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No 25.

für die

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Literatur des Auslandes.

Frankreich.

Berlin, Sonnabend den 27. Februar.

Béranger's, von Lamartine vertretene, politische Theorie.*)

In seinem,,Cours de Littérature" in der zweiundzwanzigsten Unterhaltung feiert Lamartine mit gutem Recht den Volksdichter, seinen Freund, den er aber bei diesem Anlaß besonders als einen Mann hochpreift, dem der Sinn für ein kräftiges Regiment angeboren war. Die Republik", hätte Béranger öfters gegen ihn geäußert, ,,die Manchen eine Zersplitterung der Volkskräfte dünft, muß, meiner Meinung nach, die mächtigste Concentration derselben sein. Wenn das Recht Aller dargestellt, wenn der Wille Aller ausgesprochen ist, dann muß dieser Wille unwiderstehlich sein."

Allerdings, würde der kleinste Schüler antiker Weisheit antworten, vorausgeseßt, daß dieser Wille gerecht ist. Wenn ihr aber nur die Gewalt der Zahl, das Gewicht der Menge betont, so ift eure Behauptung gerade die Negation des Rechts an sich; ihr stellt dann nicht eine absolute, vorausgehende, herrschende Gerechtigkeit an die Spiße, der sich selbst das Geseß aupassen muß; ihr verlegt oder verkennt die Prinzipien und macht euer Wort zur Lüge, denn ihr nennt den Willen Aller, was nur der Wille der Mehrheit ist, und hat diese Mehrheit selbst das Recht, eine Ungerechtigkeit zu heischen?

Dem sei nun, wie ihm wolle. Béranger verlangte für die Republik von 1848 eine Regierung, die ihre Gewalt konzentrirter, diktatorischer handhabe, als eine parlamentarische Regierung, und er gab Lamartine den Rath, bei sich bietender Gelegenheit mindestens eine zehnjährige, wo nicht die lebenswierige, Diktatur in die Hand zu nehmen, mit der Berechtigung, seinen Nachfolger zu ernennen Alles, um der Freiheit Zeit zu laffen, eine Gewohnheit zu werden. Wie soll aber die Freiheit eine Gewohnheit werden, wenn sie suspendirt ift? Müßte die Unterbrechung nicht gerade eine Entwöhnung herbeiführen?

Uebrigens hatte Béranger bei der Anwendung seiner politischen Formel, wie er sagte, ein Volk im Auge, das mehr Krieger als Bürger ift; Lamartine aber, der sie zu der seinigen macht, verallgemeinert fie. Die konzentrirte Volksgewalt, die Volksdiktatur, erscheint ihm als die wahrhafte Lösung der sozialen Aufgabe; „denn“, sagt er,,,die Freiheit braucht nicht minder eine Regierung als die Monarchie". Eine Regierung, ja wohl; aber ihr redet von Diktatur, und das ist ein ganz ander Ding.

Troß aber dem Fortschritt der Zeit, troß selbst der Autorität des Publizisten, den Lamartine l'homme progrès (den menschgewordenen Fortschritt) nennt, dürfte es nicht unpassend sein, an die Grundsäße alter Staatsweisheit zu erinnern, die, durch alle Wechselfälle in den großen und kleinen Staaten, durch alle Formen der Tyrannei und der Freiheit, die sie vor Augen hatte, früh belehrt, sich zu der Auffindung einer obersten Regel absoluter, von der Zwingherrschaft Aller oder Einzelner unabhängiger Gerechtigkeit naturnothwendig hingedrängt fühlte.

Villemain citirt nun eine herrliche Stelle aus Xenophon (die ,,Memorabilien des Sokrates" B. I, K. 11, 40.). Alkibiades, der noch nicht zwanzigjährige, hatte, wie man erzählt, mit Perikles, seinem Vormund, der ersten obrigkeitlichen Person der Stadt, folgendes Gespräch über die Gefeße:

Alkibiades. Sage mir, Perikles, kannst du mich darüber be lehren, was eigentlich Gefeß sei?

Perikles. Vollkommen.

Alkibiades. Nun denn, in der Götter Namen, belehre mich darüber; denn ich höre gewisse Leute loben, als Gefeßfreunde, und ich denke, man könnte dieses Lob nicht mit Recht verdienen, wenn man nicht weiß, was das Gefeß ist.

Perikles. Du verlangst, o Alkibiades, Etwas, was gar keine Schwierigkeit hat, wenn du wissen willst, was das Gesez ist. Geseze

*) Nach Villemain in der Revue des deux Mondes.

1858.

find alle Dinge, die das versammelte Volk beschloffen hat, erwägend und vorschreibend, was zu thun und zu lassen ist.

Alkibiades. Aber ist es das Gute oder das Böse, was thun zu müssen, es als Gefeß beschließt?

Perikles. Das Gute allerdings, o Jüngling; das Böse nimmer. Alkibiades. Aber, wenn nicht das Volk, sondern, wie etwa in der Oligarchie, Wenige versammelt vorschreiben, was zu thun sei, was ist nun das?

Perikles. Alles, was die die Stadt beherrschende Macht bes rathschlagend und beschließend zu thun vorschreibt, heißt Gefeß.

Alkibiades. Und wenn nun ein Tyrann, die Stadt beherr schend, den Bürgern vorschreibt, was sie zu thun haben, heißt das auch Geseß?

Perikles. Ja, Alles, was ein Tyrann, die Obmacht bekleidend, vorschreibt, heißt auch Geseß.

Alkibiades. Was ist nun Gewaltthat und Ungeseßlichkeit, o Perikles? Ist das nicht, wenn der Stärkere den Schwächeren, nicht gütlich bewegend, sondern Gewalt anthuend, zwingt, das zu thun, was ihm gutdünkt?

Perikles. So denk' ich.

Alkibiades. Und was ein Tyrann, nicht gütlich bewegend, sondern zwingend den Bürgern vorschreibt zu thun, ist ungeseßlich? Perikles. Ich denke, und nehme meine Behauptung zurück, daß das, was ein Tyrann, nicht gütlich bewegend vorschreibt, Geseß sei.

Alkibiades. Und was die Minderzahl, die Mehrzahl nicht gütlich bewegend, sondern durch Obmacht der Mächtigen beschließt, wollen wir sagen, daß das Gewalt sei, oder nicht?

Perikles. Es dünkt mich schlechterdings, daß, was Jemand Jemanden, nicht gütlich bewegend, zwingt zu thun, er habe es vorgeschrieben oder nicht, Gewalt eher als Gesez sei.

Alfibiades. Und was das ganze Volk, über die Reichen herrschend, nicht gütlich bewegend vorschreibt, wird also auch eher Gewalt, als Geseß sein?

Perikles. Ganz gewiß, o Alkibiades.

Dieses Ergebnis, in welchem beide Zwiesprecher einstimmen wie weit ist es von jenem unwiderstehlichen Recht entfernt, das Lamartine dem Volk in Masse zuerkennt, auf das er die Gefeßlichkeit jener ihm von seinem Freunde angerathenen Diktatur gründet! Wie flach ist das Argument der Zahl, des Allwillens, in dessen Namen der Wille jedes Einzelnen unterdrückt wird, gegen die ungekünftelte Tiefe, womit der griechische Dialog die Frage auffaßt! Er begegnet fiegreich der Vorliebe der beiden publizistischen Dichter für die diktatorische Demokratie; er verscheucht jene Täuschung, daß die willkürliche Gewalt mit ihrem Ursprung auch ihre Natur ändert, daß sie vernünftig und gerecht wird, wenn sie im Namen Aller das Scepter führt.

Gewarnt durch das Beispiel der Staaten, die zu ihren Zeiten ins Leben getreten waren, hatten die scharfblickenden Weisen des Alter thums jenen grauen Sophismus der Unwiffenheit und der Gewalt in seiner Blöße gezeigt, den man uns als junge Entdeckung anrühmt. Sie gaben dem Geseß die Gerechtigkeit zum Prinzip, der Abstimmung die Fähigkeit, die Prüfung und die Freiheit zur Bedingung. Sie dachten mit Boffuet: „Es giebt kein Recht gegen das Recht". Sie erkannten den Charakter und die Autorität des Gesezes nicht in dent wüßten Beifallsruf, oder in dem Zwang, sondern in der Gerechtigkeit, welche die Grundlagen vorbereitet, in der lichten Ueberzeugung, die seine Herrschaft sichert, in der befugten Macht, die es vertheidigt.

In allen Dialogen Plato's athmet die erhabene Lehre von einer absoluten Gerechtigkeit, die von der Gewalt und der Zahl unabhängig, die ein sichtbares Bild hienieden ist der Wahrheit, die in Gott selbst wohnt. Cicero war nichts, als der geschickte und begeisterte Uebersezer dieser Philosophie. Ihr entlehnte er die Definition des wahren, des obersten Gefeßes, „das weder aufgehoben, noch abgeändert werden

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Die Verehrer des Windes, Pavana, glauben, die Substanz Gottes sei die Luft, und dies auch die intellektuelle Seele. Die Dschala Bhakta halten das Wasser für den Repräsentanten der höchsten Gott heit, weshalb sie Flüssen und Quellen ihre Huldigung darbringen. Die Prithiwi Bhakta halten die Erde für die Substanz Gottes und sie daher ihres Dienstes würdig. Noch eine andere Sekte, die Tripújas, verehren alle drei Reiche der Natur, und jedes Symbol derselben ist Gegenstand ihrer Anbetung. Wieder eine andere, die Manuscha Bhakta, meinen, das Wesen Gottes sei im Menschen, verehren daher diesen und haben die Ueberzeugung, daß nichts Schlechtes in ihm sei. Die Dhaids, von der niedrigsten Klasse, sind nur dadurch bemerkenswerth, daß sie Alles effen, außer Menschen. Und darin kommen mit ihnen die Choharas überein, die Reiniger der Kloaken und Auskehrer, welche behaupten, Schah Dschuna sei ihr Meister, der, in der einen Hand einen Besen von Gold, in der anderen einen Korb von Silber, im vierten Himmel das Haus Gottes reinige.

In dieses Gemisch mannigfaltiger Sekten, die mehr oder weniger mit dem Brahmanismus zusammenhängen, und deren Aufzählung hier nur als ein Auszug des Wichtigsten anzusehen ist, kam nun von Westen her die von Muhammed verkündigte Religion, getragen von den Fahnen islamitischer Heere, des Mahmud von Ghisni, um 1000 der christlichen Zeitrechnung, Tamerlan's, im funfzehnten, seiner Nach folger, im sechzehnten Jahrhundert. Alle diese Fürsten waren Sonniten oder rechtgläubige Muselmänner, mithin mußten es auch ihre Truppen sein, und die unausbleibliche Folge war, daß sich auch in Ostindien Sonniten festseßten, da diese Machthaber zumal dem orthodoren Glauben Tempel bauten und mit einem guten Beispiel vorangingen. Zu vermeiden war es indeffen nicht, daß nicht, wenn auch diese Herrscher nicht Muhammedaner und Christen, wie später der Sultan von Mysore, Tippu Sahib, verfolgten, viele Indus, um dem Regenten zu gefallen, zum Scheine Muhammedaner wurden und dies blieben, und Viele sich noch als solche bekennen, ob sie gleich nicht das Geringste vom Muhammedanismus wissen. Eine solche Sekte ist die der Vischnavas. Sie haben die Namen Gottes und der Engel, des Allah, Mikail, Izrail, Dschibrail, Muhammed's auf ihren Lippen, und beten fünf Mal täglich, aber mit dem Angesichte gegen Often. Ihnen ähnlich sind die Piara Panthian, die als ihres Glaubens Urheber den Baba Piara nennen. Sie haben die Gewohnheit zu betteln, ohne ein Wort zu reden. Sie gleichen unseren Bettlern auf Straßen und Promenaden, wo die Polizei das Betteln verboten hat. Sie sehen die Menschen nur an, nehmen, was sie bekommen, und gehen fort, wenn ihnen nichts gegeben wurde. Der Dichter sagt:

Ohne Zunge, durch der Augen Blicke wird vollbracht ihr Flehn. Was man hört, wie kam' es dem gleich, was mit Augen wird gefehn! Diese Leute aber, wiewohl sie sich Muslemin nennen, nehmen keine Notiz von ihnen, d. h. vermeiden sonst alle Gemeinschaft mit den Muhammedanern. Und ebenso zählt man die ausgebreitete Sefte der Madarianer, die von dem Ausspruche „Dam Mader!" Seele der Madar! den Namen haben, nackt und mit verworrenen Haaren und eisernen Ketten um Haupt und Schultern einhergehen, mit Unrecht zu den Sonniten. Sie pflegen freilich solche, die als Schiiten gelten, zu verfolgen. Deffenungeachtet besteht ihr ganzer Anspruch auf den Namen der Rechtgläubigen darin, daß sie schwarze Fahnen und Turbane tragen. Sonst widerspricht ihr Verhalten dieser Behauptung. Denn sie fasten nicht und beten nicht! Was würde Muhammed zu solchen Gläubigen gesagt haben! Dagegen trinken sie, am Feuer sihend, viel Bang (Hanfblätter-Absud) und geben dem den größten Vorzug, der das größte Maaß dieser berauschenden Flüssigkeit zu sich nimmt. Ihr Name rührt von Badih-eddin, einem Sohne des Said Ali her, der, ein Wunder der Religion, nach Indien kam, 1050 n. Chr., und 1433 daselbst starb, also 400 Jahr alt geworden sein soll, welches Wunder man seiner Gabe zuschreibt, den Athem anzuhalten.

Weit größer an Zahl müssen natürlich die Schiiten in Indien sein, in Betracht, daß die Muslimen nicht blos aus dem benachbarten Persien, wo sich der Schiitismus am meisten ausbreitete, zuerst und am frühesten nach Indien herüberkamen, sondern von dort her auch im Laufe der Jahrhunderte immer mehrere nach Osten zogen, und diejenigen Schiiten, die, um die Gunst der mongolischen Herrscher zu gewinnen, die Maske der Sonniten annahmem, später, als dieselben nicht mehr vorhanden waren, diese wiederum abwarfen. Auch entstand hier ein wechselseitiger Umtausch der Meinungen und Gebräuche zwischen Indern und Persern. Wie die Suphis von den Sannjasis und Jogis die mönchische Färbung annahmen, die dem Muhammedanismus feinem Ursprunge nach fremd ist, denn Muhammed sagt: „

giebt es keine Mönche!" so auf der anderen Seite nehmen manche Indier die Sprache und Eigenthümlichkeiten der Suphis an. Solche Iweiben sich dem Cölibat und behaupten, weil sie gehört haben, es gebe zehn Klaffen der Sannjasis und zwölf der Jogis, ebenfalls in vierzehn Klassen getheilt zu sein. Wenn sie zusammenkommen, fragen sie dann einander:,,Wer sind die vier Weisen, und welches die vierzehn edlen Familien?" Die Antwort ist:,,Der Weisefte der Weisen ist Muhammed; nach ihm war der Gottgeweihte Ali; nach ihm kam das Imamat auf der Imâm Hossain; nach ihm kam es auf den Chodscha Haffan von Basra. Vom Hassan Basra gingen zwei Aeste aus. Der eine ist Habib Adschemi, von dem neun Familien hervorsproßten; der andere ist der Schaikh Abdul Wahid Zaid, von dem vierzehn entsprangen".

Bedeutend unterscheiden sich von diesen die Dschelalianer oder Jünger des Said Dschelal von Bokhara. Sie beten nicht und fasten nicht, üben auch sonst nicht die Gebräuche der Suphis, genießen aber viel Bang und verzehren Schlangen und Skorpione. Wenn ihre am weitesten Gediehenen eine Schlange sehen, stecken sie diese in den Mund und verschlingen sie mit den Worten:,,Dies ist ein Fisch des heiligen Ali!" Skorpionen verschlucken sie mit der Bemerkung:,,Das ist ein Meerkrebs Ali's!" Auch Würmer, die sie im Wasser finden, nennen sie Ali's Krabben. Sie gehen nackt, auch bei strenger Kälte, führen ein Wanderleben und sißen gern am Feuer. Ihr Oberhaupt sieht sich alle Tage nach der Verbindung mit einem anderen Weibe um. Wenn er ein hübsches Mädchen unter seinen Schülern kennen lernt, läßt er die Trompeten blasen, reitet nach ihrem Hause und verfährt mit ihr nach Willkür, heiratet sie aber nicht. Sie halten dies für einen Akt der Souverainetät und eine Prärogative der Familie des Propheten.

Noch eine andere Sekte nennt sich die Leute,,ohne Brod und Nahrung". Sie nehmen von Niemand etwas, außer der nöthigen Speise und dem unentbehrlichen Trunke, bekleiden sich mit den Lumpen, die fie auf der Straße finden und zu einem Rocke zusammenflicken, und wenn sie irgend etwas von Jemand erbitten, so schimpfen sie ihn zuvor und geben ihm üble Namen, weshalb sie oftmals von dem Volke Schläge bekommen. Sie glauben an Gottes Einheit, trinken berauschende Getränke und haben mit der vorigen und anderen Sekten das gemein, daß sie nie Blut vergießen.

Außerdem giebt es eine Schaar frommer Sektirer, die dem Muhammed gar nicht anhängen, ob sie gleich bekennen: er sei der gesegnete Sammler der Aerndte der Vollkommenheit. Sie treiben mit diesem Propheten der Araber, recht betrachtet, ihren Scherz. Sie erzählen nämlich: Dieser sei einft auf einem Spaziergange in ein Haus ge. kommen. Da habe er vierzig Personen figen sehen, nackt, wie der Mensch vom Mutterleibe kommt, und Andere ihnen eifrig dienend. Der Prophet bot ihnen seine Dienste an, sie schlugen aber Alles aus, bis der Bang gemahlen war. Es fehlte ihnen an einem Stücke Tuch, um ihn durchseihen zu können. Da nahm der Prophet seinen Turban ab und seiete ihnen die Brühe des Bang durch. Die grüne Farbe des Bang blieb an seinem Turban. Daher, sagen sie, kommt es, daß die Kleiderfarbe der Beni Haschem grün ist. Da sie nun über des Propheten Dienst sehr erfreut waren, sprachen sie:,,Lafset uns diesen Boten Gottes, der immer zu den Thüren der Unwissenden geht, ein Bischen Bang geben, daß er die Geheimnisse der Allmacht empfangen mag." Sie gaben dem Propheten also etwas von den Ueberbleibseln der Brühe. Als er dies getrunken hatte, erhielt er die Geheimnisse des Engels der Bestimmung, und was Menschen von ihm hörten, kam durch Vermittelung dieser Gutthat. Man sieht, daß diese Leute Säufer sind, weshalb ihnen denn auch die Religion Muhammed's im Grunde ein Gegenstand des Spottes ist. Es verdient jedoch be merkt zu werden, daß die Zahl der Leute dieser Sekte in Hindestan groß ist. Die oben genannten Madarianer gehören zu ihnen.

Eine ähnliche Sekte sind auch die Kakanier in Kaschmir, von Ibrahim Kakak abstammend, der unter dem Padischah Dschehangir lebte. Alles, was dieser Mann ansah, wurde unwiderstehlich gefesselt und zu seinen Füßen gezogen. Solchergestalt gewann er viele Jünger, nöthigte indeffen weder den Hindu, noch den Muselman, seinen Glauben zu ändern. Er legte weder dem Hindu den Koran aus, noch suchte er den Moslemen zur Tragung des Gurtes zu bewegen, der das Kennzeichen des Brahmanen ist. Die Nacht pflegte er nicht zu schlafen, sondern mit seinen Genoffen zu durchwachen. Einer seiner Schüler sagte zu ihm: „Trinke nicht Bang, denn die Bang-Trinker werden die Brücke des Gerichts nicht überschreiten können". Kakak erwiederte: ,,Groß ist die Zahl der Bang-Trinker; lasset uns denn auf der dies seitigen Gegend dieser Brücke eine Stadt erbauen, und sie Bang Pur (lange Stadt) nennen, und an das Ueberschreiten dieser Brücke gar nicht denken". Goya Kasem hat über diese dem Trunke ergebenen Sektirer eine scherzhafte Erzählung verfaßt. Häufig soll es zwischen diesen Leuten und den Sannjasis zu Streit und Raufereien kommen,

Wird es aber schon hieraus klar, wie die große Mischung religiöser Sekten in diesem Lande, während jede Recht haben will und ihre Vorschriften nicht blos felbft eifrig oder nachlässig befolgt, sondern auch Andere angreift, auf Viele die nachtheilige Wirkung gehabt hat, daß sie heucheln oder ganz gleichgültig wurden, so zeigt dies auch die Geschichte der Seikhs, die in späteren Zeiten kriegerisch aufgetreten sind, sich den Namen der Singhs gegeben und in Lahore ein eigenes Reich gestiftet haben. Seikhs bedeutet eigentlich Schüler, und sie waren in ganz Ostindien zerstreut. Ihr Stifter ist Nanak, der, unzufrieden mit den Afghanen, die Mongolen in das Land rief, so daß im Jahr der Hedschra 932, Christi 1525, Zehir-eddin Baber, der Padischah, den Sieg gewann über Zbrahim, den König der Afghanen. Nanak's Lehre aber war Verleugnung aller der Autoritäten, worauf die religiösen Sekten, als auf vom Himmel gekommene Botschafter, ihre Lehren ftüßen. Nanak behauptete: Es giebt mehrere Himmel und Erden. Propheten und Heilige und solche, von denen man annimmt, sie seien von oben herab gekommen und Personen von ausgezeichneter Frömmigkeit gewesen, die haben ihre Vollkommenheit durch Eifer im Dienste Gottes erlangt. Wer immer dem Dienste Gottes sich weiht, der mag einen Weg erwählen, welchen er will, er wird zu Gott kommen, und das Mittel dazu ist, kein Wesen zu verlegen.

Sei wahr, und du wirst frei sein;

Deine Sache ist Wahrheit (Treue), der Erfolg die Sache des Schöpfers. Nanak war kein Gottesleugner, er schäßte vielmehr den Koran und die indische Lehre, trug in seinen Händen den muhammedanischen Rosenkranz, um seinen Nacken den Sonnâr, das Abzeichen der Brahmanen, leugnete nur die himmlische Abkunft dieser Religionen. Damit durchschnitt er jedoch beiden den Lebensnerv, und der Seikh ist natürlich ein vom Brahmanen und Moslemen Verabscheuter und Verfolgter, kann nur durch das Schwert seine Existenz sichern. Einer der Nachfolger Nanak's, der aus dessen Schriften und aus den Beiträgen Anderer seine Lehren im Adi-granth fompilirte, einem Buche, das im Gurumukh-Dialekte und Schrift verfaßt ist, wurde durch die Intoleranz der Muhammedaner schon 1606 umgebracht. Nichtsdeftoweniger hat sich die seit dem Zeitalter der Reformation aufgekommene Lehre der Seiths immer mehr erhoben und bedroht Muslemen- und Brahmanenthum durch Leugnung ihrer Göttlichkeit mit dem Umsturze und Untergange. Insofern die Grundsäge der Seikhs gegen jede geoffenbarte Religion gerichtet sind, stehen auch alle anderen, die auf göttliche Autorität sich stüßen, mit ihr im Konflikte. Dr. P-r.

Finnland.

Matts Pohto, der finnische Bibliomane. *)

Die Geschichte erzählt, von Manchem, der, ohne Unterweisung Anderer, auf eigene Hand tiefe wissenschaftliche Kenntnisse erworben hat; daß aber Einer, dessen geistige Anlagen nie in irgend einer Weise gehörig ausgebildet worden, schon in jüngeren Jahren eine solche Liebe zu Büchern bekam, daß er es zur höchsten Aufgabe seines Lebens machte, Bücher zu sammeln, sich anzueignen und gleichsam mit ihnen allein Umgang zu haben, ohne doch eigentlich Kenntnisse aus ihnen zu ziehen, ist gewiß ein seltenes und schwer zu erklärendes psychologisches Phänomen. Ein solches war der Mann, von dem ich jezt reden will. Er hieß Matts Pohto und war 1817 in einem Dorfe der Statthalterschaft Wasa geboren. Als Knabe lernte er kein anderes Buch kennen, als das finnische A-B-C-Buch, und nachmals ließ man ihn ganz ohne Aufsicht und Unterweisung, so daß er bis ins elfte Jahr mit Spiel und Herumlaufen, des Sommers im bloßen Hemde, seine Zeit vertrieb. Das Gehöft seiner Aeltern ging unterdeß in andere Hände über, und von jeßt ab ernährte sich Matts im Sommer mit Viehhüten und im Winter mit Betteln. Anfangs bettelte er nur in benachbarten Gegenden, nachmals aber trieb er dies Gewerbe auf sehr weitem Raume, selbst bis in andere Statthalter schaften hinein, und zuweilen stellte sich der Hülfesuchende außerdem noch taubstumm, damit er um so größere Theilnahme erweckte. Im Jahre 1833 wurde er, da er keinen Paß hatte, im Kirchspiel Bjerno angehalten und ins Schloßgefängniß zu Übo, dann aber, nach seiner Genesung von einer dort überkommenen Krankheit, ins Krongefängniß zu Helsingfors geschickt. Nachdem er hier den ganzen folgenden Winter geseffen und man endlich fein heimatliches Dorf ermittelt hatte, eskortirte man den jungen Landstreicher im Sommer 1834 wieder dahin. Auf dieser Fahrt wurde auch seine Taubheit als eine Verftellung erkannt, da er die angenommene Rolle einmal vergaß. Unterdeß hatte sich Pohto aus eigenem Antriebe soviel im Lesen geübt, daß

* Aus der schwedisch geschriebenen Einleitung zu einem bibliographischen Werke von beinahe 800 Seiten in Quart, von welchem wir der Finnischen Literatur-Gesellschaft zu Helsingfors ein Eremplar verdanken. Der Verfasser (Herr W. Pipping) hat in diesem Verzeichniß“ (schwed. Förteckning, finnisch Luettelo) Alles aufgeführt, was ihm von gedruckten Werken und Werkchen in finnischer oder über finnische Sprache, oder die nur etwas Finnisches enthalten, von 1543 bis 1855 (incl.) bekannt geworden.

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er im folgenden Jahre, nachdem er mit den Kindern der Gemeinde Religions-Unterricht gehabt, zum ersten Male das heilige Abendmahl einnahm. Im Herbste desselben Jahres begab er sich gleichwohl wieder auf Wanderung, vielleicht mit denselben Vorsägen, wie früher, aber diesmal in der Eigenschaft eines Colporteurs, versehen mit einem Pack solcher Schriftchen, die das finnische Volk, mit Rücksicht auf Form und Inhalt, Arkki-Wirret) zu nennen pflegt, und von deren Verkauf er sich ernähren zu können hoffte. Unbekannt, wie er an den Orten war, die er nicht vorher schon besucht, und ohne obrig keitliche Legitimation zu seinem Schuße, wurde er bereits im Januar 1836 wieder aufgegriffen und nach der Stadt Åbo, dann weiter an die Statthalterei in Wasa geschickt, die ihn ihrerseits, nach ertheilter Züchtigung wegen Landstreichens, in seine Heimat zurückschickte.

Allmählich wurden indeß Pohto's unsträflicher Wandel und schuldlose Absichten so allgemein bekannt, daß Niemand mehr ein Bedenken hegte, ihn den legterwähnten Nahrungszweig fortseßen zu lassen, wohin er auch kommen mochte, versehen mit einem Paß aus seinem Geburtsorte, in welchem er nur einen kleinen Theil des Jahres sich aufhielt. Jezt hatte er noch einen anderen Erwerbszweig ergriffen: er besserte die Bücher der Bauern aus oder band sie ein, wobei er, wenn lose Blätter zu festigen und schadhafte zu flicken waren, mit größerer Sorgfalt verfuhr, als mancher Buchbinder von Gewerbe, und mit untadelhafter Geschicklichkeit in Allem, was zu einem festen, aber schlichten Einband, ohne Vergoldung oder andere Zierrathen, gehörte, wie viele seiner eigenen Bücher ausweisen. Mit dem Sammeln dieser begann er schon 1838 und fuhr seitdem ununterbrochen damit fort. Seine Bemühungen hatten so glänzenden Erfolg, daß er nach eigener Angabe um die Mitte des Jahres 1857, außer einigen wenigen Büchern in anderen Sprachen als der finnischen, dreitausend und etliche hundert von den etwas über viertausend Werken besaß, welche das jest gedruckte „Verzeichniß“ (f. o. die Anm.) kennen lehrt, und unter ihnen eintausend fünfhundert von den vor Finnlands Vereinigung mit dem russischen Reiche herausgekommenen (deren Zahl in dem erwähnten Verzeichnisse ungefähr eintausend neunhundert beträgt). Beinahe die Hälfte der Büchersammlung Pohto's bestand demnach aus Werken und Werkchen, die jeßt nicht im Buchhandel sich vorfinden, ja einige darunter gehören zu den allerfeltensten und werden sehr hoch tarirt, wenn sie einmal in einer Versteigerung vorkommen. Auch trug er kein Bedenken, solche Seltenheiten anständig zu bezahlen, desgleichen ein oder das andere zu ihrer Ergänzung etwa nothwendige Blatt, das sein Kennerauge irgendwo entdeckte. Außerdem besaß er eine Münzsammlung, zwar weder groß, noch reich an Stücken aus edlerem Metalle, aber nicht eben werthlos. Auf die jährliche Vermehrung beider Sammlungen mußte er eine im Verhältniß zu seinen Einkünften bedeutende Summe verwenden, wenn auch viele Bücher ihm sehr wenig kosteten; denn wahrscheinlich bekam er die meisten kleineren Druckschriften entweder unentgeltlich, oder als Bezahlung für seine Buchbinder - Arbeiten, oder auch als Austausch gegen Bücher, die er hausiren trug und die er den Verlegern um Partie- Preise gegen ansehnlichen Rabatt abkaufte. Aber Vieles wurde nicht ohne bedeutende Geldopfer erworben, und es fragt sich daher Jeder, wie die sehr beschränkten Mittel des Mannes dergleichen gestatten konnten.

Ich glaube, daß die Antwort in Pohto's außerordentlicher Sparsamkeit zu suchen ist. Von Kindheit an gewohnt, viel zu entbehren und viel zu erleiden, konnte er ohne Schwierigkeit mit sehr Wenigem auskommen. Ein Stück trockenes Brod in der Tasche war für ihn genug auf dem Wege von einem Orte zu einem anderen, wo er irgend Befriedigung zu finden hoffte für seine brennende Begier nach Büchern, und mehrentheils mag er, wenn es auf Bezahlung ankam, für ein paar Pfennige die ganze Nahrung gefunden haben, deren sein Körper bedurfte. Sein Quartier, das er bei den Bauern in ihren eigenen Wohnstuben oder, wenn es Standespersonen waren, bei deren Gesinde nahm, in Städten aber bisweilen auf einem Boden, oder in irgend einem Nebenbau, oder ungeheizten Wohnzimmer, kostete ihm wahrscheinlich gar nichts, und für ein besonderes Kämmerlein, das man in irgend einem Bauerhause, wo er als Einlieger steuerpflichtig war, ihm einräumte, wurde gewiß nicht viel gefordert. Seine Kleider waren vom billigsten Stoffe, im Winter den Erfordernissen des finnischen Klima's wenig entsprechend, oft sehr zerrissen und geflickt. Seine Wäsche war gewöhnlich schmußig, was man nur dem Umstande schuld geben kann, daß er nicht Weißzeug genug besaß, um öfter damit wechseln zu können; denn Gesicht und Hände hielt er immer rein, und auch sonst bemerkte man keine Unsauberkeit an ihm. Waffer war sein täglicher Trank, auch Schmalbier trank er, wenn es ihm angeboten wurde, aber Branntwein und andere geistige Getränke wies er immer zurück. Selbst Kaffee und Thee weigerte er sich, anwie uns zunehmen, indem er erklärte, nichts genießen zu wollen schädlich es auch sei an das er sich nicht gewöhnen dürfe, d. h. *) Arkki wirret heißt Bogen-Lieder, d. i. Lieder, die man auf einzelne Bogen Papier zusammendruckt.

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deffen Genuß ihm seine Umstände nicht erlaubten. Die zum Verkauf oder Umtausch bestimmten Schriften, wie auch die Bücher, die er auf einer Wanderung erwarb, wickelte er sorgfältig in mehrere Bogen Pappe, schlug, damit sie nicht durch Näffe beschädigt würden, noch ein Stück braunes Leder darum, und trug fie auf dem Rücken, oder zog fie in einem Schlittchen hinter sich her. Bei so ausnehmender Sparsamkeit ist es glaublich, daß Pohto höchstens einhundert Thaler Schulden machte, welcher Summe, seines Dafürhaltens, fein Eigenthum — die Büchersammlung nicht gerechnetan Werth vollkommen gleichkam.

Als das Gerücht von diesem Manne zu meinen Ohren drang und ich vor etwa zehn Jahren Gelegenheit fand, ihm meine Begier nach seiner persönlichen Bekanntschaft zu erkennen zu geben, fand er fich alle Jahr, nicht selten zwei Mal des Jahres, hier in Helsingfors ein und brachte immer einen Pack kleiner Schriften mit, vor Allem folche, die man selten anderswo trifft als in den Händen der Bauern und der weniger gebildeten Volksklaffen. Von diesen Schriften verehrte er auch dann und wann der Universitäts-Bibliothek einige hundert; außerdem überließ er der Bibliothek gegen unbedeutende Vergütung an Geld oder gewiffe entbehrliche Doubletten, viele größere Arbeiten und ältere Bücher, die sie nicht besaß, von denen er aber zwei oder mehr Exemplare hatte. Jedes Mal hatte er auch viele feiner unica oder Werke in nur einem Exemplare bei sich, damit ich zu meinem,,Verzeichniffe“, an welchem er ein lebhaftes Interesse nahm, von ihnen Gebrauch machte. Er beklagte nur, daß er nicht vor Anfang des Druckes von Allem, was ich sehen sollte, unterrichtet worden. Um nun den Mängeln dieser Arbeit nach Möglichkeit abzuhelfen, begehrte und erhielt er nachmals ein Exemplar von jedem bis dahin aus der Preffe gekommenen Bogen, und dadurch veranlaßt, brachte er seitdem zu verschiedenen Malen, und noch bei seinem leßten Besuche in Helsingfors (im Sommer 1857), eine so große Anzahl mir bis dahin nicht vor Augen gekommener Bücher und ganz unbekannter kleinerer Schriften mit, daß die Verbesserungen und Zusäße viel zahlreicher wurden, als man anfänglich vermuthen konnte. Erft während seines lezten Aufenthaltes in Helsingfors mag er den Entschluß gefaßt haben, sich von hier in die Statthalterschaft Wiborg zu begeben, deren füdliche Gegenden er noch nie besucht hatte, und wo möglich auch in Ingermanland seine Nachforschungen fortzuseßen, zumal nach solchen finnischen Büchern, die in den genannten Gegenden vermuthlich allgemeiner vorkommen als in Neu-Finnland; ja es erstreckte sich sein Wanderungsplan sogar bis Petersburg, nachdem er die besten Reisepäffe und solche schriftliche Empfehlungen erhalten, die ihm vielleicht Zutritt zur kaiserlichen öffentlichen Bibliothek verschafft hätten. Mit diesen Dokumenten versehen, trat er wirklich in der ersten Hälfte des Juli die Reise an und zwar, wie gewöhnlich, zu Fuße; aber lange vor Erreichung des leßten Reiseziels kam der unermüdete Wanderer an das Ziel seines Lebens: an einem der legten Tage desselben Monats wurde er, neun Werft südlich von der Stadt Wiborg, im Schlafe überfallen und gemordet! Wie weit die Hoffnung auf literarische Ausbeute, die seine leßten Schritte gelenkt, in Erfüllung gegangen, weiß man noch nicht, aber wie umsichtig er schon bei Zeiten dafür gesorgt hatte, daß die vornehmsten Früchte aller seiner Mühen auf die schicklichste Art dem Publikum zugute kämen, beweist sein bereits im Juni 1851 aufgefeßtes Testament, worin er verordnete, daß die kaiserliche Bibliothek zu Helsingfors und die Bibliotheken der Gymnasien zu Kuopio, Åbo und Wasa sich der geftalt in seine Bibliothek theilen sollten, daß für jede einzelne heraus genommen würde, was ihr fehlte. In Gegenwart zweier Zeugen ist dieses Teftament in schwedischer Sprache von fremder Hand geschrieben und mit Pohto's Handzeichen unterzeichnet; denn vom Schwedi schen verstand er sehr wenig, und in der Schreibekunft hatte er es nur soweit gebracht, um gedruckte lateinische Initial-Buchstaben und die gewöhnlichen Ziffern nothdürftig nachmachen zu können. Desto geübter war sein Gedächtniß. Oftmals, wenn ein oder das andere lose Blatt aus irgend einem Buche vorkam, sagte er gleich, zu welchem Werke es gehörte, und handelte es sich um die Entdeckung von Verschieden heiten in gewissen Exemplaren, die mir einer und derselben Auflage anzugehören schienen, so gab er genau die Seite und die Zeile an, wo eine Verschiedenheit sich zeigte. Ebenso war es recht erfreulich, felbft für Einen, der, wie ich, mit Pohto's Muttersprache wenig vertraut war, nicht blos zu hören, sondern auch zu sehen, wie er ein fanges ungebrucktes Lied, deffen Inhalt ihn besonders angezogen, aus dem Gedächtniß hersagte; denn sein gewöhnlich fast ganz bedeutungslofes Geficht erhielt bei solcher Gelegenheit einen wahrhaft geistigen Ausdruck. Ebenso leuchteten feine Züge von innerem Leben, wenn er im Gespräche über unserer Buchdrucker leider sehr allgemeine Fahr. läffigkeit in Erfüllung ihrer Verpflichtung, der Ober-Censurbehörde

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Mannigfaltiges.

Ein Huldigungsgruß. Unter den Huldigungen deutscher Poesie zu Ehren der Vermählung Ihrer Königl. Hoheiten des Prinzen Friedrich Wilhelm und der Prinzessin Victoria von Preußen hat uns ein Gedicht in der Nibelungen-Strophe, aus der Feder von Mar Moltke, Herausgeber des,,deutschen Sprachwart", mit am meisten angesprochen.") Das Gedicht ist in einem besonderen Abbruck zum Besten zweier Wohlthätigkeits-Anstalten erschienen und kann Vielen eine recht poetische Erinnerung an die vaterländischen Festtage des 25. Januar und 8. Februar sein. Den an diese Vermählung fich knüpfenden Gedanken an Friedrich den Großen, an den diese Blätter bereits zu erinnern wagten, spricht die Nibelungen-Strophe folgender maßen aus:

,,Der völkervermählenden Hochzeit, hei! freuen die Ahnen sich,
Der zweite Georg und der zweite, doch einzige Friederich!
Hei! wie sie am Enkel-Brautpaar die seligen Augen weiden,
Segnend, was Gott gefügt und nicht der Mensch soll wieder scheiden.
Zu ihrer Zeit schon einmal im Plane lag ein Bund,
Wie nun er ward geweihet vor Gott in heil'ger Stund';
Daß damals er gescheitert, hat tief das Herz gekränket

Des Helden, der dann erfahren: es denkt der Mensch; Gott aber lenket!

Hebräische Bibliographie. Für dieselbe, deren Gebiet jezt in allen Ländern des Occidents und Orients angebaut wird, der es aber bisher an jedem übersichtlichen Organe gebrach, wird jest ein solches in der Form einer Zeitschrift erscheinen unter dem Titel: ,Ha-Maskir; Hebräische Bibliographie. Blätter für neuere und ältere Literatur des Judenthums".") Herausgeber dieses bibliographischen Repertoriums, das in kurzen gedrängten Notizen die jüdische Literatur der Gegenwart sowohl als der Vergangenheit umfassen soll, insofern leztere in felten gewordenen Werken sich darbietet, ift der als Kenner der hebräischen Literatur und Bibliographie rühmlichst bekannte Dr. M. Steinschneider, der dabei von einigen Gelehrten des Auslandes, namentlich von Herrn Profeffor Luzzatto in Padua, Herrn J. Zedner in London u. A. unterstügt wird. Jährlich sollen sechs Nummern von 16-24 Seiten erscheinen; der Preis des Jahrganges ist auf einen Thaler festgesezt.

Das Pferd, ein Urbewohner von Amerika. Der Charleston Mercury theilt folgende interessante Notiz mit:,,Es ist unseren Lesern wohl bekannt, daß Profeffor Holmes vom Charleston-College feit vielen Jahren mit der Untersuchung der fossilen Lager an den Ufern des Ashleyfluffes beschäftigt ist. Er hat daselbst eine große Zahl interessanter Ueberreste der Urwelt gesammelt, und die Gelehrten von Amerika sowohl als Europa haben ihren Beifall in Bezug auf die Resultate seiner Forschungen zu erkennen gegeben. Profeffor Agaffiz sagte in einer Vorlesung nach seiner Rückkehr von einem Ausfluge nach dem Ashleyfluß, den er in Begleitung des Professors Holmes gemacht hatte, er habe dort das reichhaltigste Lager von foffilen Ueberreften gesehen, das ihm in seinem ganzen Leben begegnet sei. Profeffor Tuormey nannte es ,,das große amerikanische Haifischgrab“, und nur hat Profeffor Leidy, der bekannte ausgezeichnete Anatom, eine Monographie über die fossilen Knochen von Pferden und anderen Thieren geschrieben, welche am Ashley aufgefunden wurden und die ihm Profeffor Holmes zur genaueren Untersuchung übersandt hat. Die Untersuchungen Leidy's haben die interessantesten Resultate zur Folge gehabt und dürften noch zur Lösung mancher wichtigen geologischen und zoologischen Frage führen. Profeffor Leidy bemerkt im Eingange seiner Monographie: Was die Pferde-Ueberreste anbelangt, so wird man nach dem, was ich auf den folgenden Seiten anzuführen habe, unstreitig zugeben müffen, daß das Pferd während der nachpleiocenischen Periode, gleichzeitig mit dem Mastodon, Megalonyr und dem großen breitgeftirnten Bison, ein Bewohner der Vereinigten Staaten war"

*),,Ein Huldigungsgruß aus dem Herzen des Volkes". Gedicht zur Feier des Einzuges der erlauchten Neuvermählten in die Hauptstadt Berlin. Am 8. Februar 1858. Von Mar Moltke. Berlin, E. S. Mittler u. Schn. **) Berlin, A. Asher & Comp.

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Literatur des des Auslandes.

No 26.

Türkei.

Die Türkei und ihre Bewohner.

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Berlin, Dienstag den 2. März.

In Paris ist vor einiger Zeit ein bemerkenswerthes, in mehr als Einer Hinsicht intereffantes Werk von Henri Mathieu: „La Turquie et ses différents peuples",") erschienen, auf welches das Journal de Constantinople zuerst aufmerksam machte und wogegen in der türkischen Preffe auch nicht der geringste Widerspruch erhoben worden ist. Daffelbe hat also dort eine Art stillschweigender Billigung gefunden, und man wird dem, was es im Wesentlichen enthält und was der Verfasser, auf Grund längerer Studien im Oriente selbst über seinen Gegenstand ausspricht und mittheilt, auch das ausdrückliche Einverständniß damit nicht versagen können, wenn man das Buch selbst etwas näher ansieht. Wir theilen folgende leitende Gedanken deffelben, als Aeußerungen des wohlunterrichteten Verfassers, mit:

,,Das Streben der französischen Politik ist bisher und seit langen Zeiten auf die Erhaltung des türkischen Reiches, als eines zum Gleichgewicht Europa's nothwendigen Gliedes, gerichtet gewesen; allein das türkische Reich selbst ist nicht zu retten. Dies ergiebt sich, wenn man die Türkei sieht, wie sie ist nicht so, wie man sie uns gewöhnlich darstellt.

In der Türkei wohnen zwei Nationen beisammen: Türken und Griechen, die, unversöhnliche Feinde, sich gegenseitig beobachten und den Augenblick erwarten, um sich zu verschlingen.

Zu Ende des sechzehnten Jahrhunderts war das Verhältniß der griechischen Bevölkerung zu der türkischen wie 1 zu 3; aber schon in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts hatte das Verhältniß sich geändert, oder es war wenigstens im Begriff, sich zu ändern. Gegen wärtig ist das Verhältniß der Griechen zu den Türken wie 4 zu 1; die Bevölkerung auf Seite der Ersteren vermehrt sich fortwährend, dagegen nimmt die Zahl der Lehteren in noch größerem Verhältnisse und um Vieles schneller ab.

Seit dreißig Jahrhunderten haben die Griechen, oftmals besiegt und unterworfen, über ihre Unterdrücker im Laufe der Zeit gleichwohl die Oberhand behauptet, indem sie die fremdartigen Elemente absorbirten und ihre besondere Lebensfähigkeit sich selbst bewahrten. Das eigentliche römische Reich verschwand bereits im Jahr 457 mit Marcianus, und die Griechen gelangten in dessen Befig mit Leo dem Isaurier. Die Herrschaft des Halbmondes neigt sich ihrerseits ebenfalls wieder dem Untergange zu, und eine etwanige Herrschaft der Ruffen über Griechenland würde noch schneller verschwinden. In Thracien würde sich der Zar nur unter der Bedingung behaupten können, daß er die Griechen bewaffnete und ihre Unabhängigkeit erklärte, und die für unabhängig erklärten Griechen würden sich einem neuen Joche nicht unterwerfen. Dafür spricht vornehmlich der in den Jahren 1821 bis 1830 von ihren Brüdern im Peloponnes durchgeführte furchtbare Kampf, der ihnen in seinem endlichen Ausgange wenigstens eine Art Freiheit und Unabhängigkeit gewährte.

Durch die Umstände abgedrungen, muß ebenso der Hat- Humajum, wie früher der Hattischerif von Gülhané und der Tansimat, als eine unzeitige Frucht und gleich einem todtgebornen Kinde spurlos vorüber, gehen, weil seine Ausführung von einer durchgreifenden Reform des politischen sowie des Verwaltungs-Systems des türkischen Reiches bedingt ist. Eine solche Reform der Türkei ist aber nur in Einem Sinne eine Möglichkeit.

Wenn die Unbeweglichkeit der türkischen Race ein unheilbares Uebel ist, wenn jene physische und geistige Thätigkeit, auf welcher die Entwickelung der Nationen beruht, mit der Trägheit der Türken unvereinbar ist, so kann es auch nicht fehlen, daß ihre Rage in kurzem verschwinden wird.

Der Decident muß daher auf den Fall sich vorsehen und gerüstet sein, daß der Versuch, die Gleichheit zwischen der christlichen und

*) Zwei Bände, Paris, Dentu.

1858.

muselmännischen Bevölkerung durchzuführen, zu einer Revolution und dazu führen sollte, daß die Christen an die Stelle der Türken treten. Dieses endliche Resultat läßt sich schon jezt als die natürliche Folge des Hat-Humajum im voraus ahnen und begreifen.

Woran die civilisirte Welt ein unbedingtes Interesse hat, ist das, daß die Türkei weder getheilt, noch von ihren Nachbarn beschüßt werde, und was allein das europäische Gleichgewicht verlangt, ist die Errichtung eines in sich kräftigen Staates, nicht aber die Erhaltung der türkischen Regierung.

Die Gleichheit des kirchlichen Bekenntnisses kann an sich aus der christlichen Türkei ebenso wenig einen Vasallen Rußlands machen, als dies von Spanien im Verhältnisse zu Frankreich gilt.

Das türkische Reich kämpft vergeblich wider die Folgen des krebsartigen Uebels, welches an ihm frißt und zehrt. Der Zustand der Aufregung, in dem es sich befindet, ist kein Zeichen des Lebens, sondern nur ein Symptom des Fiebers, von dem es heimgesucht ist. Palliativmittel können dasselbe nicht retten; selbst Siege in jenem Kampfe könnten nur den Todeskampf verlängern.

Um einer bevorstehenden Katastrophe zuvorzukommen, ruft die Diplomatie die Civilisation im Orient zu Hülfe und bemüht sich, sie in ihrem Interesse den Türken einzuimpfen; allein ihre Versuche find bis jest vergeblich gewesen, und es ist nicht wahrscheinlich, daß fie für die Zukunft glücklicher sein werde. Wenn das Messer die empfindliche Stelle hätte treffen und mit einem Schnitte das freffende Gift entfernen können, so wäre es längst geschehen, und die heilsame Wirkung hätte sichtbar werden müssen. Die Diplomatie ist frei von jeder Sentimentalität.

Der Zweck meines Werkes ist darauf gerichtet, von den Unwettern und Stürmen, welche sich im Orient zusammenziehen und immer drohender sich anhäufen, ein treues Gemälde zu entwerfen und die Türkei in ihrem wahren Lichte, mit ihren geheimsten Schäden und Wunden, zu zeigen. Ich vertheidige keine Hypothese, ich habe kein System; weder Zuneigung noch Haß haben auf mich Ein fluß, und wenn die Menschen der Natur gleichen, wenn der Geschichtschreiber, wie der Maler, seinen Gegenstand vor Augen haben muß, um ihn mit seinen wirklichen Farben darstellen zu können, so habe ich die Gegenstände in der Nähe gesehen und studirt, die ich schildere, und ich könnte in Bezug auf die Dinge und auf die Zustände im Oriente mit dem vielgewanderten Odysseus fagen, daß ich:

Bieler Menschen Städte gesehen und Sitte gelernt.

Ein so reicher Landstrich, wie die Gesammtheit der Länder der Türkei, sollte von einer zahlreichen Bevölkerung bewohnt sein, aber man stößt dort nur auf Einöden, als ob die Pest unter diesem herrlichen Himmel herrschte. In der Nähe größerer Städte trifft man einige, von Griechen, sowie von anderen chriftlichen Völkerschaften, die sich vorzugsweise mit dem Ackerbau abgeben, angebaute Ländereien; alles Uebrige aber ist eine wüste Einöde.

Das Uebermaß der Sklaverei, die Willkür-Herrschaft der Pascha's, der Mangel alles und jedes Eigenthumsrechts und seiner gefeßlichen Uebertragung haben dieses schöne Land so sehr entnationalisirt, daß jede Fahne, die dort wider die Türken entfaltet werden würde, bald die ganze Bevölkerung unter sich vereinigen würde.

Der Türke liebt nur die Träumereien, in die er sich mit Hülfe feines Tschibuks zu versezen versteht; er kennt keinen anderen Ehr geiz, als den, in der Unthätigkeit zu leben. Poffenreißer, wollüftige Tänze und Marionetten machen heutzutage die besonderen Zerstreuungen der Türken aus; Trübfinn und Ueberdruß verdunkeln ihre Phyfiognomie, und Fröhlichkeit ist in ihren Augen eine Unschicklichkeit. Man findet bei ihnen weder gesellige Zusammenkünfte, noch Freundschafts-Bündnisse. Die fißende Lebensart der Türken erzeugt bei ihnen die Neigung zu den verschiedenartigsten Krankheiten der Verdauungs-Organe, wie Hartleibigkeit, Hypochondrie, Gelbsucht, Waffersucht, und schwächt ihre Zeugungskraft.

Die Türken, die alle anderen Nationen gleichmäßig verachten, vermengen die civilifirten Völker und die Rajas ihres Reichs mit ein

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