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mit Theokrit und Gessner. Beide hatten ganz verschiedene Zwecke bei ihren Dichtungen, und deshalb mussten dieselben ganz verschiedene Gestalt gewinnen. Gessner wollte beides aus dem Spruche des Horaz: et prodesse volunt et delectare poetae. Er wollte eine patriarchalische, goldene Zeit schildern, deren Bilder dem Herzen wohlthun, das Gefühl für die Natur und ihre Schönheit erwecken, den Willen zum Guten stärken sollten. Er wollte Gemälde von stiller Ruhe und sanftem, ungestörtem Glücke geben, welches die Frömmigkeit und die Tugend im Schofse der Natur findet, zufrieden im engsten Kreise der nächsten Umgebungen mit dem Wenigen, was not ist zum Leben. Und das ist ihm gelungen wie keinem nach ihm. Anders verhält es sich mit Theokrit. Dieser hatte, wie wir schon oben sagten, nicht den Zweck moralischer Besserung, sondern wollte nur Gemälde aus dem Hirtenleben geben, wie es war, weil es Reiz hatte in seiner Wirklichkeit. Er zeichnet die Hirten als Menschen mit ihren menschlichen Leidenschaften, aber nicht als moralisch unschuldige Kinder der Natur. So ist es bemerkenswert, dafs in seinen bukolischen 58) Gedichten lauter männliche Gestalten auftreten, dagegen in Gessners Idyllen auch weibliche. Wahr ist es allerdings, was Herder hervorhebt, bei Gessner finden wir menschliche Wesen, welche singen, küssen, trinken, Gärten pflanzen, sich beschäftigen; bei Theokrit menschliche Charaktere, welche nicht sich beschäftigen, sondern handeln: bei Gessner immer denselben Schäfer, nur in anderen Situationen; bei Theokrit Mannigfaltigkeit der Empfindungen, Wechsel der Leidenschaften. Geben wir dies gern zu, so bleibt doch der Lorbeer auf des ehrwürdigen Schweizers Haupte unverrückt: moralisch müssen wir ihn über Theokrit stellen; als Dichter ihn ehren wegen der Tiefe seines Gefühls, der Erhabenheit und der Zartheit seiner Gedanken, der Anmut der Darstellung, des Wohllautes seiner Sprache. Nennen wir ihn immerhin den Dichter des idealisierten Naturlebens und preisen den glücklich, der noch die geistige Unschuld hat, sich daran zu laben. Ja, kehrt die Zeit wieder, wo die, welche Gebildete sein wollen, die Alten wieder lesen mit der Absicht, in welcher sie Melanchthon las, nämlich um sich zu bessern und ihren Geschmack zu veredeln und sie wird wieder kommen so wird der klassische Wert der jetzt bespöttelten Dichtungen auch wieder anerkannt werden und das Entzücken sich erneuern, mit welchem die Väter unserer Väter sprachen: Ja, Gessners Idyllen sind doch schön.

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Aber einen zweiten, noch frischeren Kranz, nicht ohne Rosen und Veilchen, für Joh. P. Hebel! Dieser (geb. in Basel 1760, starb in Schwetzingen 1826), der selbst am Lyceum zu Karlsruhe

58) Ich betone bukolisch. Denn Idylle 2, dieses weibliche Seitenstück zu Idylle 1, wie Kreussler sehr fein sagt, ist mimisch.

den Theokrit erklärte, hat Theokrit das abgelauscht, wodurch die ländliche Dichtung zur volkstümlichen wird, die Sprache. Die Sprache seiner Heimat im Schwarzwalde, der allemannische Dialekt mit seinen gemütvollen Eigentümlichkeiten und seinem melodischen Klange, den Hebel für seine Dichtungen (allem. Lieder, zuerst herausgegeben Karlsruhe 1803) benutzte, wirkt auf den Leser, wie der Dorismus Theokrits auf dessen Zeitgenossen. Auch dies, dafs Hebel in gebundener Rede, nicht in Prosa schrieb, ist ein Vorzug vor Gessner. Denn so bekommt der Gedanke seinen festen Rahmen, das Bild haftet in der Seele, dessen Gedanke, in Prosa ausgedrückt, vom Winde verweht wird. Die interessantesten Parallelen bietet der Dialog die Feldhüter, verglichen mit Theokr. Id. 8. Hier, wie dort, ist ein Wechselgesang. Aber wer singt? Nicht Damon oder Lamon oder sonst ein nebelhafter Jüngling Gessners, sondern Fritz und Heinerle, zwei stramme Burschen, die wir schon längst gesehen zu haben meinen. Denn fassen wir den Inhalt ins Auge, so treten wir wieder, wie bei Theokrit, in eine reale Welt voll lebendiger glaubhafter Wesen, die, wie sie der unbefangenen Beobachtung des wirklichen Lebens ihren Ursprung verdanken, so auch das Gepräge der Wahrheit an sich tragen. Aber Hebel übertrifft seinen griechischen Vorgänger. Denn er wandelt auf christlichem Boden, er verschont uns mit Panen, Dryaden u. dgl. Wir atmen bei ihm die reine Gottesluft der Berge, welche die Brust leicht, die Seele hell macht und heiligen, reinen Sinn erweckt und belebt. Denn eine wahre christliche Frömmigkeit, eine feste Zuversicht und stille Freude in Gott, eine frohe Aussicht auf eine bessere Welt, das ist es, was uns ihn lieb und wert macht. „Dort (auf der Milchstrafse)

isch's viel schöner einst als an der Limath G'stad".

Als deutsche Idyllendichter bezeichnet man gemeinlich auch Goethe wegen Hermann und Dorothea und Voss wegen Luise. Über diese werden wir weiter unten sprechen 59).

Schon oben wurde bemerkt, dafs die Zeit, in welcher Theokrit lebte, sich vorzüglich in dem Studium und der Nachahmung des Homer gefiel. Als Erzeugnisse dieser Zeitrichtung haben wir die epischen Gedichte Theokrits zu betrachten, zu deren Betrachtung wir uns jetzt wenden. Wir können mit grofser Wahrscheinlichkeit vermuten, dafs dieselben, wenigstens zum grofsen Teil, in den jüngeren Jahren Theokrits entstanden sind (vgl. Id. 7, 47). Die fünfundzwanzigste Idylle, welche wir für echt erklären (s. Einl. dazu), verrät trotz mancher Schönheit in einzelnen Partieen deutlich das Streben, den Homer in Kleinigkeiten, in der Anwendung des Hiatus, Dehnung kurzer Silben u. s. w., nachzuahmen.

59) Vgl. C. v. Langsdorff, die Idyllendichtung der Deutschen im goldnen Zeitalter der deutschen Litteratur. Heidelberg 1861, 8 p. 42 fig.

Freiheit finden wir schon in der vierundzwanzigsten, noch mehr in der dreizehnten Idylle. Nachahmung der alten epischen Hymnen sind Id. 22 und 2659a). Den wenigsten dichterischen Wert haben Id. 16 und 17, die Loblieder auf Hiero und Ptolemäus, von denen nicht in Abrede gestellt werden kann, dafs langweilige Partieen darin vorkommen. Was den Dialekt anbelangt, so finden wir hier die alte epische Ausdrucksweise vorherrschend, jedoch mit dorischen Formen, durch welche der Vers feierliche Würde erhalten sollte, durchzogen. Auch in diesen epischen Gedichten verrät sich aber das eigentliche Wesen Theokrits, seine Vorliebe für die Natur und ihre Schönheiten, ja, eine solche Verwandtschaft mit den bukolischen Gedichten zeigt sich in Id. 13. 24. 25, dafs wir sagen können: sie schildern die Vorzeit der heroischen Welt in ihrem Still-Leben. Wegen dieser Schilderungen des häuslichen Lebens, namentlich in Id. 24, vergleicht man mit diesen epischen Gedichten Hermann und Dorothea von Goethe und Luise von Voss besser, als mit den bukolischen Gedichten. Bei Goethe ist freilich der Einflufs Theokrits nicht sichtbar, eher kann man das von Voss sagen.

Die

Einen höheren Schwung als die Enkomien auf Ptolemäus und Hiero haben die lyrischen Gedichte Theokrits, die zwar kurz, aber reich an poetischen Schönheiten sind. Zu ihnen gehört die achtzehnte Idylle, das Brautlied der Helena. Dies ist in Hexametern und zwar deshalb im dorischen Dialekte geschrieben, weil es von spartanischen Jungfrauen gesungen wird. zwölfte Idylle, erotischer Art, ist ebenfalls in Hexametern, aber im ionischen Dialekte abgefafst, dessen Weichheit den Gefühlen entspricht, welche diese Dichtung atmet. Mutmafslich ist sie ein Werk der Jugendzeit, in welcher der Dichter sich in dieser und jener Form versuchte. Dieselbe Vermutung trifft die neunundzwanzigste und dreifsigste Idylle, zwei Liebeslieder im Tone der äolischen Poesie des Alcäus. Von Goethe haben wir das Schweizerlied: Uf'm Bergli bin i gesässe, ha de Vögle zugeschaut; hänt gesunge, hänt gesprunge, hänts Nästli gebaut. Wie hier Goethe den Schweizerdialekt, so ahmt in ähnlicher Weise Theokrit in jenen Gedichten den äolischen Dialekt nach und bedient sich in Id. 29 eines daktylischen Versmafses, welches Alcäus und Sappho oft anwendeten. Folgendes ist die Form desselben:

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In gleichem Versmafse schrieb Alcäus; Aristoph. Vesp. 1234 ed.
Meineke:

ὤνθρωφ”, οὗτος ὁ μαιόμενος τὸ μέγα κράτος,
ἀντρέψεις ἔτι τὰν πόλιν. ὁ δ ̓ ἔχεται ῥοπᾶς.

59a) [Über die Nachahmung Homers bei Theokrit überhaupt vgl. Stanger, Blätter f. d. bayer. Gymnasialschulwesen, 3 p. 201 flg. Futh, de Theocriti studiis Homericis. Diss. Halis 1876.]

Die dreifsigste Idylle hat dasselbe Metrum wie die achtundzwanzigste. Diese achtundzwanzigste Idylle ist ein sinniges Gelegenheitsgedicht. Theokrit begleitete mit ihm ein Geschenk für die Gattin seines Freundes Nicias. Er wählte hier und in der dreifsigsten Idylle gleichfalls den äolischen Dialekt und das längere choriambische Metrum, welches Alcaus und nach ihm Horaz anwendeten. Seine Form ist diese:

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Von Alcaus haben wir noch folgenden Vers:

μηδὲν ἄλλο φυτεύσης πρότερον δένδριον ἀμπέλω.

Horaz übersetzt ihn, Od. 1, 18, in demselben Metrum:

Nullam, Vare, sacra vite prius severis arborem 6o).

Von den Epigrammen, zu denen wir uns jetzt wenden, sind mehrere bukolischen Inhaltes, aber wahrscheinlich nicht von Theokrit verfafst (No. 2. 3. 4. 5. 6). Diejenigen, deren Echtheit zu bezweifeln kein Grund vorliegt, sind Grabschriften (No. 21) oder Inschriften auf Weihgeschenke und Statuen, z. B. No. 7 auf die Bildsäule des Aesculap, welche der Arzt Nicias (s. oben p. 3) hatte anfertigen lassen. No. 1. 7. 10. 12 sind in der üblichen Form der Inschrift, in elegischen Distichen, geschrieben.

Das einundzwanzigste Epigramm ist eine Inschrift auf das Grab des Dichters Hipponax aus Ephesus, welcher um 540 a. Chr. lebte, durch seine Spottgedichte (Hor. Epod. 6, 14) berühmt war und als Erfinder des choliambischen Metrums galt, welches Theokrit absichtlich für dieses Epigramm wählte. Das Schema desselben ist dieses:

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Miser Catulle, desinas ineptire,

Et quod vides perisse perditum ducas.

Das zwanzigste Epigramm ist für eine Statue bestimmt, welche dem Pisander, dem Dichter der Heraklea, der um 648 a. Chr. lebte, in seiner Vaterstadt Kamirus gesetzt wurde. Es ist in Phalaceischen Hendekasyllaben geschrieben, deren Schema folgendes ist:

Catull hat dieses Metrum oft angewandt, z. B. im 12. Gedichte:

Marrucine Asini, manu sinistra

Non belle uteris in ioco atque vino.

60) Horaz hat hinter dem ersten und zweiten Choriambus stets eine Cäsur, Theokrit nicht. S. gr. Ausg. II p. 222.

In dem sechzehnten Epigramm, auf eine Statue des Anakreon, ist der eben genannte Phaläceische Hendekasyllabus dem gewöhnlichen sechsfüfsigen Iambus angefügt, dessen Schema wir in der folgenden Bemerkung mit angeben werden.

Das siebzehnte Epigramm, eine gelungene Aufschrift auf ein Standbild des dorischen Komödiendichters Epicharmus (s. oben S. 5), bildet ein sehr künstlich geordnetes Ganzes von verschiedenen Versarten. Es hebt mit einem achtfüfsigen Trochäus an:

1

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ᾶ τε φωνὰ Δώριος χνὴρ ὁ τὸν κωμῳδίαν.

Darauf folgt ein Adonischer Vers mit dem Vorschlage von einer oder zwei Silben:

εὑρὼν Επίχαρμος.

Der dritte Vers ist ein sechsfüfsiger Iambus:

ū

ὦ Βάκχε, χάλκεον νιν ἀντ ̓ ἀλαθινοῦ,

an den sich Zeile 4 wieder der Adonische Vers wie in Zeile 2 schliefst. In der fünften und sechsten Zeile wiederholen sich dieselben Rhythmen, welche Zeile 1 und 2 waren. In der siebenten und achten Zeile kehrt der sechsfüfsige Iambus aus Zeile 3 nebst dem begleitenden Adonischen Verse wieder. Den Schlufs bilden zwei Zeilen mit denselben Rhythmen wie Zeile 1 und 2 = Zeile 5 und 6.

Über die verloren gegangenen Dichtungen Theokrits habe ich de poet. buc. p. 25 flg. p. 41 flg. gesprochen. Einige Verse aus dem Gedicht Begɛvíxη haben sich erhalten. Mutmafslich veröffentlichte Theokrit seine Poesieen einzeln bei besonderen Veranlassungen, wie dies z. B. aus den Widmungen von Id. 6. 11. 13, und den Tendenzen von Id. 15. 16. 17 geschlossen werden kann. Die erste Sammlung derselben veranstaltete nach Theokrits Tode der Grammatiker Artemidor 61). Sie umfafste wahrscheinlich blofs die bukolischen Gedichte, das heifst Id. 1. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9 (teilweise). 10. 11, wie dies aus dem diesem Grammatiker zugeschriebenen Epigramme ἐπὶ τῇ ἀθροίσει τῶν βουκολι κῶν ποιημάτων hervorgeht:

Βουκολικαὶ Μοῖσαι σποράδες ποκά, νῦν δ ̓ ἅμα πᾶσαι

ἐντὶ μιᾶς μάνδρας, ἐντὶ μιᾶς ἀγέλας.

Vielleicht bezieht sich hierauf auch der letzte Vers des 22. Epigrammes. Ein weiterer Beweis ist der Umstand, dafs wir diese Gedichte bei den Alten häufig so citiert finden: Θεόκριτος ἐν τοῖς Bovxoλixos 62). Den Schlufs dieser Sammlung bildete nach meiner

61) S. de poet. bucol. p. 29. Ahrens poet. buc. tom. II. p. XXXV flg. [Anm. zu Epigr. 26.]

62) S. die Stellen de poet. bucol. p. 30. [Anm. zu Epigr. 22.]

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