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n heftigen kalten Fieber befällen und ächzte die ganze Nacht hindes Morgens hatte er eine Augen-Entzündung. Er mußte Nadewan, einem wahrhaften. Athleten, zurückgelaffen werden, der mehr trug als führte. Ich ging mit Zwan Ghigo etwas schneller nserem ersten Nachtlager und ließ ein warmes Frühstück, Thee Rum, bereiten. Auch mir ward das Herabsteigen durch ein wollenes Fußgelenk und erfrorene Zehen erschwert; unsere Gehaut wurde entzündlich gespannt und schälte sich nachher viele e lang. An allen Punkten wurden wieder Barometer-Beobachtungen acht, und in Nino Zminda erwarteten uns Pilger und Pilgerinnen geschlachteten Schafen, deren Fleisch in einem Kessel voll Salz er gekocht wurde. Wie das mundete, kann nur ein mit einem h folche Strapazen erzeugten Hunger Geplagter beurtheilen. Als in der Station Kasbek ankam, frohlockten die abtrünnige Gesellt und alle Einwohner, welche mich schon für verloren gehalten en, und schüttelten die Köpfe, als ihnen meine Führer durch Bezung bekräftigten, daß wir am westlichen Gipfel gewesen waren. 9 am späten Abend besuchte ich in Görtscheti den kranken Ziklour gab ihm Arznei aus meiner trefflich eingerichteten Reise-Apotheke. a folgenden Tag reifte ich mit Fricke und der Gesellschaft nach lis, indem wir an jeder Station unsere Barometer-Meffungen derbolten."

Aus obigen Auszügen werden unsere Leser zur Genüge ersehen en, daß Herr Kolenati einen etwas österreichischen Stil schreibt, der höchstens durch seine Gemüthlichkeit, keinesweges aber durch Elez auszeichnet. Troß dieser und anderer Schwächen, ist jedoch nicht lengnen, daß sein Buch manchen ganz schäßbaren Beitrag zur Kennt der von ihm bereisten Gegenden enthält, und wollen wir daher nerhin wünschen, daß er mit der Herausgabe seiner Memorabilien Ifahren möge.

Griechenland.

Literaturberichte aus Griechenland.

11. Drama und ästhetische Ansichten eines Neugriechen. In München erschien im Jahre 1858 ein neugriechisches Drama: Magía soğanazo", von Dimitrios Bernardakis. Der Dichter tte daffelbe im Jahre 1857 zu der Preisbewerbung bei dem poeti en Wettkampfe des Ambrosios Rallis in Athen mit eingesendet, lein das Gedicht hatte zwar dort seiner Zeit eine ehrenvolle Erähnung gefunden, dagegen namentlich wegen der gar zu sehr auf ner einseitigen Nachahmung der dramatischen Kunst Shakspeare's ruhenden künstlerischen Behandlung und Ausführung den Preis nicht rungen. Wir möchten diese Ansicht als wohl gerechtfertigt ansehen, lein wir können damit dem Talente des noch jungen Dichters felbft icht zu nahe treten, wenn wir es im Uebrigen der Selbständigkeit :ines nnbefangenen Urtheiles überlassen, den falschen Weg zu erkenen, der nicht zum Ziele führen kann, damit er den rechten finde und ähle, der allein zum Ziele führt.

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Von besonderem Interesse ist die dem Drama voranstehende, iemlich ausführliche ästhetische Abhandlung, die 101 Seiten umfaßt. Sie zeugt von guten literarisch-poetischen Studien und von großer Zelesenheit des Verfaffers. Er untersucht und erörtert darin im Besentlichen die Fragen, welcher Art gegenwärtig das nationalgriechi che Drama fein und welchen besonderen Charakter es haben müsse. in der ersten Hinsicht erklärt er sich gegen die Wiederherstellung ›er antiken Tragödie, und er bezicht sich dabei auf die große Verchiedenheit des Lebens der alten und der neuen Griechen, besonders nsoweit hierbei das Christenthum von entscheidendem Einflusse ist; ferner auf den von der heutigen Kunst so sehr verschiedenen, mehr plaftis schen Charakter der alten Tragödie, während jener, namentlich auf dem Gebiete des Theaters, mehr der Musik und Malerei verwandt ist; besgleichen auf die in der altgriechischen Tragödie herrschende Schickfals-Idee, in deren Folge das Wesen jener mehr im steten Wechsel des Glückes und Unglückes (Peripetie), mehr in einem gewissen Leiden und Dulden der Personen, weniger in scharfer Charakteristik besteht, wogegen das neuere Drama mehr Handlung und mehr Charaktere darstellt, auch gleichsam die Aufgabe sich stellt, gewiffe Probleme der Psychologie zu lösen. Nach der Ansicht des Verfassers, kann das nationalgriechische Drama der Neueren kein anderes sein, als das der übrigen christlichen Nationen Europa's: es muß also romantisch sein. Indem er hierbei das Drama bei den Spaniern, Engländern und Deutschen näher betrachtet (bei den Franzosen und Italiänern sei daffelbe weniger der Ausdruck des Nationalcharakters, als vielmehr eine erotische Treibhauspflanze), spricht er sich mit großer Vorliebe über Shakspeare und mit besonderer Anerkennung über Goethe, namentlich über deffen „Fauft“ aus. Was die zweite Frage, näm

*) Vgl. No. 147 des „Magazin“ von 1858.

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lich den eigenthümlichen Charakter des nationalgriechischen Drama‍s der Neueren anfangt, so geht der Verfaffer davon aus, daß der griechische Dramatiker seinen Stoff in der Phantasie oder in der Geschichte suchen könne, aber immer müsse er hierbei in beiden Be ziehungen ebenso wahrhafter Dichter als Grieche sein, und er müffe die Intereffen der griechischen Nationalität vertreten. Die Griechen, sagt er, sind nicht von einem kosmopolitischen Geifte beseelt, wie die Deutschen, sie hängen und halten vielmehr mit einer gewiffen Zähig. teit an ihrer Nationalität, die aufzugeben weder die Philosophie und Religion, noch andere lebendige Intereffen sie irgendwie veranlaffen können. Von anderen Ursachen hierbei ganz abgesehen, liege ein Grund davon in der Isolirung des griechischen Volkes, in seiner ganzen bisherigen Lage und in seinen politisch gewaltsam zerrissenen Zuständen. In politischer Hinsicht mit dem europäischen Abendlande verbunden, fürchte dasselbe, auch in kirchlich-religiöser Beziehung mit leßterem verschmolzen zu werden, und was dagegen seine kirchliche Verbindung mit Rüßland anlangt, so müsse es fürchten, von diesem politisch verschlungen zu werden, und wenn schon es aus politischen Gründen gegenwärtig mehr dem europäischen Abendlande fich zuneigt, wie es vor dem Jahre 1821 aus kirchlichen Ursachen mehr zu Nußland sich hinneigte, so sei doch dadurch ebenso wenig die Isolirung des nun auch der Zahl nach so kleinen griechischen Volkes, als die diesfallsige Furcht und eine diesfallfige Gefahr beseitigt oder auch nur verringert worden.

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Insofern nun der neugriechische Dramatiker seinen Stoff aus der Geschichte nimmt, dürfe dies nicht aus der altgriechischen Geschichte geschehen, indem ein solcher Stoff auch nur in der Weise der alt= griechischen Tragödie dramatisch behandelt werden könne, dies jedoch unstatthaft sei. Demnach bliebe nur die byzantinische und die neuere Geschichte der nationalen Erhebung als Quelle für das neugriechische Drama übrig. In dieser Hinsicht verbreitet sich der Verfasser über den Charakter der byzantinischen Geschichte und Poesie, welche leztere vornehmlich kirchlich-religiös und philosophisch - kontemplativ sei, jedoch nach der Einnahme Konstantinopels durch die Franken (im Jahre 1204) in Folge der Berührung der byzantinischen Griechen mit dem Abendlande eine romantische Färbung erhalten habe. Anders gestaltete sich diese Geschichte und Poesie nach der Eroberung der Stadt durch die Türken im Jahre 1453. Die Geschichte der byzantinischen Griechen, welche ihre politische Freiheit verloren hatten, glich seitdem der Geschichte der Gefangenschaft der Juden, und ihre Poesie verwirklichte die Klage des Propheten, der da spricht: „Wir saßen an den Wassern Babylons und weinten, wenn wir an Zion gedachten." Von jener Zeit an hingen die Griechen ihre Harfen an die Weiden"; die Dichtkunst war von ihnen gewichen, und sie hatte nicht länger weilen mögen bei denen,,,die ihr Brod mit Thränen aßen und ihre Nächte weinend zubrachten.“,,Das Gebiet der Dichtkunst bei den Griechen“, sagt dieser Grieche selbst,,,war verödet und wüßt, die kaftalische Quelle war vertrocknet, die Töchter der Mnemosyne waren entflohen. Freie Männer nur konnten ́berufen sein, den Musen zu opfern, und diese Männer waren die Klephthen (Räuber). Kaum hatten die Musen die Gesänge dieser freien Männer aus Griechenland vernommen, als fie dahin zurückkehrten, und sie führten mit sich eine zehnte Schwester: die Freiheit. Das geknechtete Volk, von Entzücken ergriffen und von der Freude durchschauert, eilte mit Frohlocken ihnen entgegen; mit Verwunderung sah es die schöne Schwefter, und es erkannte in ihr die Göttin von Thermopylä und Marathon. Begeistert lief es zu den Weiden, wo es die Harfen aufgehangen hatte, und es sang seinen begeisterten erhabenen Hymnus auf die himmlische Muse. Der Klang der Waffen des kämpfenden Griechenland war dieser Hymnus“.

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Der Charakter des Volkslebens, der Geschichte und der Dichtkunst der Griechen bis zur Zeit ihrer Wiedergeburt im neunzehnten Jahrhunderte war zunächst und vorzugsweise ein religiöser: das griechische Volk athmete, lebte und hoffte in seiner Religion, in seiner Kirche. Allein dieses Verhältniß änderte sich mit der politischen Wiedergeburt des Volkes; die Politik verdrängte die Religion, die politische Freiheit und die Beschäftigung mit ihr verschlang gleichsam und ordnete die kirchlich -religiösen Intereffen sich unter. Mit Bedauern bemerke ich", sagte Lamartine in seiner,,Voyage en Orient", als er im Jahre 1832 auch Griechenland besucht hatte,,,daß der religiöse Geift in Griechenland erloschen ist; ich finde dort die einsichtsvollsten und muthigsten Männer, glänzendste Menschen und Individuen, aber fein gemeinsames Band; ich sehe Griechen, aber ich finde keine Nation.“ Der Charakter des Volkslebens, der Geschichte und der Poesie ward seitdem vorzugsweise ein politischer, ein patriotischer. Unser Verfasser fühlt und rügt den Mangel, der sich hierin, gegen früher, in den gegenwärtigen Zuständen und Verhältnissen des griechischen Volkes offenbart, und er wünscht dagegen namentlich von Seite der griechischen Regierung gebührende Abhülfe. „Zu diesem heiligen Zwecke", sagt er, müffen künftig auch die Kräfte der Dichtkunst unseres Volkes mitwirken. Allerdings kann und soll die Poesie nicht

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untergeordnet werden unter die Herrschaft der Religion und der Myral: in der Luft der Freiheit hat die Dichtkunft gelebt, und lebt sie und wird leben; aber Religion und Moral sollen die Zwecke der Poesie fördern helfen. Eine religiöse Dichtkunft, welche diesen Namen verdient, ist nicht die Frucht einer unechten Frömmigkeit und Heuchelei, vielmehr ist fie der süßduftende Weihrauch eines Herzens, daß das unverlöschliche Feuer des Glaubens entzündet, und die That eines heiligen, gottgeweihten Eifers und Enthusiasmus. In diesem Sinne, zu solchem Zwecke kann und soll die lyrische Gattung der Dichtkunst wirken und schaffen, und sie kann und soll es auch bei den Griechen. Der epische Dichter dagegen vermag zwar die religiöse Vergangenheit zu schildern, aber sein Gemälde wird kalt laffen, und seine Dichtung wird die Gegenwart nicht ansprechen; denn Absicht und Zweck jeder Dichtung ist vornehmlich darauf gerichtet, das Wort der Gegenwart felbft zu treffen, das Räthsel der Gegenwart zu lösen. Nur im Drama, welches seinem Wesen nach ebenso für das epische, wie für das lyrische Element empfänglich ist, lassen sich die entgegengesezten Intereffen, ohne Gewalt anzuwenden, harmonisch verknüpfen, und also soll der dramatische Dichter des neuen Griechenland die Vergangenheit und die Gegenwart seines Volkes einander nähern und in eine ander verschmelzen: Vaterland und Glaube, Religion und Freiheit, das sind die beiden Pole der Achse, um welche das neugriechische Drama sich drehen muß. Der dramatische Dichter des neuen Griechen land foll den Hauch der Gegenwart der religiösen Vergangenheit einathmen; er soll den todten Riesen des byzantinischen Kaiserreiches in's Leben zurückrufen und die ernßten Schatten jener vergangenen Jahr, hunderte neu beleben; er soll die Harfe David's und die Zither des Klephthen zur Hand nehmen, und die religiösen Hymnen des heiligen Sängers und den Kriegsgefang des Pheräers Rigas soll er zu Einem harmonischen Ganzen verschmelzen. Nur der, der dies glück lich ausführt, verdient den dichterischen Lorbeer; denn er deutet das Vergangene und verkündet das Künftige, und von ihm gilt, was Schiller fingt:

"Ihm gaben die Götter das reine Gemüth,
Wo die Welt sich, die ewige, spiegelt:

Er hat Alles gesehn, was auf Erden geschieht,
Und was uns die Zukunft versiegelt!"

Von den in Vorstehendem aufgestellten Ansichten und Grundsäßen ausgehend, hat nun der Grieche Bernardakis sein Drama:,,Mapla 4оğалazon", gedichtet, übrigens, wie er selbst sagt, in drei Monaten. Den Stoff hat er aus der byzantinischen Geschichte, nämlich aus dem durch den Franzosen Buchon im Jahre 1841 herausgegebenen: „Xgoνικὸν τῶν ἐν τῷ Μωρέα πολέμων τῶν Φράγκων”, entlešnt) unb eine in demselben enthaltene einfache erotische Episode benust, welche er im Charakter und Geifte Shakspeare's dramatisch entwickelt.

Zu bedauern ist, daß der Verfasser am Schluffe seiner äfthe tisch-philosophischen Abhandlung, die wir seinen Landsleuten nicht genug empfehlen können, weil sie daraus für sich, sowie für nähere Kenntniß der Geschichte des Drama's und der dramatischen Kunst bei den neueren Nationen gar Manches zu lernen vermögen, noch zur Ungebühr eine Art oratio pro domo hält und seine eigenen Angelegen heiten zur Sprache bringt. Er vertheidigt sich dort nämlich gegen einzelne Aeußerungen, die der Rektor der Universität Athen, Profeffor Asopios, in seiner im Jahre 1857 bei Niederlegung des Rektorates gehaltenen Rede über die Ergebnisse des von dem Griechen Rallis eingeführten poetischen Wettkampfes im Jahre 1857 gethan hatte und welche Bernardakis auf sich bezog, weil er bei diesem Wettkampfe sich mit dem hier besprochenen Drama betheiligt, aber den Preis nicht erlangt hatte. Er erblickte in jenen Aeußerungen nicht gutgemeinte Winke und Ermahnungen, was sie waren, sondern empfindliche Vor würfe für sich, und diese Vorwürfe weißt er nun hier nicht ohne gereizte Empfindlichkeit und Bitterkeit, namentlich gegen Asopios, zurück. Er hätte beffer gethan, zu schweigen, eingedent des ihm vielleicht bekannten Wortes Schillers;

Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort! Dagegen wollen wir nicht unterlassen, hier noch zu erwähnen, daß derselbe Bernardakis auch in altgriechischer Sprache zu dichten versteht und auch da als ein begabter Dichter sich bewährt hat. Er ist der nämliche, der bei Gelegenheit des funfzigjährigen Jubiläums, welches im Juni 1858 Friedrich Thiersch in München feierte, denselben

*) Jenes,, Xpovizóv" ist die nämliche historische Composition aus dem vierzehnten Jahrhundert, aus welcher der als Dichter und Archäolog bekannte und geschäßte Grieche, der gegenwärtige Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Alexander Risos Rangavis, den Stoff zu seiner von Ellissen in Göttingen im zweiten Theile seiner Analekten der mittel- und neugriechischen Literatur" (Leipzig, 1856) überseßten Novelle: Der Fürst von Morea", entlehnt hat.

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1 Herausgegeben und redigirt von J. Lehmann.

im Namen mehrerer auf deutschen Universitäten studirender Griechen mit einer schwungvollen Pindarischen Ode begrüßte. Möge das alte Griechenland die Jünger der Wissenschaft und der Kunst auch im neuen Griechenland fort und fort zu allem Schönen und Edlen begeistern! and mögen die neuen Griechen das schöne Wort Schiller's immer im Gedächtniffe und im Geifte haben, daß die Griechheit vor allen Dingen und wesentlich nur bestehe in Verstand und Maak und Klarheit", und daß auch die Griechen der Gegenwart ohne Berstand und Maaß und Klarheit es zu irgend einer Vollkommenheit nicht werden bringen können!

Mannigfaltiges.

- Das Kunstbuch „Argo".") London und Paris lieferten früher faßt ausschließlich die Prachtwerke, welche, zu anmuthigen Feftgeschenken bestimmt, nicht selten glänzende Beweise von den fortschreitenden Leistungen der Kunst und der Typographie waren, während sich die deutschen Verleger mit jenen zierlichen Taschenbüchern begnügten, an denen unsere Großmütter und Mütter ein so großes Wohlgefallen fanden. Gegenwärtig liefert auch Deutschland Prachtwerke, welche in Bezug auf künstlerische Bedeutung sowohl wie vermöge ihres dichterischen Inhaltes mit dem, was die Fremde bringt, sehr wohl in die Schranken treten können. Zu diesen einheimischen Productionen gehört die „Argo“, welche der thätige Verleger zum dritten Male mit reichster Ladung hinaussendet. Gleich ausgezeichnet durch Bild, Wort und typographische Ausstattung, hat sich dies Werk bereits in seinen beiden früheren Jahrgängen einen großen Kreis von Freunden und Freundinnen erworben, und der vorliegende Jahrgang enthält des wahrhaft Schönen so viel, daß wir demselben mit Sicherheit eine noch größere Theilnahme versprechen können. Die Künstler W. Amberg, C. Arnold, H. v. Blomberg, L. Burger, C. Cretius, A. Haun, Th. Hosemann, H. Kretschmer, L. Löffler, A. Menzel, Ed. Pape, W. Riefftahl, K. Steffeck, D. Weber, D. Wisniewski haben die köftlichften Bilder und Initialien beigesteuert und H. v. Blomberg, Fr. Eggers, Th. Fontane, Em. Geibel, Nud. Gottschall, Th. Heyse, B. v. Le. pel, Herrm. Lingg, W. v. Merkel, Chr. Fr. Scherenberg, Th. Storm eine reiche Auswahl vorzüglicher Dichtungen. Namentlich werden Salomon de Caus", eine poetische Erzählung von Nud. Gottschall, Th. Storm's Novelle:,,Auf dem Staatshofe" und W. v. Merdel's Novelle: Aus dem. Poftwagen", großen und verdienten Beifall finden. A. G.

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Gratulationsschrift zum Jubiläum der Universität Jena. Außer den bereits von uns erwähnten Briefen Lavater's, ist zur dreihundertjährigen Jubelfeier der Universität Jena noch eine zweite intereffante Schrift aus Rußland eingegangen: die tibetische Version des indischen Gedichts „, Vimalapraçnottaratnamâlâ”, herausgegeben im Auftrage der Petersburger Akademie der Wissenschaften von Herrn Anton Schiefner.") Es ist dies eine Sammlung von indischen Sprüchen, deren Sanskrit-Driginal nicht mehr vorhanden zu sein scheint. Zu der Einleitung theilt der Herausgeber feine Konjetturen über den Verfasser mit; dann folgt der tibetische Text, dem sich die deutsche Ueberseßung und kritische Bemerkungen anschließen.,,Die fleckenlose Juwelenschnur der Fragen und Antworten" - so heißt diese Spruchsammlung ist voll trefflicher Lebensweisheit und bietet, neben dem wissenschaftlichen auch ein ethisches und ästhetisches Intereffe. Einige Sentenzen des indischen Weisen mögen hier als Probe folgen:,,Wer ist blinder als der Blinde? Die mit verwirrender Leis denschaft Behafteten. Wer befindet sich im Schlaf? Der Mann, der sehr unwissend ist. Was ist von keinem Bestand und schnell vergänglich, wie der am Lotusblatt haftende Waffertropfen? Die Jugendkraft der Männer, der Reichthum und ebenso die Zeit. Was ist die Feffel eines Mannes? Dummheit und Unwissenheit. Was erfährt man am Ende? Daß alles Beginnen keinen Bestand hat. Welches find die vier Güter, die der Mensch hierselbst schwer findet? Geben mit freundlichen Worten, Wissen ohne dünkelhaften Stolz, Dulden mit Mannhaftigkeit gepaart, ein leidenschaftloser Sinn." Die Gratulationsschrift ist in der Offizin der Petersburger Akadémie gedruckt und in jeder Beziehung ein typographisches Meisterwerk.

*),,Argo". Album für Kunst und Dichtung, herausgegeben von Fr. Eggers, Th. Hosemann, B. v. Lepel. Breslau, Eduard Trewendt, 1859. **) Academiae Jenensi saecularía tertia diebus XV, XVI, XVII Aug. anni MDCCCLVIII celebranda gratulatur Academia Caesarea scientiarum Petropolitana. Carminis indici,,Vimalapraçnottarathamâlà" versio tibetica ab Antonio Schiefner edita.

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England.

Berlin, Dienstag den 21. Dezember.

Korrespondenz-Berichte aus London.

Londoner November und deutsche Gemüthlichkeit. - ComCom bination der deutschen, englischen und französischen Vor züge in einer Familie.

Alle Monate des Jahres, alle Tage der acht bis zehn Jahre, die wir hier verlebt haben, hatten und behielten für uns etwas Trauriges, Fremdes, Kaltes. Aber man ist immer verhältnißmäßig froh, wenn man einmal wieder den November überstanden. Er hat sich in London den Titel,,Monat des Selbstmordes" erworben und ist sicherlich der tödtlichste, der geist- und gemüthtödtendste aller Monde. Kossuth, der in Edinburg eine Vorlesung über die verschiedenen Charaktere der Deutschen, Engländer und Franzosen hielt, stellte uns mit unserem weder in's Französische, noch in's Englische übersehbaren, Gemüth" am höchsten, obgleich er gebührend hinzuseßte, daß wir, weder 1 mit unserem philosophischen Sinn noch mit unserem Gemüth, etwas è Großes erster Klasse produziren könnten. Zu dem vollkommenen Menschen und einer kulturgeschichtlichen Nation erster Klaffe gehörten 4 außer deutscher Gründlichkeit und Gemüthlichkeit auch die ebenso 4 unübersehbaren Eigenschaften des englischeu common sense (nicht ,,Gemeinsinn") und des franzöfifchen esprit. Deshalb feien die drei Nationen nur im Vereine die Blüthe der Menschheit.

Aber wie ist diese Vereinigung möglich? Nur durch Zusammen wirken der sonst verschieden bleibenden Nationen für die höchsten Intereffen der Menschheit, was aber der lieben Politik wegen nicht so bald gehen wird. Beiläufig gesagt, scheint eine Combination der deutschen, englischen und französischen Vorzüge in persönlichen und Familienbeziehungen die höchsten Reize des Menschenthumes zu ent twickeln, obgleich man andererseits oft geltend macht, daß diese Kreuzun gen nur Degeneration befördern. Aber dies ist eine künftige phyfiologische Wissenschaft, welche Kreuzungen degeneriren und welche vervollkommnen. Ich kenne hier einen Franzosen mit den blauen Augen seiner deutschen Mutter und gestehe, daß ich keinen robusteren, noble. ren, geistreicheren und weichherzigeren Mann habe kennen lernen. Ich bin in einer englischen Familie bekannt geworden, wo die drei Töchter 1 und drei Söhne wie Geschwister ihres Vaters ausfehen, so alt sind Erstere, so jung Lezterer. Aber sie sehen so verschieden aus, wie die drei Nationen, aus denen sie bestehen. Die Mutter ist eine Französin, der Vater Sohn eines Engländers und einer Deutschen. Ein Sohn fieht wie ein gewaschener Neger aus, nur ohne dessen Lippen und 1 Nase, der Zweite ist ein Franzose an esprit, Grazie und Lebendigkeit, der Dritte, ein Gelehrter in China, ist mir noch unbekannt. In den drei Töchtern lernte ich deutsche Anmuth, Bescheidenheit und wunder bar reiche und gründliche wiffenschaftliche Bildung kennen. Ein Bruder lernte bei der ältesten Schwester soviel Latein, daß er der Horaz lefen kann. Dieselbe liest den Homer und spricht fließend neu griechisch. Sie war längere Zeit in Griechenland. Endlich geftand fie auch, daß sie ein bischen Deutsch radebrechen könne. Wir sprachen hernach einen ganzen Abend Deutsch, wobei ich nie eine Verlegenheit um ein Wort, nie einen grammatischen oder syntaktischen Fehler bemerkte. Ihr Französisch war ganz korrekt und fließend. Sie fragte mich aus der deutschen und franzöfifchen Literatur nach Details, die ich zu meiner Beschämung mehrmals nur zweifelhaft beantworten konnte. Sie spielt Beethoven, Chopin, Henselt mit Geist und Poefie, nicht etwa blos korrekt. Der sechsundfunfzigjährige Vater steht noch ferzengrade und tanzt beim Familienballe alle seine Kinder müde. Und was für Bescheidenheit und Gemüth hat diefe herrliche, hochgebil dete Familie! Unlängst schleppt der Vater drei in Schmuß und Hunger zitternde Kinder mit nach Hause, läßt sie waschen, speifen und tränken. Die Tochter geht im schlimmsten Unwetter mit ihnen, bis in den entlege nen Schlupfwinkel ihrer Wohnung, stattet Bericht ab und legt so den Grund zu energifcherem Beistande. Ein andermal kommt eine Tochter

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1858.

von einem Spaziergange und bringt eine in tiefftem Elende, Schmuß und Abscheu kaum ohne Grauen anzusehende verlorene Seele mit. Sie wird in der Waschküche in ein großes Faß mit warmem Waffer gesteckt, mit der Weisung, sich energisch der Seife und des Scheuerlappens, sodann des Kammes zu bedienen. Ihre Lumpen werden sofort verbrannt und Kleidungsstücke aus der Garderobe der Töchter für sie hingelegt. Sie kommt menschlich, sogar jugendlich schön zum Vorschein und erzählt nun ihre Geschichte, die sie der Tochter bruchstückweise zum Besten gegeben, daß sie Mutter ohne Gatten und ein elendes, verftoBenes, von aller Welt gemiedenes Wesen sei. „Refpektable“ Leute nach englischen Begriffen wären jest, wenn es denkbar wäre, daß sie diese Barmherzigkeit bis hierher gezeigt, mit Abscheu zurückgefahren. Hier ward sie erst recht zur,,poor creature" und zum Gegenstande erhöhten Mitleidens. Man verhalf ihr und dem Kinde zu einer ge= funden, lohnenden Beschäftigung und Stellung, und bleibt mit ihr im freundlichsten, mitleidigsten, theilnehmendsten Verkehre, wie mit Allen, die nicht aus innerer Verwahrlosung und Verschuldung aufs neue aus ihrem Bereiche verschwinden. Solche und ähnliche Züge erfuhr ich in Maffe durch dritte Personen, die sie seit Jahren kennen und oft ungehalten sind über diese nicht selten mit Undank belohnte Samariterei. Und welchen Humor haben fie in Gesellschaft! Führ ten sie doch neulich das historische preußische Werk: „Fehrbellin“, für uns deutsche Zuschauer und Zuschauerinnen nicht blos in echter drastischer Dramatik, sondern auch in komischster Englisirung auf. Sar ersten Akte sahen und hörten wir in lebensfrischefter Natürlichkeit einen englischen Markt (fair). Im zweiten gingen andächtige Leute unter Glockengeläuten (bell) in die Kirche; der dritte führte uns in eine englische Herbergskneipe (inn). Und als Ganzes sahen wir das berühmte Gemälde der Schlacht bei Fehrbellin als lebendes Bild, nur daß der große Kurfürst auf einem umgekehrten Stuhle ritt. Man hatte uns gleich als Leitfaden für das Errathen gegeben, daß es ein in der preußischen Geschichte vorkommender Name sei, der mit englischverstandenen Silben ohne Rücksicht auf Orthographie aufgeführt werde.

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Doch in welche Regionen ist mir die Feder davongelaufen? Ich wollte von dem traurigen, tragischen November Londons sprechen, in welchem das deutsche Gemüth" verkommen müsse und komme in die herrlichste, heiterfte, gediegenste Gesellschaft. Warum bin ich nicht früher in solche gekommen? O, diese Combinationen kommen seltener in London vor, als Kometen am Himmel sichtbar werden. Ich bin während der Jahre hier in manche englische Gesellschaft gekommen. Nicht selten ganz gute, liebe, brave Menschen und Familien, aber keine Wärme, kein Fluß, kein herzliches Herauskommen. Immer sehr artig, sehr freundlich, sehr gemessen, sehr reservirt, sehr arm, unerträglich arm an Geift, Gemüth, Herz und Humor. Zum Davonlaufen langweilig. Man kann in der englischen Gesellschaft. Reden halten, aber nicht sprechen Die französische Conversation" fehlt ganz und das deutsche Gemüth, das in englische Gesellschaft kommt, zittert vor Angst wie ein fteckbrieflich Verfolgter, hinter welchem berittene Konstabler herjagen. O wie gern möcht' ich in mein liebes Deutschland zurück! Aber englisirte Deutsche, die drüben gewesen, fagen, man könne es, wenn man aus Verzweiflung und Langweil England geflohen, nicht mehr drüben aushalten. Sowie man Aachen hinter sich habe, rieche es nach strenger Polizei (?). Auch bekomme man in deutschen Zimmern mit Defen immer gräßliche Kopfschmerzen. Die besten Freunde vont ehemals seien entweder alt oder ganz abhanden gekommen. Die noch Lebenden fingen an, uns nach der ersten Stunde zu haffen, weil man immer unwillkürlich bald von England spreche und Jeder sich grimmig beleidigt fühle, wenn man die Miene machte, als fei uns England anders vorgekommen, als man sich zuhause vorstellt.

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Aber wer kann es auf die Dauer in England aushalten? Wir wollen das Englischste und Beste von England mitbringen und über Frankreich kommen, um uns gleich etwas esprit und conversation unterweges anzueignen. Ich meine nichts politisch Franzöfifches, weil man dann ja nicht einmal ungestraft Angriffe auf das allgemeine Wahlrecht wagen könnte. Aber so englisirt und französirt könnten wir

Deutschland einen Himmel auf Erden finden. Aehnlich sollten sich die Engländer germanisiren und galliciren, Franzosen mit Germanisation degalliciren und englisiren.

Ich meine natürlich mit diesem Rezept für die kosmopolitische Kultur keinen Brei, aus drei Nationen gemischt, sondern jede Nation auf ihrer eigenen klimatischen und natürlichen Grundlage etwas er heitert und erweitert durch den besten Spiritus der anderen. Die jeßige russische Kultur-Bewegung hat etwas davon. Sie ist echt russisch, aber die Hälfte der Kultur-Träger sind Deutsche von Geburt oder Bildung, von denen die Meisten auch englisch und franzö fisch sprechen. Auch ist bekannt, daß die russische Literatur, auf eigenen Füßen stehend, doch auch in der englischen, deutschen und französischen sehr zuhause ist und zum Theil aus ihr schöpft und schafft.

Es scheint, als könne man uns Deutschen am wenigsten den Vorwurf nationaler Abgeschlossenheit und Einbildung machen. Wir leben in der Mitte verschiedener Kulturen und eignen uns mehr das von an, als den eigentlichen Nationalen lieb ist. Gleichwohl werden die uns eigenen charakteristischen Vorzüge nicht selten zu Fehlern und zum Lachstoffe für andere Nationen. Die Engländer sprechen fast stets mit Geringschägung und Spott von unserer philosophischen Gründlichkeit, noch mehr von unserer bescheidenen, träumerischen, feigen, zögernden Gemüthlichkeit, die so leicht in Rechthaberei und Zanksucht ausartet, wenn dem zarten Herzen praktische Opposition entgegentritt. Das mag Fehler der Engländer sein, daß sie die Trauben deutscher Eigenthümlichkeit, die ihnen zu hoch hängen, sauer nennen; aber die vergleichende Anatomie verschiedener Völker-Charaktere zeigt, daß unsere Vorzüge in philosophischen und gelehrten Dingen, unser Gemüth, unsere Gefühlsweise in nüchternen praktischen Dingen oft lächerlich, Karikatur werden, und bei aller Tiefe und Wärme wir Alles treffen, nur nicht den Kern der Sache. Ich komme nächstens auf dieses Thema zurück, und zwar bei Gelegenheit der auf dem Meere verbrannten „Austria".

Shakspeare und die Bibel.

In dem Buché „Shakespeare and the Bible" will der Reverend Mr. Eaton zeigen, wieviel Shakspeare dem Buche der Bücher verdankt. Daß in dem Zeitalter der hißigen religiösen Kontroverse, wo die Bibel durch alle Volksschichten gelesen, erörtert, bei jedem Anlaß zitirt wurde, der große Dichter es nicht verschmäht habe, aus jenem uralten Born Bilder, Gleichnisse, Redewendungen zu schöpfen - wer zwei felt daran? Aber lächerlich ist es, die Bibel zu einem Magazin zu machen, das unserem Shakspeare all seine Gedanken geliefert hat; da er in Gedankenregionen weilt, welche die biblischen Urkunden nie berührt haben. Wer Shakspeare kennt, weiß recht gut und braucht's ihm kein Reverend von der Kanzel zu predigen, daß jede Faser in ihm mit dem Christenthum verwebt ist; bisweilen Skeptiker, wie im Claudius, ist er doch nie Atheist. Autolycus leugnet nicht eine andere Welt, sondern verschläft den Gedanken an fie.“ Andererseits dogmatifirt er selten, nur in Malvolio's Charakter erscheint er als Antipuritaner. Ein einziges Mal zeigt er sich als reiner Protestant, wenn König Johann den unverschämten Anmaßungen Pandulph's entgegentritt und mit dem Fuße stampfend schwört: Kein römischer Priester soll in seinem Gebiete Zehent oder Zoll erheben;" eine Aeukerung, die heut, wie vor 250 Jahren, auf der Galerie der engli schen Theater einen Beifallssturm hervorruft. Es ist aber ein eitles Beginnen geistlicher Befangenheit, den,,füßen Schwan vom Avon“ zu einer Art Präsident der Bibelgesellschaft zu stempeln, weil Sir Andrew den Malvolio, eben nicht sehr treffend, eine Isabel" nennt, Sir Toby von dem Seemann Noah spricht und der Rüpel Marien ein wißiges Stück,,Evafleisch" heißt. Und was hat Faulconbridge's „Mantel und Gurt" mit Elias, der seine Lenden gürtet“ (1. Könige 18, 46.) zu schaffen?

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Glücklicher ist Herr Eaton in der Auswahl einiger Parallelstellen aus der Bibel, die Shakspearischen Ausdrücken entsprechen; z. B. ,,Banquo. Furcht und Bangen schütteln uns; (doch) unter Gottes großer Hand stehe ich; und daher kämpf' ich gegen verfteckte Anmaßung verrätherischer Bosheit.“ „Die Hand Gottes" mahnt am Ps. XVIII, 35.

„Macbeth. Und all' unsre Gestirne haben Narren auf dem Wege zum ftaubigen Tode geleuchtet." - Der,,Staub des Todes" ist ein Bild des Psalmisten 22, 16. Ebenso zu Macbeth's: ,,Das Leben ist nur ein wandelnder Schatten", ist zu vergleichen 39, 7. und 144, 4.

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,,Suffolk (in Heinrich VIII.).,,'s ist der rechte Ring, beim Himmel! Ich sagt's euch Allen, als wir zuerst diesen gefährlichen Stein in's Rollen brachten, er wird auf uns selber zurückfallen." Der auf den Rollenden zurückfallende Stein erinnert an den Spruch

,,Norfolk (das.). Last euch warnen: Heizet nicht den Ofen für eure Feinde so stark, daß ihr euch selber versengt." Vergl. Daniel 3, 19. 23.

,,Derselbe (das.)... Aller Menschen Ehren liegen gleich einem Klumpen vor ihm, um diesem Form und Höhe zu geben, wie es ihm gefällt." Vergl. Paulus a. d. Römer 9, 21. hat nicht ein Löpfer Macht, aus Einem Klumpen zu machen eine Form zu Ehren und die andere zu Unehren?"

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Lear. Stach mich mit ihrer Zunge, einer Schlange gleich, gerade in's Herz." Ferner:

„Hermia (im Mittsommernachts - Traum). Eine Otter that's; denn mit zwiespältiger Zunge, wie deine, hat nie eine Otter geftochen.“ In beiden Stellen liegt Ps. 140, 4. zum Grunde: „Sie schärfen ihre Zungen, wie eine Schlange, Otterngift ist unter ihren Lippen." "Der Narr zu Lear. Wir wollen dich zur Ameise in die Schule schicken, dich zu lehren, daß man im Winter nicht arbeitet.“ Vergl. Prov. XXX, 25.

Diese und ähnliche Hinweisungen und Anspielungen auf die heiligen Schriften, die ein bibelfester Leser noch vermehren könnte, würden, wenige Blätter füllend, als dankenswerthe Beigabe zu einem Shakspeare Kommentar am rechten Orte sein; zu einem Buche aber, voll der ungereimtesten, oft bei den Haaren herbeigezogenen Zusammenstellungen ausdehnen, konnte sie nur ein hochkirchlicher Reverend, der keine Gelegenheit versäumt, seinen andächtigen Zuhörern langathmige, falbungsreiche Sermone zum Besten zu geben.

Frankreich.

Die französische Philosophie des achtzehnten Jahrhunderts. Nach Charles de Rémusat. (Fortsehung.)

Wir wollen keine Lanze für d'Alembert einlegen. In der Philosophie ist er Skeptiker, aber er ist es, wie er Alles ist, aufrichtig, fest. Dieser hervorragende Mathematiker, so vertraut mit der demonstrirenden Gewißheit, vermochte es über alle hohen Fragen der moralischen Ordnung nicht weiter zu bringen, als zu einem logisch begründeten, ruhigen Zweifel, der aller Kontroverse die Spige zu bie ten schien. Von den meisten Mathematikern, seinen Vorgängern, unterschied er sich dadurch, daß er unter seinen Anhängern eine Schule bildete. Der Skeptizismus wurde nach seinen Beispiel, außer in den exakten Wissenschaften, eine Zufluchtsstätte der Gelehrten. Unter dem genialen Lavoisier und Laplace nahmen bekanntlich die mathematischen Wissenschaften in Frankreich einen glänzenden Aufschwung; aber ebenso bekannt ist, daß diese Meister und ihre Jünger Alles, was sich nicht auf Berechnung und Beobachtung gründete, in das Reich der leeren Einbildung gewiesen haben. Die Welt war nichts, als ein mechanisches Gewerk, und aus der großen Idee des großen Newton gingen Folgen hervor, die Newton erschreckt hätten. D'Alembert hat die Bahn eröffnet, und wenn er auch dadurch dem menschlichen Geist keinen großen Dienst geleistet, so hat er mindestens seine geistige Macht bekundet. Der Reinertrag seiner Philosophie beschränkt sich auf eine hoffärtige Nichtachtung alles dessen, was sich den analytischen Formeln und den Werkzeugen des Experiments entzieht, und obgleich er auch an die Fragen anderer Gebiete mit einer nicht gewöhnlichen Verstandeskraft ging, so lehrte er doch nur, wie man sie zu beseitigen habe, um sie los zu werden; sie schlechtweg leugnen, sei, meinte er, eines Gelehrten würdiger, als sich in sie zu vertiefen. Und er hat noch unter uns zu viele Jünger, als daß es uns gestattet wäre, von seinem Zug durch die Welt des Gedankens gar keine Notiz zu nehmen. Und steht er nicht durch eine andere und beffere Seite über dem großen Haufen? Sein Leben wenigstens ist das eines Philosophen. Einfach, würdig, treu und stolz, kriecht er nie, um zu gefallen. Seine Zuneigungen sind selten, aber echt, und er will lieber für kalt gelten, als in eiteln Lobrednereien der Wahrheit Blößen geben. Man braucht ihn nicht zu lieben, kann aber nicht ohne Achtung von ihm sprechen und seine Biographie, auch ohne Aufzählung der Werke, die ihn berühmt gemacht, wird ihn immer in die Reihe der ehrlichen Männer ftellen, aus denen es wünschenswerth wäre, daß die Fama ihre Lieblinge wählte.

Diderot's Bild stellt sich unserem Gedächtniße nicht in derselben Ruhe und Klarheit dar. Bei regerem Gemüthe und größerer Liebenswürdigkeit des Charakters hat er jene verführerischen Mängel, gegen die seine Zeit so nachsichtig war, die ihn so gern nachahmte. Die fruchtbare Beweglichkeit seines Geistes berechtigt ihn nicht, eine Stelle unter den Meistern einzunehmen, und, außer einigen reizenden Erzählungen, hat er etwas Ausgezeichnetes weder dem Inhalt noch der Form nach erzeugt. Er ist weder als Denker hervorragend genug, um den schönen Stil missen, noch guter Schriftsteller genug, um uns über die Richtigkeit seiner Gedanken wegseßen zu können; aber ein großer

nicht zufrieden, fie mit der Stimme aufzumuntern, verhängt er ihnen die Zügel; er lenkt nicht, er spornt, und seine Renner seßen im falschen. Galopp, über die Schranken und verlaufen sich nach allen Rich tungen. Ueberall daher, wo Bewegung und Unordnung zu sehen sind, abnt man seinen Einfluß. In jedem Fache, besonders der Kritik des Schönen, hat er etwas vom deutschen Geiste. Die Richtung ist verschieden, die Manier ist dieselbe, und seit Leffing bis auf unsere Zeit erinnert die deutsche Aesthetik an Diderot, wenn sie ihn nicht nachahmt. (?!)

Was Holbach betrifft, so will ich nur gestehen, sagt Rémusat, daß ich sein „System der Natur" nicht gelesen habe, und es wohl schwer lich jemals lesen werde. Was ich aber davon weiß, bringt mich auf die Meinung, daß es, Alles in Allem, die beste Abhandlung über den Atheismus bei den Neuern ist. Voltaire hat ihn aus guter Absicht hart mitgenommen und ihn um die Leser gebracht; hat es aber nicht verhindern können, daß das,,System" ein gewisses Ansehen in der Welt erlangte. Die Atheisten Großbritanniens und Amerika's machen großes Wesen davon und übersehen es. Lord Brougham, der es kräftig widerlegt, spricht nicht ohne Achtung davon. Endlich be: gegnet man dem Grundgedanken des Buches in den leßten Umgestaltungen der deutschen Philosophie und mehr als Ein Schüler Hegel's begnügte sich mit dem Argumenten, die 1780 einige Pariser Salons bezaubert hatten, um daraus für die überschwängliche Dialektik des abfoluten Idealismus positive Schlüffe herzuleiten.

Der lettere Umstand giebt Damiron's Werke Gelegenheit zu einem geitgemäßen Worte. Indem er auf die Irrthümer einer andern Epoche schlägt, treffen seine Streiche zugleich gewisse Verirrungen der unsrigen. Frankreich schickte vormals nach Potsdam Paradore, die Deutschland ihm jezt zurücksendet. In der Philosophie des vorigen Jahrhunderts, bei den Trägern wenigstens, die Damiron aufs Korn genommen, wehet unstreitig ein atheistischer Athem. Der Skeptizis mus d'Alembert's spricht freilich die Gottesleugnung nicht geradezu aus, fagt sich aber auch nicht ausdrücklich von ihr los. Und wenn die Anderen die Gottheit auch nicht immer in das Nichts zurückweisen, so erheben sie doch solche Schwierigkeiten gegen deren Natur und ihre Thätigkeit, daß das nothwendige Sein zweifelhaft wird; mindestens erscheint dessen Dasein als gleichgültig für die Menschheit. Wenn man sich in diesem Theil der philosophischen Welt umsieht, so möchte man auf den Gedauken kommen, daß das, was Plato die Idee des GöttLichen nannte, der irdischen Intelligenz entflohen und wieder in den Himmel zurückgekehrt sei.

Ein anderer, wo möglich noch verleßenderer Charakterzug in fast allen Schriften jener Nachtreter der falschen Naturphilosophie wiederum mit Ausnahme d'Alembert's ist die ungebundene Freiheit in Allem was die Moral betrifft. Wird auch in den meisten Büchern die Praxis des Bösen nicht in thesi gepredigt, so ist doch eine Erschlaffung der Prinzipien, ein Sichgehenlassen des Gedankens und des Ausdruckes unverkennbar. Mehr als Ein Schriftsteller jener Epoche steht auf dem Abhang des Cynismus. Mitunter stimmen sogar die Handlungen zu der Sprache. Die Lebensbilder, die Damiron genöthigt ist, zu zeichnen, bringen ihn oft in Verlegenheit und er sieht sich unter den Tischgästen des großen Friedrich in ziemlich schlechter Gesellschaft. Die Wahrheit zu sagen, war das der Ton des Tages, und die Philofophen, die ihn anstimmten, thaten es nur ihren Gegnern nach. Die Sittlichkeit herrschte überall nicht, und man machte kein Hehl daraus. Eine gewisse Keckheit des Geistes verschmähete es, in Schriften eine andere Sprache, als im Leben anzunehmen, und man brachte die Theorie mit der Praxis in Einklang. Diese Offenheit, der Gegensaß der ScheinHeiligkeit, ist um kein Haar besser als diese und giebt einem Volke ein sehr schlechtes Ansehn; aber Ludwig XV. hob sie auf den Thron. Sein achtzigjähriger Lehrer hatte ihn dadurch nicht davor bewahrt, daß er ihn die Philosophen verachten lehrte.

Das Alles war eine Krankheit der Zeit; kam aber die Zeitkrank, heit von der Philosophie her? Ist sie deß anzuklagen, daß sie gegeben, was sie bekommen hat? Hat sie ihre Prinzipien gewählt, um dem Publikum nachzugeben, oder zu widerstehen? Wer war hier Verführer, wer Verführter: die Philosophie, oder die Gesellschaft?

Die Philosophie des achtzehnten Jahrhunderts vermeint, alle menschliche Erkenntniß aus dem Sinnenleben herzuleiten. Ich weiß es, und weiß es auch, wie viel Böses man dieser Theorie nachsagen. kann; ich glaube, es selber gethan zn haben. Sie kann, auf eine gewiffe Art entwickelt, sehr bedenkliche metaphysische Folgerungen nach fich ziehen und den Skeptizismus zu Tage fördern. In der That aber ist es nicht richtig, daß, wenn der Sittlichkeit eine zu ausgedehnte Rolle in der Erkenntniß zugetheilt wird, dies nothwendig zur VerLeugnung Gottes und der Moral führt. Die Paradora der Theorie haben keinesweges jenen unwiderstehlichen Einfluß und die sie aufstellen, sind weit entfernt, alles zu denken was ihre Tadler daraus ableiten. Braucht man daran zu erinnern, daß ein Theil der SchoLastiker sich zu der Philosophie der Sinne bekannt hat? Ariftoteles,

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der sich ihr zuneigt, genießt größeres Vertrauen bei der Kirche, als Plato, der sie abweist. Katholische Theologen sind es, die das berühmte Ariom:,,Nihil est in intellectu quod non prius faerit in sensu", erfunden, oder erläutert haben. Selbst kirchliche Heilige find nachzuweisen, die diese Waffe gehandhabt haben, ohne sich daran zu verwunden. Gaffendi hat die Lehre so weit getrieben, wie sie nur gehen konnte; er hat sie wie unbesonnen! sogar an die Atomistik Epikur's angelehnt, und Gaffendi ist gestorben, wie er gelebt hat: als geachteter Priester. Betrachtet man das Leben Locke's, so siehet man die Frömmigkeit und die Sittenreinheit in einer Philosophie vereint, die für eine Feindin der Moral und des Glaubens gilt. Wenn nun diese Philosophie, je nach den Zeiten und Personen, verschiedene Früchte getragen hat: so müssen wohl die Folgerungen, die man ihr aufbürdet, nicht unvermeidlich sein. Müffen bei den Resultaten unserer. Systeme individuelle und soziale Ursachen in Anschlag gebracht werden, so müssen wir zu dem Schluß kommen, daß nicht Alles in dieser Welt von Ideen abhängt.

Uebrigens hat das achtzehnte Jahrhundert selbst seine Irrthümer widerlegt. D'Alembert weiß allerdings nicht aus der Mathematik den Beweis für die allmächtigen Rechte der Vernunft herzuleiten aber ist nicht Montesquieu mit der Frage da: ob nicht, bevor man noch einen Kreis gezogen, alle Halbmeffer gleich waren? Damit giebt er ihm zu verstehen, daß die Geometrie nur eine Wahrheit von Ewigkeit her offenbart. Nun aber, heißt eine ewige Wahrheit faffen, etwas anderes, als sich zu Gott erheben? Wenn Diderot nach mannigfaltigen Wendungen und vielen Widersprüchen roh herausplaßt:,,Seßet an die Stelle Gottes eine empfindende Ma= terie zuerst in potentia, dann in actu, dann habt ihr Alles, was im Universum erzeugt wird, vom Stein bis zum Menschen“, so ist Rousseau mit der Frage da: Wenn die bewegte Materie mir einen Willen zeigt, zeigt mir die, nach gewissen Gesezen bewegte Materie nicht auch einen Verstand? Thun, vergleichen, wählen find Operationen eines thätigen, denkenden Wesens, also existirt dieses Wesen. Wo sehet ihr es eristiren? werdet ihr sagen. Ich sage: überall; nicht nur an den Himmeln, die rollen, an dem Gestirne, das uns leuchtet; nicht nur in mir selber, sondern in dem Schaf, das weidet, in dem Bogel, der fliegt, in dem Stein, der fällt, in dem Blatt, das der Wind verwehet. - Sagte ja schon ein Alter, die anatomischen Untersuchungen seien eine Hymne an die Gottheit. Diese schweigende Hymne habe Buffon selber, versichert man, nicht gehört und er scheint in der That unter seine zurückhaltende Sprache die Tendenz zu verstecken, an die Stelle der Idee eines allumfassenden Verstandes die Idee der universellen Natur zu sehen; aber hier ruft Voltaire: Und wenn ich euch sagte, es giebt keine Natur, und Alles in uns, um uns, hunderttausend Meilen von uns, ist ohne Ausnahme Kunst?!

Die Citate ließen sich in's Unzählige häufen. Man könnte den spiritualistischen Stoizismus Vauvenargues' anführen. Man könnte auf den getreuen Schüler Locke's, auf den Abbé Condillac, hinweisen, der es sich angelegen sein läßt, Spinoza zu widerlegen und die Unstofflichkeit und Freiheit der menschlichen Seele darzuthun. Endlich würde man in Turgot wundervolle Stellen finden, in denen eine Plato's würdige Moral athmet. Wenn nun die Philosophie eine solche Sprache geführt, ihre Zeit aber nicht auf sie gehört und sich minder zuverlässigen nnd minder geschickten Führern überlassen hat, so ist das nicht die Schuld der Philosophie, sondern ihrer Zeit.

Man wende uns nicht ein, daß eitle Abstractionen für das Gewissen keinen Werth haben und daß der Deismus unfruchtbar sei, wenn er sich nicht mit der Moral selbst gattet. Rousseau sagte: „Wenn die Gottheit nicht ist, dann ist nur der Böse verständig und der Gute nur ein Dummkopf". Und mit der Entwickelung dieses Gedankens find seine Bücher angefüllt. Keiner hat die Verwüftungen des Atheismus mit grauenhafteren Farben gemalt.") Voltaire verkündet einen anderen Gott, als den Gott einer dürren Metaphysik, wenn er sagt: „Von Gott weder Strafe fürchten, noch Lohn erwarten, ist wahrhaft atheistisch... Dann sind alle Bande der Gesellschaft zerriffen, alle heimlichen Frevel brechen über die Erde herein, wie das anfangs kaum bemerkte Heuschreckenvolk sich verwüßtend über die Flur lagert... Ein atheistischer König ist gefährlicher, als ein fanatischer Ravaillac." Ja, Voltaire sagt das.

*),,Diese bequeme Philosophie der Glücklichen und Reichen, die ihr Paradies in diese Welt verlegen, kann unmöglich auf die Länge den großen Haufen befriedigen, der das Opfer ihrer Leidenschaften ist, und der zur Entschädigung entbehren kann, bie ihm biefe barbarischen Lehren raubten. Männer, von Kinde für das ihm versagte Glück auf Erden, die Hoffnung und die Tröftungen nicht heit an auferzogen in unduldsamer, bis zum Fanatismus getriebener Gottlosig feit, in einer Lüderlichkeit ohne Scheu und ohne Scham eine Jugend ohne Bucht Frauen ohne Sitten Völker ohne Treue Könige ohne Gesez, ohne einen höheren, den sie fürchten und baar jegliches Sügels Alle Pflichten des Gewissens gelöst die Liebe zum Vaterlande, die Anhänglichkeit an sellschaftliches Band als die Gewalt, ben Fürfen in allen Herzen erloschen mit Einem Worte, kein anderes ge= läßt sich nicht leicht vorausschen, wor hin das Alles hinauslaufen muß?" (Rousseau, drittes Gesprä

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