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Baschi-boschut's. Sie nimmt einen großen Raum ein wegen der Gärten im Innern, die sehr groß und zahlreich find.

Die Gaffen und Pläße sind voll Staub, unregelmäßig und ohne Plan; Jeder hat gebaut, wo und wie er gewollt hat; ebenso herrscht in der Bauart selbst Unordnung und Verwirrung. Mit Ausnahme einer mäßigen Zahl ziemlich geräumiger und mit langen Höfen versehener Häuser, find alle anderen erbärmlich. Aus Erde und im Viereck gebaut, ohne anderes Licht, als das durch die Thür ein strömt, haben sie nur einen einzigen Raum zu ebener Erde, wo alles Gewürm freien Zutritt findet, und der für die ganze Familie zum Aufenthalte dient. Man nennt dies ein Lanka. Die Strohhütte, welche die echte einheimische Wohnung ist und die man in derfelben Gestalt in ganz Afrika wieder findet, heißt, wie ich anderwärts bereits gesagt, Tukul oder Tugul, worin man leicht das lateinische tugurium, italiänisch tugurio wieder erkennt. In der Regenzeit verwandeln sich die Straßen, und vorzüglich die Pläge, in wahre Moräfte, wo Myriaden von Fröschen ihr Koar, koax Tag und Nacht ertönen lassen.

Die zwei öffentlichen Hauptgebäude sind der Divan oder Palast des Gouverneurs und das Gefängniß, das höchste und das niedrigste, der Gipfel und die Pfüße der Gesellschaft, beide am Ufer des Fluffes und diejenigen, die zuerst gebaut worden sind. Ich sage nichts von den Moscheen, da mir keine aufgefallen ist. Ich glaube sogar, daß es nur eine einzige giebt, was eben nicht für einen glühenden Religionseifer zeugt. Die Hospitäler sind nicht so schlecht gehalten, als man glauben könnte, Dank den europäischen Aerzten; aber dafür find die Kasernen Schmuhlöcher, wahre Sauftälle. Die Pulvermühle ist weit besser gebaut. Die Ziegel der alten Stadt Soba haben, wie man sagt, zu mehreren Bauten der neuen Stadt gedient. Durch eine in muhammedanischen Ländern seltene Vorsorge hat man die Abdecke reien eine ziemliche Strecke vor die Stadt gelegt; das verhindert sie aber nicht, die Luft der Umgebung zu verpesten. Raubvögel schweben ohne Unterlaß über diesen stinkenden Schindangern. Uebrigens sind die Hunde, die dort ihren Fraß finden, glücklicher als die Menschen; denn, wie wohlfeil auch das Fleisch ist, Schöpfenfleisch z. B. das Pfund zu 10 oder 12 Centimen, so ist doch die Masse der Einwohner so arm, daß sie es nur bei feierlichen Gelegenheiten effen, bei Hochzeiten, Beschneidungen, Begräbnissen und am Bairamsfeste. Sie bedürfen so wenig zum Lebensunterhalte, und ihre Bedürfnisse sind so beschränkt, daß eine Familie, selbst im Falle fie ziemlich zahlreich ift, und man begreift, daß sie das sind in einem Lande, wo die Mädchen mit 13 und die Jungen mit 15 Jahren heiraten, sehr aus kömmlich mit 40 Centimen täglich, oder 12 Francs im Monat, lebt. In Kabira selbst gilt ein Privatmann, der seinem Diener täglich einen Piafter (2 Sgr.) zum Uuterhalte giebt, für einen noblen Mann. Wenn man den Europäern, den Gasthofbefißern und Dragomans in die Hände fällt, so ist das freilich eine andere Sache, und das Leben wird theurer selbst als in Paris. Alles in Allem, Khartum ist keine schöne Stadt und befißt nichts Merkwürdiges, was die Aufmerksamkeit feffeln könnte.

Die Hauptstadt der Wüste hat nur für sich, daß sie im Innern von Afrika, am Zusammenfluß der zwei größten Flüsse dieses unge heuren Festlandes gelegen ist. Was würde sie nicht unter wirklich gebildeten und civilisirenden Händen werden! Aber was ist von den Türken zu hoffen, die sie besigen? Sie haben bis jeht nichts daraus zu machen gewußt und werden auch nie etwas daraus machen. Wenn einige Punkte sowohl auf dem weißen als auf dem blauen Nil vorwärts geschoben worden sind, so ist man den Europäern dafür ver. pflichtet, - und was für Europäern!" (Schluß folgt.)

Frankreich.

Die Jungfrau vom Libanon.")

Die Heldin dieses Romanes, die Prinzeß Mirane, eine Bewohnerin des Orients, läßt sich der Jungfrau von Orleans vergleichen, wie ihr Name, la Vierge du Liban, auch andeutet. Doch nicht religiöse Begeisterung, sondern ein Gemisch vielfältiger Empfindungen, treibt sie in's Kriegsgetümmel. Sie ist eine schöne, reine, eine keusche Jungfrau, wird als solche hoch geehrt, obwohl ihr Lebensweg ein den orientalischen Sitten ganz fremder, ist und übt hier. durch, wie durch ihren unerschrockenen Muth, ungewöhnliche Macht über die Gemüther der Menge, wie der Einzelnen, aus. Ihre Mutter war Christin, ihr Vater Druse, Beide leben nicht mehr. In der Kindheit im Christenthum unterwiesen, ward sie später von ihres Vaters Stamm geraubt und lebt unter den, einer anderen, ihnen eigenen Re ligion huldigenden Drusen. Im Verein mit diesen läßt sie einen Aufruf an die Bewohner des Libanon ergehen, die Freiheit ihrer Berge den Türken gegenüber zu bewahren. Sie wandert mit Männern ihres Volles von Ort zu Ort, und ihr mahnender Ruf treibt Viele

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*),,La Vierge du Liban". Par Louis Epault. Paris, Hachette.

zum Kriege. Eine Zusammenkunft mit Ibrahim Pascha findet statt, die Anführer der Drufen und Maroniten willigen jedoch nicht ein, sich an seinen bis Stambul reichenden Plänen zu betheiligen, und der Pascha verschwindet vom Schauplah, ohne daß sein Erscheinen für die Handlung des Ganzen von hinlänglicher Bedeutung gewesen wäre. Das Buch soll überhaupt, so scheint es, Seelenzustände darstellen, deren Hintergrund der Libanon mit seinen romantischen Gegenden, seinen religiösen Zuständen und steten Kriegs-Episoden ist. Der Roman beginnt und endet in dem christlichen Klofter von Marc Anton auf dem Libanon. Die für ihre Religion begeisterten Bergbewohner treten in Gestalten verschiedenen Alters auf, die Mönche des Klosters wohnen in ihren Mauern, üben Barmherzigkeit an Einheimischen und Fremden, und der Held des Romanes, Graf Fabien d'Herville, der Frankreich und allen den Seinen für immer entsagt hat, lebt als Mönch auf den Höhen des Libanon im obengenannten Kloster. Dort erzählt er Herrn Enault seine Lebensschicksale, die mit denen Lord Byron's einige Aehnlichkeit haben, doch in einfacher, reinerer Gestalt, so daß er der reinen Jungfrau als ein ihrer Eigenthümlichkeit entsprechender und diese verstehender Charakter gegenübersteht. Es hieße dem Leser vorgreifen, wollte man Ausführlicheres über das sich Suchen und Finden der verschiedenen, in oben genanntem Roman auftretenden und handelnden Personen sagen, mehr erzählen von den dargestellten Friedens- und Kriegsscenen, als die schwachen, oben gegebenen Andeutungen errathen lassen. Geeignet dagegen erscheint es, ein paar der schönen Naturschilderungen mitzutheilen, welche einen Blick auf den Schauplaß der Ereignisse liefern.

„Der Palast des Emirs der Maroniten" (nach welchem Mirane in Begleitung der zum Kriege auffordernden Orientalen und des sich ihnen anschließenden Grafen Fabien d'Herville kommt),,ist in einer der schönsten Landschaften des Libanon gelegen. Sie übertrifft durch ihre seltsame Eigenthümlichkeit allen Glanz und alle Herrlichkeit, welche der Orient bietet. Die Berge treten zurück, gleich als wollten sie der schönen Landschaft weiteren Raum gönnen. Ueber den mächtigen Bauwerken der Erde, den regelmäßig abfallenden Bergwänden, erheben sich, losgerissen, wie durch Blige gespaltene und zersprengte Felsspißen, ähnlich den gothischen Glockenthürmen unserer alten Kathedralen. Die untergehende Sonne färbte sie, als sie der Wanderer Blicken erschienen, mit glühendem Purpur und ihre scharfen Kanten flimmerten wie von bengalischem Feuer getroffen, im hellsten Licht. Die höchsten Spigen bedeckte Schnee. Gegen Westen, wo die Sonne ihn beleuchtete, röthete ihn bisweilen ein blaffer Wiederschein der Wolken, gegen Often, wo noch kein Stern der Nacht hervortrat, spiegelte sich auf ihm das reine, tiefe Blau des Himmels.

,,Frische, ewig sprudelnde Quellen stürzen von nahen Gletschern hernieder; sie eilen dahin in silbernen Streifen über blumenreiche Wiesen oder sammeln sich in natürlichen Becken, den Cisternen der Felsen. Mächtige Bäume lassen nach allen Seiten hin die üppigste Vegetation wahrnehmen. Bald firecken sie weithin ihre buschigen Zweige, die mächtigen Wohnsize zahlloser Vögel, welche umherflatternd ihre Lieder trillern, bald erheben sie ihre dunkeln Laub-Aefte pyramidenartig zum Himmel. Nach einer Seite hin lehnt sich ein sanfter Abhang an die Felsplatte, auf welcher das Schloß des Emirs liegt, nach der anderen aber scheint die an der Landschaft sich hinziehende Bergwand eine Fortsegung des Felsens zu sein, dessen Böschung über einem Abhang tausend Fuß hoch ganz senkrecht hinansteigt.

,,Ringsum nach allen Seiten findet man auf den Höhen schöne Durchblicke, welche, nach Maßgabe der Tagesstunden, immer wechselnde Fernsichten schauen lassen. Hier sind es Wälder, dort Weinberge, Wiesen und Felder, überall ein schönes Bild des Ueberfluffes, üppige Fluren, auf denen Früchte reifen und eingesammelt werden. Nähert man sich den Weinbergen, so gewahrt man vor den Thüren schimmernde Trauben, die sich um Feigen- und Granat-Bäume schlingen, von einer Seite des Weges zur anderen sich hinranken und über den Häuptern der darunter Wandelnden als Triumphbogen von Laub und Trauben schweben.

„Die Oeffnung eines ungeheuren Kreuzbogens (so erzählt der Graf d'Herville), zu welchem vielleicht die Kreuzritter des zwölften Jahrhunderts den Grund legten, führte uns in eine Art Vorhof. Seine in den Felsen gehauenen Wände gemahnten mich an starke, von Cyklopenhänden aufgeschichtete Mauern. Jumitten dieses weiten Hofes erhob sich ein antiker Brunnen von grünem Marmor. Ihm zur Seite standen vier Säulen von indischem Porphyr, die früher einen Tempel geftüßt haben mögen. Reben dem Brunnen hatte man Jasmin gepflanzt. Er war zu starken Bäumen emporgewachsen und seine kleinen, ftern artigen Blüthen leuchteten aus dem dunkeln Laube hervor, fielen, vom Winde losgeschüttelt, als weißer Schnee in meermuschelartig aus gehauene flache Becken, aus denen das, Waffer sich, über bunte See thiere fortmurmelnd, ergießt."

In diesem Wohnsiz des Emirs werden Verabredungen für de Krieg getroffen, weiterhin aber, wo die Handlung sich Damaskus

nähert, welches später durch einen Handftreich genommen wird, heißt es:

,,Am folgenden Morgen begaben wir uns in die Gebirgspässe des Anti-Libanon. Dies war ein für mich ganz neues Land, Allem, was ich bis jest gesehen hatte in nichts ähnlich. Den an Schönheit und Lieblichkeit so reichen Gegenden des Libanon, lieblich noch in ihren große artigsten Partieen, folgt plöglich eine wilde, durch gewaltsame Ereigniffe gestaltete Natur, das Chaos vor den Thoren von Eden..

,,Der Anti-Libanon, welcher zwischen der Ebene von Cölesprien und den lachenden Fluren vor Damaskus liegt, spaltet sich von Ost nach West in eine weitgähnende Schlucht. Die Straße, oder was sie vertritt, läuft in der Tiefe dieser Schlucht dahin wie ein am Fuß eines Abhanges forteilender Strom. Sie schlängelt sich vorwärts, allen Biegungen des Gebirges folgend. Weichen dessen Wände auseinander, so dehnt sie sich aus, ist eine breite Heerstraße, auf welcher ein Bataillon in geordneter Reihe marschiren könnte. Verengt sich der Paß, indem die Berge einander näher rücken, so ist der an ihnen hinführende Weg nur noch ein Pfad für Ziegen; man muß Einer hinter dem Anderen darauf vorschreiten und vorsichtig Acht haben, wo man den Fuß hinfeßen kann.

,,Eine höchst mannigfaltige Vegetation leiht dieser allzuwilden Landschaft wechselnden Reiz. Im Schatten wachsen Fichten, Lärchenbäume, Cypressen mit ihren dunkeln, pyramidenartig geformten Spißen, schwarze Tannen und filberfarbige Melissen. Die Palmen suchen das Licht der Sonne, deren warme Strahlen ihre Früchte zeitigen, während neben ihnen die rothen oder gelben Blüthen des Kaktus sich auf den stachligen Blättern entfalten. Hier droht eine junge Ceder vom Abhang herab zu stürzen, in den fie gleich einem Eisenkeit hineinge zwängt ist. Dort halten starke Baumwurzeln mit ihren festen Banden den Felsblock, welcher dem Abgrund zurollen wollte. Der Boden des Hohlweges ist mit Blumen verschiedenster Art überfäet, mit Krokussen und chinesischen Schlüsselblumen, Anemonen, Lilien, Rosen, Nelten, Immortellen, Veilchen und Narzissen. Ueber dem Haupt des Wandexers erheben schroffe Berggipfel ihre starren Zacken. Hier und da sieht man einzelne, obeliskenartige, rothe Granitspißen von der Natur gebildet und hingestellt gleich als sollten fie ewig zu dem Schatten an ihrem Fuße niederschauen. Mächtige Blöcke liegen an den schroffsten Stellen der Abhänge, durch uns unbekannte Geseze der Schwere fest gehalten, und drohen jeden Augenblick herab zu fallen. Defter kamen wir an gigantischen Erdstürzen vorüber, die sich an den Seiten der Berge hinzogen, Gefälle von Felsstücken, deren Trümmer bis in das Thal hinab gerollt waren. Bisweilen auch schlich der Weg zwischen emporragenden Steinblöcken hin, die bei jedem Schritt gleich Er scheinungen vor uns standen und oft streckten die Spißen mächtiger Felsen sich gleich herrlichen Triumphbogen über unsere Häupter weg. Gehänge von blühendem Hahnenfuß und Steinbrecherpflanzen schmückten sie, während hier und dort dichtverschlungene Epheuranken schwebten oder sich anschmiegten.

,,Ströme stürzten aus einer Höhe von tausend Fuß herab in gigantische Becken, schickten unter donnerähnlichem Krachen Wolken weißen Schaumes alsbald wieder empor. Neben ihnen springt ein schmaler Wasserstreif. rasch von Fels zu Fels, wird gleich einem leichten Haar vom Winde hin und her gejagt und auseinandergetrieben. Das tiefe Schweigen einsamer Punkte unterbrach mitunter Heulen von Luchsen; große Geier breiteten ihre schwarzen Schwingen unter dem blauen Himmelszelt aus und umschrieben da droben ihre weiten Kreise, nach Aas im Thale spähend, während audere mit ihren gelben Krallen regungslos in der Luft schwebten, um einen erschreckten, zitternden Vogel plöglich zu erfassen.“

In solcher Umgebung, zwischen solchen Höhen, auf solchen Pfaden schweift die Jungfrau des Libanon mit den sie begleitenden Gestalten umher, bis sie endlich im Kloster Marc Anton auf ihren heimatlichen Bergen im Grabe ruht.

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den dem ersten Bande voranstehenden biographischen Mittheilunger kennen lernen, sondern namentlich durch ihr ganzes, im Buche selbst scharf und lebendig ausgeprägtes Wesen. Die Verfafferin ist nämlich seine edle Rumänin aus dem fürftlichen Geschlechte der Ghika, deren mehrere als Hospodare der Moldau und Walachei bis in die neueste Zeit um die Verwaltung dieser, zwischen Defterreich und Rußland mitteinne liegenden, höchft verwahrlosten beiden Provinzen der Türkei sich große Verdienste erworben haben, und sie selbst ist ausgezeichnet ebenso durch hohe geistige Bildung und durch gründliche Kenntnisse der verschiedensten Art, als durch den lebendigsten, kräftigsten Nationalsinn und durch Entschiedenheit des Charakters, der in gleichem Grade durch den glühendsten Patriotismus und durch eble Begeisterung für religiöse und politische Freiheit, wie durch reine Weiblichkeit und Frömmigkeit bedingt ist.

Aus diesem Wesen, das zugleich von einer tiefen und klaren Anschauung der religiösen und politischen Zustände Europa's durchdrungen ist und mit welchem eine warme Begeisterung für Freiheit, auch für die unwürdig unterdrückte, religiöse und politische Freiheit, und ein tiefwurzelnder Haß gegen jeden Despotismus auf das innigste sich verbindet, erklärt sich nun auch ohne Weiteres die warme Theilnahme für die Schweiz, welche bei einem Besuche dieses Landes im Jahre 1855, wobei der Verfasserin unter Anderem die mit Kühnheit und Ausdauer ausgeführte Ersteigung des „, Mönchs“ in der Nähe der „Jungfrau" gelang, dem vorliegenden Buche selbst das Entstehen gab. Indeß ist weniger das Land selbst mit seinen erhabenen Naturschönheiten, als das schweizerische Volk mit seinen geistigen und sittlichen Gewohnheiten, seinen bürgerlichen Zuständen, seiner politischen Verfassung, seinen religiösen Meinungen, den Ideen, welche es repräsentirt, und mit der Stellung, die es in der Entwicklung der europäischen_Civilifation einnimmt, womit die Verfafferin sich beschäftigt. Dabei nimmt sie zugleich besondere Veranlassung, auch die kirchlichen Kämpfe der Schweiz, in der Vergangenheit und in der Gegenwart, näher in's Auge zu faffen und zu schildern, und sie thut dies mit um so regerer Theilnahme, je lebendiger im Allgemeinen ihr Interesse an Kirche und Religion ist.

Ihre politischen und religiösen Ansichten gehen bei ihr auf dem Grunde einer durch Vernunft und Geschichte gewonnenen klaren Anschauung Hand in Hand, und wie die Verfasserin als Rumänin eine entschiedene Abneigung gegen Desterreich hat, so hat sie auch als morgenländische Christin einen auf umfassender Kenntniß der Geschichte ruhenden tiefen Haß gegen den Ultramontanismus und gegen Alles, was, als unmittelbarer Ausfluß desselben, noch heutzutage ebenso die Entwickelung der römisch-katholischen Kirche hindert, als die katholischen Völker auch in politischer Abhängigkeit hält und fort und fort zur Verfolgung Andersglaubender drängt. Die Gräfin Dora d'Istria (der Name ist erdichtet, da sie mit einem russischen Fürsten vermählt ist) umfaßt in ihrer Abneigung und in ihrem Haffe namentlich auch das Schicksal Italiens mit dem wärmsten und lebendigsten Interesse und mit der innigsten Theilnahme, und sie läßt sich dabei von der historischen Ansicht leiten, daß die Rumänen römischer Abstammung, also mit den Italiänern stammverwandt sind. Aber ebenso zeigt sie ein von innigstem Verständnisse der Geschichte und von Unbefangenheit der Ideen getragenes und zeugendes Interesse für die Reformation und für die protestantische Kirche, sowie namentlich auch für den germanischen Volksstamm.

In dieser Hinsicht muß es ihr zu besonderer Anerkennung und als ein hohes Verdienst angerechnet werden, daß sie, bei aller Liebe zu ihrer Kirche und troß aller Vorzüge, die man der leßteren nicht absprechen kann, die Unbeweglichkeit und Erstarrung der morgenländischen Kirche offen zugesteht und die Nothwendigkeit einer Reform derselben entschieden anerkennt. Und gewiß kann man ihr auch sonst im Allgemeinen und im Einzelnen nur Recht geben, wenn sie die Ansicht ausspricht und festhält (11, 297 u. 299), daß die religiösen Fragen in unserer Zeit umsómehr eine Bedeutung gewonnen huben, als das gründliche Studium der Geschichte gezeigt hat, daß die Größe oder die Schwäche der Nationen vorzüglich von diesen Ideen abhängt, daß der gesellschaftliche Zustand, die Gefeßgebung, die Kunst und die Philosophie aus ihnen hervorgehen, wie die Blume aus dem Stengel", und daß diese religiösen Fragen auch in der Wiedergeburt des Orientes eine wichtige Rolle spielen“ können. Referent muß, ohne auf Weiteres eingehen zu wollen, die Versicherung aussprechen, daß kein wahrhaft gebildeter Leser das Buch der Gräfin Dora d'Iftria aus der Hand legen wird, ohne Vieles daraus gelernt und sich angeeignet zu haben, was ihn weiter beschäftigen und vielfach anregen wird, und ebenso wenig ohne Achtung vor dem reichen Geiste und dem edlen Charakter der patriotischen Verfafferin.

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Mohl am 29. Juni d. J. in der „Société Asiatique" über den gegenwärtigen Stand der morgenländischen Studien und über die literarischen Erscheinungen auf diesem Gebiete während der legten zwei Jahre abstattete,). gedachte er unter Anderem der fürzlich in Paris erschienenen französischen Ueberfeßung einer in arabischer Sprache abgefaßten philosophischen Schrift Abd el-Kaver's."") „Dieses Buch", fagte Herr Mohl, ist sehr bemerkenswerth, weniger durch den Inhalt, als durch die Eigenschaften des Verfassers. Abd-el-Kaber ist ein sehr geeignetes Muster zur Beurtheilung der heutigen Araber. Er ist ein Mann von kräftigem Geist und edler Gemüthsart, hat in seiner Jugend Alles gelernt, was in arabischen Schulen zu lernen war, und bildete sich später durch Ausübung der Macht, wie in der Schule des: Unglücks./ ́ Sein Buch gewährt uns den vortheilhaftesten Maßstab für die Geistesentwickelung seines Stammes. Er handelt darin von der Natur des Menschen, von der Religion, den Wissenschaften und der Geschichte. Hierbei ist es nun charakteristisch, daß er, so lange er auf dem Gebiete der Reflexion verweilt, so lange ihn die Psychologie, die Moral, die Offenbarung befchäftigen, vollkommen des Ges genstandes mächtig ist und wie ein Mann spricht, der zu denken weiß und der von reinen und erhabenen Gefühlen durchdrungen ist. So bald er jedoch an die eigentliche Wissenschaft und an die Geschichte herantritt, fehlt es ihm nicht blos an pofitiven Kenntnissen, sons dern auch an jeder wissenschaftlichen Methode, und wird man durch feine Darstellung an die des Mittelalters erinnert. Im neunten Jahrhundert und auch noch später waren bekanntlich die Araber den Europäern überlegen; sie besaßen Geschmack an den Wissenschaften und es hatte das Ansehn, als sollten sie die Nachfolger und Fortseßer der Griechen werden. Aber diese Bewegung gerieth in Folge von Era eignissen, die noch nicht hinlänglich erforscht sind, in's Stocken. All mählich erlosch bei ihnen der Sinn für Beobachtung und Erforschung des Faktischen, und die Dialektik überwucherte Alles; man begnügte sich mit oberflächlichen Formeln, und. Logik und Rhetorik traten an die Stelle der exakten Wissenschaften. Europa hat sich von ähnlichen Zuständen durch die Wiedergeburt der griechischen Literatur befreit, während die Moslemin im Gegentheil noch Rückschritte thaten. Eu ropa's Aufgabe ist es jezt, ihnen zur Ueberbrückung der Kluft, die sich zwischen ihnen und uns befindet, behülflich zu sein, aber diese Aufgabe ist schwer, denn die mostemischen Vorurtheile und der Stolz auf eine citle Dialektik stellen dem Hinderniffe entgegen, die fast unüberwindlich sind.“

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Leopold von Orlich's Reife in Ostindien. Dieses vielgelesene Werk, dessen Anpreisung schon lange überflüssig geworden ist, hat im gegenwärtigen Jahre zum dritten Male das Licht erblickt."") Der unermüdlich thätige Verfaffer sagt in seinem Vorworte:,,Die ver hängnißvollen Ereignisse in Indien, einzig in der Geschichte der Menschheit, und vielleicht nur dem gewaltsamen und anhaltenden Söldner-Aufstande im alten Karthago zu vergleichen, haben das Intereffe für jenes ewig denkwürdige Land und seine Bewohner in allen denkenden Gemüthern rege gemacht. Indien ist dem civilisirten Eus ropäer plöglich um ein Bedeutendes näher gerückt; ein gegenseitiger Einfluß der beiden Welten, besonders der dem christlichen Wesen angeborene geistige Kampf, wird in den Vordergrund treten und uns mit jenen verwandten Volksstämmen mehr vertraut machen." Die ,,Reise" ist nochmals einer sorgsamen Durchsicht unterworfen, mehre res Wesentliche ist hinzugefügt, aber die beiden Briefe, die Armee und die Religion betreffend, find weggelassen worden, weil diese in einem anderen viel umfassenderen Werke desselben Verfaffers gründe licher behandelt werden sollen. Das angedeutete große Werk, bei welchem Herr v. Orlich eine Menge zum Theil sehr schwer zugängficher Quellen benußt, erscheint in zwei starken Bänden, unter dem allgemeinen Titel: „Indien und seine Regierung." Der erste, bereits im Druck befindliche Band wird die „Allgemeine Geschichte son Indien“ enthalten; der zweite Band aber in zwei Abtheilungen zerfallen: die erste umfaßt Geschichte, geographische Beziehungen und Colonisation der Reiche Sind, des Pendschab und des Königreichs Dude die zweife wird sich in besonderen Abschnitten mit der Armee, der Religion und dem Kastenwesen der Indier, sowie den Bildungs-Anstalten, den bäuerlichen Verhältnissen, dem Rechts- und Gesezwesen, ben Finanzen und dem Handel beschäftigen. Die typische Ausstattung der Reife in Ostindien“ läßt in dieser dritten Ausgabe

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*) Glne vollständige Analyse dieses Berichtes findet sich in der Beilage zu Nr. 310 der Augsburger Allgemeinen Zeitung" vom 6. Nov. 1858. **) Le livre d'Abd el-Kader, intitulé, Rappel à l'intelligent, avis à indifferent". Traduit par G. Dugat. Paris, 1828.

***),, Reise in Ostindien, in Briefen an A. v. Humboldt und C. Ritter." Leipzig, Verlag von G. Mayer.

an Sauberkeit und Eleganz nichts zu wünschen übrig; ebenso find die dem Texte eingefügten 40 Holzschnitte vortrefflich ausgeführt.

-Der Kanal zwischen dem Atlantischen und dem Stil ten Meere. Am 1. Mai d. J. schloß Herr Felix Belly, der, wear wir nicht irren, in diesem Augenblick in Berlin weilt, zu Rivas, in Staate Nicaragua, einen Vertrag mit den Staaten Costa-Rica um Nicaragua ab, durch welchen ihm die Konzeffion zur Anlage eines ka nals zwischen dem Atlantischen und Stillen Deean ertheilt wurde Der Plan ist einfacher als der, über welchen der Gefangene von Ha mit großer Sorgfalt nachgedacht hat, er will zunächst den Lauf ta Flusses San Juan in feiner ganzen Länge von seiner Mündung in das Atlantische Meer bis zu seiném Ursprunge im See von Nicaragua benußen und reguliren, dann den See von Nicaragua in der kürzester Linie von Oft nach West durchschneiden bis zur Einmündung der Sapoa. An dieser Stelle soll der Durchbruch des Kanals nach der Bai von Salinas erfolgen. Jedenfalls enthält der Plan die kürzeste Schifffahrtslinie, ohue, wie andere Entwürfe, schon von vorn herein unübersteigliche Hindernisse gegen sich zu haben. Wir dürfen vor einem Aulage-Kapital von 90 bis 100 Mill. Frs. nicht erschrecken, wenn wir die unberechenbaren Folgen in das Auge faffen, welche das Gelingen des Unternehmens für den Handel haben würde. Es würde ohne Zweifel die entlegensten Touren der überseeischen Schifffahrt unendlich erleichtern und verdoppeln, wenn sie den kostbaren, schwierigen und langwierigen Umweg um das Kap Horn nicht zu machen hätte; Southampton und Liverpool würden eine ganz gerade Linie nach den australischen Besigungen Englands gewinnen; New-York würde vier Fünftheile seiner Reise nach San Francisko ersparen; Japan, China, Polynesien Europa um 3000 Seemeilen näher gerückt sein. Auch findet sich gegen den Plan nirgends ein Widerstand, als in den Vereinigten Staaten Nord-Amerika's, die nach ihrer jüngst wieder proklamirten Monroe-Doktrin den Europäern gern jede Einmischung in die central-amerikanischen Angelegenheiten verwehren möchten. Ihre Eifersucht kennt in dieser Rücksicht keine Gränzen. Indeß handelt es sich hier um ein Unternehmen, das alle Theile der Erde in gleichem Maße und in ganz unparteiischem Sinne angeht, und wo es nicht angeht, und wo es nicht darauf ankommt, irgend einem Lande Terrain oder Einfluß zu verschaffen. Die Convention von Rivas ist in einem durchaus unparteiischen Sinne entworfen und hat nur das Gelingen der großartigen Anlage und das Interesse aller handeltreibenden Nationen im Auge. Andre Ziele können sich auch wohl Staaten, wie Costa-Rica und Nicaragua nicht sehen. Es kann ihnen nur daran liegen, ihre große Bedeutung, die sie als Transitländer zwischen dem Atlantischen und Stillen Ocean haben, möglichst auszunußen, ohne dem Einflusse einer überwiegenden Macht, wie Nord-Amerika zu ververfallen, oder gar die Beute von Flibustier-Abenteurern zu werden. Sie werden also eine ganz natürliche Neigung zu denjenigen europäischen Staaten haben, wo der Unternehmungsgeist der Völker ein gewiffes Gegengewicht gegen die Annexations-Gelüfte Nord-Amerika's hoffen läßt, und deshalb sehen wir, daß auch Frankreichs Blicke sich auf Central-Amerika richten, wie es auch längst die Lapleta-Staaten in das Auge gefaßt hat. Das Unternehmen des Herrn Felix Belly ist ein reines Privat-Unternehmen, und es wird sich darum handeln, ob es in Europa die nöthige Unterstüßung an Kapital findet; aber offenbar geht auch dieser großartige Plan aus dem Zuge hervor, den die napoleonische Regierung den Franzosen für weite Zukunftspläne zu inspiriren wußte. (Sp. 3tg.)

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Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 Sgr., halk jährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im deutsch - öfterreichischen Poftverein portefrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 156.

für die

Bestellungen werden in jeder Buchhandlung des In- und Auslandes (in Berlin bei Veit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25., und beim Spediteus Neumann, Niederwallstraße Nr. 21.) sowie von quen Post. Aemtern angenommen.

Literatur des Auslandes.

Der philosophische Ord

Arabien.

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Berlin, Donnerstag den 30. Dezember.

der Lauteren Brüder" und das Märchen vom Streit zwischen Mensch und Thier. Ein umfang- und inhaltreiches, sehr anziehendes Märchen: „Der Streit zwischen Mensch und Thier", hat Herr Professor Dieterici kürzlich in vollständiger Ueberseßung aus dem Arabischen erscheinen laffen, begleitet von seiner Abhandlung über den Orden der Lauteren Brüder", welchem das erwähnte Märchen seine Entstehung verdankt.") Das durch selbständig gewordene Statthalter zerstückelte Neich der Chalifen war im zehnten Jahrhundert unserer Zeitrechnung ein Tummelplag aller Lafter geworden, auf welchem die unseligen Folgen einer mit Herrschsucht gepaarten verknöcherten Orthodoxie in der traurigften Gestalt sich zeigten. Da erstand, ein schönes Licht in trüber Zeit, ein Verein, der sich zur Aufgabe stellte, durch umfassende Erforschung der Wissenschaften und Religionen eine tiefere geistige Erfaffung des Lebens zu begründen und somit eine moralische Verjüngung der Mußlimen anzubahnen.

Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen seßten die Häupter des Drdenser hatte zu Baßra seinen Siß in 51 Abhandlungen aus einander, deren Inhalt der Verfasser nach einer Pariser Handschrift angiebt. Sie zerfallen in vier Haupt-Abtheilungen, von welchen die erste den philosophischen Uebungswissenschaften gewidmet ist, die zweite der Naturwelt; eine dritte handelt von der vernünftigen Seele, und die leste vom göttlichen Gefeße.*°)

In der Logik, als der formalen Bildung des Geistes, schulten sich die Lauteren Brüder nach Aristoteles, während sie die Lösung der spekulativen Fragen aus dem Neu-Pythagorismus und dem Neu-Platonismus zu gewinnen suchten. „Der Gedanke von den durch die Welt bis zum Mittelpunkte der Erde zerstreuten und wieder zur Allfeele zurückkehrenden Theilseelen, sowie der Gedanke von der schon in Eins enthaltenen und von ihr bis in's Unendliche ausgehenden und zu ihr zurückkehrenden Zahl geben gleichsam die Ringe her, die einzelnen Ab handlungen zu einer Kette zusammenzuschmieden, und es kehren diese Gedanken in allen Abhandlungen wieder ".

Außerdem besaß der Orden viel genauere Kenntniß vom Alten und Neuen Testamente, als der Muhammedaner sonst zu besigen pflegt, und findet man bei ihnen eine würdigere Auffaffung vom Leben und Tode Jesu. Ja, ihr Bibel-Studium bewegt sie fogar öfter, den Sagungen des Islam geraden Weges zu widersprechen. In allen Fragen aus dem Bereiche strenger Wiffenschaft erholen sie sich Rathes bei ihren Lehrern, den Griechen. Jede wissenschaftliche Frage wird zunächst spekulativ behandelt, dann aber, oft in gezwungener Weise, auf das innere Seelenleben, auf die innige Verbindung des Menschen mit Gott angewendet. Man beginnt mit der Speculation und endet mit der Mystik. Es versteht sich, daß diese Grundgedanken auch dem Koran untergelegt werden, wobei man freilich ganz fremdartige Gedanken, als den inneren und tieferen Sinn der Worte, den Lehren Muhammed's unterschiebt.

Dieses Streben, eine innigere Verbindung der Menschen mit Gott darzustellen, legt dem pragmatischen Betrachter die Frage vor: wodurch war es hervorgerufen? Zur Lösung dieser Frage wirft der Verfasser einen Blick auf die ganze Kette der geistigen Entwickelung des Ordens. Er handelt zuerst von Mu'tasiliten und Ssufiten (Sfufi's); er verfolgt bei den Muhammedanern das allmähliche Entstehen der Mystik,,,welche überall hervortritt, wo eine starre, meist der Welt dienende Rechtgläubigkeit den sanften aber dringenden For derungen der innigen Gemüther hart und rücksichtslos entgegentritt":

*) Der Streit zwischen Mensch und Thier, ein arabisches Märchen, aus

den Schriften der lauteren Brüder überseßt und mit einer Abhandlung über diesen Orden, sowie mit Anmerkungen versehen von Profeffor Fr. Dieterici. Berlin, 1858. 19 Bogen. Preis: 1 Thlr. 15 gr.

**) Man könnte die vier Theile nach unserer Art etwa so überschreiben: Logik und Propädeutik Physik Ethik Civitas Dei und Gottesgelahrtheit.

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1858.

Von dem persischen Ssufismus, welcher ebenfalls im zehnten Jahrhundert allmählich sich herausbildet und in dem großen mystischen Dichter Dschelaleddin Rumi (im dreizehnten Jahrhundert) seinen Glanzpunkt hat, ist aber der arabische, zu welchem die Lauteren Brüder sich bekennen, wohl zu unterscheiden. Diese gehen zwar aus derselben Geistesrichtung hervor und suchen, wie Jene, eine Vermittelung zwischen Gott und der Welt zu finden, aber sie sind besonnene Philosophen und nicht vorwiegend Poeten, wie die persischen Sfufi's. Der Verfasser theilt eine für die Lehre von der Weltseele merkwürdige Stelle mit und handelt auch von der Gliederung des Ordens, dessen Mitglieder „, ihren Seelenkräften gemäß“ eingetheilt waren.

Das Märchen: „Der Streit zwischen Mensch und Thier“, bildet einen Theil des einundzwanzigsten Traktates oberwähnter Encyklopädie, welcher von den Arten der Thiere, ihrem wunderbaren Bau und ihren merkwürdigen Zuständen handelt: Beides ergänzt einander wechselseitig. Der Mensch unterliegt hier im Wortstreite den Thieren, und nachdem er alle seine eingebildeten Vorzüge vernichtet sieht, ret= tet er sich am Ende nur durch seine Unsterblichkeit und seinen Anspruch auf ewige Seligkeit aus kläglicher Niederlage.")

Die Erzählung steht in der Mitte zwischen den rein formalen und naturwissenschaftlichen Traktaten einerseits, und den ethischen und religiösen andererseits, zu denen sie mit ihrem Schluffe hinüberleitet. Wir werden auf eine ferne, nur von Genien und Thieren bewohnte Insel versezt, wohin der Sturm ein Schiff mit einer Anzahl Menschen sehr verschiedener Nationalität, Religion und Lebensweise treibt. Die Thiere leben hier frei von Rachstellungen und glücklich, wie im Paradiese; aber dieser glückliche Zustand endet mit der Ankunft der Menschen. Zunächst werden die Einhufer und Zweihufer (Spalt= hufer) hart gedrängt; ihre Wortführer begeben sich zu dem Könige der Genien und klagen über die Anmaßungen der Menschen. Der König entbietet die Ankömmlinge vor seinen Thron; diese wollen ihre Vorzüge vor den Thieren und ihr Recht der Herrschaft über diese geltend machen; besonders haben sie dabei die Ein- und Zweihufer im Auge, weil der Mensch in Beziehung auf diese mit Koransprüchen sich decken kann. Als Wortführer der genannten zwei Klassen tritt das Maulthier auf und widerlegt die Gegenpartei. Dann erheben sich Vertreter einer jeden zum Dienste des Menschen gezwungenen Thierart und klagen bitter über deffen Härte und Grausamkeit. Nach dieser ersten, gleichsam vorbereitenden oder Probe-Sigung stecken die Parteien, jede in einer Privatsigung, ihre Köpfe zusammen und deliberiren; die Partei der Thiere schickt Boten an die Monarchen jeder von den sechs Thierklassen, und jeder Thier-Monarch ernennt einen Abgeordneten zum bevorstehenden Kongreffe. Eine sehr glänzende Versammlung, bei welcher der König der Genien präsidirt, beginnt ihre Thätigkeit. Zuerst müffen Repräsentanten der verschiedenen Völker hervortreten und etwas melden von dem Volke, welchem Jeder angehört: Einer um den Anderen lobt feine Nation, übergeht aber Alles, was ihr nicht rühmlich ist, und muß durch einen der Genien recht belustigend daran erinnert werden. In den folgenden Sigungen giebt es lange rednerische Einzelkämpfe zwischen Sprechern der verschiedenen Nationen und Vertretern verschiedener Thier-Klaffen, wobei uns nicht entgeht, daß jedem menschlichen Sprecher der seiner Nationalität analogfte thierische gegenübergestellt wird. Die auszeichnenden Eigenschaften und Kunstfertigkeiten gewiffer Thiere werden vortrefflich geschildert; auch verdient Beachtung, daß man den Hund als geborenen Sklaven, Kriecher und Schmaroßer von den edleren Thieren ausdrücklich ausschließt. Manche artige, längere oder kürzere Sage von Genien und Thieren ist an paffender Stelle eingewebt.

Seiner Ausdehnung nach könnte unser Märchen eine Art Thierund Genien- Epos heißen. Mit den bekannten Thier Epopöen hält es wenig Vergleichung aus, da diese eigentlich nur Spiegelbilder

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*) ́,, Mit großer Schärfe und oft beißendem Wiz versteht es der arabische Philosoph, die Heuchler zu entlarven und den auf Verfeinerung der Genüffe gerichteten Sinn seiner Zeitgenossen, wie ihren durch den Hochmuth oberflächs lichen Wissens aufgeblähten Geist zu geißeln."

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der Menschheit in thierischer Verlarvung sind. Die arabische Erzählung führt die Thiere zunächst um ihrer selbst willen vor, gute und böse Eigenschaften derselben kommen ehrlich zur Sprache und kreten in Parallele mit denen des Menschen, wobei der Ironie und Satire begreiflicher Weise noch immer ein schönes Feld bleibt. Aber Hauptpersonen sind die über Mensch und Thier stehenden Genien, deren König ausschließlich das Urtheil spricht. Der größte Theil des Inhalts find Reden pro und contra, von denen manche den schärfften Schußreden (plaidoyers) unserer abendländischen Advokaten keck an die Seite treten kann; denn hier läßt man nicht abgerissene Kraft- und Weisheitssprüche auf einander plaßen, wie vor dem Studium des Aristoteles im Orient Sitte war (vgl. z. B. das Buch Hiob), fondern es wird dialektisch gestritten.

Als Probe sei hier ein aufs Ungefähr gewähltes Stück aus der Rede des Sprechers der Vögel mitgetheilt (S. 189-190).

,,Ferner brüstet ihr euch mit euren Aerzten und Heilkünstlern. Bei meinem Leben, ihr bedürft derselben, so lange ihr einen weiten Bauch, verderbliche Begierden, lüsterne Seelen und so vielerlei Speifen habt, woraus aber Siechthum, qualvolle Krankheiten und alle tödtliche Schmerzen für euch erfolgen. Dies drängt euch zu den Thüren der Aerzte, und darum hat Gott euch Krankheit auf Krankheit gesandt. Denn an der Thür eines Arztes oder Apothekers sieht man nur Leidende, Kranke und Sieche, wie man beim Laden der Stern deuter nur vom Unheil Betroffene, Unglückliche oder Furchtsame findet. Der Sterndeuter fügt zum Unglück noch mehr Unglück, denn er kann das Glück nicht beschleunigen, noch das Unglück hinhalten. Trogdem aber nimmt er ein Stück Papier und schreibt nichts als thörichte Worte, auf ungefähre Schäßung hin, ohne irgend sicheren Halt oder Beweis zu haben. Ebenso ist es mit denen von euch, die sich für Heilkundige ausgeben; sie vermehren nur dem Kranken die Pein, weil sie ihm den Genuß mancher Dinge verbieten, während oft gerade die Heilung des Kranken in dem Genusse derselben beruht. Gar oft würden Jene, wenn die Aerzte fie der Natur überlassen hätten, rascher genesen und ihre Heilung beffer gelungen sein. Somit spricht der Umstand, ihr Menschen, daß ihr euch eurer Aerzte und Sterndeuter rühmt, gegen und nicht für euch. Wir unseren Theils bedürfen der Aerzte und Sterndeuter nicht, denn wir nehmen nur soviel Nahrung zu uns, als gerade genügt, und zwar Tag für Tag von einer Art. So treffen uns weder die verschiedenen Krankheiten, noch vielfaches Siechthum, und wir bedürfen daher weder der Aerzte, noch der Heiltränke, noch der Gegenmittel, noch all der sonstigen Arzeneien, deren ihr bedürfet. Diese unsere Zustände sind würdiger des Freien und Guten und angemessener dem Edeln; jene hingegen passen mehr für die Knechte und Elenden und sind denen entsprechender. Woher nun meint ihr, daß ihr Herren und wir Knechte seien, ohne Urkunde oder Beweis zu haben, es sei denn durch Lug oder Verleumdung?"

Afrika. Afrikanische Reisen.

Sch.

II. Charles Didier und Edward William Lane.

(Schluß.)

Der Verfasser giebt später eine kleine Schilderung von diesen Vertretern der Civilisation in Khartum und kommt zu dem Schlusse, daß das wilde Leben mit all seinem Aberglauben und seiner Unwissenheit einer derartig vertretenen Civilisation vorzuziehen sei. Es ist der Abschaum der europäischen Menschheit, der dort hinkommt, und sein Glück, d. h. Geld, machen will und, sich von allen Hemmungen befreit fühlend, allen Lastern und Nichtswürdigkeiten fröhnt, die er entweder mitgebracht oder neu im Lande findet. Herr Didier führt nur ein Beispiel von vielen an, einen Landsmann, den Ober-Apotheker der Provinz, einen geborenen Marseiller, welcher Muselmann geworden, und an funfzig Frauen geheiratet und wieder verstoßen hat, ohne die zu rechnen, die er nebenbei hatte. Von der Härte der gewinnsüchtigen und gewiffen losen Kaufleute, die sich hier Alles erlauben dürfen, haben die Eingeborenen schwer zu leiden, und können nur einen sehr schlechten Begriff von den Europäern bekommen. Der Mord ist das geringste ihrer Verbrechen."

Zu Kahira war es unserem Reisenden, troß aller Bemühungen, nicht gelungen, einer Vorstellung der Almehs oder ägyptischen Tänze rinnen beizuwohnen. Abbas Pascha, von seiner frommen oder frömmelnden Mutter bewogen, hatte diesen Anstoß der Sittlichkeit beseitigt und, echt orientalisch, Alle zusammenpacken und nach Ober-Aegypten verbannen lassen; desto angenehmer war seine Ueberraschung, als er in Khartum bei den offiziellen Fantasias des Statthalters auch diese Almehs zu sehen bekam, wie sie mißbräuchlich von den meisten Rei senden genannt werden. Wie der Engländer E. W. Lane, der sich lange in Aegypten aufhielt und das ganze Volk bis in's Einzelne ge=

nen in keiner Weise zu. Almeh (im Plur. Avalim), bedeutet eine gelehrte Frau, deren Geschäft das Singen ist, und Sängerinnen, die auf Verlangen in die Harems und Häuser kommen, um bei besonderen Gelegenheiten, z. B. Hochzeiten, Musik-Aufführungen zu machen, namentlich zu fingen". Sie leisten darin Außergewöhnliches, so daß Herr Lane ihren Gesang selbst über alle Musik stellt, die er je gehört, und bilden einen durchaus anständigen Verein, der sich selbst bei seis nen Aufführungen den Blicken der Männer entzieht.

Der Name der fälschlich Almeh genannten Gassentänzerinnen, die das Entzücken so vieler Reisenden erregen, ist Ghawazi. Daß sie unver heiratet leben, wie Herr Didier angiebt, ist nicht begründet; die Ghawazi sind vielmehr Männer und Frauen, ein besonderer Stamm von etwa der Würdigkeit, wie hin und wieder in Europa die Zigeuner: und nur die ungeheure Gefälligkeit der völlig hinter der Coulisse verschwindenden Ehegatten hat die Reisenden zu dem Zrrthum verleitet, daß sie sich nicht verheirateten. Eigentlich sind sie Buhlerinnen, welche das Tanzen als Nebensache treiben, und stehen bei jedem anständigen Muselmanne in Verachtung; nie läßt man sie in den Harem kommen und höchstens bei Hochzeiten und Beschneidungen vor dem Hause tanzen, um den Pöbel zu belustigen. Gelehrt und poetisch find sie keinesweges; bei den nächtlichen Orgien, zu denen sie reiche Wüstlinge heimlich einladen, sollen sie tüchtig dem Branntweine zusprechen. Ihr Verhältniß zur hohen Polizei ist auch völlig dasselbe, wie das der entsprechenden Damen, und nicht erst von Abbas Pascha, sondern bereits 1834 war ihr Treiben durch Polizei-Edikt untersagt worden. Im ersten Uebertretungsfalle erhielt die Schuldige funfzig Ruthenhiebe, im Rückfalle mehrere Jahre Zwangsarbeit. Sicher gewinnen die Reisenden in den Augen anständiger Muselmänner nicht besonders, wenn sie diesem Treiben, das auf der Höhe gewiffer seestädtischer Vergnügungs- Institute zu stehen scheint, allzu große Aufmerksamkeit schenken; die wohlfeilen Phrasen über die Schönheit dieser Dirnen, über den schmachtenden Ausdruck ihrer Blicke, ihre antike Draperie, über ihre Aehnlichkeit mit den Tänzerinnen auf Pharaonischen Dentmälern, und alle die Schminkmittelchen, mit denen man eine faule Sache beschönigen will, können für die Dauer nicht hinter's Licht führen und nur dem Kredite des Reisenden schaden, der allzu sehr entzückt ist.

Wenn Lane mit seinen sehr ausführlichen und nüchternen Schilderungen Recht hat,°) so können wir Herrn Didier's Angaben über die ,,Almehs" nicht besonders gründlich finden. Was er von ihnen berichtet, ist ein sonderbares Gemisch von dem, was Lane getrennt über die in hoher Achtung stehenden Sängerinnen, die Almehs, und die tief verachteten Gassentänzerinnen, die Ghawazi, berichtet wird. „Sie find weit kultivirter als die anderen Frauen des Drientes, können lesen, schreiben und viele sind Dichterinnen (die echten Almehs). Außerhalb des gemeinen Geseßes lebend, verheiraten sie sich nie (?), kennen also den Verschluß und die Knechtschaft des Harems nicht, und ebenso unabhängig von Natur, wie von Beschäftigung, genießen sie gränzenlose Freiheit (die Ghawazi). Zu allen Privat- und öffentlichen Festen gerufen, giebt es keines ohne sie; auch verlangen sie oft einen sehr hohen Preis für ihre Gegenwart, und es hat sie nicht Jeder, der sie haben will (die Almehs). Ich habe deren ebenso theuer bezahlen gesehen, wie eine Primadonna, die in einem Konzert der Vorstadt St. Honoré fingen sollte, und Viele bereichern sich bei diesem Gewerbe (dem Singen? oder Tanzen?), welches seine Zufälligkeiten, seine Beschwerden hat und ein anderes (so? - hier kommen wieder die Ghawazi) ausschließt. Wie sehr gesucht sie auch sein mögen (die Almehs), so stehen sie doch nicht im Geruche der Heiligkeit (die Ghawazi)“.

Wir zweifeln keinen Augenblick, daß Herr Charles Didier in dem Hofe des Regierungspalastes zu Khartum ägyptische Frauenzimmer hat tanzen sehen, und daß seine lebhafte Schilderung davon ganz richtig ist; was er aber hier von ihnen sonst berichtet, scheint er denn doch nur aus sehr sekundären Quellen zu haben, wahrscheinlich aus dem Touristen-Mythus, der sich allmählich gebildet. Daß er selber gesehen, wie man eine Almeh so theuer bezahlt hat, wie eine Primadonna in Paris, glauben wir aus dem einfachen Grunde nicht, weil er dann eine richtigere Vorstellung von dem Unterschiede von Almeh und Ghawazi haben mußte, von denen die Ersteren allerdings oft sehr hohe Preise für Kunstleistungen verlangen. Also etwas geschnurrt! Na, schadet nicht, etwas französisch aufgeschnitten; ja, das können wir in Deutschland auch. Vor einiger Zeit brachte ein geschäßtes deutsches Journal Originalkorrespondenzen eines Reisenden aus Aegypten; der treffliche Mann hatte sie zu zwei Dritteln dem Lane ausgeschrieben; da kann man wohl erfahren in ägyptischen Dingen sein!

„Es herrscht zu Khartum eine Freiheit der Sitten, die sehr nach dem wilden Leben schmeckt; die Europäer finden sich vollkommen darein, und überbieten fie noch, anstatt sie zu unterdrücken." Wie gesagt,

*),,Edward William Lane, Sitten und Gebräuche der heutigen Aegypter“.

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