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AUS VERGILS FRÜHZEIT

GALLVS ET HESPERIIS ET GALLVS NOTVS EOIS

Mit dunkeln Rätselaugen schauen Vergils Eklogen uns an, und wer einmal recht tief hineingeblickt hat, den lassen sie nicht wieder los. Ich will erzählen, wohin mich der Rätselblick zweier unter ihnen gelockt hat, und wenn es dem Leser wohl manchmal scheinen mag, als ob ich schwindelnd unsichere Pfade gewandelt sei, so möge er mich doch bis zu Ende hören. Auch schwache, schwankende Hölzchen geben, gegeneinander gelehnt, wohl einen Bau, der selbst einem starken Druck oder Stofs Stand hält; von meinen Deutungen mag diese oder jene für sich genommen unsicher scheinen, um so mehr als nicht wenige überraschen werden, aber Argumente so drückend, dass das ganze Gefüge unter ihnen zusammenbräche, sind, wie ich glauben darf, nicht vorhanden. So erbitte ich denn vom Leser nicht Nachsicht, wohl aber etwas Geduld, dies noch um so mehr, als ich nicht weniges wiederholen muss, was schon von andern gesagt, freilich aber auf Zweifel gestossen ist.

Skutsch, Aus Vergils Frühzeit.

I

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Am Ende des Eklogenbuchs steht das letzte bukolische Gedicht, das Vergil geschrieben, der extremus labor, den er von Arethusa erbeten hat. Den Mittelpunkt des Gedichtes bildet C. Cornelius Gallus, mit dem Vergil von der Schulzeit her bekannt, dem er seit zwei Jahren tief verpflichtet war für seine Vermittelung bei Octavian: Gallus hatte mit anderen zusammen nicht nur ausgewirkt, dass Vergil sein bedrohtes Landgut behielt, sondern dadurch auch die nähere Bekanntschaft des Dichters mit Octavian herbeigeführt1).

Gallus hatte also schon damals von der aufsteigenden Bahn, die ihn ex infima fortuna2) bis zur Präfektur Ägyptens führte, ein gut Stück zurückgelegt. Aber der Ruf des Dreissigjährigen war nicht blofs der eines verwendbaren Beamten und einfluss

1) Probus schol. p. 6 Keil; Verg. ecl. I 42 ff.

2) Sueton Aug. 66.

reichen Höflings. Auch die Dichtungen, denen er im Altertum wie heute seine litterargeschichtliche Stellung eigentlich allein verdankt, müssen, als Vergil die zehnte Ekloge schrieb, wenigstens zum Teil schon vorgelegen haben: Elegien, in denen Gallus nach dem Muster des Euphorion seine geliebte Lycoris feierte1), waren im Jahr 39 bereits veröffentlicht. Denn es mag zwar unsicher scheinen, wenn Haupt mit den Worten cantores Euphorionis Cicero schon im Jahr 44 gerade über Gallus spotten lässt2). Aber gewils ist, dafs die zehnte Ekloge jene Dichtungen des Gallus zur Voraussetzung hat: Gallus spricht hier selbst von Poesieen im chalcidischen Vers (V. 50), und alles, was Vergil von Lycoris zu sagen weiss (V. 22 f. 46 ff.), ist nicht eine direkte Wiedergabe von Thatsachen, sondern ein Wiederschein von Gedichten des Gallus. Das hat nicht nur schon J. H. Voss, dessen Kommentar zu den Eklogen alle andern an Tiefe der Auffassung weit übertrifft, durch den Vergleich mit ähnlichen Elegieenmotiven angedeutet, sondern auch Servius zu V. 46 ausdrücklich bezeugt.

Ist das alles, was die zehnte Ekloge über die Dichtung des Gallus lehrt? Oder macht nicht vielleicht gerade der letzterwähnte Umstand die Hoffnung rege, dass auch sonst Vergil sich hier in noch erkennbarer Weise an Gallus angelehnt haben möge? Wer diesem Hoffnungsschimmer nachgehen will, muss zweierlei untersuchen: die Anlage des ganzen Gedichts und seine einzelnen Motive.

1) Euphorion als Vorbild der Elegieen des Gallus: vergl. Diomedes GLK I 484, 22 und vor allem Vergil selbst ecl. X 50 f. (s. u.); ähnlich, aber nicht ganz so bestimmt Probus zu ecl. X 50, Servius zu X 1.

2) Tusc. III 45; Haupt opusc. III 206.

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