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wirkte, sondern eben dieses magnetische Agens im eigenen Organismus des Aufmerkenden zur Entbindung brächte, der also sich selber magnetisieren würde. Wir können nicht annehmen, dass die Magnetiseure eine Menschenklasse für sich seien, vielmehr muss jedermann mehr oder weniger im Besitze dieses Agens sein, und es besteht kein genügender Grund, die Überleitung desselben von einem Organismus auf einen anderen vermutlich unter Vermittlung jenes Nervenapparates, der die Nervenfäden unter der Haut der Fingerspitzen beendigt und den man die Paccinischen Körperchen nennt zu bezweifeln. Wer die bezügliche Litteratur kennt, der weiss, dass dieses noch immer bezweifelte objektive Agens nicht nur in der Dunkelkammer sichtbar gemacht werden kann, ') dass es die Somnambulen auch ausserhalb dieser Kammer sehen, wie sie einstimmig sagen, und dass es sogar messbar ist. 2) Dies eben ist der Grund, warum man Unrecht daran gethan hat, den Standpunkt Mesmers, der im Magnetismus zunächst ein physikalisches Phänomen sehen wollte, so schnell aufzugeben, und dass man, weil sich damals dieses Agens noch nicht konstatieren liess, die Aufmerksamkeit auf die allerdings merkwürdigeren psychologischen Phänomene des Somnambulismus fast ausschliesslich lenkte. Statt dessen hätte zunächst die physikalische Grundlage des Magnetismus festgestellt werden sollen.

Die dem Somnambulismus zugeschriebenen sogenannten Wunder, deren Gesetzmässigkeit aber das nächste Jahrhundert erkennen wird, sind nicht nur Thatsachen, sondern auch Thatsachen von der allergrössten Wichtigkeit. In beiderlei Hinsicht kann ich mich auf Schopenhauer berufen, der noch am Abende seines Lebens dieses Studium vorgenommen, aber leider nicht vollendet hat. In Bezug auf die Thatsächlichkeit des Somnambulismus sagt er: ,,Wer heut zu Tage die Thatsachen des animalischen Magnetismus und seines Hellsehens bezweifelt, ist nicht ungläubig, sondern unwissend zu nennen." Was aber die Wichtigkeit der Sache betrifft, so sagt ,,Die in Rede stehenden Phänomene aber sind, wenigstens

er:

1) Reichenbach: Der sensitive Mensch.

2) Robiano: Névrurgie.

vom philosophischen Standpunkt aus, unter allen Thatsachen, welche die gesamte Erfahrung uns darbietet, ohne allen Vergleich die wichtigsten; daher sich mit ihnen gründlich bekannt zu machen die Pflicht jedes Gelehrten ist. ... Dann aber wird eine Zeit kommen, wo Philosophie, animalischer Magnetismus und die in allen ihren Zweigen beispiellos vorgeschrittene Naturwissenschaft gegenseitig ein so helles Licht auf einander werfen, dass Wahrheiten zu Tage kommen werden, welche zu erreichen man ausserdem nicht hoffen durfte." 1)

In der That, der Somnambulismus liefert den überzeugendsten Beweis für eine andere Ordnung der Dinge, als die sinnliche ist, sowie dafür, dass wir Menschen selbst mit der dem Ich unbewussten Seite unseres Subjekts in diese transcendentale Ordnung verflochten sind. Der Somnambulismus beweist, dass Schopenhauer und Hartmann Recht hatten, der menschlichen Erscheinungsform einen Willen und ein Unbewusstes zu Grunde zu legen; er beweist aber auch, dass dieser Wille nicht blind, und dass was dem Ich unbewusst ist, nicht an sich unbewusst ist, dass ferner zwischen uns und der Weltsubstanz ein transcendentales Subjekt eingeschoben werden muss, ein wollendes und erkennendes Wesen, dass also die Individualität des Menschen über seine derzeitige Erscheinungsform hinaus Geltung hat, und die irdische Existenz nur die eine der unserem Subjekt möglichen Existenzformen ist.2)

Noch ist also die Wissenschaft vom Menschen nicht geschrieben. Auf dem bisherigen Wege der physiologischen Psychologie werden wir vielleicht die irdische Existenzform ihrem Inhalte nach noch begreifen lernen, aber nicht die Thatsache derselben; die eigentliche Aufklärung über das Menschenrätsel werden wir erst gewinnen, wenn wir in unser Unbewusstes eindringen, zu welchem der Somnambulismus die einzige Eingangspforte bildet; denn wie der Astronom die irdische Nacht abwarten muss, um das Aufkeimen der Sterne beobachten zu können, so müssen wir die Nacht unseres sinnlichen Bewusstseins abwarten, um unser transcendentales Sub-jekt keimen zu sehen.

1) Schopenhauer: Versuch über Geistersehen.

2) Vgl. Hellenbach: Philosophie des gesunden Menschenverstandes. 222.

Dass nun das Studium des Somnambulismus bisher in der richtigen Weise betrieben worden wäre, lässt sich nicht behaupten, vielmehr muss zugestanden werden, dass diesseits wie jenseits der Mauern Iliums gesündigt wird: Dem apriorischen Negieren auf Seite der Gegner steht die Schwärmerei auf Seite der Anhänger entgegen. Aber es ist mit Sicherheit zu erwarten, dass aus diesem Parallelogramm geistiger Kräfte sich als Resultante eine Periode vorurteilsfreien Studiums des Gegenstandes auf experimenteller Grundlage entwickeln wird, wie dieses Jean Paul mit den Worten vorausgesagt hat: „Schwerlich hat irgend ein Jahrhundert unter den Entdeckungen, welche auf die menschliche Doppelwelt von Leib und Geist zugleich Licht werfen, eine grössere gemacht, als das vorige am organischen Magnetismus, nur dass Jahrhunderte zur Erziehung und Pflege des Wunderkindes gehören, bis dasselbe zum Wunderthäter der Welt aufwächst.")

Jean Paul: Museum I. § 1.

V

Der Traum ein Arzt.

1. Die Traumbilder als symbolische Darstellung körperlicher Zustände.

m Schlafe sind unsere Sinne gegen die Aussenwelt verschlossen; das normale Bewusstsein, auf den äusserlichen Erregungen dieser Sinne beruhend, schwindet daher, weil es keine Zufuhr mehr erhält. Es findet aber im Schlafe ein inneres Erwachen statt: der Traum. Irgend eine Erregungsursache müssen auch die Traumbilder haben, und wenn diese nicht in der Aussenwelt liegt, von der wir abgeschlossen sind, so muss sie in unserem eigenen Inneren gesucht werden.

So entsteht also die Frage: In welcher Beziehung stehen unsere Träume zu unserem Inneren? Diese Frage ist offenbar noch nicht gelöst, indem man von freier Thätigkeit unserer Phantasie redet. Frei kann die Traumphantasie zwar insofern genannt werden, als kein bewusster Wille, keine Aufmerksamkeit, kein nach einem bestimmten Ziele gerichtetes Nachdenken die Traumbilder hervorruft; aber eine Freiheit im Sinne der Ursachlosigkeit dieser Bilder anzunehmen, das verbietet uns die Allgemeingültigkeit des Kausalitätsgesetzes. Der Ablauf unserer Vorstellungen im Traume, wie im Wachen, muss getragen sein von unseren körperlichen Zuständen und psychischen Stimmungen. Mit anderen Worten: Die Traumbilder müssen verhüllte Andeutungen enthalten über Gesundheit und Krankheit des Körpers und der Seele. Der Zusammenhang zwischen unserem Befinden und unseren Träumen muss ferner

ein gesetzmässiger sein, d. h. bestimmte Zustände unseres Inneren müssen auch bestimmt gefärbte Träume nach sich ziehen, wenigstens muss die allgemeine Richtung der Traumphantasie davon bestimmt werden.

Der Traum ist also eine symbolische Darstellung innerer Zustände des Träumenden, er ist ein Symptom von Gesundheit oder Krankheit. Dass dieses Symptom von unseren Ärzten vernachlässigt wird, weiss jeder aus eigener Erfahrung. Vielleicht ist keiner meiner Leser je einem Arzte begegnet, der ihn nach seinen Träumen gefragt hätte. Anders war es nach dem Zeugnisse des Aristoteles in den Anfängen unserer modernen Heilkunde: „Es sagen die Tüchtigen unter den Ärzten, dass man sehr achthaben müsse auf Träume." Er selbst gibt den Grund davon an, indem er sagt, dass bestimmten Krankheiten bestimmte Träume entsprechen.') Im Nachfolgenden soll nun gezeigt werden, dass diese Vernachlässigung sich nicht rechtfertigen lässt, und dass der Traum als Symptom trotz seiner symbolischen Verhüllung oft feiner und zuverlässiger ist, als der Schlag unseres Pulses und die Beschaffenheit unserer Zunge.

Es ist allgemein anerkannt, dass die schwierigste Aufgabe des Arztes die Diagnose ist. Die meisten Irrtümer werden in jenem Verstandesprozesse begangen, in welchem aus den körperlichen Symptomen auf die innere Ursache der Krankheit geschlossen wird. So wurde kürzlich eine jungverheirathete Frau meiner eigenen Verwandtschaft von den englischen Ärzten in Indien an Unterleibskrebs behandelt und ihr schliesslich die Rückkehr nach der Heimat verordnet; aber schon auf der Überfahrt nahm der schreckliche Krebs die Gestalt eines holden Kindes an, das leider und begreiflicherweise nicht am Leben blieb. So drastische Fälle sind allerdings sehr selten; aber dass in der ärztlichen Diagnose viele Irrtümer hegangen werden, lässt sich nicht leugnen, und ist sehr begreiflich, weil diese Aufgabe des Arztes die schwierigste ist. Ist dagegen die Diagnose richtig gestellt, so ist auch die Bemühung des Arztes meistens von Erfolg gekrönt, und wo sie gar überflüssig

1) Aristoteles: Von d. Weissagung im Traume. Kap. 1 und 2. du Prel, Philosophie der Mystik.

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