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losigkeit dieser und jener bei Namen genannten Zeitung, über die politischen Parteiblätter, über den Unterschied der englischen und deutschen Zeitungen beibringt, beweist zur Genüge, daß er nicht verabfäumt hat, allen Zeitbestrebungen sein Interesse zuwendend, sich die Erfahrung anzueignen, welche allein den Universitätslehrer auch befähigt, einen veredelnden Einfluß auf das fittliche Leben und Streben der jungen akademischen Bürger auszuüben.

Im zweiten Theil seiner Vorlesungen bietet der Verfaffer dem, der die Hegelsche Encyklopädie der Wissenschaften kennt, nichts Neues; doch kann man auch in Bezug auf diesen encyklopädischen Theil dem Berfaffer das Zeugniß nicht versagen, daß er die Eintheilung der Wissenschaft in Logik, Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft, die Grundbegriffe einer jeden dieser drei Wissenschaften, den organischen Zusammenhang aller besonderen Wissenschaften, in welche die Naturwissenschaft und die Wissenschaft vom Geist sich verzweigen, den Unterschied ferner der spekulativen und der empirischen Methode in jeder Wissenschaft in einer Weise darlegt, der man es anmerkt, daß er die Gedanken Hegel's zu seinem wahren geistigen Eigenthum gemacht und darum auch Solchen sehr verständlich zu machen versteht, die in Rücksicht auf die dem Leben ganz fremde Terminologie des Hegelschen Systems sich noch im Stande kindlicher Unschuld befinden. Bemerkenswerth ist auch, daß in der Uebersicht, welche der Verfaffer über die Wissenschaft vom absoluten Geist oder, wie er sich ausdrückt, vom Versöhntsein des Geistes giebt, nicht, wie bei Hegel, die Wissenschaft, sondern das Reich Gottes, und dieses nicht blos im Sinne einer Religions- Gemeinschaft, sondern auch im Sinne einer Welt, in welcher die Religiosität ihre äußere sittliche Verwirk tichung und Erfüllung hat und immer mehr gewinnt, als die lezte und höchste Stufe des Geisteslebens dargestellt wird.

In dem Umstande, daß Herr Profeffor Erdmann in dieser Beziehung die Lehre des Meisters, dem er sonst in Allem treu geblieben, wie keiner der Anderen, die es sich zum Ruhme anrechnen, rechte Hegelianer zu sein, aufgegeben hat, können wir nur ein erfreuliches Zeugniß dafür finden, daß der Schüler nicht in den übrigens beim Meister verzeihlichen Fehler verfallen ist, das, was ihm das höchste Geistesleben ist, für das höchste Geistesleben überhaupt auszugeben, ein Zeugniß dafür, daß er als ein Mann der Wissenschaft nicht aufgehört hat, das von allen Schranken, wie im Erkennen, so auch im Wollen erlöste freie religiös-fittliche, ganze und volle Menschenleben als das Höchste anzuerkennen, welchem zu dienen die Wissenschaft ebenso berufen ist, wie die Kunst, die Religion und alle anderen BeAtrebungen und Bethätigungen des sittlichen Menschengeistes.

Im dritten Theil der Vorlesungen, welchen der Verfasser als den politischen bezeichnet, werden, nachdem gezeigt ist, daß die Universität nur in Folge des Kontrakts mit den ihr fremden Mächten des Staates und der Kirche in die verschiedenen von einander gesonderten Fakultäten zerfallen ist, die vier Fakultäten in ihrem Begriff und Beruf und in ihrem Verhältniß zu einander auf eine Weise dargestellt, gegen die Niemand einen erheblichen Einwand wird machen

können.

Die zur Zeit herrschende Konfusion in Betreff der Stellung, welche die theologische Fakultät und die Kirche zu einander einzunehmen haben, veranlaßt den Verfasser, ganz besonders den Begriff der theologischen Fakultät als eines Gliedes in der freien wissenschaftlichen Körperschaft der Universität in das hellste Licht zu stellen. Er legt hier auf das überzeugendste dar, daß wenigstens in Betreff der evangelischen Kirche, welche es allen ihren Angehörigen zur Pflicht macht, der Welt anzugehören und in ihr lebend für ihre Versittlichung zu wirken, und welche weiter alle ihre Angehörigen auffordert, in der heiligen Schrift zu forschen, alle Anstalten und Mittel, die auch nur im geringsten Grade das Zweifeln und Infragestellen des Studirenden hemmen, für die Stabilität, welche man in ihrem Namen forbert, ebenso gefährlich sind, wie für die Reform, die ihr als einer Gemeinschaft freier Christen-Menschen nie verwehrt sein darf.

Das Einzige, was wir in dieser durch logische Klarheit sich auszeichnenden Darstellung ungern vermissen, ist eine Antwort auf eine Frage, welche sich denjenigen Theologie-Studirenden, die nicht als Seminaristen, sondern als freie Jünger der freien Wissenschaft ihre Studien betrieben haben (und solche seßt Herr Professor Erdmann in feinen Vorlesungen voraus), unter den gegenwärtigen kirchlichen Verhältnissen mit unabweisbarer Nothwendigkeit aufdrängt. Wir meinen die Frage: Was soll aus den Kandidaten der Theologie werden, welche durch gewissenhaft betriebene freie Studien die Ueberzeugung nicht gewonnen haben und zu gewinnen auch nie hoffen können, daß der Glaube der Kirche, und zwar dieser nicht als der in den Mitgliedern der evangelischen Kirchen-Gemeinschaft lebendige Geistesglaube, sondern der Kirchenglaube, wie er im kirchlichen Glaubensbekenntniß fich in vergangenen Zeiten in Worte und in Buchstaben gefaßt hat, r Vernunft vollkommen kongruent sei? Herr Profeffor Erdmann in seiner Philosophie diese Ueberzeugung; er redet troßdem, daß

er mit aller Entschiedenheit für die studirende Jugend eine unbeschränkte Freiheit auch in Bezug auf die Religion, die Theologie und die Kirche in Anspruch nimmt, dem Gelübde der als Prediger Anzustellenden, wenn auch nicht darauf, daß sie nur nach dem Buchstaben des Symbols, so doch darauf, daß sie nie gegen den Buchstaben des Symbols lehren wollen, ebenso entschieden das Wort.

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Wäre Herr Professor Erdmann auf eine gründlichere Entwicklung des Begriffs der evangelisch-protestantischen Kirche eingegangen, so würde er eine Kirche, die über der Gemeinschaft ihrer Glieder stehen, über deren Glauben gebieten und aburtheilen will, als einen dem Geist des Protestantismus, dem die evangelische Kirche ihr Das sein verdankt, widersprechenden Rückfall in eine neue Art des Papst thums erkannt und als das wahre Kennzeichen der Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche nicht das Festhalten am Buchstaben der alten Glaubenssymbole angesehen haben, sondern das religiös-sittliche Leben und Streben im lebendigen Gottesgeist und dann auch das Eins. und Einigsein mit dem, was in der Bibel und in den kirchlichen Symbolen vergangener Zeiten vernünftig und darum ewig wahr ist, und er würde dann auch die dem Prinzip und dem Geist des Protestan tismus entsprechenden Mittel aufgefunden haben, durch welche der Wissenschaft, d. h. der sich wissenden und wollenden Vernunft, auch im Gebiete des kirchlichen Glaubens und Lebens mehr und mehr die ihr gebührende Anerkennung, Geltung und Herrschaft verschafft werden könnten.

Wir lassen nun einige wörtlich mitgetheilte Stellen aus dem Buche folgen, um dasselbe auch in Rücksicht auf die Darstellungsweise unseren Lesern zu empfehlen.

Ueber die Stellung des Studenten zur Familie spricht sich der Verfasser so aus:

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,,Der Student hat sich losgerissen vom mütterlichen Schooß der Familie. Unser Haus" kann er nicht mehr,,,mein Haus" noch nicht sagen; darum heißt bei ihm zuhause" soviel als: auf seiner Stube. Aber in einzelnen, regelmäßig wiederkehrenden Intervallen identifizirt er sich wieder mit dem älterlichen Hause, so daß er in ihm seine Stube habe, daß wieder zuhause" soviel heißt, wie:,,bei der Mutter". Diese Augenblicke, die schönen Ferienbesuche, sollen zu be ftimmten Zeiten wiederkehren, damit das Zählen der Tage,,,bis der Junge wieder da ist", die Lust würze; nicht zu oft, damit nicht schmerzhafte Konflikte sich einstellen. Sie werden ausbleiben, wo der Sohn ein Gaft im älterlichen Hause ist; denn ihm, dem Gaste, wird Manches zu Gute gehalten werden, und wieder wird er sich Manchem unterwerfen, weil er eben zum Besuch da ist. Diese gegenseitige Rücksicht, welche das Verhältniß des hospitium fordert, wird den Vater dahin bringen, daß er seine Antipathie gegen große Bärte, die Mutter, daß sie ihren horror vor fürchterlichen Redensarten überwindet. Gaste wird zu Gute gehalten werden, wenn er Unordnung in die Bibliothek bringt, wenn sein Hund Unheil unter dem Federvieh, seine Cigarren in den Gardinen anrichten. Andererseits der Sohn, der sich schon fühlt und dem es sehr schwer wird, sich zu fügen und zu schweigen, wird es als ein Opfer ansehen, das dem freundlichen Wirth zu bringen ist, bei einem Gönner seines Vaters einen Besuch zu machen, oder der gastfreundlichen Hausfrau zu Gefallen ein armes tanzbedürftiges Wesen aus der Bekanntschaft der Mutter zum Walzer aufzufordern. Beides oft, das ganze Jahr hindurch zu thun, das würde ihn empören und vielleicht mit Recht". —— Die ökonomische Stellung besprechend, sagt der Verfasser:

Dem

,,Ganz im Gegensaße zu dem, was ich bei dem Knaben für rathsam erklärte, fordere ich hier, daß der Wechsel des Studenten unwiderruflich fest sei. „So und soviel pro Semester; alle Ferien ein offenes Haus bei mir, und damit Bafta!" Kann der Vater und will er einmal etwas hinzufügen, so überrasche er den Sohn, wenn dieser in den Ferien kommt, mit einem kostbaren Werk oder Instrument, oder, wenn der Kursus zu Ende ist, damit, daß er ihm eine wissenschaftliche Reise möglich macht. Zu dem ihm Festgeseßten verhält sich der Student wie ein Mündiger zu seinem Erbtheil. Will er es sich vom Munde abhungern, um Reitstunden zu nehmen, eine erbärmliche Stube bewohnen, um eine Ferienreise zu machen, oder um Glacé handschuhe zu tragen, so ist das seine Sache, die Niemand etwas angeht. geht. Nur diese Sicherheit, daß er sein hinreichendes Auskommen hat, stellt ihn so, daß er sich nichts braucht schenken zu lassen; wer aber etwas geschenkt nimmt, ist nicht frei; er fühlt sich dem Schenker gegenüber verpflichtet und ist also fein Sklave und, wo er undankbar die Verpflichtung vergißt, ein rebellischer Sklave. Frei ist nur der, welcher sich nichts braucht bieten zu lassen; so steht der wahre Student, welcher sich nichts bieten läßt, weil er genug hat“. (Schluß folgt.)

Spanien.

Ein Beitrag zur spanischen Grammatik. Schwestersprachen haben bekanntlich neben vielem Gemeinschaftlichen auch ihre speziellen Eigenthümlichkeiten, die jedoch in den meisten

Lehrbüchern nicht so scharf herausgehoben sind, daß der Anfänger, der die Schweftersprache kennt, sie rasch herauszufinden und somit die erste Frische seines Studiums an sie zu verwenden vermöchte. Viel mehr wird er durch die gewöhnliche Form der Grammatiken darauf hingewiesen, sich das mit anderen Sprachen Aehnliche schnell an= zueigenen und über das Verschiedene als ein lästiges Hemmniß leicht wegzugehen, bis er sich später durch wiederholte Schwierigkeiten genöthigt fieht, wieder auf jenes zurückzukommen, es aber dann nicht mehr so gut zu bewältigen im Stande ist, wie wenn er gleich von Anfang an vorzugsweise hierauf hingewiesen worden wäre.

Insbesondere zeigt die spanische Sprache einige Eigenthümlich keiten, welche ein genaues Eindringen, das Studium zahlreicher Beispiele erfordern, wenn sie recht verstanden werden wollen. Diesem Bedürfnisse, welches die gewöhnlichen Grammatiken nicht genügend befriedigen, helfen die Estudios filologicos von Morentín,°) einem seit einer Reihe von Jahren in England lebenden ehemaligen spanischen Offizier, ab. Eine vieljährige Praxis als Lehrer von Engländern, Franzosen und Deutschen sehte ihn in Stand, diejenigen Besonder heiten seiner Sprache kennen zu lernen, welche dem Ausländer, und vorzugsweise demjenigen, der schon ein anderes romanisches Idiom kennt, die Aneignung jener erschweren und noch lange nachher, wenn der Schüler derselben bereits ganz Herr zu sein glaubt, verdrießliche Hemmnisse bereiten.

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Hierher gehört insbesondere der richtige Gebrauch der Zeitwörter Ser und Estar, welche der Deutsche häufig da, wo sie eine ganz verfchiedene Bedeutung haben, nur mit Sein" zu übersehen vermag. Der Verfasser erklärt zwölf verschiedene Bedeutungen von Ser und dreizehn von Estar und erläutert sie durch zahlreiche Beispiele, dereu französische und englische Uebersehung beigefügt ist. Aus dem Hauptgrundsage, daß alle das Wesen, die Natur, die Klasse eines Dinges bezeichnende Eigenschaften mit Ser, alle Modificationen, die von äußeren Ursachen herrühren, alle Wechsel und Veränderungen mit Estar zu geben seien, zieht er zwölf Hauptkonsequenzen für den Gebrauch dieser Verba.

Nur so genaue Auseinanderseßungen find im Stande, dem Ausländer den Unterschied von Säßen anschaulich zu machen, die bisher in seinem Gedankengange, das heißt in seinem Sprachmodus, keinen Unterschied zeigten: wie Pedro es und está débil, Peter ist schwach, wo das erstere eine von Natur aus vorhandene Schwäche, das lehtere einen vorübergehenden Schwächezustand bedeutet, oder wie es brillante, wenn von einem Diamante, also von einer natürlichen Eigenschaft desselben, die Rede ist, und está brillante, wenn es sich um einen gewöhnlichen zufällig glänzenden Stein handelt. Wenn bei diesen Erläuterungen auf das Diccionario der Akademie vorzugsweise zurück gegangen wird, so erhalten wir doch auch interessante Auseinanderfehungen, die eigener Betrachtung entstammen. Ebenso klar wird die Anwendung der im Spanischen dreifachen Form ra, ria, se des preterito imperfecto des subjuntivo gegeben und durch zahlreiche Beispiele erläutert, wie die erfte und zweite Form im einfachen Subjunktivsage abwechselnd gebraucht werden könne, während beim Conditional faße die erste oder dritte in Anwendung kommt, welche dann immer die zweite im Folgesage haben muß, also: fortuna fuera oder seria, se lloviese; aber Si hubiera øder hubiese buena fé &c., no habria tanta necesitad de pleitos. Hierauf folgt die Nebeneinanderstellung der Präpositionen por und para, deren richtige Anwendung um so schwieriger ist, als man durch das Französische beirrt werden kann, indem por für par steht, während pour sowohl durch por als durch para überfezt werden kann, wie in den beiden Säßen: esta capa es para V. M., und gritaba por grita. Die Stellung des Adjektivs vor oder nach dem Substantiv mit den resp. verschiedenen Bedeutungen wird gleich falls durch eine lange Reihe von Beispielen verdeutlicht, die durchaus nöthig sind, um so gänzliche Verschiedenheiten wie casa real, real casa, ultimo dia, dia ultimo &c. kennen zu lernen. Das Kapitel über die Fürwörter bringt zwar nichts Neues, doch verbreitet es große Klarheit über die Verwendung derselben, namentlich hebt es auch die Zweideutigkeit hervor, die aus dem Gebrauche des persönlichen Fürworts der drei Personen entsteht, indem man z. B. in dem Sage: ha llegado el rey, yo procuraré presentarle á V. M. nur aus dem Sinne des Ganzen abnehmen kann, daß sich le nicht auf rey, sondern auf V. M. bezieht, während in vielen Fällen, wo der Zusammenhang keine Aufklärung giebt, die Stelle lediglich dunkel bleibt. - Die Aumentativos und Diminutivos bilden eine weitere interessante Nummer. Ihre richtige Anwendung ist für den Deutschen um so schwieriger, als wir nur einerlei Verkleinerungsform haben, während der Spanier deren sechs und zwar mit verschiedener Nüanzirung des Sinnes zählt.

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*) Estudios filologicos ó sea exámen razonado de las dificultades principales en la lengua española, por Manuel Martinez de Morentin, profesor de lenguas y de literatura española del London Athenaeum &c. Londres: Trübuer y C.

Mehr als die Hälfte des Buches bildet eine Blumenlese aus Cervantes, Quintana, Jovellanos, Cienfuegos, Solis, Mariana, Espronceda, Iglesias, Yriarte 2. Diese Sammlung giebt eine hübsche Uebersicht älterer und neuerer spanischer Prosaiker und Lyriker, anfangs in kleineren, nachher in größeren Proben, denen sich der Herausgeber selbst mit einigen Auffäßen anreiht, aus welchen sich nicht nur eine gewandte Diction, sondern auch eine sehr aufgeklärte Anschauung der Verhältniffe feines Vaterlandes ergiebt. Die ersten Auffäße find accentuirt und erleichtern so dem Anfänger die Lektüre. Für den Deutschen besonders interessant ist die Beschreibung der deutschen Kolonie Carlota in der Sierra Morena, welche als ein Musterbild der Kultur, als eine wahre ökonomische und sittliche Dase bezeichnet wird. Die lyrischen Stücke haben meistens eine starke politische Färbung; die Riego-Hymne ist unter ihnen. Zu wünschen wäre gewesen, wenn die Auffäße in chronologischer Folge und mit grammati= kalischen Noten gegeben worden wären, um einerseits den Gang der Literatur vor Augen zu bekommen und andererseits die wichtigsten Punkte der Grammatik durch Klassiker illustrirt zu sehen. Auch die Aufnahme von Uebersehungen hätte bei dem Reichthum an Originalien vermieden werden können. Da das Buch in spanischer Sprache geschrieben ist, so kann es allerdings nicht dem Anfänger, wohl aber muß es jedem Lehrer dieser Sprache dringend empfohlen werden. Er wird dadurch im Stande sein, die gewöhnlichen Grammatiken an den schwierigsten Stellen zu ergänzen und aufzuhellen. G.

Griechenland.

Die materielle Entwickelung Griechenlands.

Griechische Zeitungen haben kürzlich den Bericht mitgetheilt, den der Finanzminister A. Kumunduros unter dem 4. Dezember 1857 an den König Otto erstattet hat und der sich über die materiellen Fortschritte verbreitet, die Griechenland macht und in lezter Zeit gemacht hat. Ist dieser Bericht für Griechenland selbst, für die Regierung wie für das Volk, von der größten Wichtigkeit, so hat er auch für Andere, die irgendwie an Griechenland Theil nehmen, ein hohes Interesse; die Freunde des griechischen Landes und Volkes werden sich darüber freuen, und die Feinde beider werden an dem glücklichen Zustande Griechenlands, wie er in der gedachten Beziehung sich kund giebt, in hohem Grade sich ärgern, vielleicht auch durch denselben vielfach sich beschämt fühlen. Wir glauben, daß die wesentlichsten Punkte jenes Berichtes und diesfallsigen offiziellen Mittheilungen auch für unsere Leser einiges Interesse haben werden, wenn schon dieselben, eben weil wir dabei alles Raisonnement bei Seite laffen, nur auf einzelne Säße hinauskommen und in der Hauptsache fast nur — in Zahlen bestehen. Aber diese Zahlen beweisen!

Die Anzahl der Einwohner des Königreichs Griechenland, die im Jahre 1834 612,608 betrugen, hat sich bis auf 1,045,232 erhöht. Das Land, in welchem im Jahre 1833, als König Otto im Januar hin kam, 94,927 Wohnhäuser sich befanden, die damals einen Werth von 97,810,269 Drachmen hatten, besißt deren gegenwärtig 203,605 mit einem Werthbetrage von 323,667,857 Drachmen. Die Städte Athen, Pirãos, Amaliapolis, Sparta, Chalkis, Lamia, Mesolonghi, Nauplion, Argos und Patras wurden seitdem von Grunde aus erbaut oder doch so gut wie neu hergestellt.

Die vorzüglichsten Landesprodukte, die zugleich Gegenstand der Ausfuhr sind, bestehen in Korinthen, Wein, Seide, Feigen und Del.

Korinthen wurden im Jahre 1834 auf 20,000 Stremmen Landes gebaut, und die Steuer davon betrug damals 71,116 Drachmen. Gegenwärtig sind 160,000 Stremmen damit bepflanzt, und ihr Ertrag darf für das laufende Jahr auf 80,000,000 Pfund berechnet werden. Im Jahre 1851 wurden davon 61,000,000 Pfund ausgeführt, und die öffentliche Abgabe von den Korinthen betrug im J. 1856 342,122 Drachmen.

Die Weinländereien umfaßten vor dem Freiheitskriege (1821) 25,000 Stremmen, während gegenwärtig 700,000 Stremmen mit Wein bepflanzt sind.

Der Ertrag der Cocons, der im Jahre 1840 die Höhe von 650,000 Drachmen erreicht hatte, ist bis zu 5,523,000 Drachmen angestiegen, welche von 1,500,000 Maulbeerbäumen gewonnen werden; vor dem Jahre 1834 hatte Griechenland deren nur 380,000 Stück.

Die Feigen, die besonders in Messenien in großer Menge und in vorzüglicher Güte gewonnen werden, gewährten im Jahre 1840 einen Ertrag von 41,564 Centner, dagegen im Jahre 1856 92,000 Centner, und zwar allein für die Ausfuhr, mit Abrechnung des Verbrauchs im Lande. - Vor dem Jahre 1834 zählte man in Griechenland 50,000 Feigenbäume, deren es gegenwärtig 260,000 zählt. Der Ausgangszoll für Feigen betrug im Jahre 1834 26,460 Drachmen, dagegen im Jahre 1856 114,688 Drachmen.

Die Zahl der Delbäume beträgt nach den lezten Zählungen 7,400,000, von denen die öffentliche Abgabe für das laufende Jahr die Höhe von 1,009,000 Drachmen erreicht, wogegen Griechenland

im Jahre 1834 höchstens 2,300,000 Delbäume besaß und die Staatsabgabe von Delbäumen im Jahre 1840 540,000 Drachmen betrug. Die Zollabgaben, theils an Ausgangs- theils an Eingangszoll, erreichten im Jahre 1834 die Höhe von 2,109,385 Drachmen, dagegen im Jahre 1856 den Betrag von 4,319,000 Drachmen, und für das Jahr 1857 steht ein Ueberschuß von wenigstens 300,000 Drachmen in Aussicht. Die Handelsmarine besteht aus 4339 Schiffen zu einem Gesammtbetrage von 325,000 Tonnen und zählt 29,000 Matrosen. Vor dem Jahre 1821 hatte Griechenland 449 Fahrzeuge zu 52,000 Ton nen. Die Viehzucht hat sich bisher in Griechenland nicht besonders entwickelt; im Jahre 1834 zählte man im Ganzen 4,322,583 Stück Vieh, die sich im Jahre 1856 bis zu 5,297,885 vermehrt hatten.

Auch die Industrie ist zum Theil noch in der Kindheit. Indeß besißt Griechenland bereits vier Seiden-Spinnereien, zwei in Piräos, eine in Athen und eine in Kalamata, deren Fabrikate mit denen Europa's in Konkurrenz treten; zwei Gerbereien in Hermupolis, die den größten Theil ihrer Felle nach Europa senden; eine BaumwollenSpinnerei und eine Zuckerfabrik in Patras, eine Fabrik irdener Gefäße in Athen und eine Kammfabrik in Hermupolis.

Der Umsaß, den die Nationalbank in Athen im Jahre 1843 durch Handels-Geschäfte machte, betrug damals 9,580,000 Drachmen, dagegen nur in den ersten sechs Monaten des gegenwärtigen Jahres 15,910,000 Drachmen.

Ein besonderes Interesse gewährt in dem fraglichen Berichte eine vergleichende Tabelle, in welcher einige hauptsächliche EinnahmeGegenstände des griechischen Staats-Budgets aufgeführt werden, wie dieselben, im Verhältnisse zum Jahre 1856, in den drei Jahren 1833, 1836 und 1843 gestaltet gewesen waren.

Der Grundzins betrug im Jahre 1833 4,322,930 Drachmen

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1836 6,043,619

=

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Das Horazianische: Crescit occulto velut arbor aevo, läßt sich auch auf das kleine Königreich Griechenland in Ansehung der materiel len Entwicklung des Landes mit allem Rechte anwenden, und auch die vorstehenden offiziellen Mittheilungen müffen dazu dienen, die materielle Lebensfähigkeit und innere Lebenskraft des griechischen Staates zu erkennen. Es ist und bleibt noch auf lange Zeit die Aufgabe Griechenlands, auf das jezt schon alle Stammesgenoffen des türkischen Reiches als auf ihren Mittelpunkt hinblicken, durch Benußung aller seiner Hülfsmittel und durch Entwicklung aller seiner Kräfte sich zum Kerne und Anhaltspunkte einstiger neuer Schöpfungen heranzubilden, um im entscheidenden Augenblicke nicht unvorbereitet dazustehen. Griechenland hat weise seine Aufgabe erkannt und erfaßt; es ist nicht unfähig, dieselbe zu erfüllen, und es liegt ebenso in seinem eigenen Intereffe, als in dem der westlichen Völker Europa's, sie zu erfüllen. Nur die kurzsichtigste Politik des Augenblicks kann ihm dabei in den Weg treten; aber - dei provisione, hominum confusione gubernatur K.

mundus!

Mannigfaltiges.

Deutsche Mönche in Spanien, 1669 und 1756. Der ,,Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens" in Breslau legte kürzlich Herr Archivar Dr. Wattenbach zwei Reiseberichte von böhmischen und schlesischen Franziskanern vor, welche im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert das General-Kapitel des Ordens in Spanien besucht hatten. Der erste, Bernardin Latke, Provinzial von Böhmen, war 1669 von Pilsen aus nach Valladolid gegangen, der andere 1756 von Breslau nach Murcia, als der erste Vertreter der durch Friedrich II. von der böhmischen abgesonderten schlesischen Provinz des Ordens. Der Inhalt dieser Berichte, welche hauptsächlich zur Nachricht für andere Ordensbrüder in ähnlichem Falle bestimmt waren, ist nicht ganz uninteressant; man findet darin die Angabe der Entfernungen, der Nachtquartiere, besonders der Klöster des Ordens, in welchen der Reisende Aufnahme erwarten kann, Bemerkungen über Trank und Speise, Fahrgelegenheiten, Preise; auch die bedeutenderen Kirchen mit ihren Reliquien, Gnadenbildern und Schäßen bleiben nicht unerwähnt, und gelegentlich findet sich eine oder die andere geschichtliche und be=

fonders kulturhistorische Nachricht, wie z. B. über die eigenthümliche Ausstattung der Prozeffionen in Spanien mit mastirten Personen, welche Tänze aufführen; König und Königin tanzen ein Menuet vor dem Altar, wie David vor der Bundeslade. Am genauesten sind jedoch die Angaben über Effen und Trinken; es scheint, daß in Böhmen wie in Schlesien die Franziskaner an gutes Leben gewöhnt waren, denn in den fremden Konventen behagt es ihnen nicht oft, und namentlich in Spanien wird viel über mangelhafte und unzureichende Koft geklagt. Br. Bernardin (1669) wünscht sich nach einer solchen spanischen Mahlzeit ausdrücklich nur das zu haben, was seine böhmi schen Brüder übrig laffen. Immer zu Fuß gehen und felten ausruhen, das, meint er, schaffe einen vortrefflichen Appetit. Denn wirklich macht er den größeren Theil der Reise zu Fuß und benußt nur die Gelegenheiten, welche ihm umsonst zu Theil werden; von Geld ist in seinem Berichte wenig die Rede, und wo nicht Ordensbrüder oder gute Menschen ihn aufnehmen, begnügt er sich mit dem geringsten Nachtquartier und einfachster Kost. Die Reise geht über Basel durch das südliche Frankreich, über Barcelona nach Valladolid, zurück aber über Jrun und Bayonne, an der Küste hinauf, wo die Salzbereitung beschrieben wird, bis Nantes, dann über Orleans nach Paris. Erschöpfung und Fieber nöthigen ihn mit seinen Begleitern zu einem Aufenthalte im Schloffe Fresne, wo die Gräfin Duplessis, geb. Choiseul, aufs beste für sie sorgt, dann geht es durch Lothringen, aus dem eben damals Ludwig XIV. den Herzog Karl verjagte, nach Straßburg, und über Augsburg, München, Regensburg zurück nach Pilsen. Der zweite Bericht von 1756 zeigt schon eine bedeutende Abnahme der alten Strenge und Einfachheit. Von Fußwanderungen ist nicht mehr die Rede, und vielfach sind die Klagen über theure Preise; namentlich machen sich die Vetturine die Noth der zahlreichen Abgeordneten, welche vorwärts müssen, zu Nuße und fordern übermäßige Bezahlung, während sie nach Belieben kleine Tagereisen machen und einem guten Wirthshaus ungern vorbeifahren. Sie theilen natürlich nicht den Wunsch der Reisenden, einen Franziskaner-Konvent noch zu Nacht zu erreichen. Unsere Reisenden begeben sich über Wien nach Triest, erreichen nach stürmischer Ueberfahrt Venedig, nehmen in Pavia einen Vetturin für die ganze Reise bis Murcia an und müssen hier, weil die Errichtung der neuen Provinz Schlesien noch unbekannt ist, erst deren Anerkennung und die Anweisung eines Quartiers erwirken, was ihnen auch glücklich gelingt. Die Rückreise nehmen auch sie über Straßburg und durch Deutschland, zuleßt von Prag über Braunau, Grüssau, Jauer, Neumarkt nach Breslau. In Frankreich gefiel es ihnen beffer, als in Spanien, doch überall war es sehr theuer. Für spätere Fälle der Art geben sie den Rath, lieber einen Wagen zu kaufen, wie es z. B. die Polen thäten, und feruer einen Tertiarier zur Aufwartung mitzunehmen, der gut zu kochen verstehe, da es namentlich in Spanien begegne, daß man auf weiteren Strecken nichts bekommen könne und nur von den mitgenommenen Vorräthen leben müsse. — Zu vollständiger Mittheilung durch den Druck sind diese Berichte wohl kaum geeignet, besonders da sie lateinisch geschrieben sind, freilich ohne Anspruch auf Klaffizität; es ist eine Art von Küchenlatein, die häufig einen sehr originellen Anstrich hat.

- Nouvelle Revue Germanique. Das erste Monatsheft dieses wiedererweckten Dolmetschers der deutschen Literatur in Frank reich ist am 31. Januar d. J. in Paris ausgegeben worden. Als Einleitung bringt es einen Artikel der Herren Karl Dollfuß und A. Neffßer über die heutige Literatur Deutschlands im Allgemeinen; ferner ein Schreiben des rühmlichst bekannten Linguisten E. Renan über die philologischen und namentlich auch die orientalischen Studien in Deutschland; von Herrn Armand Vallier eine Analyse der römischen Geschichte von Theodor Mommsen; Bruchstücke aus dem Reisewerke des Prinzen Waldemar von Preußen über Hindostan und den Himalaya; einen Auszug aus dem vierten Bande von Humboldt's,,Kosmos", die ,,Vulkane" betreffend; die drei ersten Akte des Fechters von Ravenna", von Friedrich Halm; eine Skizze von Moris Hartmann:,,die goldenen Haare"; eine kritische Uebersicht der neuesten, in Deutschland erschienenen, wichtigen Werke; einen literarisch-wissenschaftlichen Bericht aus Berlin; Korrespondenzen aus Heidelberg und Wien und endlich auch eine Bibliographie der im Januar in Frankreich und im Auslande erschienenen neuen Bücher. Man sieht, an Stoff und mannigfaltigem Inhalt fehlt es nicht; hoffen wir, daß dadurch die deutsche Wissenschaft und Literatur in Frankreich eine verbreitetere Anerkennung, als bisher, finde.

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Haïti.

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bet
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Auslandes.

Berlin, Sonnabend den 20. Februar.

Kaiser Faustin und die Domingische Republik. Die Hindernisse, die der geregelten Entwickelung der Civilisation in dem haïtischen Kaiserreiche in den Weg treten, haben seit einem Jahre nichts an ihrem Gewichte verloren. Das einzige befriedigende Resultat ist dem Einfluß der europäischen Regierungen zu verdanken: Faustin 1. lernte endlich die Nothwendigkeit begreifen, Frankreich und England einige für unumgänglich erachtete Zugeständnisse zu machen und nicht ferner mit so unseliger Verbiffenheit den blutigen Hader mit den Domingiern zu verfolgen. Diese, die dem brutalen Gelüste des schwarzen Häuptlings, fie feiner Gewalt zu unterwerfen, den kräftigsten Widerstand entgegengeseßt hatten, zeigten unglücklicher weise in der Handhabung ihrer inneren Angelegenheiten nicht die Weisheit und Mäßigung, die allein die Nachwirkungen des blutigen Regiments, dessen Seele der alte Präsident Santana war, hätten ausgleichen können.

Während der legten anderthalb Jahre wogte die Anarchie unaufhörlich im Schoße der kleinen Republik. Die Domingier, obgleich Sieger über Souloucque in dem kurzen Feldzuge, der mit Januar 1856 endete, fühlten bei ihren inneren Zerwürfnissen dringender als je das Bedürfniß nach Beilegung der äußeren Feindseligkeiten. Andererseits kühlten die aufständischen Bewegungen zu Cayes im April 1856 einigermaßen die kriegerische Glut Souloucque's und mach. ten ihn für die Rathschläge der Friedenspartei in seiner Umgebung und die Vorschläge der beiden Westmächte zugänglicher. Dennoch stieß das Friedenswerk auf ernste Schwierigkeiten, die zum großen Theil in dem gewaltsamen Charakter Souloucque's, dann aber auch in seinem Mißtrauen und Argwohn gegen die französischen und englischen Agenten ihren Grund hatten. Er glaubte es also vorziehen zu müssen, einem gewissen William Lloyd, der schon einmal, 1854, mit einer ähnlichen, fruchtlos gebliebenen Sendung betraut worden war, wiederum den Auftrag zu geben, im Geheimen mit der Republik St. Domingo zu unterhandeln. Die Firma Lloyd zu Port au Prince, die vonseiten der Regierung den Verkauf der zwanzigprozentigen Naturalabgabe an Kaffee im Auslande besorgt, hat vor vier Jahren auch das Monopol erworben, auf eigene Rechnung in allen Mahagoni-Waldungen schlagen zu lassen. Da nun die Hauptschläge an der Gränze des domingischen Gebietes liegen, so war es im Interesse dieser Kaufleute, den Zwist der beiden Länder möglichst rasch auszugleichen. Ihre Be mühungen blieben aber im Jahre 1856 ebenso erfolglos, wie im Jahre 1854, und als Faustin I., nachdem er von der Züchtigung der Aufständischen zu Cayes zurückgekehrt, seinen Einzug in die Hauptstadt hielt, stand Alles noch auf dem alten Punkte, und eine Lösung der Domingo-Frage lag noch im weiten Felde.

So blieb die Situation bis zum Anfange des Jahres 1857 in großer Spannung. Um diese Zeit gab Souloucque vor, von Santana einen Brief erhalten zu haben, worin dieser ihm mittheilte, daß sein, Santana's, Nachfolger, Baez, die Republik den Fremden überliefern wollte. Santana hätte sich nun erboten, mit dem Kaiser gemeine Sache zu machen und ihm die Republik zu unterwerfen. Wirklich rückten einige Tage darauf zwei Regimenter aus Port au Prince in der Richtung von Las Caobas mit einem beträchtlichen Zug Lebensmittel und Kriegesbedarf vor. Zugleich erfuhr man, daß zwischen haïtischen Posten und Domingiern hin und wieder Gefechte an der Gränze vorgekommen seien. Es war also Grund genug zu dem Glauben vorhanden, daß die Wideraufnahme der Feindseligkeiten vor der Thür stehe. Glücklicherweise traf die Ankunft des französischen General-Konsuls, Herrn Dillon, mit diesen Ereignissen zusammen. Mit der Mäßigung und Festigkeit, wie sie dem Vertreter einer vermittelnden Macht ziemen, stellte er dem Kaiser Souloucque die dringende Nothwendigkeit vor, die Ausgleichung anzunehmen, die

*) Nach dem Jahresbericht des Annuaire des deux Mondes.

1858.

Frankreich und England fich verpflichteten, ehrenvoll und vortheilhaft für das haïtische Reich einzurichten. Am 17. Februar 1857 gab Dufrêne, Minister der Auswärtigen, in der Form einer Note an den französischen Geschäftsträger und an den englischen Vice-Konsul, die Zusicherung vonseiten seines Monarchen, die Feindseligkeiten gegen die Republik zwei volle Jahre, vom 14. Februar 1857 bis dahin 1859, einzustellen und gegen das Gebiet des Ostens nicht die Waffen zu erheben. Dieser eingegangenen Verpflichtung sei er jedoch in folgenden Fällen quitt: 1) Wenn fremde Truppen in diesem Gebiete landen, oder bei irgend welchem Versuch einer anderen Macht, dieses Gebiet durch Waffengewalt zu beseßen. 2) Wenn die Einwohner des Ostens, im Gefühl ihrer Ohnmacht, die Ordnung bei sich aufrecht zu erhalten, und in dem Wunsch, der Wohlthaten der Vereinigung mit dem Reiche theilhaftig zu werden, an die Regierung des Kaisers Faustin 1. einen Aufruf richten.

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Das war Alles, was man erlangen konnte. Freilich wäre ein Friedensschluß einer bloßen Waffenruhe vorzuziehen gewesen; allein die vom Kaiser unterm 20. September 1849 bestätigte haïtische Verfassung war einem solchen Akt ausdrücklich entgegen. Der erste Artifel lautet nämlich:,,Die Insel Haïti und die anliegenden Eilande bilden das Gebiet des Reiches." ,,Dieses Gebiet", besagt dann der Artikel 4,,,ist unverleßlich und durch keinen Vertrag veräußerlich.“ Während aber die Regierung mit den großen Worten: Kaiserthum: und Constitution prunkt, vereinigt sich Alles, die Ohnmacht der schwarzen Rage recht scharf hervorzuheben; nicht nur ist sie unfähig, eine achtungswürdige Ordnung der Dinge zu gründen, sondern auch nur die ihr von den früheren Ansiedlern Haïti's hinterlaffenen Keime des Wohlstandes zu hegen. Zuvörderft fällt dem Beobachter die reißend wachsende Verkümmerung der Bevölkerung auf; von materieller Entwickelung, von Verbefferung irgend welcher Art, von Fortschritt ist keine Spur. Die Wasserleitungen, die Straßen, die öffentlichen Gebäude, die Bewäfferungs-Kanäle, kurz alle Werke, die aus den Zeiten der französischen. Befizzeit herrühren, fallen in Trümmer oder find schon in Trüm» mer gefallen. Die Regierung scheint diesen Rückweg zur Barbarei zu begünstigen: es herrscht eine Art Jakobinerthum der Raçe und Farbe. Die Maffen beugen das Haupt knechtisch unter ein Joch, das ihren Nacken oft blutig gedrückt hat. Alle Unterthanen können unter die Fahne gerufen werden. Der Militairdienst ist aber für die Haïtier nichts als eine theils zum Nugen des Kaisers, theils zum Nugen der Generale organisirte Frohn. Die Soldaten müssen für Rechnung des einen und der anderen in den Privatbesigungen Kaffee lesen, Rum fabriziren, Gras mähen.

Unter einem solchen System muß natürlich die Bevölkerung immer mehr abnehmen. Dank den Anstrengungen der vermittelnden Mächte, scheint das unglückliche Volk wenigstens auf einige Zeit gegen die Kriegesgeißel geschüßt zu sein. In Folge der freundlichen Vorstellungen des französischen General-Konsuls hat die haïtische Regierung den Einwohnern des Oftens, das heißt der domingischen Republik, die ungestörte und ungehinderte Einfuhr ihrer Erzeugniffe 'für den ganzen Umfang des Kaiserreiches gestattet. Diese Maßregel, die von der Handelswelt zu Port au Prince freudig begrüßt wurde, wird der Gesammtbevölkerung, die bei dem Tauschhandel betheiligt ist, Vortheile verschaffen, welche sie bald überzeugen müffen, daß sie durch Kriegführen nur an ihrem gegenseitigen Ruin arbeite. Souloucque hatte noch fünf domingische Gefangene in seiner Gewalt; er gab ihnen die Freiheit. Endlich scheint die haïtische Regierung, gegenwärtig von einem besseren Willen beseelt, allen Zänkereien, zu welchen die beiderseits gereizte Stimmung der Nachbarvölker so oft Anlaß giebt, ein Ziel zu sehen. Seitdem Krieg und Feldzugspläne nicht mehr die Hauptbeschäftigung Souloucque's und seiner Räthe find, scheint sich sein Sinn auf nicht minder wichtige Fragen zu richten, deren Lösung weit mehr das Glück seines Volkes fördern würde. Vielleicht ist der Augenblick nicht mehr fern, wo die römische Kurie durch ein Konkordat den Schwierigkeiten ein Ende macht, die Monsignore Spacca Pietra vor einigen Jahren nicht zu besiegen ver

mochte. Es wäre ein bedeutender Schritt auf einem befferen Wege: er würde zum moralischen Aufschwung des haïtischen Volkes führen und es aus jener der schwarzen Raçe so sehr zusagenden, mit dem Fortschritt der Civilisation aber unverträglichen Isolirung herausreißen.

Das Wüthen der Parteien zu Santo Domingo, die sich um die Macht streiten, dürfte mit weit größerer Gewißheit den Sturz der Republik herbeiführen, als es die Anfälle von außen zu thun vermöchten; ja diese werden eben zunächst durch die innere Zerriffenheit heraufbeschworen und erleichtert.

Am 27. Mai 1856 machte die amtliche Zeitung der domingischen Regierung die Entlassung Santana's bekannt. Der Senat, der sich scheute, sie zu schnell anzunehmen, wiederholte dreimal, aber immer erfolglos, seine Bitte, der Libertador möchte seine Entscheidung zurücknehmen. Da aber das Mandat Santana's noch nicht abgelaufen war, so übernahm, nach den Bestimmungen der Verfassung, der Vice-Präsident, General Regla-Motta, interimistisch die Präsidentur. Thatsächlich jedoch behielt Santana noch einige Wochen das Heft in Händen und verwandelte seinen Wohnsiz in Seybo zu einer Art Festung, ließ aus Santo Domingo Kanonen, mehrere Tausend Gewehre und Kriegesbedarf kommen. General Regla-Motta, der den Augenblick mit Ungeduld erwartete, die Laft der Präsidentur abzuwerfen, ließ ihn gewähren. Während aber die domingische Bevölkerung, von dem Schreckensregiment Santana's erstarrt, ohne zu murren unter dem Joche fortkeuchte, kamen Umstände hinzu, die ohnehin traurige Lage der Republik noch zu verschlimmern: die Ansprüche der Vereinigten Staaten einerseits, die Reclamationen Spaniens andererseits. In der Hoffnung, auf seine frühere Kolonie einen gewissen Einfluß zu behalten, und gegen das Versprechen, man würde den Nord - Amerikanern niemals gestatten, hier Fuß zu faffen, hatte Spanien im März 1856 mit der domingischen Republik einen Vertrag geschlossen, in welchem es jedem Rechtsanspruch auf die Länder dieses Staates entsagte. Kaum aber war dieser so lange und so eifrig gewünschte Akt vollzogen, als Santana (8. April 1856) mit der Union heimlich unterhandelte. Nicht zufrieden, der spanischen Regierung wegen der gehässigen Behandlung spanischer Unterthanen, die er ohne Urtheil ausweisen oder erschießen ließ, jede Genugthuung zu versagen, verweigerte Santana die Ausführung der im genannten Vertrage stipulirten Immatriculation. Der Artikel 7 gewährte nämlich den,,ehemaligen Unterthanen Spaniens“ in Santo Domingo das Recht, sich in die Matrikel der spanischen Gesandtschaftskanzlei einschreiben zu lassen, dadurch als Unterthanen Ihrer katholischen Majestät angesehen zu werden und so den drückenden Gesehen der Republik sich zu entziehen. Anfangs überrascht, dann aufgebracht, fah Santana, daß Alle sich anschickten, von dem Artikel 7 Gebrauch zu machen. Zuerst nun bedrohte er unter der Hand diejenigen, die jenes Privilegium benußen wollten; endlich befahl er, einen Spanier-Sohn, der es gewagt hatte, sich immatrikuliren zu lassen, in's Gefängniß zu werfen. Auf diesen Gewaltstreich folgten vonseiten der spanischen Regierung energische In. structionen an Segovia, ihren Geschäftsführer zu Santo Domingo, und um feinen Vorstellungen den gehörigen Nachdruck zu geben, erhielt der General-Capitain von Cuba zu gleicher Zeit Befehl, ein KriegsGeschwader dahin zu senden. Angesichts solcher Schwierigkeiten beeilte fich General Regla-Motta, die Leitung der Geschäfte seinem Vorgänger zu überlassen, der im Juli 1856 wieder in Santo Domingo erschien, während zu gleicher Zeit zwei spanische Kriegsfahrzeuge,, Blasco de Garay" und „, Gravina" im Hafen vor Anker gingen.

Die Unruhe, die der Abschluß eines Vertrages mit der Union, über dessen Punkte das tiefste Geheimniß waltete, in Spanien hervorrief, hatte zur Folge, das Madrider Kabinet in eine gefährliche Bahn zu drängen. Segovia empfing die Weisung, dem Artikel 7 die möglichst ausgedehnte Auslegung zu geben, und so nahm er denn das Recht in Anspruch, alle früheren spanischen Unterthanen zu immatrikuliren. Die beiden Schiffe im Hafen als Rückhalt, ging Segovia mit der Sprache heraus und drang besonders darauf, ihm das Versprechen zu geben, daß die domingische Regierung den Vertrag mit der Union nicht ratifiziren werde. Ueberdies verlangte er die Zurücknahme mehrerer harter Maßregeln und die Verkündigung einer Amnestie, die dem früheren Präsidenten Baez zugute kommen mußte; deffen Wiedereintritt in den Staatsdienst war dann vorherzusehen.

Stoff vollauf zu eruften Verlegenheiten für General Regla= Motta! Wohl fühlte das Kabinet, das er leitete, den Vortheil, der für die Wiederherstellung der freundlichen Beziehungen mit Spanien baraus erwachsen würde, wenn Baez wieder an die Spiße der Regierung träte; allein man fürchtete den, troß seiner scheinbaren Zurückgezogenheit von allen Geschäften, noch immer furchtbaren Santana und suchte also zuvörderst zwischen dem Libertador und dem Präsidenten eine Versöhnung zustande zu bringen. Was den amerikanischen Traktat betrifft, that der Minister der Auswärtigen, Levastida, alles Mögliche, die endliche Ratification zu hindern, und der Geschäfts

führer der Vereinigten Staaten reiste nach Washington mit der versteckten Drohung ab, er werde Alles in Bewegung sehen, dem unterzeichneten Vertrag durch Gewalt Geltung zu verschaffen.

Man sieht, wie ernst die Situation war, als Baez im Oktober 1856 von der obersten Gewalt Besiz nahm. Am 6. Oktober leistete er den Eid als Vice-Präsident, und Tages darauf übergab ihm General Regla-Motta die Präsidentur der kleinen Republik. Die fogenannte Immatriculationspartei hatte in den legten Monaten sehr an Stärke gewonnen, und sie, beschwor dem neuen Präsidenten zahl= reiche Schwierigkeiten herauf. Baez, der den alten Anhängern des Libertadors keinen Plaz bei der Regierung einräumen mochte, war darauf angewiesen, den,,spanischen Unterthanen" die Leitung der Geschäfte anzuvertrauen. Delmonte, unter Anderen, einer seiner Minister, hatte sich immatrikuliren lassen. Aergerliche Auftritte fanden im November zu Santo Domingo statt: ein drohender Haufe, eine spanische Flagge an der Spize, durchzog die Stadt unter dem Geschrei: „Es lebe Segovia! Es lebe Baez! Tod dem Santana! Tod den Yankee's!" Als er an den Wohnungen der Mitglieder der vorigen Regierung vorbeizog, brach er in ähnliche Mordrufe aus, und es fehlte nicht viel, daß der Mast mit der amerikanischen Flagge vor dem Hause des UnionsAgenten niedergeriffen wurde. Es war leicht vorauszusehen, daß diese Unordnungen eine Reaction herbeiführen würden, die auf den Sturz Baez und den Sieg des amerikanischen Einflusses hinauslaufen mußte. Die Bevölkerung außerhalb der Hauptstadt zeigte sich in der That von den Vorgängen zu Santo Domingo wenig erbaut und verdammte das leidenschaftliche Gebahren der domingo - spanischen Partei, die eine Adresse an Baez richtete, worin sie ihn bat, den General Santana und dessen alte Anhänger vor ein Gericht zu stellen. Anfangs Januar 1857 brach ein Aufstand zu Heyba an der Gränze aus, und die Aufständischen rotteten sich unter dem Geschrei: „Es lebe Santana!“ zusammen. Baez beschloß nun, feinen Vorgänger nach Santo Domingo zu berufen, um hier seine Bewegungen zu überwachen. Ein Offizier an der Spize von 200 Reitern überbrachte Santana den Befehl nach Seybo, sich in die Stadt zu verfügen. Der General gehorchte, und einmal in Santo Domingo, unterzog er sich den Bedingungen, die ihm Baez stellte; ja, er willigte ein, das Land zu verlassen. Am 11. Januar wurde er nach Martinique eingeschifft. Baez benahm sich übrigens bei dieser Gelegenheit weit mäßiger, als der Senat, der den Libertador einem Gerichtshof übergeben wollte, um Rechenschaft über seine Verwaltung zu fordern. Da ihm der Gouverneur von Martinique die Aufnahme verweigerte, so gewährte ihm der Befehlshaber der französischen FlottenStation in den Antillen, Admiral de Geydon, eine Zufluchtsstätte auf der Fregatte,,Cleopatra".

Jm März 1857 lief die Frist zur Auswechselung der Ratificationen des amerikanischen Vertrages ab, und es stand zu befürchten, daß die von Baez gegen die Vereinigten Staaten befolgte Politik die Union veranlassen könnte, ein Kreigsschiff vor Santo Domingo zu senden, um der Stadt mit Kugeln ihre Meinung zu sagen; Baez blieb aber in dem damaligen Genuß seiner Sicherheit von dieser Gefahr ungestört. Gereizt durch die Widerwärtigkeiten, für die er sich eigentlich bei seinen Freunden, den „Immatrikulirten“, zu bedanken hatte, nahm der Präsident unglücklicherweise allmählich eine nichts weniger als versöhnende Haltung an und griff zu Maßregeln der Härte, die einen peinlichen Eindruck erzeugten. Inzwischen dachte er daran, die Dauer seiner Gewalt zu verlängern, ja, er soll sich sogar um den Titel eines Präsidenten auf Lebenszeit beworben haben, als am 8. Juli 1857 ein furchtbarer Aufstand in den nördlichen Provinzen der Republik zu Cibao, San Jago, in den Distrikten von Vega, Cotuy, sogar von Seybo, einem der Hauptstadt ziemlich nahen Punkte, zum Ausbruch kam. Die Aufständischen nahmen den Ruf: Es lebe Santana!" zum Losungswort. zum Losungswort. Und Santana zögerte nicht, wieder auf dem Schauplaß zu erscheinen, um die Leitung der provisorischen Regierung, die zu San Jago ihren Siz hatte, zu übernehmen. Angefichts einer so ernsten Bewegung, ist es zweifelhaft, daß Baez sich noch lange im Besiß der Gewalt erhalten werde, und der wachsende Fortschritt der Anarchie flößt die Besorgniß ein, daß Souloucque sie zum Vorwand nimmt, seine Armee über die domingische Gränze rücken zu lassen.

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Ueber akademisches Leben und Studium.
Nach Professor Erdmann.
(Schluß.)

Von dem armen Studenten fordert der Verfaffer, daß er erwerbe, d. h. etwas leiste. Seine Betrübniß darüber, daß in Halle, wenn Geldbewilligungen zu vertheilen sind, mehr als hundert Petitionen einlaufen, während es vorkommt, daß in einem Jahre für die theologische Aufgabe und für zwei philosophische sich nicht Ein Bewerber meldet, obgleich wenigstens die letteren so eingerichtet sind, daß ein ange

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