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man wird schwerlich ein Mittel finden, verschiedene Figuren in der Folge auf einander nach den Gesetzen der Schönheit zu verbinden.

Meine Materie ist noch ungemein fruchtbar; allein ich bin in die Geheimnisse der Künste nicht eingeweiht genug, mich ohne Gefahr tiefer in ihr Heiligthum zu wagen. Ich breche also ab und erwarte, mit meinen Lesern zugleich, den Unterricht eines Weltweisen, der mit den Künsten vertraut genug ist, ihre Geheimnisse mit philosophischen Augen zu betrachten und der Welt, wie er längst versprochen, bekannt zu machen. 1

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1 Diese Schlussbemerkung ist für MENDELSSOHN's Bescheidenheit charakteristisch; der Hinweis bezieht sich auf LESSING, und zwar auf seine erwartete ästhetische Hauptschrift: Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie. Berlin 1703.

1766.

IV.

UEBER DAS ERHABENE UND NAIVE

IN DEN

SCHOENEN WISSENSCHAFTEN.

Wenn man LONGIN'S Abhandlung vom Erhabenen1 durchliest, so kann man nicht anders als bedauern, dass CÄCIL's Schrift von eben der Materie verloren gegangen ist. LONGIN sagt zwar von ihm, „er habe sich blofs bemüht, uns durch unendlich viel Exempel von dem Erhabenen einen Begriff zu machen, als wenn es kein Mensch kennte; das Nothwendigste hingegen, nämlich die Mittel, wodurch wir unsern Geist zur wahren Hoheit gewöhnen können, wären von ihm gänzlich weggelassen worden." Allein da LONGIN sich nur mit dem letztern beschäftigt, das erstere hingegen entweder als etwas, das nach seiner Meinung jedermann kennen soll, oder das wenigstens seinem TERENTIAN2 aus dem CÄCIL bekannt gewesen, voraussetzt, so mangelt uns ein sehr nothwendiger Theil zur Kenntniss des Erhabenen, nämlich die deutliche Erklärung desselben, und einige Uebersetzer und Ausleger des LONGIN, die diesen Mangel haben ersetzen wollen, scheinen nicht sehr glücklich darin gewesen zu sein.

Vielleicht lässt sich nach den Grundsätzen, die in den vorigen Aufsätzen von der Natur der Empfindungen und von den Quellen der schönen Wissenschaften überhaupt festgesetzt worden, auch der Begriff' vom Erhabenen, welches, wie LONGIN sagt, in den Schriften die höchste Vollkommenheit ausmacht, etwas deutlicher auseinandersetzen.

Wir haben gesehen, dass das eigentliche Schöne seine bestimmten Grenzen hat, die es nicht überschreiten darf. Wenn der Umfang des Gegenstandes nicht auf einmal in die Sinne fallen kann, so hört er auf, sinnlich schön zu sein, und wird ungeheuer, oder übermäfsig grofs in der Ausdehnung. Die Empfindung, die alsdann erregt wird, ist zwar

1 IIɛgì vyovs. Gute Ausgaben der Schrift sind die von TOUP mit Anmerkungen von RUHNKEN, Oxford 1778, von WEISKE, Leipzig 1809, und SPANGEL in Rhetores Graeci. Bd. I. Leipzig 1853. In's Französische wurde sie von BOILEAU, Paris 1674, in's Deutsche u. a. von SCHLOSSER, Leipzig 1781, übersetzt.

2 TERENTIANUS MAURUS, latein. Grammatiker, lebte wahrscheinlich im 1. Jahrh. n. Chr. Er verfasste unter dem Titel: De literis, syllabis, pedibus et metris, eine Metrik in Versen, die bei den spätlateinischen Dichtern sehr beliebt war. Neuerdings wurde sie von LACHMANN, Berlin 1836, und von KEIL in den Grammatici Latini herausgegeben.

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von vermischter Natur, sie hat aber für wohlerzogene Gemüther, die an Ordnung und Symmetrie gewöhnt sind, etwas widriges, indem die Sinne endlich die Grenzen wahrnehmen, aber nicht ohne Beschwerlichkeit umfassen und in eine Idee verbinden können. Wenn die Grenzen dieser Ausdehnung immer weiter hinausgesetzt werden, so können sie endlich für die Sinne ganz verschwinden, und alsdann entsteht das Sinnlichunermessliche. Die Sinne, die etwas zusammengehörendes wahrnehmen, schweifen umher, die Grenzen desselben zu umfassen, und verlieren sich in's unermessliche. Daraus entsteht, wie in der ersten Abhandlung (Bd. II. S. 114) gezeigt worden, anfangs ein Schauern, das uns überläuft, und sodann etwas dem Schwindel ähnliches, das uns oft nöthigt, die Augen von dem Gegenstande abzuwenden. Das grofse Weltmeer, eine weit ausgedehnte Ebene, das unzählbare Heer der Sterne, jede Höhe oder Tiefe, die unabschlich ist, die Ewigkeit und andere solche Gegenstände der Natur, die den Sinnen unermesslich scheinen, erregen diese Art von Empfindung, die, wie ebendaselbst ausgeführt worden, in vielen Fällen überaus reizend ist, in manchen aber auch beschwerlich werden kann.

Die Kunst bedient sich gleichfalls dieser Empfindungen, ihrer Annehmlichkeit wegen, und sucht sie durch die Nachahmung hervorzubringen. Die Nachahmung des Sinnlichunermesslichen in der Kunst wird schlechtweg das Grofse genannt. Man versteht aber darunter keine eingeschränkte Gröfse, sondern eine, die grenzenlos scheint und ein angenehmes Schauern zu erwecken im Stande ist. Man hat in der Kunst ein besonderes Mittel, diese Empfindung zu erregen, wo das eigentlich Unermessliche nicht anzubringen ist. Man wiederholt, nach gleichen Zwischenständen des Raums oder der Zeit, einen einzigen Eindruck unverändert, einförmig, und sehr oft. Die Sinne nehmen alsdann keinen symmetrischen Gang, keine Regel der Ordnung wahr, nach welcher sie etwa das Ende dieser Wiederholung vermuthen könnten, und sie gerathen dadurch in eine Unruhe, die dem Schauer des Unermesslichen nahe kommt. Ein Beispiel in der Baukunst ist ein gerader Säulengang, wenn die Säulen sich einander ähnlich sind und in gleichen Zwischenräumen von einander abstehen. Ein solcher Säulengang hat etwas grofses, das alsobald verschwindet, wenn die Einförmigkeit der Wiederholung unterbrochen und an gewissen Stellen etwas hervorstechendes angebracht wird. Die monotone Wiederholung eines einzigen Lautes, nach gleichen Zwischen

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