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Als eine Folge von dieser Unrichtigkeit bürden sie S. 474 unserm Verfasser die Meinung auf, dass das Vergnügen durch eine Erschlaffung der Fibern, das delight aber auf eine entgegengesetzte Art wirke, und führen in der Note, diesen Satz zu widerlegen, Beispiele an, da das delight eine Erschlaffung zuwege bringt. Dieses ist ein Streich in die Luft. Unser Verfasser eignet zwar dem Erhabenen eine Spannung der Fibern zu, aber nicht einem jeden delight. Das delight ist an und für sich selbst keine Quelle des Erhabenen.

Als ein Beispiel aber von einer grofsen Uebereilung sehen wir es an, wenn die Herren Recensenten S. 475 in der Note sagen: „Unser Verfasser giebt den Schrecken für die einzige Quelle des Erhabenen an, und schliefst Liebe, Bewunderung u. s. w. davon aus. Allein die allgemeine Empfindung aller Menschen widerspricht dieser Trennung des Erhabenen von der Seite dieser Gemüthsbewegungen. Es ist gewiss, wir können die erhabensten Begriffe von Gott haben, ohne ihn uns als einen Gott des Schreckens vorzustellen", u. s. w. Man muss mit dem Systeme unsers Verfassers ziemlich unbekannt sein, wenn man glaubt, er halte die Bewunderung für eine Quelle des Erhabenen. Wie oft und wie sorgfältig sucht er uns nicht vielmehr einzuschärfen, dass die Bewunderung, das Erstaunen, eine Art von Schaudern hervorbringe, die der Wirkung des Schreckens ähnlich sind, und daher eine fruchtbare Quelle des Erhabenen sein können! Was beweist nun die Instanz von Gott?

Unsererseits haben wir für diesesmal nur einen getreuen Auszug aus dieser philosophischen Schrift liefern, und unser Urtheil darüber noch zurückhalten wollen. Wir werden aber Gelegenheit haben, unsern Lesern auch dieses bekannt zu machen, wenn die oben erwähnte deutsche Uebersetzung mit Anmerkungen und Zusätzen erschienen sein wird.

V.

AUSGEWÄHLTE KLEINERE AUFSÄTZE

PHILOSOPHISCHEN UND ÄSTHETISCHEN

INHALTS.

Die Bildsäule.1

Ein psychologisch- allegorisches Traumgesicht.

„Ich habe sie gesehen“, erzählte gestern in unserer Versammlung ein junger speculativer Kopf, der noch sein System nicht gewählt hat; ,,ich habe die Bildsäule à la BONNET oder à la CONDILLAC gesehen, welche sich unser Freund ENGEL aus Frankreich kommen liefs, um seinen philosophischen Satz zu beweisen. Ich habe sie genau beobachtet, bin auf alle ihre Bewegungen und Reden, Blicke und Geberden aufmerksam gewesen Denn es war nicht sowohl eine blofse Bildsäule, als ein selbstbewegendes sinnreiches Kunststück, ein Automat nach VAUCANSON'scher Art, das alle menschlichen Verrichtungen nachzuahmen eingerichtet, und noch mehrerer Veränderungen fähig war. Ich habe ihr ganzes Spiel wahrgenommen; aber freilich auch nur im Traume, oder vielmehr, mein Traumgenius hat das metaphysisch-allegorische Gesicht nur fortgesetzt, auf das ihn jener scharfsinnige Weltweise geführt hatte.

1 Dieser kleine Aufsatz ist wesentlich als eine launige Satire gegen die mechanisch-sensualistische Psychologie CONDILLAC's und BONNET's zu betrachten. Insbesondere wird auf die Methode hingezielt, die ersterer in seinem Traité des sensations (2 Bde. London 1754; deutsch von JOHNSON. Leipzig 1870), letzterer in seinem Essai analytique sur les facultés de l'âme (2 Bde. Kopenhagen 1769) befolgt, indem sie an einer vorgestellten Bildsäule die fortschreitende Entwickelung der Sinnesthätigkeit und der Geistesfähigkeiten des Menschen zu beobachten unternehmen.

2 JACQUES DE VAUCANSON (geboren zu Grenoble am 24. Februar 1709, gestorben zu Paris am 21. Nov. 1782) hat sich durch die von ihm erfundenen mechanischen Automaten berühmt gemacht Die bekanntesten unter ihnen sind die aus Messing gearbeitete schnatternde Ente, welche die Flügel bewegte, vorgestreutes Futter verschlang und dergl., und sein sogenannter Flötenspieler, eine Figur in Mannshöhe, welche auf einem ein Triebwerk und Blasebälge enthaltenden Piedestal sitzend die Lippen und die Finger an der Flöte bewegte und so Töne hervorbrachte. Eine Erläuterung dieses Automaten gab VAUCANSON in seiner Schrift: Le mécanisme du flûteur automate. Paris 1738.

Der Sohn des Schlafs und der Dichtung war so gütig, mich in einen Saal zu führen, der mit vielen Automaten dieser Art geziert war. Eines derselben liefs er hervortreten, im Saale auf und nieder spazieren, und endlich auf eine nicht unangenehme Weise singen und tanzen. Der Gesang fiel lieblich in's Ohr, obgleich die Worte nicht von METASTASIO, und die Töne nicht vom Ritter GLUCK gesetzt zu sein schienen. Auch der Tanz war nicht von NOVERRE1 erfunden, aber schien mir desto natürlicher und einfacher zu sein. Als ich mich genug an dem Schauspiele ergötzt hatte, rief ich: „Gütiger Genius! ich danke dir für dieses angenehme Spiel; aber nun zeige mir auch das innere Triebwerk, durch welches diese dädalische Bildsäule im Stande ist, die Sinne so angenehm zu unterhalten. Ich möchte nicht gern bloss ergötzt sein, sondern auch durch deine Güte vernünftiger werden.“ „Vernünftiger?" sprach der Götterknabe, die spröde Dame Vernunft ist selten meine Freundin. Sie ist von jeher meinem Vater nicht so sonderlich gewogen gewesen, und meine Mutter, deren Erzieherin sie gewesen sein will, hat mir gerathen, der Matrone äufserlich alle Achtung zu bezeigen, aber mich übrigens an ihre Launen und strenge Kritiken nicht zu kehren. Indessen sei dir ein Theil deines Wunsches gewährt."

Er berührte das Bild mit dem Mohnbüschel, den er von seiner Mutter zum Geschenke erhalten, und plötzlich verwandelte sich das Automat in ein Chor von Jünglingen und Mädchen, welche nach dem Winke eines Chormeisters, Mens oder Menschengeist genannt, der auf erhabenem Throne in der Mitte safs, durch einander tanzten und sangen. Jedes derselben schien seine eigene Stellung, Geberde und Wendung, wie nicht weniger seine eigene Art von Modulation der Stimme unverändert zu behalten. Indessen vermischte sich dieses alles in eine so angenehme Harmonie, dass ich eine Zeit lang meinen Vorsatz, vernünftiger zu werden,

1 JEAN GEORGES NOVERRE, geboren zu Paris am 29. März 1727, gestorben zu St.-Germain-en-Layn am 19. Nov. 1810, gilt als der Schöpfer der neuern Tanzkunst. Er hielt sich abwechselnd an verschiedenen Höfen, u. a. auch in Berlin, als Tanzmeister auf und war zuletzt Balletmeister an der Academie royale de musique zu Paris. Berühmt sind seine Lettres sur la danse et sur les ballets. 2 Bände. Lyon 1760, deutsch Leipzig 1769, und seine Lettres sur les arts imitateurs. 2. Aufl. Lyon 1807. Eine Sammlung seiner sämmtlichen die Choreographie betreffenden Schriften erschien 1803 in 4 Bänden zu Petersburg. Als seine Schüler gelten die Tanzkünstler GARDET, GOLLET und vor allen VESTRIS.

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