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BJ 1463
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,,Ich bin wirklich frei" ist der erste Glaubensartikel, der uns den Übergang in eine intelligible Welt bahnt, und in ihr festen Boden darbietet. Dieser Glaube ist zugleich der Vereinigungspunkt zwischen beiden Welten. ... Das Thun ist nicht aus dem Sein abzuleiten, weil das erstere dadurch in Schein verwandelt würde, aber ich darf es nicht für Schein halten... Das Ich ist nicht aus dem Nicht-Ich, das Leben nicht aus dem Tode, sondern umgekehrt das Nicht-Ich aus dem Ich abzuleiten: und darum muss von dem letzteren alle Philosophie ausgehen."

J. G. Fichte,,,Das System der Sittenlehre"
(W. W. IV. S. 54).

,Wissenschaft fängt erst an, wo der Geist sich des Stoffes bemächtigt, wo versucht wird, die Masse der Erfahrungen einer Vernunfterkenntnis zu unterwerfen; sie ist der Geist zugewandt zu der Natur."

Alex. v. Humboldt, „Kosmos" (Bd. I. S. 69).

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,,Stimmen die Resultate einer Philosophie mit der Erfahrung nicht überein, so ist diese Philosophie falsch." J. G. Fichte (W. W. Bd. I, S. 447).

Kontinuität der geschichtlichen Forschung und stetige Fühlung mit den Fachwissenschaften sind zwei Anforderungen, ohne deren Erfüllung kein wissenschaftliches Philosophieren möglich ist. Denn erstlich arbeitet das forschende Individuum niemals ungestraft für sich allein. Selbst der Segen der Arbeitsteilung geht verloren, falls vergessen wird, dass wir in der Wissenschaft nicht minder als sonst im Leben erst als Glied der menschlichen Gemeinschaft ganz das sind, was wir sein können. Darum muss in geistiger Hinsicht unser Zusammenhang mit Vergangenheit und Zukunft ebenso sehr wie mit der Gegenwart festgehalten werden. Seit Göthe in,,Wahrheit und Dichtung" das Wort gesprochen hat, dass erst die Menschheit der wahre Mensch sei, hätte diese Forderung für selbstverständlich gelten sollen. Leider ist dies in der Philosophie noch nicht der Fall; der Dilettantismus könnte sich in ihr sonst nicht so erfolgreich breit machen, wie er es gerade in der Gegenwart wiederum vielfach thut.

Die Philosophie ist aber überdies nicht denkbar ohne die Grundlage der Erfahrungswissenschaften. Freilich ist,,Erfahrung“ von Haus aus und in der Hauptsache nichts anderes als die ungesuchte und erworbene Bekanntschaft mit selbst erlebten und angeschauten Thatsachen. Allein schon dieser Kenntnis gesellt sich alsbald ein natürliches Philosophieren hinzu. Es tritt auf in der Gestalt selbstthätiger und noch blos naiver Kritik der Erfahrung auf Grund der stets vorhanden gewesenen und im Verlaufe der Zeit durch Übung nur gesteigerten geistigen

Mitgift unserer Seele. Die Fachwissenschaften beruhen nun aber auf selbstbewusster Kritik der Erfahrung, während die philosophische Wissenschaft nicht eher entsteht, als bis das Selbstbewusstsein sich kritisch auch seiner selbst bemächtigt hat. Kritik der Erfahrung ist Beginn der Wissenschaft, welche natürliche Erfahrung und natürliche Weltweisheit voraussetzt, aber erst durch Vereinigung jener mit dieser sich zu einer methodischen Erkenntnis gestaltet. Hingegen Kritik des Selbstbewusstseins durch sich selber ist Anfang der Philosophie als Wissenschaft, welche nicht blos methodische Erfahrung und Fachwissenschaft zur Grundlage hat, sondern noch dazu methodische Selbstkritik geworden ist. ,,Erfahrung" ist mithin eine, nicht die einzige Basis der Philosophie, und jedenfalls ist schon hiernach die Frage berechtigt: Wie ist Wissenschaft möglich, wenn nicht durch Philosophie? Mit Recht bemerkt R. Eucken in seiner,,Geschichte und Kritik der Grundbegriffe der Gegenwart, Lpz. b. Veit u. Cie. 1874", S. 78: ... eine ohne alle Erfahrung aus reiner Thätigkeit des Denkens gewinnbare Einsicht wird nicht behauptet, da der Geist auch über sich selbst nur mit Hülfe erfahrungsgemässer Thätigkeit zum Bewusstsein gelangt; aber darum wird als um eine Grundfrage, nicht blos der Philosophie, sondern aller Wissenschaft, ja des geistigen Lebens gekämpft, dass in der geistigen Thätigkeit ein wesentliches, ursprüngliches, gesetzliches anerkannt werde. Es zeigt ein Zurückbleiben hinter der Bewegung der neueren Philosophie an, wenn das Dilemma gestellt wird, ob die Erkenntnis im Innern fertig gegeben sei oder von aussen gebildet werde, denn damit ist eben das ausser Acht gelassen, an dessen Gestaltung und Vertretung die hervorragendsten Denker der letzten Jahrhunderte ihre Kraft gesetzt haben."

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Indem aus solchen Gründen auf die Geschichte der eigenen Wissenschaft wie auf den Inhalt des übrigen Wissens in den Spezialgebieten stets sorgfältig Rücksicht genommen wurde, stellte sich ein in dreifacher Beziehung bedeutsames Ergebnis meiner Untersuchungen heraus. Zunächst haben sich die bleibend wichtigen Errungenschaften der Kantischen Erkenntnistheorie für mich in einen objektiven Kritizismus verwandelt, und so erhielt ich vor allem eine neue erkenntnis theoretische Grundlage für meine weitere Forschung. (Dieses Ergebnis dürfte in wesentlichen Punkten für eine spezielle Durchführung der Ansicht gelten können, die Ed. Zeller in seinen erkenntnistheoretischen Aufsätzen aus

gesprochen hat. Vgl. dess.,,Vorträge und Abhandlungen," 2. Sammlung, Lpz. b. Fues 1877.)- Sodann suchte ich die für die Sittenlehre wichtigen Resultate der Naturwissenschaften zu verwerten, zumal der Psychophysik, der Physiologie der Sinne und der forensichen Psychologie. Dadurch gelangte ich zur Anwendung eines bisher noch nicht geübten psychologischen Verfahrens, welches die Ergebnisse der Untersuchungen von Gelehrten wie Fechner, Helmholtz, Wundt mit Dank benutzt hat, dieselben aber nach der Innenseite des Seelenlebens hin zu ergänzen sucht. Ausser diesen eben genannten Männern verdanke ich aber in diesem Punkte sonst die wichtigsten Anregungen Steinthals Sprachpsychologie und Lotze's Medizinischer Psychologie. Endlich wurde auch den Anforderungen, welche die historischen Wissenschaften an die philosophische Begründung der sittlichen Voraussetzungen ihrer Lebens- und Erkenntnisgebiete stellen müssen, gewissenhaft Rechnung getragen. Ich glaube wenigstens nicht, dass mir irgend ein Gesichtspunkt entgangen sein sollte, von welchem aus Theologie, Jurisprudenz, Pädagogik, Geschichte, Politik und Statistik zum moralischen Grundprobleme von der Freiheit des Willens Stellung zu nehmen Veranlassung haben könnten. Ein Blick auf das ausführliche Inhaltsverzeichnis wird dies sofort bestätigen.

Auf solcher Grundlage fussend darf ich hoffen, meine eigentliche Aufgabe, eine dem heutigen Stande des Wissens entsprechende Reform der Ethik herbeizuführen, mit Erfolg in Angriff genommen zu haben. Wie viel an dem, was hier zu thun ist, auch noch in dieser Leistung fehlt, das ist mir selbst wohl am wenigsten verborgen; das gesteckte Ziel vermag jedoch kein einzelner für sich allein zu erreichen. Ich hoffe jedoch mit Erfolg in neuer Richtung anzuregen und wüsste in der That nicht, dass jemals das ethische Grundproblem von der Willensfreiheit so sehr in den Mittelpunkt einer Weltansicht gerückt, sowie in so vielseitiger und umfassender Weise beleuchtet worden wäre; in einer zugleich der gegenwärtigen Lage der Wissenschaft genügenden Art, ist es jedenfalls nicht geschehen. Und doch ist dasselbe gerade in den letzten Jahren wiederum zu einer brennenden Frage geworden. Seit Jahrzehnten dürfte es nicht vorgekommen sein, dass, zumal im Laufe eines Jahres, so viele, freilich immer nur von einer Seite her die Willensfreiheit erörternde Schriften erschienen sind, wie etwa seit dem Juni des vorigen Sommers. Der Schluss meiner Literaturangabe auf S. 4 von No. 20 an ist nicht mehr ausreichend, findet jedoch vollkommene Ergänzung durch die im Buche selbst

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