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mir an einer Strassenecke den Weg, indem er sich gegen das Haus stützt und mit seinen Händen um sich schlägt, worüber ich erwache. Das Gefühl der körperlichen Mattigkeit und Schwere kommt in jedem Zuge des Traumes (Bekleidung mit Reisemantel, Pelzmütze, Tuchschuhen; das belastete Sitzen; die Zumutung, den. Korb zu tragen; der Schulranzen; der Schulkamerad, der mich. noch mehr belasten will und mich zum Stehenbleiben zwingt) zu sprechendem Ausdruck. Jenes Gefühl ist allerdings der Richtung gebende Reiz des Traumes und bildet insofern das zusammenhaltende Band; aber nur das geheime, hinter der Phantasie liegende. Denn innerhalb der Traumphantasie, die durch und durch schauend ist, kann der Reiz nicht in seiner ursprünglichen, unverhüllten Gestalt existieren. Hier wird er sofort in jener Reihe von Bildern symbolisiert."1)

Wenn nun eine Traumdeutungskunst in diesem physiologischen Sinn möglich wäre, so würde das unserer Wissenschaft vom Leben sehr zu statten kommen, indem der Prozess selbst des Lebensin unseren Träumen sich reflektieren würde, während unsere derzeitige Physiologie für ihre Behauptungen fast nur Leichenbefunde ins Feld führen kann.

Vorerst nun hat sich ergeben, dass das Bewusstsein unserer Leiblichkeit im Traume viel ausgedehnter und deutlicher ist, als im Wachen. Was bei Tage entweder gar nicht oder nur als Gemeingefühl empfunden wird, wird im Traume in seine einzelnen Bestandteile zerlegt und symbolisiert. Da nun das Sistieren. der Eindrücke der Aussenwelt, d. h. das Schwinden des empirischen Bewusstseins, die Bedingung ist, unter welcher jene deutlichere Durchfühlung des Leibes eintreten und die Empfindungsschwelleder Art verlegt werden kann, dass ein für den wachen Menschen transcendentaler Bewusstseinsinhalt auftauchen kann, so lässt sich vermuten, dass die Steigerung dieses Inhalts gleichen Schritt hält mit der Tiefe des Schlafes. Wir würden also ohne Zweifel sehr wertvolle Aufschlüsse erhalten, wenn wir eine Erinnerung an unsere Traumbilder des tiefen Schlafes bewahren könnten, oder wenn wir während des tiefen Schlafes zum Reden über

1) Volkelt: Die Traumphantasie. Stuttgart 1875. S. 88.

unseren Zustand gebracht werden könnten. Es ist nicht undenkbar, dass es der noch kaum geborenen Experimentalpsychologie einst gelingen wird, Anleitungen hierzu zu geben; vorläufig aber ist die eine der beiden Bedingungen nur beim Somnambulismus einigermassen gegeben. Der somnambule Schlaf ist viel tiefer als der gewöhnliche Schlaf, er wird also auch eine klarere Durchfühlung des Leibes mit sich bringen. Somnambule Personen können ferner zum Sprechen veranlasst werden; ja gerade über ihr leibliches Befinden sprechen sie oft aus freiem Antriebe. Es lässt sich daher vermuten, dass wir aus den Erscheinungen des Somnambulismus eine wertvolle Ausbeute für den Beweis gewinnen werden, dass der Traum ein Arzt ist.

2. Die Diagnose im somnambulen Schlafe.

a. Die innere Selbstschau.

Derjenige Forscher ist für die Wissenschaft verloren, der die Erscheinungen der Natur nur mit dem Bestreben durchforscht, Bestätigungen für seine mitgebrachten Theorien zu finden, und der, seinen Erkenntnishorizont mit dem Horizonte der Dinge verwechselnd, nur das für möglich hält, was innerhalb des ersteren Platz hat. Wenn wir mit aprioristischen Vorurteilen an die Natur herantreten, laufen wir die doppelte Gefahr, Erscheinungen, die unseren Hypothesen widersprechen, entweder zu übersehen, oder sie falsch, nämlich im Sinne der Hypothese, auszulegen.

Die Psychologie ist die schwierigste aller Wissenschaften, in der wir uns daher nur eines geringen Besitzes gesicherter Kenntnisse erfreuen. Hier vor allem thut es demnach not, von der herrschenden Tagesmeinung uns nicht verblenden zu lassen, vorläufig noch jedes abschliessenden Urteils uns zu enthalten und uns einfach an die Thatsachen zu halten; denn die Thatsachen bleiben unerschütterlich, die Hypothesen aber sind entwicklungsfähig, haben von jeher gewechselt und werden so lange wechseln, bis wir uns Allwissenheit zuschreiben dürfen. Nur wer allwissend wäre, dürfte a priori darüber urteilen, welche Erscheinungen möglich sind, welche nicht; in einem so wenig durchforschten Gebiete

etwa

aber, wie die Psychologie ist, müssen wir vielmehr a priori darauf gefasst sein, Unbegreiflichem zu begegnen. Der Mensch ist uns das grösste aller Rätsel; wir wissen nicht, was das Leben ist, wie ein Organismus entsteht und sich erhält, und die Erfahrung allein wird uns allmählich darüber belehren, welche Kräfte und Anlagen in unserer Seele schlummern. Wenn Wieland') sagt: ,,Vielleicht ist es gerade der grösste Naturforscher, der sich am wenigsten untersteht, irgend etwas, das nicht augenscheinlich in die Klasse der viereckigen Dreiecke gehört, für unmöglich zu erklären," - so müssen wir diesen richtigen Grundsatz, geradezu alles für nöglich zu halten, ausser was einen logischen Widerspruch enthält, vorzugsweise in der Psychologie befolgen.

Für den gesunden Menschenverstand klingt es ungemein plausibel, ja von selbst verständlich, dass ein durch jahrelange Studien und Erfahrungen gebildeter Arzt über eine Krankheit und deren Heilmittel im Wachen besser zu urteilen vermag, als eine ungebildete Person im Schlafe. Aber das Plausible ist nicht immer das Wahre, und der gesunde Menschenverstand ist es nicht, der die Wahrheit findet. Die Geschichte der Wissenschaften beweist vielmehr, dass jeder geistige Fortschritt eine paradoxe Ansicht zur Geltung bringt, und die Niederlage des gesunden Menschenverstandes zieht sich wie ein roter Faden durch die Entwicklungsgeschichte des Geistes. Es liegt kein logischer Widerspruch in der Behauptung, dass Personen im somnambulen Schlafe über Krankheiten richtiger urteilen, als der besonnene Arzt; die Erscheinung ist also vorerst möglich, und da sie schon tausendmal von Ärzten selbst konstatiert wurde, so ist sie auch wirklich. Wenn nun diese Thatsache ganz und gar unseren physiologischen Systemen widerspricht, so kann man nur sagen: desto schlimmer für unsere Systeme! denn schliesslich sind es immer diese, welche den Thatsachen weichen müssen, nicht umgekehrt.

Schon aus der bisherigen Untersuchung hat sich ergeben, dass der Traum ein Mittel der Diagnose ist. Da nun der somnambule Schlaf ungleich tiefer ist, als der gewöhnliche, so lässt

1) Wieland, Werke XXX. 97.

sich vermuten, dass Fähigkeiten, die im gewöhnlichen Schlafe nur in elementarer Form sich zeigen, bei Somnambulen gesteigert auftreten werden.

Der Schlaf bringt inneres Erwachen mit sich, den Traum, und zwar in dem Masse, als er unsere Sinne von der Aussenwelt abschliesst. Diese Abschliessung ist eine gesteigerte bei den Somnambulen, daher ist auch ihr inneres Erwachen ein helleres. Da nun schon im gewöhnlichen Traume das innere Empfindungsmaterial seine mehr oder minder deutliche, meistens nur symbolich umschriebene Darstellung findet, so wird der hellere, somnambule Traum ein noch deutlicheres Bewusstsein der Leiblichkeit mit sich bringen; da ferner die Personen, die sich im somnambulen Schlafe befinden, zum Sprechen über ihre Zustände gebracht werden können, so ist es leicht begreiflich, dass sie über eine Krankheit, die sie schauen, besser orientiert sind, als oft der Arzt, der nur urteilt, d. h. aus den Symptomen auf die Ursachen schliesst.

Die Erscheinung des magnetischen Schlafes war schon dem Altertume bekannt. Gar manches Wunderbare, was die alten Ärzte und Philosophen vom Schlafe erzählen, gilt nur vom magnetischen, zwischen welchem und dem gewöhnlichen Schlafe sie nicht unterschieden. Nur wer dieses beachtet, wird den alten Hippokrates ganz verstehen. Dagegen unterscheiden die griechischen Schriftsteller genau zwischen ovag und лaq, wofür die deutsche Sprache nur ein Wort hat: Traum.

Es ist dieses der

sprachliche Ausdruck dafür, dass wir in allen Träumen nur wertlose Phantasmen sehen, ohne Anerkennung der transcendentalen. Psychologie, während die Griechen in das andere Extrem verfielen, und die transcendental-psychologischen Träume für göttliche Inspirationen hielten.

Puységur hatte einen kranken, jungen Menschen in magnetischen Schlaf versetzt, der innerlich erwachend und den Krankheitsherd erkennend von selbst die Worte aussprach:,,ich habe einen Abscess im Kopfe; er wird mich ersticken, wenn er auf die Brust fällt." Durch die geringe wissenschaftliche Bestimmtheit der gemurmelten Worte hätte Puységur leicht veranlasst werden können,

auf Fieberdelirien des Kranken zu schliessen. Aber weil er in keinem Systeme befangen war, besass er die Gabe, Thatsachen neuer Art als solche gelten zu lassen, verfolgte die Sache weiter, und wurde so der Entdecker einer der wichtigsten Erscheinungen im Gebiete der Seelenkunde. 1) Er fand bald, dass alle Somnambulen, wenn ihr Schlaf die gehörige Tiefe erreicht, die Fähigkeit der inneren Selbstschau besitzen. Mit Bezug auf diese Durchfühlung und Diagnose des eigenen Organismus kann der Somnambule als sein eigener Arzt betrachtet werden. Wie das Stethoskop zur Erforschung des inneren Organismus gebraucht wird, so kann man den Somnambulen gleichsam als lebendiges Stethoskop

verwerten.

Auch im magnetischen Schlafe findet daher, wie im natürlichen, inneres Erwachen statt, aber es erreicht einen grösseren Helligkeitsgrad. Es scheint, dass in diesem tiefen Schlafe die inneren Organe nicht mehr in der Form phantastisch umgestalteter Symbole geschaut werden, sondern als plastisch dargestellte Wirklichkeit, wobei innerhalb dieses anschaulichen Bildes insbesondere die krankhaft affizierten Stellen wahrgenommen werden. Schon der gewöhnliche Traum beschäfitigt sich viel weniger mit den gesunden Organen, als mit den kranken; die letzteren sind es, die sich in den Bildern immer wieder aufdrängen und diesen ihren konstanten Charakter verleihen. Wenn aber dabei die Krankheitsursache nur indirekt erkannt wird, nämlich aus den symptomatischen Traumbildern, die sie hervorruft, so stellt dagegen der magnetische Traum die Ursache selbst und das innere Getriebe des Organismus anschaulich vor. Dies hat schon der alte Hippokrates in seiner Abhandlung über die Träume ausgesprochen:,,Nachdem die Seele durch den Schlaf nicht geradezu vom Körper, aber doch von dem groben Dienste seiner Teile sich losgebunden, so zieht sie sich in sich selbst zurück, gleichsam wie in einen Hafen, um sich vor Ungewitter zu schützen; sie sieht und erkennt dann alles, was im Innern vorgeht, und malt sich diesen Zustand aus mit verschiedenen Figuren und Farben und erklärt sich deutlich den

') Puységur: Recherches physiologiques sur l'homme dans l'état de somnambulisme. Paris. Dentu. 1811. S. 45.

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