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sich seine Lippen zum Lachen regen, ergiefst sich ein Schauer durch sein Herz, und löst dieses Lachen in ein verwunderungsvolles Nachdenken auf. Das Naive in den Gesichtszügen hat eine ähnliche Wirkung, nur dass hier das Lachen sich durch weit schwächere Spuren zeigen wird, weil der Contrast hier so merklich nicht ist. Der Unempfindsame sieht es mit gleichgiltigen Augen an, weil ihm die Mienen und Gesichtszüge unbedeutend zu sein scheinen, und bei dem Scharfsichtigen zeigt sich die Wirkung des Contrastes nicht weiter, als in einer sanften Oeffnung der Lippen und fast unmerklichen Verlängerung des Mundes, die mehr Wohlgefallen ist, als Lächeln.

Ist aber das Innere des Naiven ein Uebel ohne Gefahr, eine Schwachheit, ein Fehler, eine Thorheit, die weiter kein merkliches Unglück zur Folge haben, so ist das Naive blofs lächerlich, und in diesem Falle kommt es darauf an, ob derjenige, der das Naive vorbringt, die Absicht hat mehr zu verstehen zu geben, als er sagt, oder ob wir wider seine Absicht mehr errathen. In dem ersten Falle macht er uns lachen, in dem zweiten wird er selbst lächerlich. Beispiele hiervon sind im vorhergehenden häufig genug angeführt worden, und die Anwendung ist so leicht, dass wir sie billig dem Leser überlassen.

Wenn aber das Innere des Naiven eine wirkliche Gefahr ist, ein Unglück, das eine Person betrifft, an deren Schicksal wir Antheil nehmen, so ist das Naive tragisch; und zwar wenn die Gefahr, als eine Folge der Naivetät zu fürchten ist, so ist die Wirkung schrecklich und schlägt alle Empfindung des Lächerlichen nieder. Ein Beispiel hiervon ist die oben angeführte Stelle aus dem Trauerspiele Romeo und Julie, wie nicht weniger das allzu offenherzige Geständniss der MONIME im Mithridat des RACINE, da diese Prinzessin sich von dem schlauen MITHRIDAT treuherzig machen lässt, und ihm ihr Liebesverständniss gesteht, während der Erzählung aber mit Schrecken wahrnimmt, dass sich MITHRIDAT entfärbt, und vor Wuth bleich zu werden anfängt.

Ist aber das zu befürchtende Uebel keine Folge der Naivetät, sondern mit derselben auf eine andere Weise, als Zeichen mit dem Bezeichneten verbunden, so kann das Lächeln, das aus dem bemerkten Contraste entspringt, neben den traurigsten Empfindungen bestehen. ANDROMACHE lächelt über die einfältigste Furcht des kleinen ASTYANAX, und heifse Zähren rollen gleichwohl von ihren Wangen herunter. Das ganze Parterre

lacht über die Unschuld der kleinen ARABELLA, ohne dass dadurch die tragische Empfindung verringert wird. Ja unser Mitleiden mit diesen Kindern wird desto lebhafter, je mehr sie durch ihre naiven Handlungen zu erkennen geben, dass sie das Unglück nicht fühlen, welches sie doch am meisten betrifft. Man sieht hieraus, wie ungegründet die Meinung einiger Kunstrichter sei, die alle Empfindungen, die einen Anstrich vom Lächerlichen haben, von der tragischen Schaubühne verbannen wollen. Diese Materie verdiente eine weitere Ausführung, allein sie gehört hier zu dem Endzwecke nicht, den ich mir vorgesetzt habe.

Der Ursprung unserer Ideen vom Erhabenen und Schönen.1

Die Theorie der menschlichen Empfindungen und Leidenschaften hat in den neuern Zeiten, da es mit den übrigen Theilen der Weltweisheit nicht mehr so recht fort will, die meisten Progressen gemacht. Unsere Nachbarn, und besonders die Engländer, gehen uns mit philosophischen Beobachtungen der Natur vor; wir folgen ihnen mit unsern Vernunftschlüssen auf dem Fufse nach, und wenn es so fort geht, dass unsere Nachbarn beobachten und wir erklären, so können wir hoffen, mit der Zeit eine vollständige Theorie der Empfindungen zu bekommen, deren Nutzen in den schönen Wissenschaften gewiss nicht gering sein wird. Nur muss sich der Weltweise von den am allerseltsamsten scheinenden Beobachtungen nicht abschrecken lassen, und nicht an der Möglichkeit verzweifeln, sie aus psychologischen Gründen zu erklären. Gegenwärtige Schrift enthält so viel neue und seltsame Bemerkungen, dass sie einen unvorsichtigen Weltweisen in Versuchung führen können, an ihrer Wahrheit zu zweifeln oder sein System fahren zu lassen. Der ungenannte Herr Verfasser sucht auch alle bekannten Systeme niederzureissen.

1 Wir fügen aus der Bibliothek der schönen Wissenschaften (1758) MENDELSSOHN'S kritische Besprechung der berühmten Schrift BURKE's: A philosophical Enquiry into the Origin of our Ideas of the Sublime and Beautiful. London 1757, von der er gleich LESSING in seinen ästhetischen Anschauungen so sehr gefördert wurde, der vorhergehenden Abhandlung als Anhang hinzu.

MENDELSSOHN's Schriften. II.

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Allein seine Philosophie scheint uns an vielen Orten nicht gründlich genug, und er die Systeme nicht recht untersucht zu haben, die er zu widerlegen glaubt. Es wäre zu wünschen, dass die Engländer so fleifsig unsere Philosophie studirten, als wir ihre Beobachtungen zu Rathe ziehen. Von denjenigen, welche unser Verfasser gemacht hat, glauben wir, so hartnäckig sie auch anfangs scheinen mögen, dass sie, von der rechten Seite angegriffen, sich willig in das Joch des Systems bequemen dürften. Unsere Absicht verstattet indessen nicht, diese Arbeit auf uns zu nehmen. Wir überlassen sie vielmehr mit Vergnügen einer andern Feder, welche diese schöne Schrift, wie in dem Messcataloge angezeigt worden, bald in einer deutschen Uebersetzung, mit Anmerkungen und Zusätzen vermehrt, liefern wird. Wir begnügen uns also mit einer kurzen Anzeige der merkwürdigen Dinge, die in dieser Schrift enthalten sind, ohne uns in irgend eine Untersuchung einzulassen.

Das erste Buch handelt von dem wesentlichen Unterschiede zwischen dem Erhabenen und Schönen. Die Neugierde, sagt unser Verfasser, mischt sich bald mehr, bald weniger in alle Leidenschaften des Menschen. Ohne einen gewissen Grad der Neuheit kann kein Gegenstand weder Wohlgefallen noch ein sonderliches Missfallen in uns erregen. Da aber die Neugierde zwar ein heftiger, aber doch ein leicht vorübergehender Trieb ist, so muss die Lust und Unlust hinzukommen, um unsere Neigungen dauerhafter, und die Gegenstände bald angenehm, bald unangenehm zu machen. Lust und Unlust aber hält er für einfache Begriffe, die sich nicht weiter erklären lassen.

Er widerlegt die Weltweisen, welche geglaubt haben, die Befreiung von einer Unlust sei als eine positive Lust, und die Beraubung einer Lust als eine positive Unlust zu betrachten, und beruft sich auf die Erfahrung, ob eine positive Lust sich nicht durch ganz andere Kennzeichen zu erkennen gebe, als diejenige, welche aus der Befreiung von einer Unlust entspringt. Wenn wir, heifst es, einem grofsen Unglücke entkommen sind, so zeigt sich in unsern Mienen nichts weniger als die Trunkenheit der Freude, sondern ein Erschüttern, eine Art von Schauer überfällt uns, die zwar angenehm ist, aber doch etwas von der Bitterkeit der Gefahr mit sich führt, der wir entronnen sind. Er nennt das positive Vergnügen pleasure, dasjenige hingegen, welches aus der Befreiung von einer Unlust entsteht, belegt er zum Unterschiede mit dem Namen delight, ge

steht aber, dass der Gebrauch diesem letztern Worte nicht eigentlich diese Bedeutung bestimmt habe, und solches nur von ihm zu gröfserer Bequemlichkeit angenommen worden sei.*

Gleichergestalt ist die Empfindung einer positiven Unlust von derjenigen, die aus der Beraubung eines angenehmen Gegenstandes entspringt, sehr weit unterschieden. Unter die Traurigkeit über die Abwesenheit eines Vergnügens mischt sich jederzeit eine Art von Vergnügen, welches aus dem Andenken des angenehmen Gegenstandes entspringt. Dieses Vergnügen gewinnt öfters die Oberhand in dem Affecte, und macht, dass uns unsere Schwermuth, unsere Traurigkeit selbst angenehmer ist, als andere wirklich belustigende Vorstellungen. Niemals aber wird sich ein Mensch eine Zeit lang von einer positiven Unlust quälen lassen, wenn er sich davon befreien kann. Der Engländer unterscheidet diese beiden Gattungen von Unlust durch pain und grief, der Deutsche würde sie durch Missvergnügen und Traurigkeit geben.

Ferner werden die Leidenschaften überhaupt in solche, die auf die Selbsterhaltung, und in solche, welche auf das gesellschaftliche Leben abzielen, eingetheilt. Jene sind am heftigsten, wenn sie Schmerz, Gefahr und Tod zum Grunde haben, und der Verfasser nennt einen Gegenstand erhaben, wenn er den Begriff von Schmerz und Gefahr, oder überhaupt entweder Schrecken, oder eine Bewegung, die mit dem Schrecken ähnliche Wirkungen hat, erregen kann, das heifst, wie er es erklärt, wenn er geschickt ist, die heftigste Bewegung hervorzubringen, deren unser Gemüth fähig ist. Wenn diese Vorstellungen uns allzu nahe sind, so sind sie unangenehm, in einer gewissen Entfernung aber können sie angenehm werden. Die Ursache hiervon werden wir in der Folge hören.

Die Leidenschaften hingegen, welche auf das gesellschaftliche Leben abzielen, beziehen sich entweder auf das andere Geschlecht, und haben die Fortpflanzung zum Endzwecke, oder sie beziehen sich überhaupt auf alle Menschen und Thiere, und sogar auf leblose Dinge, mit welchen

* Ein Deutscher würde dieser Neuerung überhoben sein können, denn unsere Sprache hat ein Wort, welches diese Empfindung ausdrückt. Wir sagen: ich bin froh, dass es einmal vorüber ist, u. dgl., wodurch wir das Vergnügen ausdrücken, welches aus der Befreiung von einer Unlust entspringt. (Siehe WOLF's Psychologia empirica. § 855. BAUMGARTEN's Metaphysica. Ed. IV. § 682.) Das Hauptwort müsste das Frohsein, aber nicht, wie WOLF meint, die Fröhlichkeit heifsen.

wir in einer Art von Gesellschaft leben. Diese gewähren mehrentheils ein sehr lebhaftes, entzückendes und heftiges Vergnügen. Der Mangel derselben aber erregt selten Missvergnügen, und lässt uns oft in einer Art von Gleichgiltigkeit. Ja in den Fällen selbst, in welchen der Verlust eines Vergnügens Missvergnügen erregt, ist dieses Missvergnügen immer noch von dem wahren Schmerze unterschieden. Ein von Schmerz geplagter Mensch beklagt sich nicht so sehr über den Verlust der Gesundheit, als über das gegenwärtige unangenehme Gefühl. Ein Verliebter hingegen, der von dem Gegenstande seiner Liebe verlassen worden, beklagt sich mehr über den Verlust der angenehmen Empfindungen, die er entweder genossen oder zu geniefsen hoffte, als über einen gegenwärtigen Schmerz.

Bei derjenigen Leidenschaft, welche auf die Fortpflanzung des Geschlechts abzielt, bemerkt der Verfasser einen Unterschied zwischen Menschen und Thieren. Die Thiere, welche dem Zurufe der Natur getreu folgen, werden blofs von einem dunkeln Triebe zu dem weiblichen Geschlechte gereizt. Es mischt sich in diese Empfindung kein Begriff von Schönheit. Denn wenn sie gleich den Weibchen ihres Geschlechts einen Vorzug geben, so glaubt der Verfasser doch nicht, dass dieser Vorzug, wie ADDISON meint, einem Begriffe von Schönheit, sondern einer andern, ihm unbekannten Ursache zuzuschreiben sei, weil man nicht bemerkt, dass sie unter den Weibchen ihres Geschlechts irgend eine Wahl treffen. Bei dem Menschen hingegen mischt sich die Idee von vorzüglicher Schönheit unter die natürliche Empfindung, welche auf die Fortpflanzung seines Geschlechts abzielt.

Die Schönheit nennt der Herr Verfasser eine gesellschaftliche Leidenschaft", weil wir uns sehnen, einen jeden Gegenstand, an welchem wir eine Schönheit wahrnehmen, näher um uns zu haben, und mit ihm gleichsam in Gesellschaft zu leben.

Die zweite Abtheilung der gesellschaftlichen Leidenschaften war das gesellschaftliche Leben mit Menschen und Thieren überhaupt. Der Verfasser bemerkt, dass der allgemeine gesellschaftliche Umgang kein merkliches Vergnügen, wohl aber die Einsamkeit ein grofses Missvergnügen erregen kann. Hingegen kann der Umgang mit gewissen einzelnen Personen uns ein wahres Vergnügen gewähren, und dieses Vergnügen ist weit gröfser, als das Missvergnügen über dessen Verlust.

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