von der Alltäglichkeit des Kausalitätsgesetzes gewähren, ästhetisch geniessen.

1) Plotin: Enneaden. IV, 3. 27.

2) Helmont: Ortus medicinae. Imago mentis. § 24.

Diese kausale Verknüpfung der Einzelvorstellungen geht nun auch dem Traume ab; sie reihen sich aneinander ohne innere Verbindung und ohne sich gegenseitig zu stützen.

Ohne Zweifel hängt übrigens die Schwierigkeit, sich an Träume zu erinnern, nicht ausschliesslich von deren Inhalt ab, sondern auch von individuellen Fähigkeiten, nicht nur weil es verschiedene Grade von Gedächtniskraft gibt, sondern noch mehr, weil es verschiedene Arten derselben gibt. Das Gedächtnis eines Cuvier, von welchem gerühmt wird, dass er nichts von dem vergass, was er las, weil er allem seinen Platz im Systeme gab, ist durchaus verschieden von der Fähigkeit eines Gedächtnis künstlers, der eine lange Wortreihe oder eine zusammenhangslose Zahlenreihe vorwärts und rückwärts nachsprechen kann. Immerhin scheint wenigstens das von allgemeiner Geltung zu sein, dass die Erinnerung an Geträumtes weniger lebhaft ist, als die an Erlebtes, sonst müssten wir unvermeidlich wenigstens die geregelten Träume mit der Wirklichkeit vermischen, z. B. wenn ein Jäger von der Jagd träumt. Manchmal geschieht das in der That, und ich selbst ging einst im Paradeanzug in die Kaserne, weil ich im Traume zum Beziehen der Wache kommandiert worden war und mich am Tage darauf wohl noch der Sache, aber nicht als einer geträumten erinnerte.

Die im allgemeinen höchst mangelhafte Erinnerung an Träume wird nicht nur durch deren ausnahmsweise geregelten Zusammenhang erleichtert, sondern auch noch durch andere Umstände. Es scheint, dass Träume, in deren Verlauf wir, auf der Traumbühne stehend, aktiv eingegriffen haben, besser in der Erinnerung haften, als solche, wobei wir nur Zuschauer waren und fremdartigen Bildern gegenüberstanden. Auch der mit den Traumbildern verbundene Gefühlswert ist für die Erinnerung massgebend; interessante Träume, oder solche, die unsere Affekte heftig erregten, werden nach dem Erwachen leichter reproduziert werden, als andere. Aus diesem Grunde bleibt von Affektträumen, auch wenn wir sie nach dem Erwachen vergessen haben, wenigstens der Gefühlswert derselben als Stimmung zurück. Wir erwachen keineswegs immer in einem psychisch indifferenten Zustande, dem erst das Tagesleben einen Inhalt geben würde, sondern häufig in scheinbar undu Prel, Philosophie der Mystik.

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motivierter fröhlicher oder trauriger Stimmung, wofür sich ein anderer Grund nicht erkennen lässt, als dass diese Stimmung von vergessenen Traumbildern zurückblieb. So erwachte Nebukadnezar, heftig von einem Traumbild erschreckt, und diese Empfindung überdauerte das Erwachen, wiewohl er den Traum gänzlich vergessen hatte.') Je tiefer der Schlaf war, desto schwieriger die nachträgliche Erinnerung. Jene Träume nun, bei welchen die Nervenregungen sich bis zum motorischen System erstrecken, was der Schlafende durch Bewegungen der Lippen oder Glieder verrät kann man schon als Annäherungen an den tiefen Schlaf der Nachtwandler und Somnambulen betrachten; in diesem Falle müssten, weil Somnambulen ohne Erinnerung erwachen, auch die Träume des gewöhnlichen tiefen Schlafes erinnerungslos sein. Das wird von Moreau bestätigt, nach welchem diejenigen Träume die geringste Erinnerung hinterlassen, in welchen man spricht oder sich bewegt.2) Auch Maury sagt, dass er häufig Personen, die im Traume sprachen, plötzlich weckte, und dass keine sich erinnerte, was sie geträumt.3) Ebenso führt der ältere Darwin die Frau eines seiner Freunde an, die häufig und vernehmlich im Schlafe sprach, nach solchen Nächten aber sich niemals an ihre Träume erinnerte; wohl aber wusste sie von ihren Träumen dann zu erzählen, wenn sie nicht gesprochen hatte.) Daraus lässt sich wiederum erkennen, dass die Erinnerungslosigkeit des tiefen Schlafes nicht als Traumlosigkeit desselben ausgelegt werden darf.

Häufig kommt es vor, dass wir erinnerungslos erwachen, dass aber im Verlaufe des Tages eine ganz unbestimmte, leise Mahnung an den Traum wie ein Wetterleuchten durch unser Bewusstsein zieht und sogleich wieder verschwindet. Dieses flüchtige Anschlagen einer Erinnerungstaste liegt wohl nur daran, dass irgend ein Sinneseindruck, vielleicht nur ein gehörtes Wort, oder die momentane Gefühlsdisposition einem Traumfragment entspricht, oder wenigstens verwandt genug mit ihm ist, um durch Assoziation auf den

1) Daniel 2.

2) Moreau de la Sarthe: Dict. des sciences médicales. Article: rêves. 3) Maury. 218.

4) Darwin: Zoonomie. Übers. v. Brandis. I, 1. 406.

Traum hinzuweisen.

Aber er wird nur flüchtig gestreift und schon

im nächsten Augenblicke versuchen wir vergeblich, dieses Traumfragment zu erhaschen. Eben wegen der Vergeblichkeit dieses. Besinnens ist zwar der Beweis für die Richtigkeit dieser Erklärung nicht beizubringen; aber wenn wir zu der korrespondierenden Erscheinung des Somnambulismus übergehen werden, wird die Sache sehr durchsichtig werden.

Allen bisher erwähnten Erscheinungen des Traumlebens werden wir nämlich im Somnambulismus gesteigert wieder begegnen.

Die mangelhafte Erinnerung an Träume nach dem Erwachen steigert sich nach dem Somnambulismus bis zur vollständigen Erinnerungslosigkeit. Diese Erscheinung scheint fast allen Zuständen der Ekstase gemeinsam zu sein; auch wurde sie von jeher beobachtet, im Orakelwesen der Griechen, bei den Sybillen, in den dämonischen Zuständen des Mittelalters, im Nachtwandeln und in Fieberdelirien. In der modernen Litteratur über Somnambulismus gibt es kaum eine Schrift, die nicht davon spräche. Dr. Valenti nahm seiner Somnambulen das Kopftuch, versteckte es in der Küche, und gab ihr genau den Ort an. Beim Erwachen war sie verwundert, das Kopftuch nicht aufzuhaben und suchte es vergeblich; wieder eingeschläfert, wusste sie genau das Versteck, aber beim zweiten Erwecken war wiederum alle Erinnerung verloren. 1)

Derartige Experimente sind zu hunderten gemacht worden, und sind oft komischer Natur. Die Witwe Petersen, über welche eine lange Krankheitsgeschichte vorliegt, ass lieber im Wachen, als im magnetischen Schlafe, weil sie im letzteren Falle nach dem Erwachen es nie wisse, ob sie etwas zu sich genommen. Eine Somnambule Kerners sagte: „Diesen Morgen im magnetischen Schlafe trank ich Holderthee; als ich erwachte, fühlte ich von demselben nichts mehr im Munde. Ich ass wach Fleisch und schlief hierauf magnetisch ein. Als ich nun wieder in diesem Schlafe war, fühlte ich wieder im Munde den Holderthee und nicht das Fleisch, das ich im wachen Zustande gegessen hatte; als ich aber aus diesem Schlafe wieder erwachte, hatte ich wieder den Geschmack von Fleisch im Munde." Kerner selbst sagt

1) Archiv VI. 1. 124.

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