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solcher erkannt wird oder nicht, und wiederum, ob mich trotz des Erkennens seine Handlungsweise befremdet, wie die der anderen Personen, oder nicht.

Volkelt berichtet zwei Träume, aus welchen wenigstens hervorzugehen scheint, dass die Selbstverdoppelung des Ich auf der Bühne möglich ist. Er sah im Traume sich selbst mit eingefallenen Wangen sich im Bette herumwälzen, während er zugleich angstvoll im Zimmer hin und herlief. Dabei hatte er die Vorstellung, sein zweites Ich hätte sich vergiftet und sei dem Tode nahe; aber bei aller Angst war es ihm dabei, als würde er durch den Tod des anderen nicht selbst getroffen. Ebenso träumte einer seiner Freunde, er überrasche seine Geliebte unter den zärtlichen Küssen eines fremden Mannes; indem er voll Zorn auf den Übelthäter losgehen wollte, bemerkte er jedoch, dass dieser seine eigene Gestalt habe, und tröstete sich mit dem Gedanken, er selbst habe sein Mädchen geküsst. 1) Diese beiden Träume beweisen zwar die Doppelgängerei bei getrenntem Personalbewusstsein, aber sie beweisen noch kein Subjektbewusstsein; denn der angstvoll Herumlaufende erkennt nicht seine psychische Identität mit dem Vergifteten, und der seine Geliebte Überraschende erkennt zwar seine Identität mit dem Übelthäter, aber beide stehen auf der Bühne. Auch in diesen Träumen fehlt also das Subjektbewusstsein, welches ohne zu handeln als reiner Zuschauer im Parterre sässe.

Ob ein solches im Traume überhaupt vorkommt, wäre sehr wichtig zu wissen. Es könnte uns dies Aufschluss erteilen über das uralte Rätsel des Selbstbewusstseins, und wir könnten es lösen auf Grund empirisch - psychologischer Thatsachen von einer Art, die im Wachen nicht möglich ist. Durch die ganze moderne Philosophie zieht sich die Erkenntnis, dass ein Selbstbewusstsein ohne Spaltung nicht eintreten kann. Im Selbstbewusstsein kommt das Ich doppelt vor: das eine Mal als seiend, das andere Mal als wissend. Nur so ist der Inhalt des Selbstbewusstseins möglich: ich weiss, dass ich bin. Es scheint also, dass eine andere Erklärung dieses Phänomens nicht möglich ist, als dass wir, die Analogie

1) Volkelt: Die Traumphantasie 25.

mit dem Traume heranziehend, die Thatsachen einfach nehmen, wie sie sind, und geradezu sagen, dass im Selbstbewusstsein eine dramatische Spaltung des Ich vorgeht, indem ein einheitliches Subjekt in zwei Personen zerfällt - nur dass im Wachen die sinnliche Illusion fehlt. Es ist schon die Erinnerung an den Inhalt unserer Träume oft eine sehr mangelhafte und unklare; schwieriger aber noch ist die Erinnerung an die dabei vorkommenden Formen der Bewusstseinsspaltung; darum muss ich es hier unentschieden lassen, ob ein reines Subjektbewusstsein, welches die gegenseitig sich fremd bleibenden Personalbewusstseine zusammengreift, möglich ist. Man könnte ein solches darstellen als einen grösseren Kreis, der zwei kleinere excentrische einschliesst.

Aber die Thatsache, dass überhaupt im Traume dramatische Spaltung eintritt, ist schon wichtig genug. Sie gewährt uns wenigstens den Vorteil, wie ihn etwa ein Astronom aus der Entdeckung ziehen würde, dass zwei Sterne zusammen einen Doppelstern mit gemeinschaftlichem dazwischenliegendem Schwerpunkt haben, während allerdings das weitere Problem, ob für diese beiden Sterne noch ein dritter als Centralsonne vorhanden ist oder nicht, ungelöst bleibt.

C. Das Menschenrätsel.

Vielleicht hat der eine oder andere Leser das letzte Kapitel mit dem Tadel durchgelesen, dass ich ihn mit Haarspaltereien unterhalte, an denen sich zwar der Fachpsychologe vergnügen könne, die aber von keinem allgemeinen Interesse seien. Um ihn von dieser Meinung zurückzubringen und zugleich für seine Mühe zu entschädigen, sollen im nachfolgenden aus den bisher gewonnenen Resultaten noch einige Konsequenzen gezogen werden, die allerdings ein sehr allgemeines Interesse beanspruchen. Die Philosophie hat von jeher anerkannt, dass das grösste Rätsel der Natur der Mensch selbst ist. Gerade auf dieses Rätsel aber, an dessen Lösung wir doch alle mit unserem höchsten Interesse beteiligt sind, ja von dessen Lösung nach Kant,,das wahre und dauerhafte Wohl des menschlichen Geschlechts" abhängt, 1) werfen die bisherigen Resultate ein erhebliches Licht.

1) Kants Werke (Rosenkranz) XI, 1. 9.

Die dramatische Spaltung des Ich im Traume wird wohl jedermann als eine nicht zu bezweifelnde Thatsache anerkennen. Aus der Thatsache solcher Spaltungen nun ergeben sich zwei wichtige Sätze, die um so weniger bezweifelt werden können, als sie jene Thatsache bloss analytisch zergliedern:

a) Es ist psychologisch möglich, dass ein Subjekt aus zwei Personen besteht, ohne dass dieselben ihre Identität unter sich und mit dem Subjekt erkennen. Diese Behauptung wird durchaus nicht entkräftet durch den Einwand, dass ja die Träume lediglich Illusionen seien. Das sind sie freilich, aber die psychologische Thatsache, die Fähigkeit unseres Bewusstseins, in einer solchen Täuschung zu verharren, bleibt davon unberührt, und nur aus der Thatsache dieser Illusion soll nun weiteres geschlossen werden. Was nämlich im Traume psychologisch nicht nur möglich, sondern wirklich ist, das ist offenbar auch ausserhalb des Traumes möglich; denn jenes Bewusstsein, welches unsere Träume dichtet, kann ja mit dem Erwachen nicht seine ganze Natur verändern und ebensowenig verschwinden, sondern höchstens für den wachen. Menschen ins Unbewusste zurücktreten. Die Sonne leuchtet auch dann, wenn für unser Auge Wolken davor hängen.

Nehmen wir nun vorläufig an, jene Thatsache des Traumes, die Spaltung sei auch ausserhalb des Traumes wirklich, nur dass im Wachen die anschauliche Illusion fehlte, dann würde unser sinnliches, persönliches Bewusstsein nicht unser ganzes Wesen erschöpfen, sondern nur einen Teil desselben beleuchten. Neben diesem sinnlichen Bewusstsein, gleichsam unserem Erdgesichte, würde noch ein anderes persönliches Bewusstsein vorhanden, aber diesem Erdgesichte unbewusst sein; ja sogar ein zusammenfassendes Subjektbewusstsein wäre noch möglich, das die beiden Personen vereinigte. Wir wären also dem erwähnten Doppelsterne vergleichbar, dessen einer Stern aber dunkel wäre, und möglicherweise würde im tiefsten Grunde unseres Wesens auch noch eine Centralsonne für den Doppelstern liegen.

Wenn nun unser Selbstbewusstsein unser Wesen nicht erschöpft, dann bemühen sich unsere physiologischen Psychologen, die dem Menschen nur das Erdgesicht zusprechen, ganz vergeblich,

das Menschenrätsel zu lösen. Die Physiologen leugnen das Unbewusste nicht, aber sie sagen, es sei an sich unbewusst, nicht bloss für unser persönliches Ich. Das ist aber, als Behauptung ausgesprochen, offenbar unlogisch; denn das Erdgesicht kann nur über sich selbst aussagen, aber nicht über Dinge, die jenseits seines Horizontes liegen. Wäre das Unbewusste für sich selbst unbewusst, dann könnte es offenbar in der dramatischen Spaltung des Traumes nicht die Form des Bewusstseins annehmen; noch viel weniger wäre die Thatsache erklärlich, dass im Somnambulismus ein innerliches zweites Ich erwacht, welches von dem Träger des Erdgesichtes sogar als von einer fremden Person redet, die es,,den andern" oder „die andere" benennt.

Da nun dieses zweite Ich durch den magnetischen Schlaf unmöglich aus nichts erzeugt werden, sondern nur für unser Bewusstsein erweckt werden kann, so muss es auch vorher und nachher, wenn auch unserem Tages-Ich unbewusst, vorhanden sein. Aus den Thatsachen des Somnambulismus folgt also, dass nicht nur im Traume unser Subjekt in zwei Personen zerfällt, sondern dass wir uns immer in diesem Zustande befinden, nur dass das Erdgesicht von dem zweiten Ich nichts weiss. Wohl aber könnte umgekehrt ein Wissen vorhanden sein.

Wenn man dieses zweite Ich Seele benennen will, so ist dagegen wenig einzuwenden, nur darf man es nicht verwechseln mit dem landläufigen Begriff der Seele, weil dieser sinnliches Bewusstsein und Seele identifiziert, also die Unzerstörbarkeit unseres Erdgesichtes behauptet, an welchem doch so wenig gelegen ist, dass wir dasselbe sogar getrost den Physiologen zu ihrer materialistischen Erklärung preisgeben könnten; denn durch dieselben wäre höchstens eine unserer Personen erklärt, aber nicht das zweite Ich, nicht das Subjekt.

In unseren Tagen ist der Begriff Seele überhaupt mythisch geworden und man doziert Psychologie ohne Psyche. Ein unbefangenes Studium des Traumes lässt aber erkennen, dass der Begriff der Seele in einer höheren Form notwendig wieder aufleben muss, nicht mehr als dem Leibe völlig entgegengesetzt, sondern als mit ihm identisch, aber allerdings nur identisch, wie es die du Prel, Philosophie der Mystik.

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Personen des Traumes im Traume sind. Die Physiologen lehnen die Seele ab, weil sie den Menschen einheitlich erklären wollen, womit sie ganz Recht haben. Sie wollen Monismus, aber nicht den Dualismus einer unsterblichen Seele und eines sterblichen Leibes. Aber wie die Personen eines Traumes im Subjekt des Träumers ein gemeinschaftliches Centrum haben, und wie der Dualismus eines Doppelsternes in dem gemeinschaftlichen Schwerpunkt, um den sie kreisen, monistisch aufgehoben ist, so haben auch sinnliches Bewusstsein und Unbewusstes ein gemeinschaftliches Centrum, und diese Seelenlehre ist eben nicht dualistisch, sondern monistisch, das heisst sie erklärt den Menschen einheitlich.

Aus der Thatsache der dramatischen Spaltung im Traume ergibt sich demnach mit logischer Konsequenz, dass die Wissenschaft der Zukunft, weit entfernt, den Begriff der Seele preiszugeben, viel wahrscheinlicher sich genötigt sehen wird, neben dem Erdgesicht und der Seele als drittes auch noch den Geist, als zusammenfassendes Subjektbewusstsein, aufzustellen. Und mag auch dieses Dritte heute noch nicht beweisbar sein, so hat sich doch aus dieser ersten Folgerung, die wir aus dem Spaltungsakte des Traumes gezogen haben, so viel ergeben, dass wir nur auf dem hier vorgezeichneten Wege zur Lösung des Menschenrätsels gelangen werden. Gehen wir nun zur zweiten Folgerung über.

P) Es ist psychologisch möglich, dass zwei Personen eines einheitlichen Subjektes mit einander verkehren, ohne doch ihre Identität zu erkennen. Es ist dies eine Thatsache des Traumes, welche wiederum als psychologische Thatsache von dem Einwande nicht berührt wird, dass die Träume Illusionen seien. Sie sind es allerdings, aber die Thatsache einer Illusion ist noch keine illusorische Thatsache. Wenn im Traume zwei Personen eines Subjektes mit einander als Fremde verkehren können, so besteht davon die logische Möglichkeit auch im Wachen; es ist möglich, dass unser zweites Ich mit uns in Verkehr tritt, ohne dass wir es als identisch mit uns erkennen.

Da nach einer alten logischen Regel die Erklärungsprinzipien ohne Not nicht vermehrt werden dürfen, so müssen wir das der dramatischen Spaltung so lange festhalten, als es die zu erklären

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