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ftrengtes Arbeiten von einigen Wochen funfzig, vielleicht hundert Thaler einbringt, die dann nicht erbeten, sondern erarbeitet sind, veranlaßt ihn zu der folgenden Expectoration:

"Ich weiß sehr gut, daß, was ich eben ausgesprochen habe, Ihnen nicht in die Ohren kigeln kann. Ich habe aber es auszusprechen erftlich deswegen ein Recht, weil, obgleich ich die Universität vor einem Menschenalter verließ, ich nie aufgehört habe, wo es die Ehre gilt, wie ein Student zu fühlen, und weil ich der Ansicht bin, daß, wenn man achtet, man auch tadeln darf. Ich habe aber dazu zwei tens die Pflicht. Ich habe schon bemerkt, daß sie einmal die eigent liche Aristokratie Deutschlands, die der studirten Leute, mit bilden werden. Von oben her, bei der Aristokratie, beginnen nach einem sehr begreiflichen Geseze alle Reformen und Revolutionen. Wie Sie einst denken werden, so wird eine oder einige Generationen später die Mehr zahl der niedriger Stehenden denken. Nun giebt es aber bei diesen einen Punkt, wo reformirt und regenerirt werden muß, wenn nicht unser ganzes Volk herunterkommen soll. Es handelt sich darum, den Grundsaß, den ich vorhin als den der alten guten Zeit bezeichnete, unserem Volk wieder einzuimpfen, daß Armuth keine Schande sei, wohl aber Almosen nehmen oder gar erbitten. Dieser Grundsaß ist und wird immer mehr vergeffen, und zwar durch Schuld der höheren und vornehmeren Stände. Bei diesen ist es allmählich dazu gekommen, daß es als Zeichen der Vornehmheit und Christlichkeit gilt, wenn man ohne Erröthen zu betteln versteht. Hier stirbt einem Bürger eine Kuh, augenblicklich wird in höheren Kreisen gebettelt. Hier fällt es Einem ein, lüderliche Handwerksgesellen tugendhaft zu machen; ohne Geld thun die das nicht, also man bettelt Geld zusammen. Da feiert irgend ein verdienter Mann sein Jubiläum; Verdienste ohne einen silbernen Pokal sind unserer pokulirenden Zeit ein hölzernes Eisen; die Bettelliste geht umher bei Leuten, die jenen Ehrenmann nie sahen und nie etwas mit ihm zu theilen hatten. In den feinsten und höchsten Kreisen ist es so weit gekommen, daß man nie in Gesellschaft gehen kann, ohne (wie man sich mit Pfennigen versieht, wenn man über die böhmische Gränze geht) Geld, viel Geld mitzunehmen, weil man gefaßt sein muß, daß hier eine Präsidentin, dort eine Gräfin mit Loosen zu wohlthätigen Zwecken oder ganz simpel mit dem sammelnden Teller herumgehen wird. Sie betteln, und weil bei ihrer Stellung man ihnen nichts abschlagen darf, ist es ein Betteln mit dem drohenden Knittel in der Hand; es ist ein purer Zwang,,,sanfter Kommunismus“, wie ein geistreicher Freund es nannte. Wenn aber nun der gemeine Mann sieht, wie die Vornehmen, die Gräfinnen und Prinzessinnen betteln, wie soll es ihm wohl einfallen, schamroth zu werden, weil er auch nach dem Bettelsack greift?... Wer Geschenke annimmt oder gar erbettelt, mit dem ist Alles zu machen; der läßt sich eben etwas bieten".")

"

Die Beantwortung der Frage: Welche politische Ueberzeugung ziemt dem wahren Studenten?" wird mit folgenden Worten eingeleitet:

,,Da ich als das Wesen der Ueberzeugung dies angegeben habe, daß sie von dem, der sie hat, selbst erzeugt sei, so kann auch der Sinn dieser Frage nicht der sein, daß, was der Student für wahr halten solle, ich Ihnen angebe. Ob die monarchische Staatsform, ob die republikanische die beste, ob nur eine von beiden die vernünftige ist, diese und ähnliche Fragen zu beantworten, ist hier nicht die Aufgabe, sondern es handelt sich darum, zu finden, ob nicht hinsichtlich dessen, was man die Farbe einer politischen Ansicht zu nennen pflegt, aus dem, was wir bisher gefunden, sich etwas folgern ließe. Fänden wir auch nur das Eine, daß gewisse Farben, z. B. das sogenannte Changeant, unzulässig sind, so wäre das schon ein Gewinn."

Nachdem dann der Verfasser die Bezeichnungen: radikal, liberal, konservativ, absolut, revolutionair und reactionair, servil und destruktiv, Heuler und Wühler erörtert und gefunden, daß sie alle nicht ganz passend find, fährt er fort:

„Am logischsten, weil darin wirklich ein Gegensaß enthalten ist, am kältesten und objektivsten, weil sie keinen Tadel enthält, scheint die Bezeichnung zu sein, welche die verschiedenen politischen Ansichten mit Bewegungen in entgegengeseßter Nichtung vergleicht und demgemäß von solchen spricht, die vorwärts und die rückwärts streben, von Progreffiften und Regressiften. Ich will zugestehen, es sind denkbar und existiren wirklich zwei verschiedene politische Ansichten, von denen die eine zum Fortschritt aufmuntert und Vorwärts! ruft, die andere zur Umkehr mahnt und Rückwärts! kommandirt. Auf die Frage aber: ,,Welches ist die Parole des wahren Studenten?" antworte ich:,,Aufwärts!" - Was damit gesagt sein soll, ergiebt sich aus den folgenden Worten:

„Diese Ansicht, die ich bisher nur mit Anknüpfung an ein Bild

*) Daß hier und da mit dieser Art von Wohlthätigkeitsübung auch Miss brauch getrieben werde, ist wohl nicht in Abrede zu stellen; doch im Allgemeinen ist diese Verurtheilung der Geldsammlungen für Arme ebenso parador als ungerecht. D. R.

charakterisirt habe, schreibe ich dem zu, der weder mit den Rückwärts. blickenden den Grundsaß (der Jesuiten) festhält: So muß es sein, denn so ist es gewesen; noch den diametral entgegengeseßten (des Mephistopheles): Was ist, muß dem Neuen Plaß machen, zu seiner Devise macht, noch endlich wie das juste milieu nur erwartet, was da kommen wird, sondern welcher erkennt und will, was sein muß, weil es sein soll, welcher, wo er an dem Seienden festhält, es thut, nicht weil es exi stirt, sondern weil er es als vernünftig erkannt hat; wo er eine Veränderung fordert, es nicht aus Neuerungssucht thut, sondern weil er weiß und also auch beweisen kann, daß das Bestehende unvernünftig, die Veränderung nothwendig ist. Da vernünftige Nothwendigkeit mit dem zusammenfällt, was wir die Idee nennen, so wird nicht als eine, sondern als die einzig mögliche Farbe der politischen Ansicht des Studenten die ideale angegeben werden müssen, welche nur das im Staate als berechtigt ansieht, was der Idee entspricht. Wer in dem Staate nur die Vernunft sieht und anerkennt, der beschäftigt sich, da er selber ja Vernunft ist, mit sich selbst, mit dem, was sein eigent liches wahres Leben ausmacht; und wenn in diesem nicht bei einem Fremden sondern bei sich Sein das besteht, was wir Freiheit nennen, so wird also die freie oder liberale Ansicht vom Staate wiederum nicht nur eine der zu ergreifenden, sondern die allein erlaubte für den Studenten sein".

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Die Frage, wie es mit dem Studenten stehe in Bezug auf den Unterschied des Staatskünstlers und des Staatstheoretikers, ist in den folgenden Sägen beantwortet:

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,,Da ihm der feste Punkt der Stand fehlt, von dem aug er versuchen könnte, der Wirklichkeit beizukommen, so ist ihm natürlich nicht die Rolle des Staatskünstlers zugewiesen, sondern die des Theoretikers, und zwar, aus dem angeführten Grunde, des allerrücksichtslosesten Theoretikere, der nur herausbringen will, was vernünftig ist, und der die Frage über die gegenwärtige Ausführbarkeit als etwas, das ihn nichts angeht, bei Seite läßt. Wie zu seiner Zeit das als vernünftig Erkannte auszuführen ist, wird sich schon finden, wenn seine Zeit erst gekommen fein wird. Zeit erst gekommen sein wird. —— Man hat behauptet, daß die von allem Gegebenen absehende Politik, mit welcher sich die Burschenschafter gleich nach den Freiheitskriegen beschäftigt haben, ein Beweis sei dafür, daß das rücksichtslose Theoretisiren verderblich sei. Man vergißt dabei, daß in jener Zeit die Studenten leider sich nicht damit begnügten, zu theoretisiren, Politik zu treiben, sondern daß fie sogleich Politik zu machen versuchten und dieses lezteren Zweckes halber immer das Wie der Ausführung mit zur Sprache kam, dadurch aber auch die Theorie nicht Zeit hatte, sich zu krystallisiren und abzuschließen. Dieses vor- und unzeitige Buhlen mit der praktischen Wirksamkeit ist an sich und in seinen Folgen ganz das, was das Buhlereitreiben vor erlangter Geschlechtsreife und eingegangener Ehe. An sich, wie jenes, verbrecherisch; darum fehen wir jenes Politikmachen begleitet von dem verbrecherischen Versuche, Offiziere zur Uebergabe von Festungen zu überreden, ja von dem vollbrachten Verbrechen des Meuchelmordes. In seinen Folgen, indem es, wie jenes, impotent macht. Das Jahr 1848 hat gezeigt, wie viele von denen, die auf der Universität die politische Praxis hatten antizipiren wollen, als ihnen eine Gewalt gegeben war, wie nicht leicht Menschen in Deutschland gehabt haben, nichts machen konnten“.

Die Garaptie dafür, daß eine solche ganz rücksichtslos vom Freisinn diktirte Theorie nicht eine ganz unausführbare werde, findet Herr Profeffor Erdmann in dem patriotischen Sinn des Studenten.

Die sehr interessanten Betrachtungen über das Studentenduell finden wir in folgenden Säßen zusammengefaßt:

Die Ehre ist für den Studenten die Atmosphäre, ohne die er nicht leben kann; Ehrlosigkeit ist seine Verdammniß und ex inferno nulla redemptio; die Empfindlichkeit hinsichts ihrer kann daher gar nicht groß genug sein, und ihre Verlegung darf nicht ohne die Reparation gelassen werden, welche der Staat nicht geben kann, die Studentensitte aber postulirt. Bis jezt verlangte diese, wie beim Offizier, das Duell, nur daß das Studentenduell zugleich die Bedeutung eines gefährlichen, Muth und Geschicklichkeit zeigenden Waffenspiels hat. Ob die Zeit des Duells vorüber ist, ob an feine Stelle Ehrengerichte oder irgend etwas Anderes treten soll, kann sich nur dadurch entscheiden, daß sich die Ausgezeichnetsten darüber vereinigen. Eine solche Vereinigung bedarf des genauesten gegenseitigen sich Aussprechens unter den verschiedensten Ansichten, wird daher unmöglich, wo gegenseitige Aechtung, Mißtrauen die Verständigung unmöglich macht. Wer also eine solche wünscht, um eine bessere Sitte herrschend zu machen, thut am besten, nicht sogleich mit dem Bestehenden zu brechen, sondern sich demselben insoweit zu akkommodiren, als davon die Möglichkeit einer Wirksamkeit abhängt. Wer dies nicht will, sei auf die Folgen gefaßt, die überall den Neuerer treffen, und trage diese selbst; denn sonst paziszirt er doch mit dem Bestehenden“.

Der Schluß der Vorlesung, in welcher die Studenten-Verbin dungen besprochen sind, lautet:,,Wenn es auch seine Richtigkeit haben

follte mit den Gefahren des Corps- und Verbindungs-Lebens, so werden sie mich doch nicht davon abbringen, was Nachdenken und Erfahrung mir sicher gestellt haben, daß es ein sehr wichtiges sittliches sowohl als intellektuelles Bildungsmittel ist, einer großen Verbindung anzugehören, die zu allen übrigen in dem ehrenhaften Verhältniß gegenseitiger Anerkennung steht. Darum ist es nicht nur die Rückficht auf die ungeheure Anzahl der Stiftungstage, welche mich wünschen läßt, daß für Halle eine Zeit komme, wo Zwanzig bis Dreißig nicht für eine große Zahl, sondern für kaum hinreichend gelten werden, um eine Verbindung zu gründen, und wo in jeder nicht nur die verschiedenen Fakultäten, sondern auch die verschiedensten Ansichten werden vertreten sein. - Leidenschaftlicher Anhänger von allem Festhalten an Standesberechtigung und Standesvorzug, bin ich von vorn herein für Jeden eingenommen, welcher nicht aufgeben will, was nach seiner Anficht seinem Stande zukommt. Indeß bin ich doch auch nicht so verblendet, daß ich nicht, wo Größeres dadurch erkauft werden kann, die Wahrheit des Sprüchworts einfähe, daß Nachgeben ein Beweis fei von mehr als Vornehmer von Klüger sein".

Die vorstehenden Mittheilungen werden noch mehr als die Ueberficht, die wir über den Inhalt des Buches gegeben haben, unsere Leser überzeugt haben, daß dieses Buch ein höchst gediegenes Werk eines durch die Wissenschaft und das sittliche Leben zugleich gereiften Denkers ist, ein Werk, in Bezug auf welches ein Jeder, der es gelesen hat und der seinen wissenschaftlichen und sittlichen Werth zu würdigen vermag, den Wunsch hegen muß, daß recht Viele sich seinen Inhalt zu eigen machen mögen. Dr. Hr.

Shakspeare, Victor Hugo und Holtei.

Wir haben in diesen Blättern bereits das reichhaltige, 43 Bogen ftarke Album empfohlen, das Karl von Holtei, unser nach Graz in Steiermark verschlagener, liebenswürdiger norddeutscher Landsmann, zum Besten des dortigen evangelischen Friedhofs herausgegeben.") Man verschafft sich mit diesem Buche eine ganze Bibliothek von wissenschaftlicher und unterhaltender Prosa, von deutscher und ausländischer Poesie. Es giebt daher für die Winterabende auf dem Lande, sowie für diejenigen, die etwa eine längere Reise machen und sich Lektüre mitnehmen wollen, kaum ein empfehlenswertheres, wohlfeileres Buch, als dieses Holtei-Album", dem wir gern auch auf dem Titelblatte diesen Namen gewünscht hätten, da der Friedhofs-Titel, fo berechtigt er auch auf die Wohlthätigkeitsliebe deutscher Leser, doch für manche vielleicht nicht einladend genug ist, das Buch zu kaufen. Das Ausland, unsere Domäne, wird darin durch vielfache poetische Beiträge vertreten. Unter Anderem findet sich aber auch von Holtei selbst eine poetische Perfiflage Victor Hugo's und der sogenannten „romantischen Schule“ der Franzosen in Bezug auf ihre Auffaffung des großen Shakspeare. Wir lassen hier die beiden Gedichte folgen, die auch ein literargeschichtliches Interesse haben:

Wie Herr Victor Hugo den William Shakspeare ansieht. (Aus dem Französischen so wortgetreu als möglich überseßt.)

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Anweht; wie seine Finger uns die Seite 10)

Aufreißen 11) und durchwühlen 12). Niemals zagt 13) Er!
Er ist ein Riese, und er båndiget
Richard den Dritten, jenen Leoparden,

So wie das plumpe Urthier 14) Caliban.
Das Ideal nur ist der Wein, den dieser
Bacchus kredenzt. Die ungeheuren Stoffe 15),

Die Er ergriffen und bewältigt hat,

Röcheln 10) um ihn herum, schön 17) oder häßlich 1o).
Er fnebelt 19) Lear, Brutus und Hamlet, Wesen
Gewalt'ger Gattung; so die Capulets,

Montague's, Cäsar; oder Heren 20) hier

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Ein wahrer Dichter wurdest Du geboren,

Und Deine Jugendfänge drangen weit;

Nur allzufrüh hast Du Dich selbst verloren

In Deiner unbegränzten Eitelkeit.

Sie riß Dich fort zu toll-blind- wüth'gem Walten,

Du wolltest Kunst wie Leben umgestalten; Ganz ohne Maß, Besonnenheit und Plan, Verliefst Du immer tiefer Dich in Wahn. Du wähntest, den Franzosen Das zu werden, Was Gottes Macht nur Einem Einz'gen gab; Für zwei Shakspeare ist nicht Raum auf Erden! So trat❜st Du frevelnd auf sein heilig Grab Und äfftest nach in traurigem Verkennen, Was blut'ge Schauder Du an ihm genannt; Du wagtest wild und grausam ihn zu nennen, Den Sanftesten, den je die Welt gekannt, Den mildesten Beherrscher alles Schönen, Den frömmsten Mann, der, göttlich-rein gesinnt, Des Lebens Zwiespalt wußte zu verföhnen, Voll Weisheit und voll Einfalt, wie ein Kind. Dir ist's ein Raubthier, das die blut'gen Krallen In Menschenherzen tückisch-grausam schlägt! Mir ist's ein Cherub, der zum Wohlgefallen Des Himmels uns empor gen Himmel trägt. Man täuscht auf Jahre, -täuscht nicht sein Jahrhundert, Und als Tragöde hast Du nur gegleißt; Drum fragten Viele oft und still-verwundert: Wie kommt's, daß dieser reichbegabte Geift Von Shakspeare spricht mit tönender Emphase Und es am Ende zu nichts Höh'rem bringt, Als zur Gestaltung einer hohlen Phrase, Die ohne inn'res Leben schallt und klingt? Jezt seh'n wir klar. Du sprachest unumwunden Durch Deine Verse über Dich den Bann, Nun weiß man doch, was Du in ihm gefunden, Was man von Dir erwarten darf und kann.

Mannigfaltiges.

Holtei.

ulibischeff. Am 5ten d. Monats (24. Januar a. S.) starb in Nijni-Novgorod der russische Kunstkritiker Alexander Dmitrijewitsch ulibischeff (YAы16ышевb), dessen geistreiche Werke über Mozart und Beethoven ihm weit über die Gränzen seines Vaterlandes hinaus einen geachteten Namen erworben haben. Aus einer wohlhabenden adeligen Familie tatarischer Abkunft entsproffen, war er frühzeitig in Staatsdienste getreten, in welchen er den Rang eines wirklichen Staatsraths erreichte; die leßten dreißig Jahre seines Lebens hatte er jedoch meist auf seinen Gütern im Gouvernement Nijni-Novgorod verbracht, wo er, von den Geschäften zurückgezogen, sich ganz den musikalischen Studien hingab, deren Früchte ihm ein ehrenvolles Andenken in der europäischen Kunstgeschichte sichern werden.

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10) flanc. 11) ouvrir. 12) fouiller. 13) jamais il ne recule. 17) splendi 14) mastodonte. 15) sujets monstrueux. 16) râlent. 20) stryges. 21) sinistre. des. 18) difformes. 19) étreint. 22) lambeaux. 23) il se repose. 24) du drame alphabet effrayant. 25) le noir lion des jongles.

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Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei tas Haus geliefert wird.

No 23.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Reumann, Niederwallstr. Nr. 21), sowie von allen königl. Post-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Mexiko.

Berlin, Dienstag den 23. Februar.

Die Erhebung des Vulkans von Jorullo.

Nach Alerander v. Humboldt.

Der kürzlich erschienene vierte Band des „Kosmos", der in seinem zweiten Abschnitte die,, Reaction des Innern der Erde gegen die Oberfläche“ zum Gegenstande hat, behandelt zunächst die Erdbeben, die der Verfaffer in drei Kategorieen scheidet: 1) in solche, die auf den kleinsten Raum eingeschränkt sind und offenbar der Thätigkeit eines Vulkans ihren Ursprung verdanken; 2) diejenige Gattung, welcher große Ausbrüche von Vulkanen zu folgen oder auch voranzugehen pflegen, für welche Gattung die Vulkane gewissermaßen als Sicherheits- Ventile zu betrachten; 3) endlich diejenigen Erdbeben, die ebenso unvulkanische als vulkanische Länder in großen Strecken durchziehen, ohne irgend einen bemerkbaren Einfluß auf die nahen Vulkane auszuüben. Diese dritte Gattung erinnert, wie der Verfasser des „Kosmos" bemerkt, am überzeugendsten an die Existenz einer allgemeinen Ursache aller Erdbeben, die in der thermischen Beschaffenheit des Innern unseres Planeten liegt.

Zu der leztgedachten dritten Gruppe gehört auch der, wiewohl feltene Fall, daß in unvulkanischen und durch Erdbeben wenig erschreckten Ländern, auf dem eingeschränktesten Raume, der Boden Monate lang ununterbrochen zittert, so daß man eine Hebung, die Bildung eines thätigen Vulkans, zu besorgen anfängt. Als am 29. September 1759 im Innern von Mexiko, am westlichen Abfalle des Hochlandes von Mechoacan, die bis dahin kultivirt ge= wesene Fläche von Jorullo neunzig Tage lang ununterbrochen erbebte, stieg mit einemmale ein vulkanischer Berg von 1580 Fuß über der Ebene (4000 Fuß über dem Meere) mit vielen Tausenden ihn umgebender, 5-7 Fuß hoher Basalt-Kegel (los hornitos) empor und ergoß einen mächtigen Lavastrom. Die beiden kleinen Flüsse, Rio de Cuitimba und Rio de San Pedro, verschwanden und erschienen einige Zeit nachher unter furchtbaren Erdstößen als heiße Quellen.

Humboldt, der im Jahre 1803 das Terrain von Jorullo untersuchte, hat zuerst in seinem „, Essai politique sur la Nouvelle Espagne" (1811) die wissenschaftliche Welt auf dieses vulkanische Phänomen hingewiesen und zugleich die erste topographische Vermessung des Jorullo bekannt gemacht. In neuerer Zeit hat ein mexikanischer Geistlicher, Don Juan José Pastor Morales, den Bericht eines Augenzeugen jenes merkwürdigen Ereigniffes, eines Priesters in einem nahe dem Schauplage gelegen gewesenen Indianer-Dorfe, entdeckt. Hiernach, sowie nach anderen ihm gewordenen ergänzenden Berichten, vervollständigt nun der Verfasser des „Kosmos" seine frühere, in viele Lehrbücher) übergegangene Schilderung. Wir erlauben uns, diese ebenso anziehende, als belehrende Episode des „Kosmos" unseren Lesern hier mitzutheilen.

,,In der Reihe der mexikanischen Vulkane ist das größte und, seit meiner amerikanischen Reise, berufenste Phänomen die Erhebung und der Lava-Erguß des neu erschienenen Jorullo. Dieser Vulkan, deffen auf Messungen gegründete Topographie ich zuerst bekannt gemacht habe, bietet durch seine Lage zwischen den beiden Vulkanen von Toluca und Colima, und durch seinen Ausbruch auf der großen Spalte vulkanischer Thätigkeit, welche sich vom Atlantischen Meere bis an die Südsee erstreckt, eine wichtige und deshalb um so mehr bestrittene geognostische Erscheinung dar. Dem mächtigen Lavastrom folgend, welchen der neue Vulkan ausgestoßen, ist es mir gelungen, tief in das Innere des Kraters zu gelangen und in demselben Instrumente aufzustellen. Dem Ausbruch in einer weiten, lange friedlichen Ebene der ehemaligen Provinz Mechoacan in der Nacht vom 28. zum 29. September 1759, über 30 geographische Meilen von jedem anderen Vul

*) unter Anderem auch in das treffliche „Handbuch der Erdkunde" von G. A. v. Klöden, Bo. I, Lief. III, wo sich auch eine Abbildung des Jorullo und der „Hornitos" befindet. D. R.

1858.

kane entfernt, ging feit dem 29. Juni desselben Jahres, also zwei volle Monate lang, ein ununterbrochenes unterirdisches Getöse voraus. Es war dasselbe dadurch schon von den wunderbaren bramidos von Guanaruato, die ich an einem anderen Orte beschrieben, verschie den, daß es, wie es gewöhnlicher der Fall ist, von Erdstößen beglei tet war, welche der silberreichen Bergstadt im Januar 1784 gänzlich fehlten. Der Ausbruch des neuen Vulkans um 3 Uhr Morgens verkündigte sich Tages vorher durch eine Erscheinung, welche bei anderen Eruptionen nicht den Anfang, sondern das Ende zu bezeichnen pflegt. Da, wo gegenwärtig der große Vulkan steht, war ehemals ein dichtes Gebüsch von der, ihrer wohlschmeckenden Früchte wegen, bei den Eingebornen so beliebten Guayava (Psidium pyriferum). Arbeiter aus den Zuckerrohr-Feldern (cañaverales) der Hacienda de San Pedro Jorullo, welche dem reichen, damals in Meriko wohnenden Don Andres Pimentel gehörte, waren ausgegangen, um Guayava-Früchte zu sammeln. Als sie nach der Meierei (hacienda) zurückkehrten, bemerkte man mit Erstaunen, daß ihre großen Strohhüte mit vulkanischer Asche bedeckt waren. Es hatten sich demnach schon in dem, was man jezt das Malpais nennt, wahrscheinlich am Fuß der hohen Basaltfuppe el Cuiche, Spalten geöffnet, welche diese Asche (Rapilli) ausstießen, che noch in der Ebene sich etwas zu verändern schien. Aus einem in den bischöflichen Archiven von Valladolid aufgefundenen Briefe des Pater Joaquin de Ansogorri, welcher drei Wochen nach dem Tage des ersten Ausbruchs geschrieben ist, scheint zu erhellen, daß der Pater Isidro Molina, aus dem Jesuiter-Kollegium des nahen Pagcuaro, hingesandt,,, um den von dem unterirdischen Getöse und den Erdbeben aufs äußerste beunruhigten Bewohnern der Playas de Jorullo geistlichen Trost zu geben", zuerst die zunehmende Gefahr erkannte und dadurch die Rettung der ganzen kleinen Bevölkerung veranlaßte.

In den ersten Stunden der Nacht lag die schwarze Asche schon einen Fuß hoch; Alles floh gegen die Anhöhen von Aguasarco zu, einem Indianer-Dörfchen, das 2260 Fuß höher als die alte Ebene von Jorullo liegt. Von diesen Höhen aus sah man (so geht die Tradition) eine große Strecke Landes in furchtbarem Feuerausbruch, und mitten zwischen den Flammen (wie sich die ausdrückten, welche das Berg-Aufsteigen erlebt) erschien, gleich einem schwarzen Kastell (castillo negro), ein großer unförmiger Klumpen (bulto grande)". Bei der geringen Bevölkerung der Gegend (die Indigo- und Baumwollen-Kultur wurde damals nur sehr schwach betrieben) hat selbst die Stärke langdauernder Erdbeben kein Menschenleben gekostet, obgleich durch dieselben, wie ich aus handschriftlichen Nachrichten ersehen, bei den Kupfergruben von Inguaran, in dem Städtchen Pazcuaro in Santiago de Ario, und viele Meilen weiter, doch nicht über S. Pedro Churumuco hinaus, Häuser umgestürzt worden waren. In der Hacienda de Jorullo hatte man bei der allgemeinen nächtlichen Flucht einen taubstummen Negersklaven mitzunehmen vergessen. Ein Mestize hatte die Menschlichkeit, umzukehren und ihn, als die Wohnung noch stand, zu retten. Man erzählt gern noch heute, daß man ihn knieend, eine geweihte Kerze in der Hand, vor dem Bilde de Nuestra Señora de Guadalupe gefunden habe.

Nach der weit und übereinstimmend unter den Eingebornen verbreiteten Tradition, soll in den ersten Tagen der Ausbruch von großen Felsmaffen, Schlacken, Sand und Asche immer auch mit einem Erguß von schlammigem Wasser verbunden gewesen sein. In dem vorerwähnten denkwürdigen Berichte vom 19. Oktober 1759, der einen Mann zum Verfasser hat, welcher mit genauer Lokalkenntniß das eben erst Vorgefallene schildert, heißt es ausdrücklich: que espele el dicho Volcan arena, ceniza y agua. Alle Augenzeugen erzählen (ich überseße aus der Beschreibung, welche der Intendant, Oberst Riaño, und der deutsche Berg-Kommissar Franz Fischer, der in spanische Dieufte getreten war, über den Zustand des Vulkans von Jorullo am 10. März 1789 geliefert haben): „daß, ehe der furchtbare Berg erschien (antes de reventar y aparecerse este terrible Cerro), die Erdftöße und das unterirdische Getöse fich häuften; am Tage des Ausbruchs selbft aber

der flache Boden sich sichtbar senkrecht erhob (se observó, que el plan de la tierra se levantaba perpendicularmente) und das Ganze fich mehr oder weniger aufblähte, so daß Blasen (vexigones) erschienen, deren größte heute der Vulkan ist (de los que el mayor es hoy el Cerro del Volcan). Diese aufgetriebenen Blasen, von sehr verschiedenem Umfang und zum Theil ziemlich regelmäßiger konischer Gestalt, plaßten später (estas ampollas, gruesas vegigas ó conos diferentemente regulares en sus figuras y tamaños, reventáron despues) und stießen aus ihren Mündungen kochend heißen Erdschlamm (tierras hervidas y calientes) wie verschlackte Steinmassen (piedras cocidas? y fundidas) aus, die man, mit schwarzen Steinmassen bedeckt, noch bis in ungeheure Ferne auffindet."

Diese historischen Nachrichten, die man freilich ausführlicher wünschte, stimmen vollkommen mit dem überein, was ich aus dem Munde der Eingebornen, 14 Jahre nach der Besteigung des Antonio de Riaño, vernahm. Auf die Fragen, ob man,,das Berg-Kastell" nach Monaten oder Jahren fich allmählich habe erhöhen sehen, oder vb es gleich in den ersten Tagen schon als ein hoher Gipfel erschie nen sei? war keine Antwort zu erhalten. Riaño's Behauptung, daß Eruptionen noch in den ersten 16 bis 17 Jahren vorgefallen wären, also bis 1776, wurde, als unwahr, geleugnet. Die Erscheinungen von kleinen Wasser- und Schlamm - Ausbrüchen, die in den ersten Tagen gleichzeitig mit den glühenden Schlacken bemerkt wurden, werden, nach der Sage, dem Versiegen zweier Bäche zugeschrieben, welche, an dem westlichen Abhange des Gebirges von Santa Ines, also östlich vom Cerro de Cuiche, entspringend, die Zuckerrohrfelder der ehemaligen Hacienda de San Pedro de Jorullo reichlich bewäfferten und weit in Westen nach der Hacienda de la Presentacion fortströmten. Man zeigt noch nahe bei ihrem Ursprunge den Punkt, wo sie in einer Kluft mit ihren einst kalten Wassern bei Erhebung des östlichen Randes des Malpais verschwunden sind. Unter den Hornitos weglaufend, erscheinen sie (das ist die allgemeine Meinung der Landleute) erwärmt als zwei Thermalquellen wieder. Da der gehobene Theil des Malpais dort fast senkrecht abgestürzt ist, so bilden sie die zwei kleinen Wasserfälle, die ich gesehen und in meine Zeichnung aufgenommen habe. Jedem derselben ist der frühere Name, Rio de San Pedro und Rio de Cuitimba, erhalten worden. Ich habe an diesem Punkte die Temperatur der dampfenden Waffer 52°,7 gefunden. Die Wasser sind auf ihrem langen Wege nur erwärmt, aber nicht gesäuert worden. Die Reaktiv - Papiere, welche ich die Gewohnheit hatte mit mir zu führen, erlitten keine Veränderung; aber weiterhin, nahe bei der Hacienda de la Presentacion, gegen die Sierra de las Canoas zu, sprudelt eine mit geschwefeltem Wasserstoffgas geschwängerte Quelle, die ein Becken von 20 Fuß Breite bildet.

theilen wir noch Folgendes nach den Berichten des Londoner Athenaeum, sowie der amtlichen, neapolitanischen Zeitung, mit: Seit zwei Jahren fanden die Eruptionen des Vesuvs in ununterbrochener Folge statt; kurz vor dem Erdbeben hörten sie jedoch auf; der Auswurfs-Kegel, den die Schlacken des Vulkans in neuerer Zeit gebildet hatten, stürzte ein, und statt der nächtlichen starken Feuersäule war nur noch ein schwach leuchtendes Flämmchen zu erblicken. Die Brunnen von Refina®) waren in den leßten Monaten ganz ausgetrocknet. Auch waren leichtere Erdstöße in verschiedenen Theilen des Königreiches während dieser Zeit schon bemerkt worden.

Wie das Giornale delle due Sicilie vom 30. Dezember 1857 berichtet, hat man in Salandro, einer Gemeinde in Bafilicata, die mit am meisten durch das Erdbeben gelitten, vier Wochen lang vor Eintritt desselben eine Gasströmung wahrgenommen, die einem Wafferlauf entstieg, und zwar soll die Hige derselben der des Sonnenstrahls gleich gewesen sein. Später, und zwar einige Tage vor dem Erdbeben, bemerkte man dort an einer anderen Stelle, und zwar ebenfalls an einer Wasser-Lache, eine ähnliche Gasströmung. Diese Exhalationen wurden nur des Morgens, nicht aber auch zu den übrigen Tagesstunden, wahrgenommen. Am 22. Dezember hörten sie ganz und gar auf, und erwartete man in Salandro, daß künftig an jenen Stellen heiße Mineralquellen entspringen würden.

Dasselbe Journal vom 2. Januar 1858 erzählt: In der Gegend von Bella, ungefähr zwei Stunden von dieser Stadt, hat das Erdbeben in der Nacht vom 16. Dezember die benachbarten Hügel völlig nivellirt, die Erde über einander gerollt und tiefe Thäler gebildet. Eine halbe Stunde vor dem ersten Erdstoße wurde ein Licht, so hell wie der Mond, gesehen, das die Landschaft beleuchtete, und eine wie Schwefelgeruch faulige Ausdünstung wurde wahrgenommen. Am Morgen nach den Erdstößen fand man ein Stück Landes, ungefähr 600 Morgen groß, von einem 10-12 Palmen tiefen und ebenso breiten Einschnitt umgeben.

Aus Vallo wird berichtet: Wenige Minuten vor dem ersten Stoße wurde im Flusse ein schwirrender Ton gehört, als ob eine große Masse von Steinen durch den Strom herabgewälzt würde. Am folgenden Tage zeigten sich große Spalten und Nisse in der Landschaft, die anfangs sehr weit waren, jedoch allmählich sich wieder schlossen.

Ein Reisender schreibt: Während ich in Polla war, hob sich der Boden beständig. Einst eine schön gelegene Stadt von 7000 Seelen, liegt dieser Ort jezt halb in Ruinen. Die überlebenden Einwohner saßen händeringend da und jammerten, da es an Menschen fehlte, um die Verschütteten auszugraben und die Todten zu beerdigen. Hier, wie in Neapel, find die Erdstöße von einem schweren, dumpfen Nollen angekündigt und begleitet gewesen.

Um sich von der komplizirten Reliefform der Bodenfläche einen klaren Begriff zu machen, in welcher so merkwürdige Erhebungen Die kleine Stadt Sasso, nahe bei Castelabbate, ist in der vorgefallen sind, muß man hypsometrisch und morphologisch unter- Nacht vom 26. Dezember ihrer ganzen Länge nach, da sie hauptsächscheiden: 1) die Lage des Vulkan-Systems von Jorullo im Verhältlich aus Einer langen Straße besteht, in zwei Theile gespalten worden, niß zu dem mittleren Niveau der merikanischen Hochebene; die Kon- indem gerade in der Mitte ein Riß entstand, der eine ziemlich verität des Malpais, das von Tausenden von Hornitos bedeckt ist; breite Kluft zwischen der einen Hälfte des Ortes und der anderen 3) die Spalte, auf welcher sechs große vulkanische Bergmassen auf- bildete. gestiegen sind.

An dem westlichen Abfall der von SSO nach NNW streichen den Cordillera central de Mexico bildet die Ebene der Playas de Jorullo in nur 2400 Fuß Höhe über dem Niveau der Südsee eine von den horizontalen Bergstufen, welche überall in den Cordilleren die Neigungslinie des Abfalls unterbrechen und deshalb mehr oder minder die Abnahme der Wärme in den über einander liegenden Luftschichten verlangsamen. Wenn man von dem Central-Plateau von Meriko in 7000 Fuß mittlerer Höhe nach den Weizenfeldern von Valladolid de Mechoacan, nach dem anmuthigen See von Pazcuaro mit dem bewohnten Infelchen Janicho und in die Wiesen um Santiago de Ario, die wir (Bonpland und ich) mit den nachmals so berühmt gewordenen Georginen (Dahlia Cav.) geschmückt fanden, herabsteigt; so ist man noch nicht neunhundert bis tausend Fuß tiefer gelangt. Um aber von Ario am steilen Abhange über Aguasarcó in das Niveau der alten Ebene von Jorullo zu treten, vermindert man in dieser so kurzen Strecke die absolute Höhe um 3600 bis 4000 Fuß. Der rundliche, konvere Theil der gehobenen Ebene hat ungefähr 12,000 Fuß im Durchmesser, also ein Areal von mehr als einer geographischen Quadratmeile. (Schluß folgt.)

Italien.

Noch einige Notizen

über das jüngste Erdbeben von Neapel.*) Ueber die Phänomene, die dem großen Erdbeben in den Provinzen Basilicata und Principato citeriore vorangegangen und gefolgt sind,

Ein Engländer, der nach dem Centralpunkte des Erdbebens gereist war, schreibt: Auf dem Wege nach Pertosa fand ich die Häuser an beiden Seiten der Landstraße eingestürzt. Die Bevölkerung dieses Ortes bestand aus ungefähr 3000 Seelen. Am 1. Januar waren 143 Leichen Verschütteter ausgegraben, doch fehlten noch ungefähr 200 Personen. Die ganze Stadt war zerstört, mit Ausnahme von sechs Häusern, die jedoch ebenfalls den Einsturz drohten. Zwischen Pertosa und Polla hat das Erdbeben in eigenthümlicher Weise gehauft. Wir fanden nämlich, als wir über eine tiefe Schlucht kamen, die gegenüberliegende Landstraße von ihrer früheren Stelle fortgeschoben, und zwar über zweihundert Fuß weit. Der Berg über derfelben war in zwei Theile geklüftet, so daß man bis zu einer großen Tiefe hinab die Kalkstein-Höhlen der Erde erblicken konnte. Der Boden war von Spalten durchschnitten, in die wir mit unseren Armen bis an die Schultern reichten. Polla hatte eine Einwohnerschaft von 7000, von welchen ungefähr Tausend umgekommen, während bisher nur 567 ausgegraben und beerdigt worden. Am Neujahrstage wurden abermals drei Erdstöße bemerkt, einer sehr früh des Morgens und der zweite um 122 Uhr Mittags. Wir standen um diese Mittagsstunde gerade auf den Ruinen einer Kirche, als unter uns der Boden sich zu heben begann und unterirdische Donner vernommen wurden. Wir eilten sofort davon, wären aber gleichwohl beinahe erschlagen worden, da un mittelbar hinter uns die Mauer eines Glockenthurms mit einem daran lehnenden, schon halb zerstört gewesenen Hause zusammenstürzte. Das Volk schaarte sich zu einer Prozession zusammen, an deren Spize die Priester sich stellten, während die Männer sich gegenseitig mit Stricken

*) Nesina ist ein am Fuße des Vesuvs, zum Theil auf den Ruinen des alten Herculanum stehender Marktflecken von 3000 Einwohnern, wo der bez

geißelten. Beim Verlassen der Stadt weilten wir noch einen Augen blick auf der Brücke, unmittelbar vor dem Thore, um uns umzuschauen. Aber wir wurden von herüberkommenden Priestern darauf aufmerksam gemacht, daß die Pfeiler der Brücke zu schwanken anfingen, und in der That empfanden wir noch auf der Brücke selbst einen dritten Erdstoß. Mehr bedurfte es nicht, um uns rasche Beine zu machen.

Vom 16. Dezember bis zum 2. Januar hat man in der Stadt Neapel nicht weniger als achtundvierzig Erdstöße verspürt. Mit Spannung und Angst blickt Jeder nach dem Vesuv und bittet den Himmel um eine Eruption desselben, da man diese als das beste AbLeitungsmittel ansieht.

Aus Resina wird geschrieben: Am 29. Dezember in der Nacht von 10 Uhr bis am Morgen des 30. um 5 Uhr war der ganze Ort in beständiger Vibration. Alle drei Minuten wurde ein lauter Ton gehört, als ob Jemand an den Pforten rüttelte, um sie aufzureißen. Am nächsten Morgen bemerkte man, daß der Vesuv vielen Rauch und eine Aschenwolke emportrieb. Dasselbe Phänomen ward in Torre del Greco beobachtet. Ueberall wollte man in der Stille der Nacht ein grollendes Donnern aus der Tiefe des Verges gehört haben.")

Nach amtlichen Mittheilungen, die am 4. Januar in Neapel bekannt wurden, hat das Erdbeben über 30,000 Menschen das Leben gekostet, während in den beiden Provinzen Basilicata und Principato Citeriore 250,000 Menschen in freier Luft ohne Obdach sich befinden. Vier Ortschaften find gänzlich zerstört und hundert andere mehr oder weniger in Ruinen verwandelt.

England.

Berichterstattungen aus London.

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Aus der sozialen und literarischen Welt. Höchst bezeichnend ist eine seit einiger Zeit in der Times geführte, vom englischen Publikum mit großer Theilnahme verfolgte Diskussion über, Frugal Marriages", frugale Ehen.,, Frugal Marriages" heißen nämlich solche Ehen, die auf Grund von etwa 300 Pfund Sterling, (2000 Thaler) jährlichen Einkommens geschlossen werden. Die re spektable" Partei der Gegner dieser Ehen behauptete, es sei thöricht, mit 2000 Thalern jährlich an eine ,,respektable Heirat", an respek table Ernährung“ einer „respektablen Frau" zu denken. Happy Jones" suchte das Gegentheil zu beweisen und meinte, es ginge mit bescheidenen Ansprüchen. Nachdem der Kampf eine Zeit lang hinund hergeschwankt, rückte die Times mit ihrem entscheidenden LeitArtikel heraus: es sei eine delikate Sache, und Alles hänge von dem Temperament, den Ansprüchen und Bedürfnissen von Mann und Frau ab. Wer jährlich nicht mehr als 300 Pfund Sterling einnähme, aber auch nicht mehr ausgäbe, der komme damit aus; wer aber mehr brauche, der mache Schulden u. f. w. Diese tiefe Weisheit der Times, die Alles mit Leitartikeln entscheidet, machte jede weitere Diskussion unmöglich. England weiß nun, daß man möglicher Weise und unter sehr unwahrscheinlich zusammentreffenden günstigen Bedingungen zur Noth auf 2000 Thaler jährlich hin heiraten könne, aber dies doch, im Allgemeinen genommen, lieber nicht riskiren solle. In dem das High life weniger kennenden Deutschland, wo fogar noch Heiraten aus Liebe vorkommen follen, bildet gerade die große, breite Masse respektabler Familien den bürgerlichen und beamteten Mittelstand mit Einnahmen von 1000 bis 2000 Thalern. Der Herr Referendar oder Affeffor führt sogar mit viel weniger Firum und nur einiger Aussicht auf Zulage die schönste wirkliche Geheimrathstochter vor den Altar. Und sie sagt so reizend und herzlich ihr Ja, als könnte man auch heutzutage noch der Liebe kleine Opfer bringen und kaltblütig vor Gerson vorbeigehen.

Ich bemerke für diese Frage noch, daß man in London Summa Summarum, denn Eins ist billiger Anderes theurer ebenfo billig leben kann, wie in Berlin. Deshalb find 2000 Thaler und 300 Pfund auch in ihrem wirthschaftlichen Werthe ziemlich gleich. Man sieht daher, in welchen barbarischen Zuständen selbst Berlin noch steckt. Unter 2000 Thalern keine „respektable“ Heirat auf der niedrigsten Stufe des „Respektablen", sonst bekommt es keinen englischen Anstrich. Wer aber so glücklich ist, mit etwas weniger Einnahme in seinem Lebenspensum vom fünfundzwanzigsten bis vierzigsten Jahre sich nach einem Herzen, Heerde und Hause zu sehnen? Antwort ohne

*) Humboldt erzählt im „Kosmos", Bt. I, S. 222: „An zwei Kraterrändern gelagert, am Vesuv und auf dem thurmartigen Fels, der den ungeheuren Schlund des Pichincha bei Quito überragt, habe ich periedisch und sehr regelmäßig Grdstöße empfunden, jedesmal 20-30 Sekunden früher, als brennende Schlacken oder Dämpfe ausgestoßen wurden. Die Erschütterung war um so stärker, als die Erplosionen später eintraten und also die Dämpfe länger angehäuft blieben. In dieser einfachen, von so vielen Reisenden beftätigten Erfahrung liegt die allgemeine Lösung des Phänomens. Die thätis gen Bulkane find als Schuß- und Sicherheits-Ventile für die nächste Umgegend zu betrachten. Die Gefahr des Erdbebens wächst, wenn die Oeffnungen der Vulkane verstopft, ohne freien Verkehr mit der Atmosphäre sind."

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Da bas barbarische Heiraten aus Liebe in respektablen Kreisen über 300 Pfund Sterling jährlich (die eigentliche Respektabilität fängt erst leise mit,,3000 a year" an) gar nicht mehr gestattet wird, führen auch Viele, die zuhause ihre kostbare, angetraute Lady im drawing room fißen haben, außerhalb ein Leben, wie die,,Heiligen der lezten Tage", vulgo Mormonen. Insofern ist London auch heilige Salzstadt, aber ohne eine amerikanische (unterwegs sich selber den größten Schaden zufügende) Vertilgungsarmee vor ihren Thorep und ohne die Beschönigung blödsinnigen Fanatismus, der in den rohen, armseligen Maffen der Mormonen-Hierarchie dieser offenen Polygamie wenigstens etwas von ihrer Ekelhaftigkeit entzieht. Dort ist es eine offene Praxis, die man mit Mormonen-Bibelstellen beklebt, hier eine im Finstern schleichende monogamische Hypokrifie, vollkommen zufrieden und auch die,,respektable Gesellschaft" befriedigend mit,, saving appearances!”

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Das sind einige soziale Vorzüge Englands vor anderen Nationen. Die politischen, auf die wir früher hinwiesen, wollen auch nicht recht zu Jdealen für Deutschlands Hoffnungen passen. Gleichwohl scheint ein allgemeiner Enthusiasmus in Deutschland für englische Institutionen zu herrschen. Dies könnte uns, die wir England einigermaßen aus eigener Anschauung kennen gelernt haben, um so demüthigender stimmen, als wir uns Jahre lang bemüht haben, diese Studien an Ort und Stelle für Deutschland nuzbar zu machen. Das ist uns so wenig gelungen, daß man allgemein gegen uns aufgebracht scheint, vor uns warnt und Viele von uns bereits abgeschafft“ hat, weil man uns gar nicht mehr lesen will. Auch Thatsachen ziehen nicht. Ein sehr feiner Kopf, der England noch viel emfiger studirt hat, als unfereins, berichtet seit etwa sechs Jahren fast alle Tage Thatsachen aus England. Auch er ist gewissermaßen profkribirt, als hätte er diese Thatsachen Jahre lang alle Tage rein zum Schabernack der deutschen Hoffnungen erfunden. Wie mag es nur zugehen, daß selbst solche Legionen von Thatsachen nicht merklich zur richtigen Ansicht, nicht zu dem eigentlichen Zwecke beitrugen: Deutschland, das von jeher originaliter schöpferische, auf sich selbst zu verweisen? Es liegt wohl zunächst in der Bescheidenheit des Genies, in einer Verstimmung der eigenen Säfte, in einer Art von stiller Verzweiflung über die inneren Zustände, so daß sich der respektable Deutsche eine Form für seine Hoffnungen unter einem fremden Namen zu bilden fuchte. Was blieb da übrig, als England? Nun wohl, es sind deutsche Hoffnungen, deutsche Ideale, deutsche Wünsche für das Bessere, die er sich als englische Institutionen vorstellt. Seine eigenen Ideale exportirt er sich nach England, um sie von da wieder mit englischen Etiketten kommen zu lassen.

Es ist just wie mit den Aachener Nadeln und den Faber-Bleiiften von Stein bei Nürnberg. Die Aachener Nadeln kommen hierher, werden englisch eingepackt, nach Deutschland zurückgeschickt und dann von jeder feiner organisirten Näherin mit dem doppelten Preise bezahlt. Der eine Preis ist für die Nadeln, der andere für die schmeichelhafte Vorstellung, daß man nun nicht mit gemeinen vaterländischen, sondern mit höheren englischen Nadeln nähe. Dito mit den Faber-Bleistiften. den Faber-Bleistiften. Sie werden hier zu vielen Tausenden ohne Zeichen und Namen importirt, hier mit englischen Namen gepreßt und gegoldet und dann wieder als echt englische in das liebe Vaterland gebracht, wo der feinere Künstler gern Transport- und Phantasiekosten, d. h. mindestens 5 statt 2 Sgr., bezahlt. Es ist grausam, unter den jetzigen Verhältnissen so etwas zu veröffentlichen, aber ich tröfte mich damit, daß ein ordentlicher Patriot nicht an diese Nähnadel- und Bleistift-,,Fabeln" glaubt. Ein ordentlicher fester Glaube läßt sich nicht durch so ein paar Nadelstiche irre machen.

Wir unglücklichen Korrespondenten aber freuen uns doch im Stillen mit der sicheren Aussicht, daß Deutschland, wie immer, auch seine englischen Hoffnungen mit reeller deutscher Waare, aus eigenstem Fleiße und Schweiße befriedigen wird. Geht es mit englischer Etikette nur beffer, dann ist ja Alles gut. Es ist sogar hübscher Humor dabei, Phantasie, List der Idee, wie außer in Bleistiften und Nadeln noch besonders in der Wolle. Jede feinere Stickwolle ist hier allemal Berlin wool. In jeder Straße liest man ,,Berlin wool". In Berlin kauft man alle feineren Bedürfnisse der Nähnadel unter dem Namen,,englischer". In Sachen höherer englischer Erziehung und Schule giebt es keine Muster und zum Theil auch keine Lehrer, als deutsche. Man begrüßt solche Blüthen und Früchte musterhafter deutscher Erziehung in Deutschland als Garantie der Hoffnungen Deutschlands. Nun wohl, wenn es nur mit dieser Vorstellung schnel ler und besser geht. In der Sache sind wir, wenn auch großentheils unbewußt, doch ganz und gar einig.

Wo aber bleiben bei diesen Betrachtungen die Bücher? Ich habe viele zu lesen angefangen, aber alle, bis auf eines über Sibirien ein

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