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Aus der Correspondenz mit dem Erbprinzen von Braunschweig-Wolfenbüttel.

1. Der Erbprinz von Braunschweig-Wolfenbüttel an
Moses Mendelssohn.1

Mit aufrichtiger Erkenntlichkeit habe das Vergnügen gehabt, sowol die dritte Auflage des Phädon, wie auch das Schreiben an Herrn

1 Der Erbprinz CARL WILHELM FERDINAND, ein Neffe FRIEDRIDH's des Grofsen, geb. am 9. October 1735 und seit 1780 Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, war einer der edelsten deutschen Fürsten des 18. Jahrhunderts, bekannt durch die Weisheit und Milde, mit der er sein Land regierte, die Hochherzigkeit, mit der er Wissenschaften und Künste schützte und förderte, wie durch den opfervollsten Patriotismus, mit dem er die französischen Eroberungsgelüste bekämpfte. Ein nicht so bedeutender Feldherr, wie sein Onkel, Herzog FERDINAND, der berühmte Held des siebenjährigen Kriegs, ist dennoch auch seine militärische Laufbahn nicht ohne dauernden Ruhm gewesen. FRIEDRIDH der Grofse erwähnt seiner mit hoher Achtung in seiner ,,Geschichte des siebenjährigen Krieges." Bekannt ist auch die Ode des Königs: „Auf den Erbprinzen von Braunschweig.“ Die bedeutendsten Erfolge der Feldzüge von 1792-93, obwohl durch die gezwungenen Rückzüge immer wieder vernichtet, sind seiner tapfern und klugen Führung zu verdanken. In Folge des Friedens vom Haag legte er Anfang October 1794 den Oberbefehl nieder. Als er dann beim Wiederausbruche des Kriegs 1806 die Führung der preufsischen Truppen übernahm, war er bereits ein siebzigjähriger Greis und von so geschwächter Gesundheit, dass er den Lasten des Feldzugs kaum gewachsen schien. In der mörderischen Schlacht bei Auerstädt am 14. October 1806 durch einen Schuss beider Augen beraubt, musste der unglückliche Fürst beim Vordringen der Franzosen sein Erbland verlassen und starb zu Ottensen bei Altona am 10. November 1806. Wohl ist ihm im Jahre 1874 ein von PÖNNIGER gefertigtes schönes Denkmal, eine Reiterstatue, in Braunschweig errichtet worden. Aber noch fehlt ein würdiges biographisches Denkmal, das die Wirksamkeit dieses Fürsten allseitig schilderte. Ein vielseitig gebildeter Mann, unterhielt er zumal vor seinem Regierungsantritte eine ausgedehnte Correspondenz mit Gelehrten und Schriftstellern; zu den letztern gehörte auch MENDELSSOHN, der ihm seinen Phädon übersandt hatte, und an dessen Streit mit LAVATER und BONNET der Prinz das lebhafteste Interesse nahm. Der Prinz gewann unsern Berliner Philosophen sehr lieb, und als dieser im October 1770 in Begleitung des jungen DAVID FRIEDLÄNDER die Reise nach Braunschweig unternahm, wurde er von ihm und seiner Mutter, der Herzogin PHILIPPINE CHARLOTTE sehr wohlwollend aufgenommen.

LAVATER zu erhalten, welches mit dem Glimpf und Grad der Menschenliebe geschrieben, welchen man im Voraus zu erwarten hatte von einer von göttlichen Wahrheiten so durchdrungenen Seele als die Ihrige. Wie sehr wünschte ich die Betrachtungen über den BONNET zu sehen; denn nichts kann Einem unsers Glaubens wichtiger sein, als zu bemerken, wie ein unter dem Mosaischen Gesetz lebender Philosoph den historischen Beweis von Moses führt, in welchem wir mit ihm einstimmig sind, und wie zugleich denen historischen Beweisen ausgewichen wird, auf welchen der christliche Glaube sich gründet, welcher ja gröfstentheils auf Zeugnissen beruht, welche unter dem Mosaischen Gesetz als Göttliche Eingebung angenommen worden. Ob ich wünschen soll, dass ferner in Sie gedrungen werde, diese Betrachtungen öffentlich bekannt zu machen, muss dahin gestellt sein lassen aus den p. in dem Antwortschreiben angeführten Gründen. Glücklich würde ich mich schätzen, Denenselben Proben von der wahren Hochachtung geben zu können, mit welcher zeitlebens verbleibe

Braunschweig,

den 2. Januar 1770.

Deroselben

ganz ergebener

Carl W. F. Erbprinz zu Braunschweig und Wolfenbüttel.

2. Moses Mendelssohn an den Erbprinzen von BraunschweigWolfenbüttel.

Durchlauchtigster Prinz!
Gnädigster Herr!

Ew. Durchlaucht würde ich keinen Anstand nehmen, meine Betrachtungen über den BONNET gehorsamst zu übersenden, wenn solche nicht immer noch mehr in mir als auf dem Papiere existirten. Was davon aufgezeichnet ist, bestehet in abgerissenen Betrachtungen, die das Licht eines erleuchteten Kenners noch scheuen müssen. Ich habe die beste Hoffnung, dass es unnöthig sein wird, sie weiter auszuführen und in Ordnung zu bringen. Um aber Ew. Durchlaucht gnädigstem Be

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fehl zu gehorchen, werde zur Beantwortung der mir vorgelegten Fragen das Nöthige aus meinen Gegenbetrachtungen anführen, in dem festesten Zutrauen zu Dero Weisheit, dass das freimüthige Bekenntniss, welches ich nur Ihnen ablege, Niemanden zu Gesichte kommen wird, dem es zum Aergerniss oder Missbrauch Gelegenheit geben könnte.

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Erste Frage.

,Was hat ein unter dem Mosaischen Gesetze lebender Weltweise für Grund, die historischen Beweise des A. T. anzunehmen und des Neuen zu verwerfen ?"

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Durchlauchtigster Prinz! Ich kann keinem Zeugnisse trauen, das, meiner Ueberzeugung nach, einer ausgemachten, unumstöfslichen Wahrheit widerspricht. Nach der Lehre des N. T. (wenigstens wie dieses in öffentlichen Lehrbüchern erklärt wird) muss ich 1. eine Dreieinigkeit in dem göttlichen Wesen, 2. die Menschwerdung einer Gottheit, 3. das Leiden einer Person der Gottheit, die sich ihrer göttlichen Majestät entäufsert hat, 4. die Genugthuung und Befriedigung der ersten Person in der Gottheit durch das Leiden und den Tod der erniedrigten zweiten Person und noch viele andere diesen ähnliche oder aus diesen fliefsende Sätze bei Verlust meiner ewigen Seligkeit glauben. Nun kann ich zwar und will auch meine Urtheilskraft keinem vernünftigen Wesen zur Richtschnur aufdringen. Wer bin ich elendes Geschöpf, der ich mich Dieses vermessen sollte? Aber ich selbst kann die Wahrheit nicht anders als nach meiner Ueberzeugung annehmen und ich gestehe, dass mir die angeführten Sätze den ersten Gründen der menschlichen Erkenntniss schnurstracks zu widersprechen scheinen. Ich kann sie meiner Ueberzeugung nach mit Dem, was mich Vernunft und Nachdenken von dem Wesen der Gottheit und ihren Eigenschaften gelehrt hat, nicht in Harmonie bringen, und bin also gezwungen, sie zu verwerfen. Wenn ich diese Lehren im A. T. fände, so würde ich auch das A. T. verwerfen müssen, und wenn ein Wunderthäter, sie zu bewähren, vor meinen Augen alle Todten erweckte, die seit Jahrhunderten begraben worden, so würde ich sagen: der Wunderthäter hat Todte erweckt, aber seine Lehre kann ich nicht annehmen. Hingegen finde ich im A. T. nichts, das diesen Lehren ähnlich siehet, nichts, das meiner Ueberzeugung nach mit der Vernunft streitet. Daher kann ich mich mit gutem Grunde auf die

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historische Glaubwürdigkeit verlassen, die wir diesen Schriften einstimmig zuerkennen. Der Unterschied, den ich zwischen den Büchern des alten und neuen Testaments mache, besteht also darin: jene harmoniren mit meiner philosophischen Ueberzeugung oder widersprechen derselben wenigstens nicht, diese hingegen fordern einen Glauben, den ich nicht leisten kann. Ich weifs, dass nach der geheimen Lehre einiger vortrefflichen Männer, die es mit der Wahrheit und der christlichen Religion sehr gut meinen, alle diese der gesunden Vernunft wie es scheint anstöfsige Sätze für menschliche Zusätze erklärt werden. Nach dem Lehrbegriff dieser Weisen, den man in England schon öffentlich auszubreiten anfängt, war der Stifter der christlichen Religion ein Mensch, wie wir übrigen auch sind, aber ein Gesandter und Prophet Gottes, etwa wie der Stifter der jüdischen Religion, oder noch grösser, und er hatte den Beruf unmittelbar von Gott, die alte natürliche Religion in ihre geheiligten Rechte einzusetzen, die Menschen von ihren Pflichten und von ihrer zukünftigen Glückseligkeit zu unterrichten und seine Lehre durch übernatürliche Wunderwerke zu bekräftigen. Herr BONNET hat seine Religion auch nur von dieser vortheilhaften Seite gezeigt, und obgleich nicht daraus zu beweisen ist, dass er Dasjenige, was er verschweiget, nicht auch für wahr halte, so müsste ich Dieses doch auf eine Zeitlang voraussetzen, um die christliche Religion der unitarischen Christen mit der meinigen zu vergleichen.

Ich mache an diese Verbesserer der herrschenden Religion noch folgende Anforderungen:

1. Sie müssen in ihren Lehrgebäuden nicht, wie Herr BONNET gethan, den Satz zum Grunde legen, dass das Judenthum und noch weit mehr die natürliche Religion zur künftigen Glückseligkeit der Menschen unzureichend sei. Da die Menschen alle von ihrem Schöpfer zur ewigen Glückseligkeit bestimmt sein müssen, so kann eine ausschliefsende Religion nicht die wahre sein. Diesen Satz getraue ich mir als Criterium der Wahrheit in Religionssachen anzugeben. Eine Offenbarung, die allein die seligmachende sein will, kann nicht die wahre sein, denn sie harmonirt nicht mit den Absichten des allbarmherzigen Schöpfers.

Nach der verbesserten Form, welche diese Lehrer der Religion gegeben, haben sie auch zu dieser Ausschliefsung nicht den geringsten Grund. Wenn der Stifter blofs den Beruf und die Absicht gehabt, die

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natürliche Religion in ihre Rechte einzusetzen, und die Menschen von ihrer ewigen Seligkeit zu versichern, so muss es zu meinem Heile hinreichend sein, wenn ich nach der natürlichen Religion lebe und die Lehre von der Unsterblichkeit der menschlichen Seele von ganzem Herzen annehme. Dass ein gewisser menschlicher Lehrer dereinst den göttlichen Beruf gehabt, diese Lehre durch Wunder zu bekräftigen, Dieses zu glauben kann keine nothwendige Bedingung meiner Glückseligkeit sein. 2. Die Ewigkeit der Höllenstrafen wird hoffentlich in diesem gereinigten System keinen Platz finden. Allein auch die Lehre von der Genugthuung und Befriedigung der göttlichen Strafgerechtigkeit wünschte ich reformirt zu sehen. Die göttliche Gerechtigkeit heischet keine Genugthuung, sondern eine Bestrafung, eine Züchtigung, welche dem Sünder selbst zum Besten gereichet. Sobald in der Haushaltung Gottes die Strafe nicht mehr zum ewigen Wohl des Sünders unentbehrlich ist, so wird sie ihm erlassen.

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3. Dass ein Unschuldiger die Schuld eines Andern trage, und wenn er sie auch freiwillig übernehme, kann, meinen Begriffen nach, in dem Staate Gottes von dem allergerechtesten Wesen nicht zugelassen werden. Auch aus diesem Satze folgen einige nöthige Verbesserungen, die sich von selbst ergeben.

4. Von der Erbsünde weifs die gesunde Vernunft nichts und das A. T. eben so wenig. Adam hat gesündiget und ist gestorben, seine Kinder sündigen und sterben, aber sie sind nicht durch seinen Sündenfall dem Guten abgestorben und in die Macht des Satans gekommen.

5. Vom Satan und den bösen Geistern möchte ich auch gerne die Freiheit haben zu glauben, was meiner Vernunft gut dünkt. Das A. T. bestimmt über diese Punkte nicht mehr, als sich vernünftig erklären lässt.

6. Der Stifter der christlichen Religion hat niemals mit ausdrücklichen Worten gesagt, dass er das Mosaische Gesetz aufheben und die Juden davon dispensiren wolle. Ich habe Dieses in allen Evangelisten nicht gefunden. Die Apostel und die Jünger sind sogar lange nachher noch in Zweifel gewesen, ob nicht Heiden, die sich bekehrten, auch das Mosaische Gesetz annehmen und sich beschneiden lassen müssten. Allein es wurde beschlossen, den Heiden keine zu grofse Last aufzulegen (Apostelgeschichte). Vollkommen nach der Lehre der Rabbinen, die ich in meinem Schreiben an LAVATER angeführt. Aber für Juden,

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