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Frankreich.

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei
Beit u. Comp., Jägerfiraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann,
Niederwallfie. Nr. 21), sowie von allen königl. Vost-Aerstern, angenommen.'

Auslandes.

Berlin, Dienstag den 16. Februar.

Julian Schmidt's Geschichte der französischen Literatur

feit 1789.*)

Die unten näher bezeichnete Schrift ist eine willkommene Erscheinung. Die Geschichte der französischen Literatur seit 1789 giebt, wie der Verfasser selbst in dem Vorwort bemerkt, Stoff zu einem anziehenden Gemälde, und in der That ist auch das Ge= mälde, das uns der Verfasser liefert, ein in vieler Beziehung anziehendes, zumal es nicht blos durch den Stoff, sondern auch durch die geistvolle Form, in welcher der Stoff zur Anschauung gebracht wird, den Beschauer fesselt. Das reiche Geistesleben der Franzosen in der neuesten Zeit wird uns in fünf Büchern, überschrieben: die Revolution, die Restauration der Kirche, Versuche einer Vermittlung, die romantische Schule, die soziale Bewegung, geschildert. Es kann hier weder eine Uebersicht des Inhalts gegeben, noch kritisch auf das Einzelne eingegangen werden. Im Allgemeinen ist die Klarheit der Darstellung und die Unbefangenheit des Urtheils anzuerkennen, und der Leser wird gewiß die Lektüre verlaffen mit der Befriedigung, ein im Ganzen wahres Bild der geistigen Bewegung in Frankreich in sich aufgenommen zu haben.

Es ist dem Verfaffer als ein besonderes Verdienst anzurechnen, daß er sich von den gewöhnlichen Vorurtheilen der Deutschen gegen die Franzosen frei erhalten hat. Er selbst spricht sich hierüber aus (1, S. 10):,,Seit Leffing gehört es bei uns zum guten Tone, der französischen Literatur so viel Böses nachzusagen, als möglich. Im Eifer des Kampfes vermischten sich alle Unterschiede, und selbst bei gut unterrichteten Kritikern sieht es so aus, als ob sich die Schriften der Franzosen zu allen Zeiten gleich geblieben wären. Vergessen wir nicht, daß Leffing, Wieland, Göthe u. f. w. die französische Schule durchgemacht, aus der französischen Literatur fich jenen guten Geschmack und jenen gefunden Menschenverstand angeeignet hatten, die der erste Schritt auf dem Wege zur Reform sein mußten. Durch diefen Geschmack geleitet, entdeckten sie tiefere Quellen der Bildung und der Kunst: Luther, Shakspeare und die Griechen, und bald gelang es ihnen, ihre ersten Lehrmeister bei weitem zu überholen. Aber wenn bei den Reformatoren die Undankbarkeit sich rechtfertigt, so find wir, ihre Erben, in der Lage, in dem ruhigen Besiß unserer nationalen Bildung auch gegen die Fremden Gerechtigkeit auszuüben. Wenn der Haß gegen die französische Literatur die Gränzscheide unseres Jahrhunderts überdauert, so ist das nicht mehr Nothwehr gegen eine tyrannische Bildung. Der Haß gilt diesmal den französischen Eroberungskriegen, der Revolution und unmittelbar der Literatur des achtzehnten Jahrhunderts, aus der sie hervorgegangen war. Man bekämpfte Corneille als den Vorgänger Voltaire's und Voltaire als den Vater der Jakobiner. Der Gegensaß war geblieben, aber die Gründe batten sich geändert."

Nicht mit gleicher Unparteilichkeit verfährt der Verfaffer in der Beurtheilung religiöser Verhältnisse. Hier stellt er sich auf einen idealen germanisch-protestantischen Standpunkt, von wo aus es leicht ist, einen Schatten auf den Gegner zu werfen, während man selbst im hellen Lichte ftrahlt. Der Verfasser spricht von der Restauration der Kirche in Frankreich (1, S. 195 ff.):,,Da man sich vergebens bemühte, auf das bloße Bedürfniß der Moral einen neuen Kultus zu gründen, so mußte man sich wohl oder übel zu der einzigen Stätte zurückwenden, wo dieser Nahrung geboten wurde, d. h. zur katholischen Kirche. Das Bedürfniß der Kirche aus politischen Gründen war vorhanden, aber an logisches Denken gewöhnt, fahen sie ein, daß man sie in ihrer ganzen Fülle wiederherstellen müffe, daß jeder Stein an diesem großen Gebäude fest mit dem anderen zusammenhing, und daß man Gefahr lief, durch das Weglassen eines einzelnen Gliedes dem Ganzen feinen Schwerpunkt zu nehmen. Diese Verstandes - Ucber

*),,Geschichte der französischen Literatur seit der Revolution von 1789." Ven Julian Schmidt. 2 Bände. Leipzig, F. L. Herbig, 1857.

1858.

zeugung von dem organischen Zusammenhang der Kirche trieb sie dann zu einem Eifer gegen alle Früchte der Aufklärung und des Denkens, und je logischer die Natur eines dieser Reactionaire angelegt war, desto leidenschaftlicher zog er gegen das Denken zu Felde. Hier waren die protestantischen Staaten ungleich günstiger gestellt, da es für sie eine Vermittlung gab. Um die Dogmen mochte man rechten, die sittlichen Grundlagen der Kirche waren auch die des Volkes. In den katholischen Ländern ließ der Cölibat der Geistlichen, das Klosterwesen, die Unauflösbarkeit der Ehe, der blinde Gehorsam und die Kontinuität des Wunders der Freiheit innerhalb der idealen Welt keinen Spielraum. Aus dem Cölibat gingen die galanten Abbé's hervor, aus dem Sakrament der Ehe der Leichtsinn in Bezug auf die eheliche Treue, mit dem blinden Gehorsam hing die Trennung der bürgerlichen von der geistlichen Welt zusammen, und der Glaube an die Kontinuität des Wunders, d. h. an eine fortwährende Unterbrechung des Naturlaufes, machte die Wissenschaft zur Feindin der Kirche. Kirche. Die Autonomie in Glaubenssachen, die der Protestantismus dem Einzelnen erobert hat, geht auch in das Politische über und erhebt jeden Bürger zum Träger von Rechten und Pflichten, den Staat zu einem Verein freier Personen; die rechtliche Begründung seines Glaubens in dem bestimmten, der philologischen und historischen Kritik unterworfenen Buche treibt ihn auch in der Politik zum Streben nach einem geschriebenen Recht und zur gesetzlichen Entwicklung. Der Absolutismus wie die Revolution gehören den romanischen, katholischen Völkern an; die beschränkte Staatsform, der orga= nisirte Widerstand der verschiedenen Staatsgewalten ist germanischer, protestantischer Natur.“

Das ist Alles sehr schön gesagt, nur schade', daß ein Franzose, der über die neueste deutsche Geschichte schriebe, denselben Passus mutatis mutandis zur Schilderung der Bestrebungen der protestantischen Restaurations-Partei in Deutschland umkehren könnte. Auch in Deutschland, könnte er fagen, hat ein logisches Denken dahin geführt, daß man die Kirche in ihrer ganzen Fülle, wie sie die Reformatoren auffaßten, wiederherstellen müsse, daß jeder Stein an diesem großen Gebäude fest mit dem anderen zusammenhängt u. s. w. Diese Verstandes- Ueberzeugung von dem organischen Zusammenhange der Kirche treibt auch hier wie dort zu einem blinden Eifer gegen alle Früchte der Aufklärung und des Denkens, und je logischer die Natur eines dieser Reactionaire angelegt ist, desto leidenschaftlicher zieht er gegen das Denken zu Felde. Auch die protestantische Kirche hat vielfach über die Verweltlichung der Geistlichen geklagt und die Ehe ist freilich kein Sakrament, aber dennoch hält man es für nothwendig, um dem Leichtsinu in Bezug auf die eheliche Treue zu steuern, auf ftrenge Ehegesehe zu dringen. Der Glaube, wenn auch nicht an die Kontinuität, doch an die Realität des Wunders macht auch hier die Wissenschaft zur Feindin der Kirche, und man dringt mit nicht geringerem Eifer auf eine Umkehr der Wissenschaft. Die Autonomie des Einzelnen in Glaubenssachen reicht eben auch nur so weit, als sie innerhalb der von der Kirche gesteckten Gränzen bleibt. Vor dem Absolutismus hat auch der Protestantismus nicht geschüßt, und mit der Revolution und dem Königsmorde ist das germanisch-protestantische England dem romanisch-katholischen Frankreich vorangegangen und hat ihm ein leider nur zu genau befolgtes Beispiel gegeben. Die beschränkte Staatsform, den organisirten Widerstand der Staatsgewalten, angeblich aus der germanischen, protestantischen Natur erwachsen, betrachtet die protestantische Restaurationspartei als ein unseliges Geschenk des romanisch-katholischen Frankreich, deffen man sich nicht schnell genug entledigen könne. Die Constitution Englands, ein Werk vieler Jahrhunderte, trieb ihre Wurzeln schon, als das Land noch katholisch war, und das romanisch-katholische Sardinien und Belgien scheinen für die beschränkte Staatsform ein geeigneterer Boden, als manches germanisch-protestantische Land.

Mit felbstgefälliger Hervorhebung der Vortrefflichkeit des Eigenen dem Fremden gegenüber wird der unbefangenen Auffaffung kein Dienst geleistet. Gewiß ehrt den Mann die Achtung seiner Nationalität

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und Konfession, um so mehr aber, je gerechter er gegen die fremde ist. In die gewöhnlichen National- und Konfessions-Vorurtheile einzustim. men, ziemt am wenigsten einem Historiker.

In der Beurtheilung der Schriftsteller zeigt sich der Verfasser im Allgemeinen gerecht und vorurtheilsfrei; nur den armen Béranger, dem der Verfasser sonst alle Gerechtigkeit widerfahren läßt, trifft der Vorwurf einer lüderlichen Religionsphilosophie. „Wenn Béranger", heißt es (1, S. 104), das Christenthum nur in diesen Pharisäern (nämlich den katholischen Priestern) sucht und ihnen die Religion Epikur's entgegenstellt, so kann man sich das so lange gefallen laffen, als es komisch ist. Wenn aber der Epikuräer den,,Gott der guten Leute" dogmatisch beschreibt und für das Glaubens-Bekenntniß der Gedankenlosigkeit die ernste Aufmerksamkeit des Lesers in Anspruch nimmt, darf man das Recht der souveränen Kunst nicht mehr gelten laffen; durch diese sehr populäre lüderliche Religions - Philosophie hat Béranger der echten Religiosität einen empfindlichen Schaden gethan."

Gewiß, eine harte Beschuldigung! Leffing hat einmal Rettungen des Horaz, des heidnischen Epikureers, geschrieben. Der edle Béranger, der christliche Epikuräer, verdiente es wohl ebenso gut, daß ein zwei ter Lessing sich seiner Rettung annehme. Wir können, bis ein solcher fich findet, nicht mehr thun, als das Gedicht: ,, Le Dieu des bonnes gens", das ihm eine so arge Anklage zugezogen, dem Leser vorlegen: Il est un Dieu; devant lui je m'incline, Pauvre et content, sans lui demander rien, De l'univers observant la machine, J'y vois du mal, et n'aime que le bien. Mais le plaisir à ma philosophie Révèle assez des cieux intelligents.

Le verre en main, gaîment je me confie
Au Dieu des bonnes gens.

Dans ma retraite où l'on voit l'indigence,
Sans m'éveiller, assise à mon chevet,
Grâce aux amours, bercé par l'espérance,
D'un lit plus doux je rêve le duvet.
Aux dieux des cours qu'un autre sacrifie!
Moi, qui ne crois qu'à des dieux indulgents,
Le verre en main, gaîment je me confie
Au Dieu des bonnes gens.

Un conquérant, dans sa fortune altière,
Se fit un jeu des sceptres et des lois,
Et de ses pieds on peut voir la poussière
Empreinte encor sur le bandeau des rois.
Vous rampiez tous, ô vous qu'on déifie!
Moi, pour braver des maîtres exigéants,
Le verre en main, gaîment je me confie
Au Dieu des bonnes gens.

Dans nos palais où près de la Victoire
Brillaient les arts, doux fruits des beaux climats,
J'ai vu du Nord les peuplades sans gloire
De leurs manteaux secouer les frimas.
Sur nos débris Albion nous défie;

Mais les destins et les flots sont changeants:
Le verre en main, gaîment je me confie
Au Dieu des bonnes gens.

Quelle menace un prêtre fait entendre!
Nous touchons tous à nos derniers instants:
L'éternité va se faire comprendre;
Tout va finir, l'univers et le temps.

O chérubins à la face bouffie,
Réveillez donc les morts peu diligents!
Le verre en main, gaîment je me confie
Au Dieu des bonnes gens.

Mais quelle erreur! non, Dieu n'est point colère ;
S'il créa tout, à tout il sert d'appui:
Vins qu'il nous donne, amitié tutélaire,

Et vous, amours, qui créez après lui,

Prêtez un charme à ma philosophie
Pour dissiper des rêves affligeants,
Le verre en main, que chacun se confie
Au Dieu des bonnes gens.

Es giebt doch wahrlich nichts Harmloseres als dieses Gedicht! Vergessen wir nicht, daß es in einer trüben Zeit, kurz nach der Restauration der Bourbons, geschrieben ist. Der Mächtigste auf Erden war gefallen; die Fremden hatten Frankreich beseßt. Der Dichter tröstet fich:,,Es lebt ein Gott noch; vor ihm beuge ich mich. Mein Glück kann Niemand mir rauven; arm zwar, bin ich doch zufrieden, und den Wettlauf beobachtend, seh ich viel Böses zwar, doch lieb' ich nur das Gute. Liebe und Hoffnung verschönern mir das Leben. Möge ein Anderer den Göttern der Höhe opfern; ich traue nur auf meines Gottes Huld. Könige, die kurz vorher noch vor dem stolzen Eroberer krochen, werden jezt vergöttert; ich troze, meinem Gott vertrauend,

tyrannischen Herren. Die Barbaren des Nordens und das stolze Albion triumphiren jezt über Frankreich. Doch wechselnd find ja die Geschicke. Es droht der Priester: Der jüngste Tag ist nahe; die Welt ist dem Untergange verfallen. Ich glaube nicht an einen Gott des Zorns. Er, der die Welt geschaffen hat, wird sie nicht zerstören. Laßt uns die trüben Gedanken mit Wein, Freundschaft und Liebe, den Gaben des gütigen Gottes, verscheuchen!" Daß man ihn dieses Gedichtes wegen verkeßern und zum Religionsspötter stempeln würde, hat der Dichter gewiß nicht geahnt; aber einem anderen Vorwurfe glaubte er begegnen zu müssen; daher die Anmerkung zu dem Verse:

Sur nos débris Albion nous défie:

Des critiques Anglais, très-bienveillants d'ailleurs pour notre auteur, lui ont reproché les traits plaisants ou graves dirigés contre leur nation. Ils auraient dû se rappeler que ces attaques remontent au temps de l'occupation de la France par les armées étrangères, qui avaient fait la Restauration; à ce temps où Sir Walter Scott venait chez nous écrire les Lettres de Paul, lâche et cruel outrage à un peuple aussi malheureux qu'il avait été grand. L'idée d'entretenir la haine entre deux nations a toujours été loin du coeur de celui qui, à l'évacuation de notre territoire, fut le premier à appeler tous les peuples à une sainte alliance. — Ein Dichter, der sein Volk auffordert, seinen Feinden zu einem heiligen Bunde des Friedens und der Liebe die Hand zu reichen:

Français, Anglais, Belge, Russe ou Germain,
Peuples, formez une sainte alliance,

Et donnez-vous la main,

wie es in dem Liede: „La sainte alliance des peuples", heißt, fann kein Glaubens - Bekenntniß der Gedankenlosigkeit, keine lüderliche Religions - Philosophie predigen und der Verderber seines Volkes sein. Uebrigens hat er sich selbst am besten gegen die Anklage der Gottlosigkeit in der Vorrede zu seinen Chansons vertheidigt: Quelquesunes de mes chansons ont été traitées d'impies, les pauvrettes! par MM. les procureurs du roi, avocats généraux et leurs substituts, qui sont tous gens trés-religieux à l'audience. Je ne puis, à cet égard, que répéter ce qu'on a dit cent fois. Quand, de nos jours, la religion se fait instrument politique, elle s'expose à voir méconnaître son caractère sacré; les plus tolérants deviennent intolérants pour elle; les croyants, qui croient autre chose que ce qu'elle enseigne, vont quelque-fois, par représsailles, l'attaquer jusque dans son sanctuaire. Moi, qui suis de ces croyants, je n'ai jamais été jusque-là: : je me suis contenté de faire rire de la livrée du catholicisme. Est-ce de l'impiété?

Béranger's Chansons haben gewiß der echten Religiosität weniger geschadet, als die süßlichen Schriften Lamartine's u. A. Gerade der Kreis, für den Béranger geschrieben, die Masse des Volkes, mit Ausschluß der forrumpirten und blasirten Gesellschaft der Salons und des rohen. Pöbels auf den Straßen, besißt bei allem französischen Leichtsinn doch noch einen guten Fond von sittlicher Kraft und echter Religiösität. Das weiß auch der Verfasser ganz wohl, daß es mit dem französischen Volke nicht so schlecht steht, wie man gewöhnlich glaubt, und wir sind ganz mit dem einverstanden, was er in seinem Vorworte sagt: „Die Franzosen sind bei uns wieder sehr in Verruf; früher erregten sie nur den Widerwillen der konservativen Partei, jest deklamiren auch die Demokraten gegen die leichtsinnige Politik eines Volkes, das ihr einziger Leitstern war. Es ist wahrlich nicht schwer, die Fehler dieser liebenswürdigen Nation herauszufinden, und wenn einzelne Hypochonder in ihrer Schwarzsichtigkeit so weit gehen, den nahe bevorstehenden Untergang Frankreichs zu verkünden, so können sie sich damit entschuldigen, daß es auch jenseits des Rheins an derartigen Propheten nicht fehlt. Ebenso schwer ist es aber, sie nicht zu lieben, wenn man sich etwas ernstlicher mit ihnen beschäftigt hat, ich wenigstens muß meine Vorliebe offen bekennen. Für ihre Schwächen hat sie mich nicht blind gemacht. Die gespreizte Declamation der jüngsten Poesie ist gewiß eine ebenso unerfreuliche Erscheinung, als der Sozialismus und die Lüderlichen Romane; aber die Elasticität des Volkes und seine Kraft ist dadurch nicht angegriffen, das haben die Ereignisse von 1854 gezeigt."

Nord-Amerika.

Notizen über die Administration der Vereinigten Staaten. II. Die Armee. (Schluß.)

Sold und Verpflegungskosten sind im Krieg und Frieden gleich; nur wenn auf fernen Märschen die Ration auf gewöhnliche Weise nicht beschafft werden kann, erhält der Soldat zu seiner Beköstigung täglich 75 Cents. Verschiedene deutsche Soldaten vom amerikanischen Militair, die ich gesprochen habe, waren mit der Verpflegung zufrieden. Zwar sind auch Klagen darüber laut geworden, indeß können dergleichen Aeußerungen Einzelner schwerlich einen genügenden Maßstab abgeben; auch mag die Verpflegung wohl nicht überall in gleicher Qualität geliefert wer

den. Der Dienst hat wenig Anziehendes und ist theils langweilig, theils beschwerlich. Manche Abtheilungen liegen außerhalb der civilisirten Gegenden in den Forts, andere müssen sich in ruhmlosen Indianerkriegen abmühen und aufreiben, in Kriegen, welche die Geschichte nicht verzeichnet und die sich von Bären- und Büffeljagden nicht viel unterscheiden, sowie z. B. kürzlich die Blätter vom 23sten vom Indianertriege in Florida meldeten: Capitain Parkhill von Talahassee ward bei einem Streifzuge durch den Cypressensumpf getödtet und vier seiner Leute gefährlich verwundet; von den angreifenden Indianern glaubt man, daß drei geblieben seien. Einen anderen von befferem Erfolge begleiteten Streifzug hat Oberst C. A. Harden unternommen; er überraschte eine Partie Indianer, nahm neunzehn gefangen, tödtete zwei und erbeutete achtunddreißig Pferde. Uebrigens ist der Sol. dat im Allgemeinen nicht geachtet und der Armee wird wenig öffentliche Aufmerksamkeit zugewendet.

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Hier im Osten sieht man nur selten Bundesmilitair; es mögen daher westliche Berichte Plag finden, welche bei Gelegenheit des Marsches durch Kansas gegen die Mormonen einige für das amerika nische Militair charakteristische Züge enthalten. Aus der „KansasZeitung" druckte die hiesige,,Staats- Zeitung" am 21. Juli Folgendes ab: „Das Leben ist ein Würfelspiel! wird hier zur Wahrheit. Sehen wir uns um, und wir erblicken zuerst einen deutschen Baron, mit feinster aristokratischer Tournure, die große Trommel schlagend; dort einen ungarischen Grafen, wie er Sergeantendienste thut; ein Göttinger Studiofus der Rechte ist Bedienter beim Herrn Oberst; Merikaner, Spanier, Italiäner, Norweger, Polen und Franzosen sind leicht Herausgefunden; die Masse aber sind Deutsche und Irländer." —— ,,Wir waren gerade Zeuge einer hier sehr gewöhnlichen Execution an fünf Mann, die wegen Desertion aus dem Soldatenstande herausgeprügelt wurden. Mit halbgeschornem Kopfe und mit auf die Hüfte gebranntem D. (Deserter) wurden die Unglücklichen, nachdem die Truppen einen Kreis geschlossen, an eine Kanone gebunden und erhielten jeder funfzig Hiebe auf den nackten Rücken. Originell ist es, daß die Erecution von den Regiments-Musikanten, meistens Deut schen, ausgeführt wird. Nachdem die Prügel unter entseßlichem Geheul ausgetheilt und einige der Dulder vor Schmerzen ohnmächtig geworden waren, wurde eine lustige Polka gespielt, und mit blutigem Rücken wurden sie zur Festung hinaus (aus Fort Leavenworth) und in die Freiheit getanzt."

Aus derselben,,Kansas- Zeitung" schrieb die New-Yorker,,AbendZeitung" vom 30. Juli von Fort Leavenworth unterm 20sten desselben Monats: „Das nach Lawrence geschickte Militair ist zurückberufen worden, um sofort nach Fort Riley zu rücken. Am 19ten wurden 4 Compagnicen dahin abgeschickt. Mehrere Soldaten hatten Kugeln an ihren Füßen, die sie auf diesen beschwerlichen Märschen zur Strafe für Disziplinarvergehen schleppen müssen." - Von anderen fehr harten Strafen erinnere ich mich, verschiedene Berichte gelesen zu haben. Unter Anderem theilte die New-Yorker,,Tribune" vom 20. August nach dem,,St. Louis Demokrat" mit, daß im legten Sommer einem Soldaten in Fort Pierce wegen leichter Beleidigung seiner Vorgeseßten funfzig Hiebe dergestalt applizirt wurden, daß er den Geist aufgab. Ein anderer Soldat, an demselben Plage, der in Hüdliche Blätter korrespondirte, machte in einer Korrespondenz eine Bemerkung über die Härte dieser Strafe. Hierfür ward er zu dreißig Hieben verurtheilt, sowie eine Kette mit einer Kugel ein Jahr lang zu tragen; auch ward ihm der Kopf geschoren. Jedenfalls ist unter einer Armee von der Zusammensegung der amerikanischen eine scharfe Disziplin nothwendig. Es scheint aber doch, wie auch aus anderen Beispielen könnte nachgewiesen werden, Willkür und Grausamkeit öfter vorzukommen. Würden dergleichen Fälle aus deutschen Heeren bekannt, so würden sie in Europa einiges Aufsehen erregen; hier zu Lande fragt man nichts danach.

Daß in einer solchen Armee Desertionen nichts Seltenes sind, läßt sich erwarten; sie scheinen aber auf dem Marsche nach dem Westen in ungewöhnlicher Zahl vorgekommen zu sein. So schrieb man der New-Yorker,,Tribune" (und auch anderen Blättern) vom 22. August aus St. Louis: Ein Brief in dem Republican, batirt Fort Kearney, den 7. August, besagt, daß das 5. und 10. InfanterieRegiment und Phelp's Batterie dort angekommen. Die TrupDie Truppen waren sehr unzufrieden und die beiden Infanterie-Regimenter hatten beinahe 500 Mann durch Desertion verloren.

Wenn der Kriegsminister hofft, New-York zu einem zweiten Sebastopol zu machen und binnen 14 Tagen hier eine formidable Landmacht zu konzentriren, so ist dies eine jener amerikanischen Aufschneidereien, welche hin und wieder zur Satisfaction des Publikums auf getischt werden. Indeß kann man eine davon sehr verschiedene Sprache vernehmen, wenn nur im entferntesten eine westliche Gefahr vermuthet wird. Als man in der ersten Hälfte des Jahres 1856 an ein Zerwürfniß mit England dachte, wurden lange Artikel über die Schwäche der Vertheidigung von New-York und die Unzulänglichkeit der mili

tärischen Mittel geschrieben. Die Möglichkeit, die amerikanischen Milizen mit Erfolg gegen gute europäische Truppen zu verwenden, wird Niemand glauben, der sie gesehen hat, wenn auch einige New-Yorker Regimenter besser einererzirt sind, als die anderen. Jene Prahlereien find aber um so wohlfeiler, als dermalen die Vereinigten Staaten von den europäischen Mächten nichts zu fürchten haben. Der Feind kommt nicht von außen, er entwickelt sich von innen.

Verschiedene deutsch-amerikanische Blätter enthalten ebenfalls Auszüge aus den Berichten, woraus ich in diesem und dem vorhergehenden Artikel meine Mittheilungen gezogen. Da dergleichen Blätter auch nach Deutschland gelangen, will ich nicht unterlassen, zu bemerken, daß man darin in den Zahlen Abweichungen von den von mir augeführten finden wird. Die Zahlen sind in meinen Artikeln nach der,,New-Yorker Tribune" mitgetheilt, und ohne der legteren unumstößlichen Autorität beizulegen, kann man doch ihrer großen und gutbedienten Druckerei mehr Zuverlässigkeit zutrauen, als den Druckereien der deutsch-amerikanischen Blätter, in denen der Saß ungemein nachlässig ausgeführt wird.

Eine Abweichung von der meinerseits im vorhergehenden Artikel mitgetheilten Zahl der Fahrzeuge, aus denen die Flotte besteht, will ich ebenfalls nicht unbemerkt lassen. Ich habe dieselbe auf 82 angegeben; im,,New-Yorker Herald" vom 27. Dezember wird der Bestand der Flotte nur mit 73 Fahrzeugen angeführt. Der Autor des betreffenden Artikels giebt eine Aufzählung der Fahrzeuge der englischen Flotte, um seine Landsleute auf die Schwäche ihrer Seemacht aufmerksam zu machen, und erwähnt der amerikanischen Flotte nur ganz kurz. Er sagt, wenn man die Schooner, Briggs, Tender und Transportschiffe in Abzug bringe, verblieben der Flotte noch 60 Kriegsschiffe; da aber außer dem Vermont" keines der Linienschiffe dienstfähig sei, so könne man nur 50 rechnen, von denen manche nur kleine Fahrzeuge seien. In eine genauere Aufzählung läßt sich der Verfasser des Artikels nicht ein und die Notiz einer amerikanischen Wochenschrift, aus der ich meine Angabe entnommen habe, war in dieser Hinsicht ausführlicher. Die Stärke der Flotte findet man nur selten erwähnt, und es ist bei der Unvollständigkeit der amerikanischen Statistik schwer, sich genaue Mittheilungen darüber zu verschaffen. New York. A. Böhme.

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England.

Sir William Symonds über die russische Flotte.

Die reichhaltige biographische Literatur Englands ist neuerdings durch ein Werk über den berühmten Schiffbaumeister, Sir William Symonds, vermehrt worden, das größtentheils nach seinen eigenen Aufzeichnungen bearbeitet ist.) Sir William Symonds, der im Jahre 1856 als pensionirter Contre-Admiral starb, nimmt in der Geschichte der englischen Marine eine höchst ehrenvolle Stelle ein. Vor seiner Zeit hatte das meerbeherrschende Britannien in der eigentlichen Schiffbaukunft nur geringe Erfolge aufzuweisen; seine schnellsten Segler waren den Franzosen und Spaniern abgenommene Prisen, und in den Einzelkämpfen englischer Fregatten mit ebenbürtigen Gegnern, z. B. den Yankees (im Kriege von 1812-1814), zeigten sich die Fehler ihrer Bauart und Ausrüstung im traurigsten Lichte. Nach Ueberwindung unendlicher Schwierigkeiten, die ihm der Geist des Schlendrians und der Routine entgegenstellte, brachte Symonds eine vollständige Revolution in der Marine - Architektur seines Vaterlandes zuwege; während der funfzehn Jahre, in denen er mit dem Titel eines Surveyor of the Navy an der Spiße des Schiffbau - Departements stand, wurden unter seiner Leitung hundertsechsund sechzig Kriegsfahrzeuge verschiedener Größe von Stapel gelassen, die sich durch die Schönheit ihres Modells, ihre Festigkeit, ihre Schnelligkeit kurz, durch alle Eigenschaften auszeichneten, auf welche die Nautiker von Fach Werth legen. In der Folge ist allerdings der größte Theil derselben durch die Erfindung der Schraube unbrauchbar geworden, und man hat sie fast insgesammt entweder umbauen oder ganz auseinander nehmen müssen, so daß nur wenige der von Symonds gelieferten Meisterwerke,

,,That walked the waters like a thing of life", noch in ihrer ursprünglichen Gestalt existiren mögen; indessen wäre es unrecht, diesen Umstand, den er kaum voraussehen konnte, dem tüchtigen und thätigen Mann zum Vorwurf zu machen.

Troß seiner überhäuften Amtsgeschäfte fand Symonds Zeit, die Schiffswerfte der anderen europäischen Seemächte zu besuchen, um den Zustand ihres Marinewesens mit dem englischen zu vergleichen und sich aus persönlicher Anschauung von den Vorzügeu oder Mängeln derselben zu überzeugen. So unternahm er im Jahre 1839 auch eine Reise nach Rußland, über die sich in seinen Memoiren einige Bemerkungen finden, die man im Hinblick auf das, was später in der Ostsee vorgefallen und nicht vorgefallen - mit Interesse lesen

*) Memoirs of the Life and Services of Rear-Admiral Sir Wm. Symonds, K. C. B. Edited by James A. Sharp. London: Longman Berlin, A. Asher & Comp.

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wird. Ungeachtet der gerühmten Stärke der Festung Kronstadt und der allgemeinen Ansicht, daß sie uneinnehmbar sei, bin ich", sagt er, ,, entschieden der Meinung, daß in einem wohlgewählten Augenblick und mit Fahrzeugen, die zu offensiven Operationen gegen dieselbe geeignet wären, man auf eine hinlängliche Zeit in ihren Besiß ge= fangen könnte, um die von ihr geschüßte Seemacht zu zerstören, indem die Kanonen sich meistens in einer solchen Lage befinden, daß die Bedienung dem Feuer der Angreifenden ausgesezt ist. An jeder Seite des Einganges in Kronstadt ist zwar eine mit Mauerwerk zum Schuge der Artilleristen versehene Batterie. Aber von den Wirkungen der Ueberschwemmung, die im November 1824 stattfand, scheinen sich die Batterieen noch immer nicht erholt zu haben. Einige Mauern find jest in der Ausbesserung begriffen, indem sie restaurirt und verstärkt werden. Sie haben alle den Nachtheil, daß sie durch das periodische Steigen des Flusses beschädigt werden können. Auf unserer Rückkehr von Kronstadt nach St. Petersburg wurde ich in dem neuen Seekadetten-Corps unter Leitung des Admirals Krusenstern herumgeführt und war in der That erstaunt über die Großartigkeit und gute Einrichtung dieser Anstalt. Sie muß den Erfolg haben, wissenschaftlich gebildete Offiziere für die russische Flotte zu erziehen, da nichts zu fehlen scheint, was ihnen eine gründliche Kenntniß von Allem verleihen könnte, das in theoretischer und praktischer Beziehung mit ihrem Berufe zusammenhängt. Eine kleine Dampfmaschine ist beständig vor ihnen in Arbeit, ferner das Modell einer Fregatte, das sie auseinandernehmen und wieder zusammensehen müssen, ein Formen-Depot und jedes erdenkliche Mittel zur Erlernung der Schiffbaukunft. Auch giebt es zahlreiche Apparate zu magnetischen und chemischen Experimenten und eine sinnreiche Tabelle, welche den Zweck hat, das Studium der Schiffs- und Flotten-Evolutionen zu erleichtern. Die Kadetten, 650 an der Zahl, erhalten alle in diesem vortrefflichen Inftitut Koft und Wohnung. Augenblicklich befanden sie sich im Finnischen Meerbusen, wo sie auf einigen zu ihrem Unterricht in der Nautik bestimmten kleinen Fregatten und Briggs dienen.... Eine Division der russischen Flotte war soeben von einer Kreuzfahrt in Gegenwart des Kaisers zurückgekehrt und sollte jegt desarmirt werden; vier oder fünf Linienschiffe lagen schon, zum Theil abgetakelt, im Baffin, und die anderen waren im Begriff, ihnen zu folgen. Sie schienen alle in derselben guten Ordnung zu sein, die ich schon früher bemerkt hatte; ihre Masten standen aufrecht und zeigten keine Spur von einem Unfall, den sie während des kurzen Uebungszuges, von dem sie zurückfehrten, erlitten haben könnten. Diese Division hatte vor meiner Ankunft aus Lübeck im Finnischen Meerbusen manövrirt; jezt war ihre Stelle von einer zweiten eingenommen worden, die ich auf dem Wege nach Helsingfors zu sehen hoffte.“

Die Anstrengungen, welche die russische Regierung auf die Herstellung einer respektablen Kriegsflotte verwendete, wurden von Symonds mit eifersüchtigen Augen bewacht, da er sie, wohl nicht mit Unrecht, als eine gegen England gerichtete Drohung betrachtete. Die Urfache", bemerkt er,,,die von Rußland vorgeschüßt wird, um die Unterhaltung einer im Verhältniß zu den anderen Ostseestaaten so überwiegend starken Seemacht zu rechtfertigen, ist die Nothwendigkeit, der schwedischen Marine das Gegengewicht zu halten — ein lächerlicher Vorwand, da es augenscheinlich ist, daß das Motiv zu der gleichen kostspieligen Rüstungen nicht im Baltischen Meere liegt. Man wird mir entgegnen, daß nichts von Rußland zu fürchten ist, so lange es keine praktisch in ihrem Handwerk erzogene Matrosen besißt. Dieses Argument würde aber nur im Atlantischen Meerè Stich_halten, deffen Stürme beffere Seeleute erfordern, um die Schiffe zu regieren und vor Unglücksfällen zu bewahren. Ich habe die Mannschaft von mehreren ihrer Schiffe gesehen und ihren Manövern beigewohnt, die keinesweges schlecht waren. In physischer Kraft, muß ich sagen, sind ihre Leute gegen die unsrigen im Vortheil, doch haben fie nicht die Behendigkeit der Lehteren, und es fehlt ihnen sicherlich an Uebung; gleichwohl find fie tapfer, willig und gehorsam und würden sich, glaub' ich, unter gewöhnlichen Umständen als zähe Gegner erweisen. Was die äußere Erscheinung betrifft, so habe ich niemals achtundzwanzig Linienschiffe in besserer Ordnung gesehen; eine systema tische Einrichtung war in ihnen nicht zu verkennen, und es muß eine Meisterhand da sein, welche Alles leitet und in so gutem Zustande erhält. Obgleich sie Kanonen an ihren Fallreeptreppen haben (die Fregatten ebenfalls), so schienen doch keine von ihnen zu tief zu liegen; sie saßen alle elastisch auf dem Wasser, ohne mehr Gewicht, als fie tragen konnten, und hielten die richtige Schwimmlinie ein. Ihr Takelwerk sah außerordentlich gut aus, die Mastspigen waren dicht eingekeilt und die Masten selbst ungewöhnlich schön aufgerichtet. Sie waren in jeder Hinsicht sauber, gut gemalt und in kriegsschiffsmäßiger Ordnung, und es ist mir nie eine gleiche Anzahl britischer Kriegsschiffe vorgekommen, die so durchgängig „,schmuck“ aussahen.

Die beharrliche Sorgfalt, welche der Kaiser allen Einrichtungen und Fächern der Marine zuwendet, wird diese so vollkommen machen, wie es der Theorie ohne Praris möglich ist. Ich konnte nicht umhin, Vergleiche anzustellen, welche mich von unserer großen Inferiorität in mehreren Punkten überzeugten. Bei alledem muß man zugeben, daß in dieser ganzen ruffischen Demonstration viel Humbug und Spiegelfechterei mit unterläuft, indem Alles, was sich auf die Marine bezieht, nach einem so großartigen Maßstabe angelegt ist, daß es für sämmtliche Flotten in der bekannten Welt hinreichen würde. In der That stehen die zahlreichen, in Uniform gekleideten Beamten, die ungeheuren, den Marine-Angelegenheiten gewidmeten Räume in lächerlichem Mißverhältniß zu dem, was wirklich in den Arsenalen geschicht; aber man hält dadurch ein enormes Offizier Corps in steter Beschäftigung."

Mannigfaltiges.

- Die achtzehn christlichen Jahrhunderte. The Eighteen Christian Centuries", so heißt ein vor kurzem in Edinburg (bei Blackwood) erschienenes Geschichtswerk des Geistlichen James Wight, das vielleicht, seiner eigenthümlichen und vom Publikum mit Beifall aufgenommenen Form wegen, auch anderwärts Nachahmung findet. Der Verfasser behandelt nämlich die Weltgeschichte jedes Jahrhunderts als ein besonderes Bild in einem eigenen Rahmen, wobei er Uebersichten der politischen sowohl als der kulturhistorischen Ereignisse jeder Epoche an die Namen der regierenden Fürsten, der berühmtesten Helden und der Männer in Wissenschaft, Kunst und Literatur knüpft, durch deren Leistungen das betreffende Jahrhundert von den übrigen sich unterscheidet. Es ist durch diese einfache Form, wie es scheint, die bequemste Gelegenheit geboten, dem Gedächtnisse sowohl die verschiedenen Zeiträume, als die Ereignisse einzuprägen. Auf eine tiefere Forschung und auf speziellere Belehrung im Felde der Geschichte macht ein solches für die Schule und das große lernende Publikum geschriebene Buch natürlich keinen Anspruch.

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Rom und die morgenländische Kirche. Im Maga zin", 1857 Nr. 138, gedachten wir einer in der Propaganda zu Rom im Jahre 1855 erschienenen Schrift: „L'église orientale”, deren Verfaffer, ein Apostat der morgenländischen und ein Inspirirter der römischen Kirche, die Einheit der morgenländischen und abendländischen Kirche in Folge der Florentiner Beschlüffe vom Jahre 1439 als zu Recht bestehend behauptete und daher zur Beseitigung des, zwischen beiden Kirchen seit dem eilften Jahrhundert eingetretenen Schisma, sowie zur offenbaren Stärkung und Erweiterung der päpstlichen Macht nach Außen, verlangte, daß die morgenländische Kirche den Papst als ihren gesehmäßigen Oberherrn und Oberhirten auch wirklich ansehen und — unter den Hirtenstab des heil. Petrus in Rom zurückkehren solle und müsse. Als ob die morgenländische Kirche von Rom sich getrennt hätte! Und als ob Rom ebenso in seinem Rechte wäre, auch von der protestantischen Kirche grundsäglich die Rückkehr in den Schooß seiner alleinseligmachenden Kirche zu fordern! Wie öffentliche Blätter berichten, haben einige katholische Bischöfe in Deutschland an sämmtliche Kirchenfürften daselbst mit der Aufforderung sich gewendet, einen allgemeinen Gebetverein zu gründen, der die Aufgabe haben foll: „die Wiedervereinigung der vom Mittelpunkte der katholischen Einheit getrennten orientalischen Kirche mit dem Oberhaupte der katholischen Christenheit anzustreben". Als ein Mittel zu diesem Zwecke wird, außer jenem Gebetvereine, auch eine Zeitschrift zu wiffenschaftlicher Behandlung der zwischen beiden Kirchen bestehenden Kontrovers fragen in Aussicht gestellt.

Das Andenken an Gellert. Es ist der Zug einer wahre haft rührenden Pietät gegen Verstorbene, der einen Theil unseres Volkslebens warm und in kräftigem Bewußtsein durchdringt, und welcher neben einer gewissen selbstgefälligen Eitelkeit, die unserer Zeit in ihrer Denkmäler-Sucht in hohem Grade ebenfalls eigenthümlich ist, um so wohlthuender und tröstlicher ist. Eine solche Pietät macht sich auch in verschiedenen Beziehungen in Bezug auf den frommen Gellert geltend, und man mag sich an diese treue Anhänglichkeit halten und ihrer sich freuen. Diese Pietät giebt sich auch auf literarischem Gebiete zu erkennen, und sie wirkt nun wieder in den verschieden sten Kreisen des lesenden Deutschland auf Herz und Gemüth des deutschen Volkes zurück. Fand kürzlich die kleine, wahrhaft rührende und ergreifende Volksschrift: „Drei Tage aus Gellert's Leben“ (Bremen, 1856), in weiteren Kreisen besonderen Beifall, so findet jezt die Erzählung Berthold Auerbach's: „, Gellert's lezte Weihnachten" in seinem bereits in diesen Blättern erwähnten,,deutschen FamilienKalender" auf das Jahr 1858 viele Leser, besonders auch in Leipzig, dem Schauplaß dieser Erzählung.

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Ueber akademisches Leben und Studium.
Nach Professor Erdmann.*)

Die in früherer Zeit unter dem Namen,,Hodegetik" auf allen deutschen Universitäten regelmäßig gehaltenen Vorlesungen, deren Zweck dahin ging, den Studirenden eine encyklopädische Uebersicht über die gesammten Wissenschaften, eine Einsicht in ihren Beruf und außerdem vielleicht auch noch eine Anleitung für ihre Studien zu geben, find in den lezten Jahrzehnden immer seltener geworden. Unter denjenigen Universitäts-Profefforen, welche troßdem, daß der Zeitgeist diesen Vorlesungen nicht günstig zu sein scheint, und vielleicht gerade eben darum desto häufiger und mit desto größerer Liebe Vorlesungen dieser Art gehalten haben, dürfte der Profeffor der Philosophie an der Universität Halle, Herr Dr. Erdmann, die hervorragendste Stellung einnehmen. Derselbe hat in den dreißig Jahren seiner akademischen Lehrthätigkeit seine Vorlesungen über das akademische Leben und Studium sehr häufig und immer vor einem ungemein zahlreich versammelten Auditorium gehalten. Ueber den Werth derartiger Vorlesungen überhaupt und über die Bedeutung derselben für die studirende Jugend ein Urtheil zu fällen, find jezt auch wir, die wir eine solche Vorlesung zu hören nie Gelegenheit gehabt, in den Stand gefeßt, da Herr Profeffor Erdmann seine Vorträge über akademisches Leben und Studium ganz so, wie er sie dreißig Jahre lang zu halten pflegte, durch den Druck der Deffentlichkeit übergeben hat.

Wer dieses Buch des Herrn Profeffor Erdmann gelesen hat und zu würdigen im Stande ist, wird sich leicht vorstellen können, daß die ,,Vielen nah und fern, die diese Vorlesungen gehört haben" (diesen hat der Verfasser das Buch zugeeignet), das Buch mit großer Freude begrüßen und mit demselben Intereffe lesen werden, mit dem fie die mündlichen Vorträge, die ihnen hier wiedergegeben find, einst gehört haben; aber er wird weiter auch der Ansicht sein, daß dieses Buch in einem noch viel größeren Leserkreise die freudigste Aufnahme zu finden berufen ist. Nicht blos allen denen, welche das Universitätsleben einft genossen und noch immer mit Freude daran zurückdenken und allen denen, welche auf das ihnen bevorstehende Studentenleben sich mit Recht freuen, sondern überhaupt Allen, welche ein wahres Intereffe für die Wissenschaft und darum auch für die wissenschaftlichen Inftitute haben, welche, wie die Universitäten, einen so entschiedenen Einfluß auf das gesammte fittliche Volksleben ausüben, wird dieses Buch eine höchft willkommene Erscheinung sein, und sie werden daffelbe gewiß, wenn sie es erst zu lesen angefangen haben, mit wahrem Genusse bis zu Ende lesen, auch wenn ihnen hier und da eine Ansicht begegnet, in der sie dem Verfaffer nicht beistimmen können.

Eine kurze Uebersicht über den Inhalt und einige wörtlich mitgetheilte Stellen aus dem Buche, welche geeignet sind, eine Vorstellung von der frischen, lebensvollen, Gemüth und Geist gleich sehr anregenden und ansprechenden Darstellungsweise des Verfaffers zu geben, werden den Lesern dieser Blätter, denen wir vielleicht dadurch die erste Bekanntschaft mit dem Werke vermitteln, gewiß die Luft erwecken, diese gediegenen Vorlesungen, durch welche der Verfasser ebenso, wie durch seine Vorlesungen über Glauben und Wissen und wie durch die über den Staat (von denen jene 1837, diese 1851 im Druck erschienen find), gleich sehr der Wissenschaft und dem sittlichen Leben gedient hat, selbst und zwar gründlich zu lesen.

Nachdem der Verfaffer in den drei einleitenden Vorträgen zuerst nachgewiesen, daß Vorlesungen über das akademische Leben und Studium sowohl in ihrem methodologischen, als auch in ihrem encyklopädischen Theil, ein unabweisbares Bedürfniß der Universität als solcher sind, dann dargethan, daß solche Vorlesungen zu halten zu dem Berufe eines Professors der Philosophie gehört, und zuleßt, um zu zeigen, wie ihm die zu solchen Vorlesungen nöthigen praktischen Erfahrungen in reichlichem Maße zu Theil geworden, eine sehr ansprechende und Ver

*),, Vorlesungen über akademisches Leben und Studium", gehalten von Dr. Johann Eduard Erdmann, ordentlichem Profeffor der Philosophie an der Universität Halle-Wittenberg. Leipzig, Verlag von Carl Geibel, 1858.

1858.

trauen erweckende Skizze von dem Entwickelungsgange seines wiffenschaftlichen und sittlichen Lebens gegeben, weist er, zu dem Gegen ftande der Vorlesungen, als den er,, das akademische Studium" angiebt, übergehend, darauf hin, wie dieser Gegenstand drei Ideen in sich faffe: die Idee deffen, der studirt, die Idee der Wissenschaft, die studirt wird, und die Idee deffen, der durch vollendetes Studium in den Stand ge fezt ist, ein Amt im Staate zu bekleiden. Er theilt demnach seine Vorlesungen in drei Theile, von denen er den ersten als den methodologischen, den zweiten als den encyklopädischen, den dritten als den politischen bezeichnet.

Zu dem Begriffe des Studenten gelangt der Verfasser, indem er die in diesem enthaltenen Begriffe: den des Jünglings im Gegensatz zum Knaben und zum Mann, und den des Studirens im Gegensag zum Lernen und Lehren, erörtert und dann zusammenfaßt. Das Ergebniß dieser Erörterungen ist folgendes:

„Ist das Jünglingsalter die Zeit des auf sich selber Beruhens, der Selbständigkeit und kühnen Ungebundenheit, besteht ferner das Studiren in dem rücksichtslosen und selbständigen in Frage stellen und Prüfen, ist endlich die Universität das Institut, wo das vorschriftsmäßige Müffen aufgehört, und, da das pflichtmäßige Sollen noch nicht eingetreten ist, das Wählen und Selbstversuchen sich geltend macht, so ist der Begriff des Studenten von dem der unbeschränkten Freiheit gar nicht zu trennen, und unsere Frage: Wer ist der wahre Student?" fällt mit der zusammen: Worin bethätigt sich die akademische studentische Freiheit?" In der Analyse des Saßes: Der Student ist frei", wird unser ganzer erster Theil bestehen. Was aus ihm für das Verhältniß des Studenten zu Familie, bürgerlicher Gesellschaft, Staat folgt, das ist das Normale in sittlicher Hinsicht oder seine ethische Pflicht; wie seine religiöse Pflicht nur ist, was aus dem Begriffe der Freiheit hinsichtlich seines Verhältnisses zur Religion abgeleitet werden kann. Dagegen, was mit der Freiheit streitet, das ist das absolut Verwerfliche und Schlechte. Es giebt nur Ein Ziel, auf welches das Leben des Studenten zielt, wie die Magnetnadel nach dem magnetischen Pol; es ist: daß er frei sei und sich frei wiffe."

Nachdem der Verfaffer den wahren Studenten von seiner physischen Seite geschildert und die Mittel (die ritterlichen und die geselligen Künste) besprochen, die dem Studenten den ihm ziemenden Muth, das Freiheitsbewußtsein gegenüber den Naturmächten und gegenüber allen anderen Menschen in der Gesellschaft, die ihm zukommende Selbständigkeit im Verhältniß zu seiner Familie und in ökonomischer Beziehung, und die von der Freiheit nicht zu trennende sittliche Ausbildung zu geben geeignet sind, läßt er sich ausführlich über die Stellung aus, die der Student zur bürgerlichen Gesellschaft, zum Staat, zur Kirche, zu den Profefforen, zu den Mitstudirenden und endlich zum Objekt des Studiums: zur Wissenschaft, einzunehmen hat.

In der Besprechung dieser Verhältnisse, die den umfangreichsten und interessantesten Theil des Buches ausmacht, legt der Verfaffer eine Sympathie mit dem Geist der studirenden Jugend, dabei aber auch eine Sicherheit des Urtheils, eine Gediegenheit und Selbständigkeit des fittlichen Charakters an den Tag, wie man fie in der heutigen Zeit, wo die Freiheitsbestrebungen im Gebiete des Staates und der Kirche so leicht Mißkredit und Ungunst einbringen, nicht bei vielen von den Staatsregierungen angestellten Universitäts-Profefforen antrifft.

Für die Gründlichkeit und Ausführlichkeit, mit welcher ein jedes der hier in Betracht gezogenen Verhältnisse behandelt wird, möge die Vorlesung als Beispiel dienen, die das Verhältniß des Studenten zum Staate behandelt. In dieser Vorlesung wird nach einer kurzen, für den vorliegenden Zweck ausreichenden Erörterung der Begriffe: Nation, Volk, Reich, Staat dargethan, daß der Student das Recht und die Pflicht habe, sich durch Politisiren eine politische Ueberzeugung zu verschaffen; weiter werden die Mittel, die er zu diesem Zweck zu benugen habe, einer sehr in's Einzelne gehenden Kritik unterworfen. Was der Verfasser hier über Vorlesungen und Bücher politischen Inhalts, über die Organe der öffentlichen Meinung, über die LandtagsDebatten, über Klubs und Volksversammlungen, über den Werth der Zeitungen im Allgemeinen, über den Charakter oder die Charakter

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