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der einfachen Dinge die Vorstellung ist, so sind sie desto vollkommener, je genauer ihre Vorstellungen unter sich sowohl, als mit den vorgestellten Sachen übereinstimmen, das heifst, je gröfser der Grad ihrer Kraft ist. Allein die LEIBNIZ'sche Erklärung ist in Ansehung der einfachen Dinge fruchtbarer, und es steht dem Weltweisen, so wie dem Mathematiker frei, diejenige von allen gleichgeltenden Erklärungen vorauszusetzen, die ihn den kürzesten Weg zu seinem Zwecke leitet.

Man bemerke aber, dass WOLF von der Strenge der mathematischen Lehrart abgewichen zu sein scheint, wenn er (Theologiae natural. part. poster. § 6) für eine willkürliche Definition annimmt:,,Ens perfectissimum dicitur, cui insunt omnes realitates in gradu absolute summo.“ Denn da er die Vollkommenheit nicht durch Realität, sondern durch die Uebereinstimmung des Mannigfaltigen erklärt, so hätte er auch Ens perfectissimum nicht durch den höchsten Grad aller möglichen Realitäten definiren sollen, so lange er nicht, wie hier geschehen, bewiesen hat, dass die beiden angeführten Erklärungsarten gleichgeltend sind.

[s] Die Alten haben schon gesagt: omnis natura vult esse conservatrix sui; eine jede Natur strebt sich selbst zu erhalten. Man kann sich keine Kraft vorstellen, die den Grund ihrer eigenen Vernichtung in sich halten sollte, so wenig man eine Bewegung denken kann, die den zureichenden Grund der völligen Ruhe enthielte. Nun wäre eine Seele, die ihre eigene Vernichtung wollen könnte, nichts anderes, als eine Kraft, deren innere Bestimmung auf die Vernichtung ihrer selbst gerichtet wäre; denn der Wille ist eine innere Richtung unserer Vorstellungskraft. Und wenn der Gegner auch die Einfachheit der Seele leugnen, und das Vorstellungsvermögen zu einer Eigenschaft des Zusammengesetzten machen wollte, so würde ihn diese Ausflucht dennoch nicht retten. Eine Kraft des Zusammengesetzten kann natürlicherweise aufhören, wenn die Zusammensetzung selbst durch andere natürliche Kräfte aufgelöst wird. Aber auf ihre eigene Vernichtung kann weder eine einfache, noch eine zusammengesetzte Kraft gerichtet sein, und noch viel weniger sich selbst richten. Wenn also in unserer Vorstellungskraft, sie mag einfach oder eine Eigenschaft des Zusammengesetzten sein, Dasein und Vernichtung um den Vorzug streiten, so muss der Wille allezeit dem Dasein den Ausschlag geben, sonst würde die Vorstellungskraft sich selbst bestimmen, vernichtet zu werden. In dieser Betrachtung muss ein jedes denkende Wesen lieber alle mögliche Pein ausstehen, als vernichtet zu werden wünschen, und wenn eine ewige Verdammniss möglich wäre, so müsste sie der Ruchlose dennoch seiner Vernichtung vorziehen. Diese Vorstellung revoltirt und scheint unserm Gefühle zu widersprechen? Freilich aber aus keiner andern Ursache, als weil sich unsere Seele von der Vernichtung gar keinen Begriff machen kann, weil wir zur Unsterblichkeit geschaffen sind, und uns die Vernichtung niemals als wahre Vernichtung vorstellen können. Wir denken immer eine Art von süfsem Schlafe

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dabei, der von keinem Traume unterbrochen wird, und diesem Schlafe geben wir den Vorzug vor unserer Pein. MÄCENAS, der seine Seele für sterblich hielt, sah die unendliche Wichtigkeit dieses Lebens nach seinem Systeme sehr wohl ein. Er äufserte einen Wunsch, den jeder vernünftige Mensch beinahe für rasend halten muss, allein bei seinen irrigen Grundsätzen war nichts vernünftiger:

Debilem facito manu,

Debilem pede, Coxa:
Tuber adstrue gibberum,
Lubricos quate dentes,
Vita dum superest, bene est.

Hanc mihi, vel acuta

Si sedeam cruce, sustine.

,,Er wusste ohne Zweifel nichts besseres", sagt BODEMER, „als dass mit seinem Tode sein ganzes Wesen aufhörte. Dieser gänzlichen Vernichtung zieht er das allerpeinlichste Leben vor."

Herr COCHIUS in seiner vortrefflichen Preisschrift: Ueber die Neigungen, sucht die Möglichkeit des Wunsches, vernichtet zu werden, aus Gründen zu behaupten. Nach seiner Theorie ist der Trieb zur Vollkommenheit oder, wie er ihn nennt, zur Erweiterung der erste Grundtrieb der menschlichen Natur, welchem der Trieb zur Erhaltung in gewissen Fällen widersprechen kann, und alsdann müsste die Erhaltung nothwendig weichen.

Ich will seine eigenen Worte anführen: „Da dieser Trieb (zur Erweiterung oder Ausdehnung) nicht wirken könnte ohne Existenz, so scheint eben dieses von der Neigung zu unserer Erhaltung, und im Gegentheil von der Abneigung gegen unsere Vernichtung zu gelten; aber es gilt nur gleichsam im zweiten Grade. Denn unsere Existenz ist uns nicht wesentlich; wir können eine menschliche Seele, die blofs möglich wäre, denken, aber nicht eine, die nicht einen ausgedehnten Trieb hätte. Da unsere Existenz derjenige Zustand unsers Wesens ist, in welchem wir Veränderungen wirken und leiden, Vorstellungen haben und Eindrücke annehmen, so stimmt sie mit dem wesentlichen Triebe überein, und in so weit ist die Neigung, sie zu erhalten, natürlich. Aber wenn bei der wirklichen Ausdehnung sich lauter Widerstand fände, so würde sie wieder aufgehoben. Man lege, um keinen unmöglichen Fall zu setzen, viele und lebhafte Vorstellungen, die widrig sind, in die eine, und wenige matte, die mit dem Triebe übereinkommen, in die andere Wagschale, so ergiebt sich der Erfolg. Man könnte also die Neigung, seine Existenz zu erhalten, unter solchen Bedingungen aufgeben, obgleich allemal ein Irrthum zu Grunde liegen würde; denn es kommt hier darauf an, ob die Vorstellungen selbst da sind, nicht aber darauf, ob sie mit Grund oder Ungrund da sind. Bei dem Selbstmorde würde zwar in den meisten Fällen eine geheime Ahnung, das ist eine in tiefer Dunkelheit liegende Vorstellung einer Fortdauer nach der Endigung

des jetzigen Lebens, mit zu Grunde liegen, aber es ist schwer zu behaupten, dass es gar keinen Fall von Selbstmord gäbe, der aus der Absicht, sich zu vernichten, begangen würde. Gäbe es aber dergleichen, so würde die Neigung, seine Existenz zu erhalten, so weit wegfallen können, dass nicht nur eine gegenseitige Abneigung, sondern sogar eine Begierde ihren Platz einnähme, welche insgemein viel weiter geht. Denn aus der aufgehobenen Neigung würde nichts mehr folgen, als dass man die Existenz gelassen verlöre; dass man sie sich selbst nähme, erfordert mehr, als der Mangel der Neigung, sie zu erhalten."

Man erlaube mir, über diese Stelle einige Anmerkungen zu machen. Man kann sich gefallen lassen, mit diesem Weltweisen den Grundtrieb unserer Seele einen Erweiterungs- oder Ausdehnungstrieb zu nennen, wenn man nur dabei nicht vergisst, dass dieser Trieb auch dahin gehe, das bereits Erworbene nicht zu verlieren. Das Neue reizt und zwar sehr, aber wir sind desswegen gegen das längst Erhaltene nicht ganz gleichgültig, so gleichgültig z. B., als gegen Dinge, die niemals in unsern Erweiterungskreis kommen können. Sind wir aber mehr geneigt, das Erworbene zu erhalten als zu verlieren, so muss der Grundtrieb der Seele nicht nur auf das Ausdehnen und Erwerben neuer Realitäten, sondern zugleich mit auf die Erhaltung der erworbenen gerichtet sein.

Herr COCHIUS gesteht, dass der Ausdehnungstrieb nicht ohne Existenz wirken könne. Wenn dieses ist, so ist die Aufhebung der Existenz diesem Triebe nicht weniger, als dem Triebe zur Erhaltung zuwider. Der Grundtrieb der Seele kann also schlechterdings nicht auf die Selbstvernichtung gerichtet sein, weil ohne Existenz keine Ausdehnung statt findet, und weil kein Trieb auf sein eigenes Nichtwirken gerichtet sein kann.

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Wir können eine menschliche Seele denken," sagt Herr CoсHIUS,,,die blofs möglich ist, aber nicht eine, die keinen ausdehnenden Trieb hat.“ Wenn hieraus etwas zu schliefsen ist, so ist es weiter nichts, als dass wir lieber das Dasein, als den Ausdehnungstrieb selbst verlieren müssen. Allein diesen können wir nicht verlieren, und hiervon ist auch die Rede nicht. Die Erfüllung dieses Grundtriebs aber ist uns noch weit weniger wesentlich, als die Existenz. Wir können gar wohl eine Seele denken, deren Erweiterungstrieb gehemmt wird, ja es kann sogar eine Seele existiren, deren Erweiterungstrieb allenthalben Widerstand und Hindernisse findet. Da nun in unserm Falle die Existenz nicht mit dem Triebe selbst, sondern mit der Befriedigung desselben in Streit kommt, so kann der Grund, dass die Existenz nicht wesentlich ist, die Sache wohl nicht entscheiden.

Nach des Herrn COCHIUS Theorie muss der Wunsch, die Begierde, sich zu vernichten, eine Aeufserung des Erweiterungstriebes sein können. Der Begriff der Erweiterung muss also dergestalt determinirt werden können, dass er den Begriff der Vernichtung enthält, das heifst, unter gewissen Bedingungen muss die Vernichtung eine Erweiterung sein.

Ich muss gestehen, dass ich mir hiervon keinen Begriff machen kann. Man erwäge was dieser Weltweise selbst sagt, dass es mit der aufgehobenen Neigung, sich zu erhalten, nicht genug sei, sondern zuweilen eine Begierde muss entstehen können, sich zu vernichten. Dieses muss nach Herrn COCHIUS' Theorie unter die allgemeine Formel der Erweiterung gebracht werden können, denn alle Begierden und Neigungen müssen Zweige des Grundtriebes sein, müssen wie bestimmtere Begriffe in dem allgemeinen Begriffe der Erweiterung liegen und auf denselben zurückgeführt werden können. Nun kann man sich offenbar keinen Fall denken, in welchem Vernichtung und Erweiterung von einander sollen bejaht werden können, denn ohne Existenz kann kein Trieb wirken. Wie wäre es denn möglich, dass die ausdehnende Kraft der Seele jemals in eine Vernichtungsbegierde sollte übergehen können? „Man lege viele und lebhafte Vorstellungen, die widrig sind", sagt Herr COCHIUS,,,in die eine, und wenig matte, die mit dem Triebe übereinkommen, in die andere Wagschale, so ergiebt sich der Erfolg." Welcher Erfolg? Der einzige wahre ist, meines Erachtens, dass eine starke Begierde in der Seele entstehen wird, diesen Zustand zu verändern, denn hierauf zielt das Uebergewicht der vielen lebhaften und zugleich widrigen Vorstellungen. Aber eine Begierde, nicht zu sein, diese scheint um so viel weniger der Erfolg des Uebergewichts zu sein, da, einzeln genommen, eine jede widrige Vorstellung auf Veränderung dringt. Jedes Bedürfniss heischt Befriedigung, dieses ist seine natürliche Tendenz. Und wenn es diese Befriedigung nicht erhält, so wird die Begierde heftiger, aber eine Tendenz zur Befriedigung kann in keine Tendenz zur Vernichtung übergehen, die Hindernisse, die der Befriedigung im Wege stehn, mögen noch so grofs sein.

Es scheint also nach der Theorie des Herrn COCHIUS', der alle Neigungen der Seele auf einen allgemeinen Erweiterungstrieb zurückführt, der Gedanke noch weit widersinniger, dass irgend eine wahre Begierde zur Vernichtung sollte in der menschlichen Seele entstehen können.

1 Die Schrift des Professor LEONHARDT COCHIUS: Untersuchungen über die Neigungen, erschien 1769 bei HAUDE in Berlin. MENDELSSOHN, der aufser den obigen Einwürfen noch kurze kritische Randbemerkungen dazu schrieb, schätzte dieses Werk sehr, wie auch aus einem Briefe an den Schweizer Gelehrten OBEREIT (13. März 1770) hervorgeht. Doch stellte er die gleichnamige Schrift des ihm mehr geistesverwandten CHRISTIAN GARVE: Ueber die Neigungen. Berlin 1769, obwohl jene über diese den Preis davongetragen hatte, wegen der Fülle ihrer geistvollen Gedanken und der schönen Darstellung viel höher.

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