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II.

EINLEITUNG ZUR UEBERSETZUNG

DER SCHRIFT DES

RABBI MENASSE BEN ISRAEL

RETTUNG DER JUDEN.

(ORIGINAL GEDRUCKT 1656.) *

1Dank sei es der allgütigen Vorsehung, dass sie mich am Ende meiner Tage noch diesen glücklichen Zeitpunkt hat erleben lassen, in welchem die Rechte der Menschheit in ihrem wahren Umfange beherzigt zu werden anfangen. Wenn bisher von Duldung und Verträglichkeit unter den Menschen gesprochen ward, so war es immer die schwächere, bedrückte Partei, die sich unter dem Schutze der Vernunft und der Menschlichkeit zu retten suchte. Der herrschende Theil hatte entweder für beide keinen Sinn, oder stützte sich auf die leider allzu gemeine Erfahrung, dass der schwächere Theil, an allen Orten, wo er Macht und Gelegenheit dazu hat, es nicht besser machen würde, und gründete hierauf den Argwohn, dass man ihm nur das Heft aus den Händen zu winden suche, um die Spitze wider ihn selbst zu kehren. Man schien nicht zu überlegen, dass dieser Argwohn nothwendig Hass und Zwiespalt unter den Menschen verewigen müsse, und dass der Geist der Versöhnung sowohl, als die Liebe, vom stärkern Theile die ersten Schritte fordert. Dieser muss sich seiner Ueberlegenheit entäussern und anbieten, wenn der schwächere Theil Zutrauen gewinnen und erwiedern soll. Ist es Zweck der Vorsehung, dass der Bruder den Bruder lieben soll, so ist es offenbar die Pflicht des Stärkern, den ersten Antrag zu thun, die Arme auszustrecken, und, wie AUGUSTUS zu rufen: Lass uns Freunde sein!. Was aber auch über Toleranz bisher geschrieben und gestritten ward, ging blofs auf die drei im römischen Reiche begünstigten Religionsparteien, und höchstens auf einige Nebenzweige derselben. An Heiden, Juden, Mohamedaner und Anhänger der natürlichen Religion ward entweder gar nicht oder höchstens nur in der Absicht gedacht, um die Gründe für die Toleranz problematischer zu machen. Nach euern Grundsätzen, sprachen die Widersacher derselben, müssten wir auch Juden

1 Ueber die Veranlassung, der diese kleine Schrift ihre Abfassung verdankt, siehe die,,Einleitung" zu Jerusalem.

und Naturalisten nicht nur hegen und dulden, sondern auch an allen Rechten und Pflichten der Menschheit theil nehmen lassen; und mitleidig war es anzusehen, wie sich die Anhänger derselben winden und krümmen mussten, um dieser Schwierigkeit aus dem Wege zu gehen. Der Fragmentist war, so viel mir bekannt ist, in Deutschland der erste Schriftsteller, der die Rechte der Duldung auch für Naturalisten forderte. LESSING und Dонм1, jener als philosophischer Dichter*, und dieser als philosophischer Staatskundiger**, haben den grofsen Zweck der Vorsehung, die Bestimmung des Menschen und die Gerechtsame der Menschheit im Zusammenhange gedacht und ein bewundernswürdiger Monarch ist es, der nicht nur zu eben der Zeit dieselben Grundsätze in ihrem ganzen Umfange durchgedacht, sondern auch seinem weitumfassen

* Nathan der Weise.

** Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden.

1 CHRISTIAN CONRAD WILHELM VON DOHм, namhafter Publicist, Historiker und practischer Staatsmann, geboren zu Lemgo als Sohn eines protestantischen Predigers am 11. December 1751, widmete sich 1769 auf der Universität zu Leipzig historischen, juristischen und staatswirthschaftlichen Studien, arbeitete einige Zeit unter BASEDOW in Altona und gründete dann in Göttingen mit BOIE das Deutsche Museum, dessen Hauptmitarbeiter er auch später, nachdem er eine practische Staatscarrière eingeschlagen hatte, blieb. Von 1776-79 lehrte er am Carolinum zu Braunschweig als Professor der Finanzwissenschaft und Statistik, und 1779 wurde er von FRIEDRICH dem Grofsen als Geheimer Archivar und Kriegsrath in das Departement des Auswärtigen nach Berlin berufen. Als solcher fand er in der folgenden ereignissreichen Zeit nacheinander bald in diplomatischer Mission, bald als Kriegscommissar, bald als Verwaltungsbeamter Verwendung, und war in aflen diesen Functionen von König FRIEDRICH WILHELM II. und dessen Nachfolger hoch geschätzt. In Folge des Tilsiter Friedens finden wir ihn 1807 als Verwaltungsbeamten des neuen Königreichs Westphalen. Zuletzt vertrat er diesen Staat als Gesandter beim Sächsischen Hofe. Doch nahm er 1810 seine Entlassung, und zog sich auf sein Gut Pustleben bei Nordhausen zurück, wo er am 29. Mai 1820 starb. Von DоHм's historischen Schriften verdient seine Geschichte des bairischen Erbfolgestreites (Frankfurt 1779) Erwähnung. Höchst interessant sind seine Denkwürdigkeiten meiner Zeit (5 Bde. Lemgo 1814-19). DOнм war als Staatsmann wie als Publicist ebenso freisinnig wie vorurtheilsfrei. Dieses beweist er auch in seiner von MENDELSSOHN vielfach citirten Schrift: Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden (Berlin 1781), für deren bürgerliche und sociale Emancipation er entschlossen eintritt. Eine ausführliche Lebensskizze dieses verdienten Mannes hat GRONAU in Christian Wilhelm von Dohm nach seinem Wollen und Handeln (Lemgo 1824) geliefert.

den Wirkungskreise gemäss einen Plan entworfen hat, zu dessen Ausführung mehr als menschliche Kräfte zu gehören scheinen, und nunmehr zu Werke schreitet.

Von den Cabinetten der Grofsen, und von allem, was auf dieselben Einfluss hat, bin ich allzuweit entfernt, um an diesem grofsen Geschäfte auch nur im mindesten theil nehmen und mitwirken zu können. Ich lebe in einem Staate, in welchem einer der weisesten Regenten, die je Menschen beherrscht haben, Künste und Wissenschaften blühend, und vernünftige Freiheit zu denken so allgemein gemacht hat, dass sich ihre Wirkung bis auf den geringsten Einwohner seiner Staaten erstreckt. Unter seinem glorreichen Scepter habe ich Gelegenheit und Veranlassung gefunden, mich zu bilden, über meine und meiner Mitbrüder Bestimmung nachzudenken, und über Menschen, Schicksal und Vorsehung nach Massgabe meiner Kräfte Betrachtungen anzustellen. Aber von allen Grofsen und ihrem Umgange bin ich stets entfernt gewesen. Ich habe jederzeit im Verborgenen gelebt, niemals Antrieb oder Beruf gehabt, mich in die Händel der wirksamen Welt einzumischen, und mein ganzer Umgang hat sich von jeher blofs auf den Zirkel einiger Freunde eingeschränkt, die mit mir ähnliche Wege gegangen sind. In dieser dunkeln Ferne stehe ich noch da und erwarte mit kindlicher Sehnsucht, was die allweise und allgütige Vorsehung aus diesem allen will werden lassen.

Unterdessen mache ich mir das Vergnügen, mit Herrn Dонм über die Gründe nachzudenken, die der Menschenfreund hat, die bürgerliche Aufnahme meiner Mitbrüder zu begünstigen, über die mancherlei Schwierigkeiten, die sich dabei finden, und vielleicht zum Theil von seiten der zu bildenden Nation selbst in den Weg gelegt werden dürften, und diese mit den Vortheilen zu vergleichen, die dem Staate zuwachsen werden, dem es zuerst gelingen wird, diese eingeborenen Colonisten zu seinen Bürgern zu machen, und eine Menge von Händen und Köpfen, die zu seinem Dienste geboren sind, auch zu seinem Dienste anzustrengen. Als philosophischpolitischer Schriftsteller, dünkt mich, hat Herr Dонм die Materie fast erschöpft und nur eine sehr geringe Nachlese zurückgelassen. Seine Absicht ist, weder für das Judenthum, noch für die Juden eine Apologie zu schreiben; er führt blofs die Sache der Menschheit und vertheidigt ihre Rechte. Ein Glück für uns, wenn diese Sache auch zugleich die unserige wird, wenn man auf die Rechte der Mensch

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