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Zur Physiologie der Ranken.

Von

Carl Correns.

Als ich vor einigen Jahren Versuche über die Starrezustände reizbarer Organe anzustellen begann, wollte ich auch die Wärmestarre der Ranken studiren und brachte zunächst eine Topfpflanze von Passiflora gracilis mit einer gut entwickelten Ranke unter die Glasglocke des Thermostaten, aus einer Temperatur von ca. 20° C. in eine solche von ca. 40° C. Zu meinem Erstaunen begann die Ranke sich nach kurzer Zeit von der Spitze an einzurollen, anfänglich in sehr raschem Tempo, dann langsamer. Endlich waren zahlreiche Windungen gebildet.

Es lag nun die Annahme am nächsten, die Ranke sei beim Einstellen der Pflanze in den Thermostat durch einen Zufall, durch Anstreifen oder Berührung, gereizt worden, es sei also nur eine schon eingeleitete Reaction infolge der dem Optimum näher liegenden Temperatur beschleunigt worden. Eine derartige Beschleunigung war zu erwarten und auch leicht nachzuweisen. Bei den folgenden Versuchen wandte ich also alle Sorgfalt an, eine zufällige Reizung zu vermeiden. Desungeachtet zeigte sich, sobald die Objecte einige Zeit in der höheren Temperatur verweilt hatten, stets eine deutliche Einrollung. Ich hielt nun die Erscheinung einer genaueren Untersuchung werth, weil sie unsere Kenntniss vom Empfindungsvermögen der Ranken zu erweitern versprach.

Bekanntlich hat Pfeffer in einer ausgezeichneten Abhandlung (II) die Resultate zahlreicher Versuche dahin zusammengefasst, dass die Ranken nur auf solche Stosswirkungen reagiren, die gegen discrete, nahe benachbarte Punkte eine ungleiche Compression ausüben. Dabei muss die Intensität des Stosses eine gewisse Grenze überschreiten. Statischer Druck und Erschütterungen wirken nicht als Reiz.

Pfeffer hat aber selbst schon gefunden, dass die Ranken von Sicyos angulatus auch durch schwache Inductionsströme gereizt werden, dass also nicht nur discontinuirliche Stosswirkungen im Stande sind, die Reaction auszulösen.

Hiermit ist Alles, was wir über das Empfindungsvermögen der Ranken sicher wissen, zusammengestellt. Einige Angaben über Reizung durch chemische Einwirkungen (Mohl, I, 66, E. G. O. Müller, I, 108) sind durchaus ungenügend. Die geotropische Bewegung, die

Botanische Zeitung. 1896. Heft I.

Wortmann (I) bei den Ranken aufgedeckt hat, wird, wie mir Versuche mit Passiflora gracilis und Cyclanthera pedata zeigten, wohl nur von dem basalen, gegen Contactreize unempfindlichen Theil der Ranken ausgeführt, jedenfalls ist die obere, besonders reizbare Hälfte der Ranken für die Orientirung zum Schwerpunkt der Erde unempfindlich.

Meine Versuche haben nun ergeben, dass eine genügende Erwärmung wirklich die typische Reizbewegung auslöst, dass auch genügende Abkühlung in gleicher Weise zu wirken vermag, dass endlich die Ranken auch chemisch reizbar sind.

I.

Temperaturschwankungen als Reize.

a. Temperatursteigerung.

Die Eigenschaft, auf Erwärmung zu reagiren, habe ich, ausser bei Passiflora gracilis, bei Rankenträgern aus den verschiedensten Familien constatirt. Sehr gut reagirt Sicyos angulatus; damit und mit Passiflora gracilis, und zwar mit Topfexemplaren, wurden die meisten und sorgfältigsten Versuche angestellt. Die folgende Darstellung bezieht sich, soweit nicht Anderes angegeben ist, auf diese beiden Pflanzen, die übrigen Objecte werden später angeführt und, soweit sie zu Bemerkungen Anlass geben, besprochen werden. Der benutzte Thermostat ein doppelwandiges Zinkgefäss mit Glasglocke 1) stand in dem Gewächshaus, wo die Versuchspflanzen gezogen wurden. Die ausgewählten Objecte wurden gewöhnlich schon am Tag vor dem Versuch, Abends, tüchtig begossen, in den (ungeheizten) Apparat gestellt, der Boden des Gefässes wurde überdies mit einer Wasserschicht bedeckt, sodass auch während des Erwärmens die Luft unter der Glocke stets mit Wasserdampf fast gesättigt bleiben konnte. Die Wahl der Versuchspflanzen musste natürlich so getroffen werden, dass Tags darauf Ranken im richtigen Entwickelungsstadium vorhanden waren. Dann konnte der Versuch durch Einfüllen von heissem Wasser in die Doppelwand des Zinkgefässes eingeleitet werden, ohne dass das Object irgendwie berührt oder erschüttert zu werden brauchte. Nöthigenfalls wurde noch durch Spirituslampen nachgeholfen. Durch den mit Watte verschlossenen Tubulus der Glocke liess sich das Gefäss eines Thermometers entsprechend tief - bis zur Höhe der Ranke - einführen.

Auch bei dieser Versuchsanstellung beginnen die Ranken sich von der Spitze an einzurollen, sobald die Temperatur unter der Glocke eine bestimmte Höhe erreicht hat,

1) Ich brauchte den in Pfeffer's Physiologie, Bd. II, S. 126 abgebildeten Apparat, der im Wesentlichen dem von Sachs (Experimentalphysiologie, S. 64 angegebenen und abgebildeten nachconstruirt ist.

erst langsam, dann schneller, dann wieder langsam. Die Krümmung greift dabei immer weiter zurück und die schon gebildeten Windungen werden enger.

Zur Illustration führe ich nur einen meiner zahlreichen Versuche mit Sicyos angulatus an.

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Wird nun die Erwärmung unterbrochen, indem man entweder nur die Glocke vom Thermostaten abhebt oder die Pflanze aus dem Apparat herausnimmt und sie so in die Temperatur des Gewächshauses zurückversetzt, so schreitet die Einrollung noch eine Zeit lang weiter, steht dann still und nun beginnt, nach einer Pause, die entgegengesetzte Bewegung, die Ranke streckt sich wieder gerade. Voraussetzung ist dabei, dass die Erwärmung nicht zu weit getrieben und nicht zu spät unterbrochen wurde und dass die Ranken nicht zu alt waren.

Dass das Einrollen zunächst noch fortdauert, beruht auf der Nachwirkung des Wärmereizes. Diese Nachwirkung fällt um so geringer aus, je langsamer bei der Unterbrechung die Einrollung schon vor sich ging. Sie ist nicht bei allen Pflanzen gleich deutlich. So vermisste ich sie zuweilen bei den dünnen Ranken von Passiflora gracilis ganz

Als Beleg für die Ausgleichung der Einrollung führe ich die Fortsetzung jenes Versuches mit Sicyos an, dessen Beginn oben vorgeführt wurde. Die Nachwirkung war nicht registrirt worden.

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Wird die in der Geradestreckung begriffene Ranke aufs Neue erwärmt, so schreitet zunächst die vorhandene Bewegung (die Geradestreckung) fort, der gesteigerten Temperatur

1) Die Zahl der Windungen wurde stets nach Zeichnungen bestimmt, die ich zur angegebenen Zeit entwarf, ist also nur approximativ richtig.

entsprechend mit gesteigerter Schnelligkeit, bleibt dann eine Zeit lang

meist nur

wenige Secunden stehen und schlägt nun ins Gegentheil um, die Ranke rollt sich wieder ein, genau so wie sie dies schon einmal gethan hatte.

Zur Veranschaulichung führe ich den Schluss jenes Versuches mit Sicyos an, der uns schon zwei Beispiele geliefert hat.

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Pflanze aus dem Thermostaten genommen und so in die Temperatur des Gewächshauses zurückversetzt. Die Ranke streckte sich bis Nachmittag nochmals gerade, es blieb nur eine schwache hakenförmige Krümmung der Spitze zurück.

Hat die Geradestreckung noch nicht begonnen, wenn die erneute Erwärmung einsetzt, so beginnt die Einrollung einfach aufs Neue. Der neue Reiz wird percipirt und beantwortet, ehe die Reaction auf den früheren abgeschlossen ist. — Ganz das Gleiche beobachtet man, wenn man Ranken erwärmt, die im Begriffe sind, eine durch Contactreiz inducirte Krümmung auszugleichen, zunächst Beschleunigung des Geradestreckens, dann Stillstand, endlich erneute Einrollung. Es entspricht das Alles ganz dem Verhalten der Ranken gegenüber Contactreizen allein.

Die Einrollung fängt stets an der Spitze der Ranke an und schreitet nach unten fort. Wird eine Ranke mechanisch gereizt, etwa in der Mitte oder auf der Grenze zwischen dem oberen und mittleren Drittel, und dann in eine genügend höhere Temperatur gebracht, ohne dass dabei eine weitere mechanische Reizung erfolgte, so wird zunächst das Tempo der begonnenen Einrollung beschleunigt, daneben beginnt nach einigen Secunden, von der Spitze ab, unabhängig von der schon vorhandenen Reaction, die Reaction auf die Erwärmung.

Die Ranken rollen sich beim Erwärmen unter allen Umständen so ein, dass die mechanisch besonders reizbare Flanke concav wird, die Erwärmung mag die Ranken treffen, von welcher Seite sie will). Wird zum Beispiel die Pflanze umgekehrt in den

1) Die Ranke verhält sich also wie ein Brequet'sches Metallthermometer, die Aehnlichkeit ist aber eine rein äusserliche.

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