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werden. Speziell die Heilverordnungen betreffend, hat eine genaue Analyse derselben ergeben, dass dieselben aus zwei Teilen bestehen, deren jeder der Physiologie ganz geläufig ist, so dass fernerhin nur mehr derjenige Skeptizismus gegen die vereinigten Teile Einsprache erheben kann, welcher unfähig ist, zu addieren. Diese beiden Teile sind: I. Das Wechselverhältnis zwischen Wille und Vorstellung. 2. Die Verschiebung der psychophysi

schen Schwelle.

Der Wille erregt die Vorstellung, und diese jenen. Wenn mir die anschauliche Vorstellung eines Dinges entgegentritt, das mir in meinem jetzigen Zustande homogen ist, so erregt sie das Bedürfnis; so z. B. locken unsere Wirtshausschilder mit überschäumenden Biergläsern den Durstigen. Wenn umgekehrt der Wille, das Bedürfnis nach einem Dinge vorhanden ist, so erregt er im Wachen den Gedanken an das Ding, im Schlafe die Vorstellung des Dinges. So z. B. in erotischen Träumen. Das wusste schon der Neuplatoniker Plotin:,,Wenn die Begierde sich regt, dann kommt die Phantasie und präsentiert uns gleichsam das Objekt derselben."1) Der Wille kann den Gedanken erregen: das ist alltägliche Erfahrung, und die überwiegende Mehrzahl der Menschen ist objektiver Gedanken gar nicht fähig, sondern eben nur solcher, die der egoistische Wille, das Interesse, das Bedürfnis hervorruft; ja sogar die überwiegende Mehrzahl der wissenschaftlichen Bücher ruft noch den Tadel hervor, den Baco von Verulam in den Worten aussprach:,,Der menschliche Verstand ist kein reines Licht, sondern erleidet einen Einfluss von dem Willen und den Gefühlen." 2)

Wären wir nun nicht so unphilosophisch, der alltäglichen Erfahrung gegenüber die Verwunderung zu verlieren, und nur das Seltene anzustaunen, würde lediglich der objektive Inhalt einer Erscheinung den Grad unserer Verwunderung bestimmen, so müssten wir unvermeidlich zugestehen: es ist um vieles wunder

1) Plotin: Enneaden. IV. 4. 17. 2) Baco: Novum Organon. I. § 49. Wille und Vorstellung. II. Kap. 19.

Und Schopenhauer: Welt als

barer, dass der Wille im Wachen den Gedanken erregen kann, als im Schlafe die Vorstellung. Denn alles begriffliche Denken und alle Sprachen, wurzeln, wie Lazarus Geiger überzeugend nachgewiesen hat 1), in der Anschauung; die Vorstellung ist das Wurzelhafte, das Primäre in unserem Denken, und alle Begriffe alle Worte sind nur verdichtete Vorstellungen. Demnach bleibt also im Schlafe die Willenswirkung in der Vorstellungssphäre stecken, geht aber im Wachen noch darüber hinaus, bis in die Sphäre des abstrakten Denkens, bis zum Gedanken an das Gewollte. Der letztere Fall ist also trotz seiner Alltäglichkeit um vieles rätselhafter, als der andere. Auf diese Thatsache des Wachens muss man also jeden Skeptiker verweisen, der es bestreitet, dass im Traume die Vision von Heilmitteln eintreten kann.

Der andere Faktor der somnambulen Heilverordnungen ist die Verschiebung der psychophysischen Schwelle. Die Schwelle scheidet jene Einwirkungen der Aussenwelt, welche bewusst werden, von den anderen, die unbewusst bleiben, aber gleichwohl vor sich gehen, nur dass sie nicht empfunden werden. Die Verschiebung der Schwelle macht also das Unbewusste bewusst, sie muss das Empfindungsmaterial vermehren. Tausende von Experimenten an Somnambulen haben bewiesen, dass dieselben von Substanzen Einwirkungen erhalten, die im Wachen nur bei Sensitiven vorkommen oder als Idiosynkrasieen auftreten. Unsere Fähigkeit des Wachens, auf alle Dinge entweder mit Lust oder Unlust zu reagieren, ist im Schlafe gesteigert, so dass die Somnambulen sogar die chemischen Bestandteile zusammengesetzter Stoffe empfinden; es ist daher natürlich, dass sie auch über die Zuträglichkeit oder Schädlichkeit derselben orientiert sind, denn im Schlafe wie im Wachen ist der Schmerz das begleitende Merkmal des dem Organismus Schädlichen, Wohlbehagen das Merkmal des Zuträglichen. Hätten wir diesen Trieb nicht, das Geeignete zu suchen, das Nichtgeeignete zu fliehen, so wären wir nicht. lebensfähig.

1) Geiger: Ursprung der Sprache. Stuttgart 1869. Und: Ursprung und Entwicklung der menschlichen Sprache und Vernunft. Stuttgart 1868.

So gut also, als die Empfindungsfähigkeit im Wachen dem Durstigen den Gedanken an Wasser erzeugen kann, so kann diese im tiefen Schlafe hochgesteigerte Empfindungsfähigkeit dem kranken Organismus die Vorstellung der zuträglichen chemischen Substan

zen erzeugen.

Das sogenannte Wunder der Heilverordnungen ist also in seinen beiden Teilen ganz begreiflich, und muss angesichts des grossen Materials von Berichten, für jeden als eine verständliche Thatsache gelten, der die beiden Teile zu addieren vermag.

Es gibt Skeptiker, welche die Thatsachen des Somnambulismus zwar nicht leugnen, aber in ihrem Werte herabsetzen, weil dieselben krankhafter Natur seien. Das sind sie nun allerdings, denn jede Verschiebung der psychophysischen Schwelle ist zugleich eine Verschiebung des normalen gesunden Zustandes; aber sie sind nur krankhaft in Bezug auf die Erregungsursache und für die Person des sinnlichen Bewusstseins, aber keineswegs in Bezug auf ihren transcendentalen Inhalt; und besser kann jenes Bedenken gewiss nicht erledigt werden, als durch den Nachweis, dass der Traum ein Arzt ist, dass die transcendentale Person der Arzt der empirischen Person ist.

Diese Sprache wird freilich manchem sehr ungewohnt klingen; aber da wir die Fähigkeiten des Somnambulismus aus dem sinnlichen Bewusstsein nicht erklären können, so müssen wir eben den Mut haben, geradezu zu sagen, dass die Somnambulen Inspirierte sind. Von wem aber werden sie inspiriert? Die Schutzgeister und Führer der Somnambulen für Realitäten und für die Inspiratoren zu halten, ist nicht nötig, weil die einfachere Hypothese, dass die Somnambulen durch sich selbst inspiriert seien, die Erscheinungen eben so gut erklärt. Diese Inspirationen stammen aber aus der Region des Unbewussten; es ist das Ich unterhalb der Empfindungsschwelle, das sich vernehmen lässt, wenn das sinnliche Bewusstsein schwindet. Irgend ein psychisches Verhältnis muss dem Scheine zu Grunde liegen, dass diese Inspirationen von aussen kommen, und eine andere Erklärung dafür lässt sich nicht finden, als dass eben die Inspiration zwar von dem gleichen Subjekt, aber doch von einer andern Person stammt,

als der des sinnlichen Bewusstseins.

Diese zweite Person kann

aber alsdann nur relativ, für die des sinnlichen Bewusstseins, unbewusst sein, aber nicht an sich. Um also das Resultat in wenige Worte zusammenzufassen, so ist zu sagen: Unser normales Selbstbewusstsein erschöpft nicht seinen Gegenstand, unser Selbst, es umfasst nur die eine der beiden Personen unseres Subjekts. Der Mensch ist ein monistisches Doppelwesen, monistisch als Subjekt, dualistisch als Person. Der Streit der Monisten und Dualisten erledigt sich also in der Weise, dass man das Entweder - Oder durch ein Sowohl - Als- auch ablöst.

VI.

Das Erinnerungsvermögen.

1. Reproduktion, Gedächtnis, Erinnerung.

ir besitzen unsere Vergangenheit in Form von Phantasiebildern, die als Abbilder der Wirklichkeit in unserer Erinnerung liegen. Dadurch kommt Zusammenhang in unser empirisches Selbstbewusstsein, und es entsteht das sogenannte reine Selbstbewusstsein, das Persönlichkeitsgefühl, indem die Reihe unserer Erlebnisse auf ein identisches Subjekt bezogen wird, das sich bei allem Wechsel der Empfindungen als bleibend erkennt. Wären die aufeinanderfolgenden Empfindungen durch Erinnerungslosigkeit getrennt und atomistisch vereinzelt, so könnte ein persönliches Bewusstsein eben so wenig entstehen, als wenn die Anzahl dieser Empfindungen auf eine gleiche Anzahl von Individuen verteilt wäre. Es würde nur ein beständig alternierendes Bewusstsein stattfinden, mit jeder neuen Empfindung ein neues Ich erwachen. Erst indem die wechselnden. Empfindungen am Faden der Erinnerung aneinandergereiht werden, kommt ein identisches Selbstbewusstsein zu stande, das demnach ohne Erinnerung nicht denkbar ist. Weil ferner ein vernünftiges Denken und Handeln abhängig ist von der Klarheit, womit wir die vergangenen Erfahrungen bewahren, und von der Besonnenheit, womit wir daraus Schlüsse auf die Zukunft ziehen, muss das Erinnerungsvermögen als die Wurzel aller höheren Geisteskräfte anerkannt werden. Demgemäss sehen wir, dass mit der biologischen Organisationshöhe eines Geschöpfes auch die Ausdehnung seines

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