Billeder på siden
PDF
ePub

versetzt haben, der die Ueberzeugung nicht mitbringt, sondern in diesen Werken erst suchen soll. Haben Sie aber dieses gethan und glauben dennoch, wie Sie zu verstehen geben, dass ein SOKRATES selbst die Beweisgründe des Herrn BONNET unwiderleglich finden müsse, so ist einer von uns sicherlich ein merkwürdiges Beispiel von der Gewalt der Vorurtheile und der Erziehung, selbst über solche, die mit aufrichtigem Herzen die Wahrheit suchen.

Ich habe Ihnen nunmehr die Gründe angezeigt, warum ich so sehr wünsche, niemals über Religionssachen zu streiten; ich habe Ihnen aber auch zu erkennen gegeben, dass ich gar wohl glaube, der BONNET'schen Schrift etwas entgegensetzen zu können. Wenn darauf gedrungen wird, so muss ich die Bedenklichkeiten aus den Augen setzen und mich entschliefsen, in Gegenbetrachtungen meine Gedanken über Herrn BONNET'S Schrift und die von ihm vertheidigte Sache öffentlich bekannt zu machen. Ich hoffe aber, dass Sie mich dieses unangenehmen Schritts überheben und lieber zugeben werden, dass ich in die friedsame Lage zurückkehre, die mir so natürlich ist. Wenn Sie sich an meine Stelle setzen und die Umstände nicht aus Ihrem Gesichtspunkte, sondern aus dem meinigen betrachten, so werden Sie meiner Neigung Gerechtigkeit widerfahren lassen. Ich möchte nicht gern in Versuchung kommen, aus den Schranken zu treten, die ich mir mit so gutem Vorbedachte selbst gesetzt habe.

Ich bin mit der vollkommensten Hochachtung

Berlin, den 12. December 1769.

Ihr

aufrichtiger Verehrer Moses Mendelssohn.

MENDELSSOHN'S Schriften. II.

333

Antwort an den Herrn Moses Mendelssohn zu Berlin

von Johann Caspar Lavater.

Nebst einer Nacherinnerung von Moses Mendelssohn.

Verehrungswürdiger Herr!

Ich hatte mir die Freiheit genommen, Sie öffentlich aufzufordern, Herrn BONNET's Untersuchung der Beweise für das Christenthum entweder zu widerlegen, oder zu thun, was ein SOKRATES gethan haben würde, wenn er das Wesentliche dieser Untersuchung unwiderleglich gefunden hätte.

Ich will es Ihnen nicht verhehlen, dieser Schritt, der Sie so sehr befremdet, ist beinahe allen meinen Freunden, und insonderheit den auswärtigen, vornehmlich aber Herrn BONNET übereilt vorgekommen. Dieser letztere missbilligte ihn sehr, aber es war zu spät. Die dringende Nähe der Messe machte es mir unmöglich, mich mit meinen auswärtigen Freunden hierüber zu berathschlagen.

Sie können es wissen, theuerster Freund! (Sie geben mir das Recht, Sie so zu nennen) dass mir diese nachherigen Urtheile meiner Freunde nichts weniger als gleichgiltig gewesen sind; dass ich schon vor dem Empfange Ihres gütigen Schreibens geneigt war, Sie aus der Verlegenheit, in welche ich Sie gesetzt hatte, herauszuziehen.

Ich konnte freilich das Geschehene darum noch nicht ganz bereuen, und glaube auch jetzt, nach dem Empfange Ihres Schreibens und nach den so ungleichen Urtheilen des Publicums, noch nicht Ursache zu haben, es ohne Beding zu bereuen. Ich fange aber an einzusehen, dass ich meine Absicht auf einem andern Wege vielleicht glücklicher erreicht und ihnen zugleich diese Verlegenheit erspart haben könnte.

Meine Absicht war nicht, Ihnen ein Glaubensbekenntniss abzunöthigen. -Sie ging nur dahin, der mir so angelegenen Sache des Christenthums, die ich von Herrn BONNET sehr wohl vertheidigt glaubte,

einen meiner Meinung nach weit wichtigern Dienst, als die Uebersetzung dieser Schrift war, zu erweisen, indem ich Sie zu bereden hoffte, eine Untersuchung derselben vorzunehmen: eine Untersuchung, von der ich zum voraus glaubte, sie müsste viel dazu beitragen, die Wahrheit, oder das, was ich nach meiner Ueberzeugung für Wahrheit hielt, in das hellste Licht zu setzen.

Jetzt sehe ich, dass ich diese Absicht, wenigstens für das Publicum, eher erreicht haben würde, wenn ich entweder in einem Privatschreiben Sie um Ihre Gedanken über BONNET's Philosophie und die Anwendung derselben auf das Christenthum ersucht, oder, so ich ja einen Schritt weiter gehen wollte, die Zuschrift durchaus so eingerichtet hätte, wie sie sein müsste, wenn man die Schrift eines Philosophen einem andern Philosophen zur Prüfung vorlegen wollte.

Ihr gütiges Schreiben bestätigt das Urtheil meiner Freunde und überführt mich völlig davon, dass ich gefehlt habe. Sie lassen meiner guten Absicht Gerechtigkeit widerfahren, Sie zeigen mir aber zugleich, was für Gründe ich nicht allein hätte anhören, was für andere auf Ihrer Seite ich hätte bedenken sollen: Gründe, die Sie berechtigten, weder anzunehmen, noch öffentlich zu widerlegen; Gründe, die zu sagen Sie gar nicht verbunden wären.

Ich muss es eben darum zu meiner Vertheidigung für unzulänglich halten, meine Gründe, die mich bewogen haben, diesen Schritt zu thun, hier weitläufig anzuführen. Sie würden wohl überhaupt mein Verlangen, die BONNET'sche Schrift von Ihnen untersucht zu sehen, bei allen, die Sie als Philosophen kennen, rechtfertigen. Sie würden zeigen, dass jeder, der sich genau in meinem Standorte befunden hätte, wo nicht in Verbindlichkeit, doch in die stärkste moralische Versuchung gekommen wäre, Ihnen die Untersuchung nahe an's Herz zu legen. Aber das so Dringende, das so Unbedingte meiner Aufforderung würde um der von Ihnen angeführten Gründe willen immer ein Fehler bleiben.

Freilich davon, mein edler Wahrheitsfreund, bin ich jetzt noch mehr als jemals überzeugt, dass ich mich an den rechten Mann gewandt hätte, wenn nur meine Kühnheit nicht weiter gegangen wäre, als Ihnen diesen Theil der BONNET'schen Philosophie, als einem Weltweisen, zur strengen gemeinnützigen Prüfung vorzulegen. Ueber die Wichtigkeit der Anwendung der Philosophie auf die Offenbarung sind wir eins. Ihnen ist nichts.

wichtiger, als diese Anwendung. Sie haben Ihre Religion nicht erst seit gestern zu untersuchen angefangen. Die Pflicht, sie zu prüfen, haben Sie gar frühzeitig erkannt; und wenn Sie von früher Jugend an Ihre Ruhe- und Erholungsstunden der Weltweisheit und den schönen Wissenschaften gewidmet haben, so ist es einzig und allein in der Absicht geschehen, sich zu dieser so nöthigen Prüfung vorzubereiten." O mein verehrungswürdiger Freund! Sie beschreiben mir, wider Ihre Absicht, den Mann, an den ich am liebsten wünschte mich wenden zu dürfen, um von seinen Untersuchungen Nutzen zu schöpfen, und ihm die meinen zur schärfsten Prüfung vorzulegen.

Allein ich sollte billig nicht allein bedacht haben, dass die Untersuchung der Religion Ihnen eben so wichtig vorkommen müsse, als mir; ich sollte mich aufserdem auch gefragt haben: ob eben dieselbe Pflicht, welche die Untersuchung der Religion und das Bekenntniss derselben gebietet, auch in die Verbindlichkeit setze, sich in Religionsstreitigkeiten einzulassen. Da hätte ich dann wenigstens einige von den Gründen mir vorstellen können, womit Sie mir zeigen, dass Sie hierzu nicht verbunden seien, und dass ich Sie nicht so feierlich und unbedingt hätte auffordern sollen. Und wenn mir auch diese Ihre Gründe nicht sogleich eingeleuchtet hätten, so hätte mir doch schon das, dass wir über die Wichtigkeit der Untersuchung des Christenthums noch nicht übereingekommen waren, ein Abhaltungsgrund sein sollen.

Ich nehme also meine unbedingte Aufforderung, als eine Sache, zu welcher ich nicht hinlänglich berechtigt war, zurück, und bitte Sie vor dem ganzen Publicum aufrichtig: Verzeihen Sie mir das Allzudringende, das Fehlerhafte in meiner Zuschrift.

In der zuversichtlichen Erwartung, Sie werden meine aufrichtige Abbitte annehmen, wage ich es, Ihnen noch meine Gedanken über einige Punkte Ihres Schreibens offenherzig mitzutheilen und den Wunsch meines Herzens zu eröffnen.

Es würde mich sehr kränken, wenn Sie blofs aus Gefälligkeit, aus Menschenfreundlichkeit, den Verdacht, als ob ich gegen ein Versprechen gehandelt hätte, unterdrückten.

[ocr errors]

Können Sie, red

So, wie ich unserer Unterredung gedachte; liche Seele, das Publicum auch nur von Ferne vermuthen lassen, dass es Uebertretung eines Versprechens, dass es ein indiscreter, Ihnen

nachtheiliger Gebrauch von dieser Unterredung sei? Können Sie mir einen solchen Mangel von aller Klugheit zutrauen, dass ich mich einem solchen Vorwurfe würde blofsgesetzt haben, wenn ich hätte denken können, ihn zu verdienen? Sehr würde es mich schmerzen, wenn Ihnen, wider meine Absicht, der geringste Verdruss dadurch veranlasst werden sollte, dass ich mich nicht genugsam in Ihre Umstände gesetzt hätte. Und in diesem Falle würde ich Gott bitten, dass er alle Ihnen unangenehmen Folgen meines Versehens von Ihnen abwenden möge. Da einmal diese Unterredung die erste Veranlassung meiner Zuschrift war, so fand ich es in dem Augenblicke, da ich sie schrieb, sehr natürlich, sehr unschuldig, derselben überhaupt zu gedenken.

[ocr errors]
[ocr errors]

Aber, dass ich bei Erwähnung Ihrer Hochachtung für den moralischen Charakter des Stifters meiner Religion die Bedingung verschwiegen habe, die Sie ausdrücklich hinzugethan? Das ist nein, mein Freund, Unredlichkeit ist es gewiss nicht, habe ich es merken lassen, dass diese Ihre Hochachtung unbedingt sei? Ich habe ja nicht einmal das Wort Hochachtung in meiner Zuschrift gebraucht. Ich redete nur von Achtung, nicht von religiöser, gar nicht! denn das wäre nicht wahr gewesen, sondern nur von philosophischer Achtung; mit Vorbedacht liefs ich dieses Wort sowohl als das Wort moralischen aus einander setzen. Gerade vorher gehen die Ausdrücke: Bei aller Ihrer Entferntheit von dem Christenthume. Konnte nun der billige* Leser nicht gleich merken, dass freilich Ihre Achtung nicht ohne Bedingung, dass sie gar sehr eingeschränkt, und nichts weniger als religiös sei? Deutlicher hätte ich mich ausdrücken können. Jetzt sehe ich, dass ich es wirklich hätte thun sollen: so sehr ich vielleicht auch zu besorgen gehabt hätte, dass Sie mich alsdann des Nichthaltens meines Versprechens erinnert haben würden.

Ich würde mich eines Misstrauens gegen das edel gesinnteste Herz schuldig machen, wenn ich glaubte, dass Sie nach einer solchen Erklärung diese Hinweglassung noch für vorsätzlich oder unmoralisch halten

*,,Die kleinste Wendung, die man meinen Worten giebt, lässt auf meine Gesinnung ein falsches Licht fallen, in welchem ich sie mit gutem Gewissen nicht kann erscheinen lassen." Dieses sagt Herr MOSES unbilligen Recensenten. Ich finde es sehr nöthig, dieses allen Lesern für ihn und für mich zu wiederholen.

« ForrigeFortsæt »