Billeder på siden
PDF
ePub

thun mögen. Sie werden 'immer unsicher und schwankend bleiben, und sehr oft die Unschuld selbst dem Stachel der Verfolgung und des blinden Religionseifers blofs stellen.

Kirchenzucht einführen, und die bürgerliche Glückseligkeit ungekränkt erhalten, scheint mir ein Problem zu sein, das in der Politik noch aufgelöst werden soll. Es ist der Bescheid des allerhöchsten Richters an den Ankläger: Er sei in deiner Hand, doch schone seines Lebens! Zerbrich das Fass, wie die Ausleger hinzuthun, und lass den Wein nicht auslaufen!

Ich will nicht untersuchen, in wie weit die Klagen begründet oder unbegründet sein mögen, die kürzlich über Missbräuche dieser Art, welche sich ein berühmter Rabbiner erlaubt haben soll, öffentlich geführt worden sind. Da der Bericht einseitig ist, so will ich gern glauben, dass mancher Umstand übertrieben, die Schuld des Angeklagten von der einen Seite verringert, so wie von der andern Seite die Härte des Verfahrens geflissentlich vergröfsert worden sei. Die Sache ist, wie verlautet, vor die Landesobrigkeit gebracht worden. Diese wird untersuchen und Gerechtigkeit widerfahren lassen. Sie mag indessen ausfallen wie sie wolle, so wünschte ich, dass der wahre Verlauf derselben, wie er aus den Acten erhellt, zur Beschämung des allzu raschen Richters oder seines öffentlichen Anklägers bekannt gemacht werde. Das Publicum hat die Anklage vernommen, es höre auch Vertheidigung und Urtheil! Dem sei aber wie ihm wolle, noch ist es mit der Bruderliebe unter den Menschen nicht dahin gekommen, dass wir bei Einführung einer Kirchenzucht so ganz über alle Furcht und Besorgnisse dieser Art hinweg sein könnten. Noch ist keine Geistlichkeit so aufgeklärt, dass ihr ein solches Recht, wenn es eins giebt, ohne Gefahr anvertraut werden könnte. Ja, je aufgeklärter sie ist, desto weniger wird sie sich selbst hierin trauen, und ein Racheschwert in die Hände nehmen, das nur der Wahnsinn sicher führen zu können glaubt. Zu den erleuchtetsten und frömmsten unter den Rabbinen und Aeltesten meiner Nation habe ich das Zutrauen, dass sie sich eines so schädlichen Vorrechts gern entäussern, auf alle Religions- und Synagogenzucht gern Verzicht thun1 und ihre

1 Diese dringende Aufforderung MENDELSSOHN's an ,,die Rabbinen und Aeltesten“, Toleranz in Glaubenssachen zu üben, hatte hier auch noch einen so zu sagen per

Mitbrüder von ihrer Seite dieselbe Liebe und Duldung geniessen lassen werden, nach welcher sie selbst bisher so sehr geseufzt haben. Ach, meine Brüder! ihr habt das drückende Joch der Intoleranz bisher allzu hart gefühlt, und vielleicht eine Art von Genugthuung darin zu finden geglaubt, wenn euch die Macht eingeräumt würde, euern Untergebenen ein gleich hartes Joch aufzudrücken. Die Rache sucht ihren Gegenstand, und wenn sie andern nichts anhaben kann, so nagt sie ihr eigenes Fleisch. Vielleicht auch liefset ihr euch durch das allgemeine Beispiel verführen. Alle Völker der Erde schienen bisher von dem Wahne bethört zu sein, dass sich Religion nur durch eiserne Macht erhalten, Lehren der Seligkeit nur durch unseliges Verfolgen ausbreiten, und wahre Begriffe von Gott, der, nach unser aller Geständniss, die Liebe ist, nur durch die Wirkung des Hasses mittheilen lassen. Ihr liefset euch vielleicht verleiten, ebendasselbe zu glauben, und die Macht zu verfolgen war das euch wichtigste Vorrecht, das eure Verfolger euch einräumen konnten. Dankt dem Gotte eurer Väter, dankt dem Gotte, der die Liebe und die Barmherzigkeit selbst ist, dass jener Wahn sich nach und nach zu verlieren scheint. Die Nationen dulden und ertragen sich einander, und lassen auch gegen euch Liebe und Verschonung blicken, die unter dem Beistande desjenigen, der die Herzen der Menschen lenkt, bis zur wahren

sönlichen Grund. Waren doch noch kurz vorher die ersten Lieferungen der MENDELSSOHN'Schen Bibelübersetzung von fanatischen Rabbinen (EZECHIEL LANDAU in Prag, RAPHAEL KOHEN in Hamburg und dessen Schwiegersohn HIRSCH JANOw in Fürth), welche die culturhistorische Tragweite einer deutschen Bibelübersetzung für die Juden geahnt haben mochten, mit dem Banne belegt worden. Und wenn es auch unter den damaligen Wortführern und gelehrten Autoritäten der Juden Männer gab, welche die stille reformatorische Thätigkeit des Berliner Philosophen gewähren liefsen (wie z. B. der milde Berliner Rabbi HIRSCHEL LEWIN der Pentateuch-Uebersetzung MENDELSSOHN'S seine amtliche Probation ertheilte), so wissen wir auch, dass, wenn MENDELSSOHN persönlich unbehelligt blieb, dieses nicht an der Nachsicht und dem guten Willen der Eiferer, sondern an ihrer thatsächlichen Ohnmacht gegenüber einem Manne lag, der damals auf der Höhe seines schriftstellerischen Ruhmes stand. Hatte doch MENDELSSOHN's Freund, der dänische Staatsrath VON HENNINGS, es schliesslich durchgesetzt, dass die Namen des Königs CHRISTIAN von Dänemark und des Kronprinzen unter der Zahl der Subscribenten auf die Pentateuch-Uebersetzung figurirten, und so bewirkt, dass der Bannstrahl des Hamburg-Altonaer Rabbinen KOHEN seine wesentlichste Wirksamkeit einbüfste. Vgl. GRÄTZ, Geschichte der Juden. Leipzig 1863-1874.

Bd. 11 S. 46 fg.

Bruderliebe anwachsen kann. O meine Brüder, folgt dem Beispiele der Liebe, so wie ihr bisher dem Beispiele des Hasses gefolgt seid! Ahmet die Tugend der Nationen nach, deren Untugend ihr bisher nachahmen zu müssen geglaubt. Wollt ihr gehegt, geduldet und von andern verschont sein, so hegt und duldet und verschont euch unter einander! Liebet, so werdet ihr geliebt werden!

Berlin, den 19. März 1782.

Moses Mendelssohn.

III.

AUS DER CORRESPONDENZ

MIT

LAVATER, BONNET UND DEM ERBPRINZEN VON

BRAUNSCHWEIG-WOLFENBÜTTEL.

« ForrigeFortsæt »