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Nachdem wir somit versucht haben, den Gedankengang jenes Dialogs festzustellen, gehen wir dazu über, ein gleichsam im Hintergrunde desselben ruhendes und sich verhüllendes Moment näher zu beleuchten. Wir haben die von uns festgehaltene Annahme, dass in der Mahnung Hamlet's an Polonius, seine Tochter nicht in die Sonne gehen zu lassen, damit sie nicht empfange, eine Anspielung an die generatio aequivoca enthalten sei, des Näheren zu erörtern. Das Verdienst, diese Anspielung hier erkannt zu haben,* gebührt dem gelehrten Tschischwitz, der sich an betreffender Stelle seiner Ausgabe des Hamlet folgendermaassen äussert. „Der Sinn ist offenbar: Wenn die Sonne, a good being, sich so weit herablässt, das Aas eines Hundes zu küssen und durch spontane Zeugung Maden in ihm ausbrütet, so solltest du deine Tochter auch nicht frei in der Sonne umhergehen lassen, damit sie auf diese Weise nicht etwa empfange. Die Redensart bezieht sich auf eine Ansicht der atomistischen Philosophie, die in dem Satze gipfelt: „Sol et homo generant hominem." Im Gegensatz zu dieser mit Tschischwitz bekannter Giordano-Bruno-Hypothese in Zusammenhang stehender Auffassung kann nun gezeigt werden, dass der citirte Satz Sol et homo nicht der atomistischen Philosophie des Giordano Bruno entnommen zu sein braucht, vielmehr als eine gemeinsame Vorstellung der Zeit anzusehen ist, vermittelt durch die After-Weisheit der Alchemie. Zunächst ist der Satz uralt und findet sich bereits bei Aristoteles, Physik II, 2 ἄνθρωπος γὰρ ἄνθρωπον γεννᾷ καὶ ἥλιος. Wie aber die alchemistische Pseudo-Wissenschaft ihre Stützen aus Aristoteles zu gewinnen suchte und dessen naturphilosophische Grundsätze, z. B. den über das stufenweise Schaffen der Natur, ** unter dem Prisma der Phantasie betrachtete und ihrer Romantik einverleibte, so scheint auch der Satz Sol et homo aus Aristoteles in die Alchemie übergegangen zu sein. *** Wichtiger indess als die

* Elze in seiner Ausgabe des Hamlet (Dresden 1857) ebenso wie Delius berühren den erwähnten Punkt gar nicht.

**Ueberweg, Grundriss p. 110, fasst die Ansicht des Aristoteles dahin zusammen: „Die irdische Natur bildet nach dem Princip (der Zweckmässigkeit durch immer vollständigere Unterwerfung der Materie unter die Form eine Stufenreihe lebendiger Wesen."

*** Ueber den Zusammenhang der Alchemie mit der Aristotelischen

Frage nach der Genesis des Satzes ist für unseren Zweck der Beweis, dass derselbe dem Zeitalter überhaupt geläufig und einleuchtend war. Dass dies aber der Fall gewesen, ist keine neue Entdeckung, sondern bereits von Whalley ausgesprochen im Commentar zu Ben Jonson's Sejanus (Act III Schluss): Whalley's Bemerkung ist dann von W. Gifford in seiner gelehrten und grossartigen Ausgabe des Ben Jonson (London 1816, 9 Bde.) zustimmend aufgenommen worden. Jene Stelle im Sejanus lautet:

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Hierzu bemerkt Whalley: „This is agreeable to the notion of equivocal generation, received in that age."

Eine andere hier zugehörige Stelle findet sich in dem berühmten Drama des Ben Jonson „The Alchemist" (1610). In die Handlung dieses Dramas ist die Entwicklung der alchemistischen Fundamentallehren eingeflochten: die vier Principien des Aristoteles werden (ohne dass Aristoteles erwähnt würde) als Basis der Naturerkenntniss angenommen, der Gegensatz des actuellen und des potentiellen Seins zieht sich durch die Erörterungen der Personen und (Act II, 3) wird der Satz ausgesprochen, dass die Natur das Vollkommene nur in allmählichem Fortschreiten erreiche:

Nature doth first beget (th'imperfect) then
Proceeds she to the Perfect.

Diese dem Zeitalter gleichfalls gemeinsam angehörende Vorstellung von dem Fortschreiten der Natur (vgl. z. B. Montaigne, 1. Cap. 30. Ben Jons. Discoveries p. 156) ward nun von der Gold suchenden Alchemie in phantastischer Weise ausgebeutet. Das Vollkommenste im Reiche des Nicht-Organischen, sagte man, ist das Gold. Die Natur erzeugt es nur allmählich. Aber der träge Gang der Natur kann durch Kunst beschleunigt werden. Gold zu machen aber ist noch nicht das Schwerste. Denn das geringste organische Wesen steht auf der Stufenleiter

Philosophie handelt sachgemäss Karl Twesten, die relig., polit. etc. Ideen der alten Culturvölker (Einleit. p. 87), Berlin 1873.

der Natur höher als das vollkommenste (kostbarste) nicht-organische Ding; das Gold steht somit tiefer als eine Motte, eine Made. Nun aber können Motten und Maden durch die Sonnen(und auch durch künstliche) Wärme hervorgebracht werden, um wieviel leichter also kann nicht Gold auf künstlichem Wege erzeugt werden! Auf diesem mit bestrickender Logik aus dem noutor eudos hergeleiteten Satze beruht die ganze Alchemie. Nach diesen Erörterungen wird eine Stelle im Alchemisten des Ben Jonson klar und ein weiterer Beleg für die Allgemeinheit der im Hamlet anklingenden Vorstellung von der generatio aequivoca sein. Alch. II, 3 heisst es:

„Beside, who doth not see, in daily practice,
Art can beget Bees, Hornets, Beetles, Wasps
Out of the Carcasses and Dung of Creatures;
Yea, Scorpions of an Herb, being rightly plac'd?
And these are living Creatures, far more perfect
And excellent than Metals."

die

Gifford bemerkt mit Recht, dass dies Argument stillschweigende Voraussetzung der generatio aequivoca ein Hauptbeweis für die Möglichkeit des Goldmachens gewesen ist. While the doctrine of equivocal generation was in fashion, this was a powerful argument."

Wie verbreitet aber die Alchemie in Shakespeare's Tagen war, haben wir nicht nöthig zu zeigen; ebenso ist von selbst klar, dass auch die Fundamentalsätze dieser Irrlehre - wie sie von Ben Jonson unverkürzt in sein Drama aufgenommen als allgemein bekannt betrachtet werden müssen, und so glauben wir, der Tschischwitz'schen Giordano Bruno-Hypothese gegenüber dargethan zu haben, dass jene Stelle im Hamlet durch Zuhülfenahme einer allgemein gäng und geben Vorstellung des Zeitalters genügend erläutert wird.

Die Sonne, so recapituliren wir noch einmal den Sinn unserer Stelle, kann im todten Hunde Lebendiges (Maden etc.) erzeugen, mithin wird sie auch vermögen, in einem Mädchen Lebendiges hervorzubringen, das ist, sie zu schwängern. Hiernach ergiebt sich auch, dass das von Elze eingeschobene „nur Maden erzeugt," ebenso wie das von Tschischwitz beliebte sich herablassen" der Sonne die zu Grunde liegende Vorstellung und den Gedanken des Dichters verwischt und entstellt.

"nur"

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Analecta

von

E. Krüger.

Zum Gebrauch des Artikels im Neuhochdeutschen.

Der Gebrauch des Artikels im Neuhochdeutschen zeigt manches Eigenthümliche, was aus der Geschichte nicht ganz erklärlich scheint. Schiller hat manchmal überflüssige, ja widerwärtige Artikel; einige der merkwürdigsten sind:

-

(a),Ein frommer Knecht war Fridolin Und in der Furcht des Herrn ergeben wo das bescheidene Adverb,,gottesfürchtig, auf gottesfürchtige Weise (pie deditus, timore vinctus-dévotement, pieusement – εὐσεβῶς, ἐν εὐσεβεία nicht av ty evoeßeía, dans la peur de Dieu) zu einem feierlichen Selbststand unkenntlich verstellt wird. Wer aber dies eine Beispiel rechtfertigen wollte durch ,In dieser Gottesfurcht, vermöge derselben', würde doch folgende noch weniger entschuldigen können.

(b),Da stürzt die raubende Rotte' = ἴλη τις, nicht ἡ ἴλη (c),Da werden Weiber zu Hyänen . . . noch zuckend, mit des Panthers Zahnen soll heissen ὁδοῦσι παρδαλέοις, πανθηρίοις, nicht τοῖ návingos || (d),Und auch der Launen Uebermuth hätt er geeifert zu erfüllen' ist uneben, unbegründet, aber doch eher erträglich als || (e),Selig durch die Liebe... Menschen und Götter. ... Liebe macht die Erde zu dem Himmelreich, welches bedeuten soll terram reddit coelestem · γῆν τίθησιν οὐρανίαν, nicht πρὸς τὸν οὔρανον.

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Zu dem Himmelreich aus Zum H. aufgelöst erinnert an das um

gekehrt sonderbare gellertsche Zum Füssen lagen Schild und Speer' welches zu den bedeuten, mithin Zun, wie früher vorkommt, auch wechselnd mit Zon, lauten müsste. Uebrigens sind auch andere Zum nicht aus dem bestimmten Artikel verständlich, so: ,Zum Beispiel, Zum Vergnügen, Zum Spass, Zur Lust' sind alle nur indefinit

adverbial zu verstehen.

Wiederum umgekehrt ist die Weglassung des definiten Artikels auffallend in der neubeliebten Form ,Dieses wird mit Accusativ, jenes mit Infinitiv construirt', wo völlig grundlos der alte Gebrauch verlassen ist, angeblich Wohlklangs halber. Sagt doch niemand ,Ich habe mich mit Nadel gestochen, mit Messer geschnitten, er hat ihn mit Dolch erstochen'. Jene artikellosen Formen sind, wie oben gezeigt, nur adverbiale, daher ,zu Tisch, zu Wagen, mit Lust, mit Eile, zu Kräften kommen, aus Lust, aus Albernheit u. s. w. Jene Grammatikaster sprechen also aus Coquetterie, nicht aus der Coquetterie.

Es ist eine besondere Schönheit und Bildlichkeit in unserm Gebrauch des Artikels, worin wir dem Griechischen nahe stehen. Auch provinzielle Sonderheiten treten hervor, anderseitig ausdrucksvolle. Die Niedersachsen gebrauchen,Vater, Mutter, Onkel, Tante in gemüthlicher Rede durchaus als Eigennamen, für ,Mein, oder der Vater während der Obersachs und Franke regelmässig den Artikel gebraucht. „Der Vater hat gesagt, die Mutter wills nicht." Ebenfalls die Obersachsen brauchen den definitivum oft nach der Urbedeutung als demonstrativum, aber un betont. Den Augenblick gibs her den

Nachmittag kommst du wieder

den Sommer (d. h. den letzten

Sommer hac aestate) ist er gestorben. Vielleicht ist hieraus die Afterbildung dermalig entstanden, welche,dis malig, gegenwärtig' bedeuten soll (aus deromalen gleich diseromalen).

Göthe hat dagegen in alt epischer Weise artikellos gesungen ,Knabe sprach, ich breche dich Röslein wehrte sich und stach' womit parallel geht die Weglassung der Person wörter,Sah ein Knab' Hab' oft einen dumpfen Sinn füllest wieder Busch und Thal' u. s. W. Dies ist altthümlich wohlklingend, noch heut mundartlich in Schwaben; albern zierlich dagegen lautet das Kaufmännische: Ihren Brief habe erhalten angeblich ist's Bescheidenheit!

Zur deutschen Aussprache.

Ueber deutsche Mundrede hat R. v. Raumer in s. kleinen

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