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Afien.

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei
Beit . Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumᤤ,
Niederwallfir. Nr.21), fowie von allen fönigl. Doßl-Aemtern, angenommen.

Auslandes.

Berlin, Dienstag den 14. Dezember.

Kolenati's Reisen im Kaukasus.*)

Herr Profeffor Kolenati, der Verfaffer des Werkes, deffen Titel wir in der Anmerkung vollständig wiedergeben, ist der gelehrten Welt bereits durch zahlreiche Monographieen über die Naturgeschichte und Geologie der Kaukasusländer bekannt. Das vorliegende Buch scheint hauptsächlich in Erzerpten aus seinen alten Reisejournalen zu bestehen, welche ziemlich plan- und ordnungslos an einander gereiht find und in welchen Bemerkungen von allgemeinem Intereffe mit Details abwechseln, die nur für den Reisenden felbst von Wichtigkeit sein können, und die nicht einmal auf den Reiz der Neuheit Anspruch machen, da seine Ausflüge schon in den Jahren 1841-1844 stattgefunden haben. Wir wissen nicht, ob der Verfaffer, ein geborner Desterreicher, sich noch in russischen Diensten befindet (er war zoologischer Reisender der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg), möch ten dies jedoch aus der Harmlosigkeit seiner Bemerkungen schließen, die sich der Politik meist fernhalten und sich vorzugsweise auf die naturwissenschaftlichen und ethnographischen Eigenthümlichkeiten der von ihm bereisten Gegenden beschränken.

Die Erinnerungen“ des Herrn Kolenati beginnen ohne weitere Introduction mit seiner Rückkehr von der Jagd auf den kaukasischen Steinbock und das kaukasische Huhn in den Schluchten des Kasbek, und feiner Abreise von Tiflis nach dem sogenannten russischen HochArmenien, einem schönen Gebirgslande von vulkanischem Charakter, welches er zu untersuchen gedachte, ehe er sein Winterquartier und feine Jagdstation in der öftlicher gelegenen Provinz Elisabethpol aufschlug. Es folgt dann eine Abschweifung über die Sefte der Pöpplianer in der deutschen Kolonie Elisbetthal, mit Proben der von den Sektirern im schwäbischen Dialekt gehaltenen Gebete, worauf die Weiterreise nach Bortschalinsk zu Bemerkungen über die Pferde Transkaukasiens und zu statistischen Notizen über die in Armenien wohnenden Tataren oder Kasachis Veranlaffung giebt. Durch das 60 Werft lange Akftafa-Thal, an dem Alaghös und Ararat vorbei, gelangt der Verfasser nach der in dem legten orientalischen Kriege oft genannten Feftung Gumri oder Alexandropol, über die er Folgendes mittheilt:,,Gumri oder Alexandropol liegt in Russisch Hocharmenien am linken Ufer des Arpatfchai, eines Nebenflusses des Arares, südlich vom Gebirge Tschildir und Modatapa, wo der Arpatschai mit drei Quellen seinen Ursprung nimmt, nordwestlich vom Vulkan Alaghös an einem baumleeren Hochplateau, 33 Meilen von Tiflis und 522 Meilen von St. Petersburg. Es zerfällt in drei für fich abgesonderte Theile, die Stadt Gumri, die Feftung Alexandropol und die Quarantaine. Die Stadt zählt 2000 Häuser, darunter zwei ruffische, eine armenisch-katholische, zwei (orthodox-) armenische Kirchen, vier öffentliche Bäder und sechs Karavansereien oder Bazare mit 800 Bädern und zwei Meidans (große Pläge in der Mitte der Stadt). Die Stadt bewohnen 10,000 Einwohner, worunter 30 Griechens, 120 Tataren, die übrigen Armenier-Familien sind. Die Festung Alexandropol liegt eine halbe Werft westlich von der Stadt und ist in Form eines Polygons ganz aus Quadern erbaut, welche regelmäßig abwechselnd eine schwarze oder rothe Farbe haben und aus einem Steinbruche stammen, der zwischen der Festung und der Stadt liegt. Das Gestein ist, frisch gebrochen, so weich, daß es mit der Säge geschnitten werden kann, erhärtet aber an der Luft. Es hat nur die üble Eigenschaft, daß es vom Regen ausgepeitscht wird. Es ist ein vulkanischer Tuff, der häufig Kohlenstücke und weniger Augit einschließt und durch Submerfion erweicht wurde; ich bin fogar der Ansicht, daß dieses Geftein von einem großartigen Mogafluß des Alaghös, wie selbiger auch bei der Testen Eruption des Ararat stattfand, herstamme. Die Festung liegt

*) „Reiseerinnerungen“, von F. A. Kolenati, Profeffor 2. Erster Theil: Die Bereifung Hocharmeniens und Elisabethpole, der Schekinschen Provinz und des Kasbek im Central-Kaukasue. Mit zehn Holzschnitten. Dresden, Verlagsbuchhandlung von Nub. Kange, 1858.

1858.

50 Sajen = 150 Arschinen = 350 engl. Fuß hoch über dem Niveau des Arpatschai und 2069 Arschin über dem Meere, und sie beherrscht die Gegend nach allen Richtungen. Die Befagung bestand dermalen aus 2000 Mann, doch kann sie 10,000 Mann faffen, und es war der Proviant für 10,000 Mann am Wege von Sebastopol nach RedutKale und St. Nikolai. Die Quarantaine liegt westlich von der Stadt, 14 Werft entfernt, ganz nahe am linken Ufer des Arpatschai, bildet ein regelmäßiges, mit Mauern umgebenes Quadrat mit den dazu nöthigen Häusern. Wer von ruffischer Seite den Arpatschai überschreitet, wer von der Türkei kommt, der muß 28 Tage Quarantaine halten. Die Kosaken bewachen die Gränze sehr scharf. Es kann daher auch wenig oder gar nichts geschmuggelt werden."

Für die Kürze dieser Beschreibung entschädigen lange Verzeichnisse der von dem Reisenden im Bazar gesehenen Waaren und Landesprodukte, sowie der dort gebräuchlichen Münzen und Gewichte, denen sich auch einige nicht unintereffante Notizen über die armenische Bevölkerung anschließen. So erfahren wir, daß sich unter diesem Volke, das bekanntlich seinen Stammbaum bis auf die Patriarchen zurückführt, noch wahre Methusalems befinden. „Das gesunde Klima Hocharmeniens, die geregelte Lebensweise, gute Körperconstitution, die großen vierzigtägigen ftrengen Fasten, wo sie nur von dem abgebrühten Malvenkraut und Brod leben, was man als eine ausgiebige Karlsbader Kur mit vollem Rechte ansehen kann, laffen die Eingeborenen oft ein fehr hohes Alter erreichen. So bekam ich am 5. November einen Besuch von einem 130 Jahr alten Armenier aus Klein-Karaklis, mit deffen 90jährigem und 4jährigem Sohne Bernazi Arakel. Der Alte ist noch agil und trägt einen tiefschwarzen, allerdings mit Kna und Rengh gefärbten Bart, und sein Gedächtniß ist noch frisch. Der 90jährige Sohn ist gebrechlich, gebeugt und schwach im Gedächtniß. Der 4jäh. rige Sohn stammt aus der vor fünf Jahren noch vom 125jährigen Vater geschloffenen Ehe. Von 100 bis 110 Jahren giebt es Viele in der Gegend, unter Anderen auch Einer, der volle 7 Werft von KleinKaraklis nach Gumri täglich geht. In Groß-Karaklis ist ein 115 Jahr alter Armenier, der noch Handel treibt und 2—3 Pud auf seinen Gebirgsreisen trägt. Es waltet hier kein Irrthum in der Jahresrechnung ob, da sie alle katholische Chriften find." Wahrscheinlich ist hiermit gemeint, daß sie als solche regelmäßige Kirchenbücher halten, in welche die Geburten 2c. eingetragen werden.

Von Gumri begab sich Herr Kolenati durch die transkaukasischen Steppen nach der 8 Werft von Elisabethpol gelegenen württembergischen Kolonie Helenendorf, wo er eine deutsche Köchin annahm“ und sich für den Winter einrichtete. Er verbrachte denselben mit Jagden, Streifzügen und Exkursionen nach allen Richtungen, auf welchen er zahlreiche Exemplare von Pflanzen, Thieren, Vögeln, Reptilien, Konchylien und Insekten sammelte; ein Material, deffen Bearbeitung, wie er sagt, ihn vom Jahre 1845 bis zum Jahre 1857 beschäftigt hat und welches 68 größere und kleinere Abhandlungen, darunter 16 felbftändige Werke und 14 noch ungedruckte Manuskripte, füllt. Von den Personalien, die Herr Kolenati in seine Erzählungen einzuflechten beliebt, möge nachstehende Liste der ihm während seines Aufenthaltes in Helenendorf gemachten oder von ihm erwiederten Besuche zur Probe dienen:,,Am 26. November erhielt ich einen Gegenbesuch vom Elisa= bethpoler Kreishauptmann; den 28. November und 18. Dezember waren Mittagstafeln bei demselben; den 3. Dezember besuchte mich der Herr Kreishauptmann, der Postmeister und Dr. med. Weftphal ans Gandscha, die freien Abende brachte Herr Paftor Noth entweder bei mir oder ich bei ihm zu; den 2. Februar bewirthete ich den Herrn Kreishauptmann, den Kreisarzt und Postmeister; den 1. März wurde das Bad Sournabad besucht; den 31. März waren wir zum Schulzen Zechiel geladen; den 4. April speisten wir beim Kolonisten Zeiser; den 9. April und 5. Februar mußte ich Hochzeiten beiwohnen" zc. Troß dieser überhäuften Beschäftigungen fand der Reisende noch Zeit, die tatarische Umgangssprache zu erlernen, von der er zum Besten feiner Lefer eine kurzgefaßte Grammatik mit deutsch tatarischen Leseübungen mittheilt.

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Nach diesem hors d'oeuvre fommen wir wieder zu einer geognostischen Exkursion durch die Umgebungen Helenendorfs, einem Ausfluge nach den hocharmenischen Blutegelseen, den Fischereien von Salijan, den deutschen Koloniken Annenfeld und Katherinenfeld, zwischen welchen fich Abschnitte über die Sitten und Gebräuche der Tataren, über ihre Hausthiere, über die Schakals und Cifaden, über die Weinkultur und Bienenzucht Transkaukasiens, den Fischfang und die Zubereitung des Kaviar finden. Ein tatarisches Gastmahl wird folgendermaßen beschrie ben:,,Wenn man bei einem Nomaden zu Gaste ist, so schickt er einen oder zwei seiner Söhne oder Diener zu Pferde weg, mit dem Auftrage, ein Schaf zu holen, aber jedenfalls früher, ehe sie es von seiner Heerde nehmen, den Verfuch zu machen, es dem Nachbar von seiner Heerde zu stehlen. Ich speiste einmal bei Aha-Kischi-Bek, dessen Vater des Jsmail-Chan Bruder war und der sieben Jahre in Sibirien in der Verbannung zubrachte, weil er die Tataren zum Aufstande gegen die russische Regierung bringen wollte. Er war ein bildschöner Mann. Ich sah hier sieben Tataren-Edle bei ihm versammelt, von denen jeder zwei bis drei Dörfer beherrschte. Wir saßen in einem Kreise an Teppichen, die Lataren mit untergeschlagenen Beinen; mir wurde ein hohes Polster zum Size angetragen. Die Diener brachten: 1) Bosbasch, eine dicke schmackhafte Suppe aus Hammelfleisch und Grünzeug. Die Suppe war mittelst Ampher sauer gemacht. 2). Tschichrtma. (gekochtes Huhn mit Eiern und Effig), bazu Borani, eine Brühe aus gepreßten unreifen grünen Weintrauben. 3) Douha, faurer Schmetten mit Reis und Grünzeug zusammengekocht. 4) Keawar, Kapern, marinirt in Salz und Effig. 5) Kirs, eine Art Pirogge (Fleischpastete). 6) Badimdschan dol ma si, Gurken mit Hacher gefüllt. 7) Asch plow, die schon bekannte Reisspeise mit Fasanen, Hammelfleisch und Pistaziennüssen. Der Asch plow wurde an einer flachen Metallplatte, Lengerü, ausgestürzt und mit einer Metallglocke, welche äußerlich mit Figuren und arabischen Inschriften verziert war und Sarpusch genannt wurde, bedeckt. Ein Jeder erfaßte ein Stück Fleisch, umhüllte und knetete es mit Reis und schob es mit der Hand durch Vorstrecken der Unterlippe in den Mund. Wollte er sich die Hände reinigen, so hob er sie, und der hinter ihm stehende Diener wischte die Hand mit einem weißen Tuche ab. Wollte er den Mund abgewischt haben, so drehte er den Kopf etwas zur Seite und der Diener wischte ihm den Mund. Diesmal war der Plow mit Büffelbutter geschmolzen. 8) Tschurek, das ungesäuerte gewöhnliche asiatische Brod. Davon bekam Jeder einen Fladen vor sich, welcher als Schüffel, Serviette und Zubiß diente. Hierauf kam der bekannte Nargilleh oder Kalian mit strahlenförmig auslaufenden elastischen Röhren, und es wurde Taback geraucht, dabei schwarzer Kaffee in sehr kleinen Schalen gereicht. Als Getränk war blos Zuckerwasser da. Was mir am meisten auffiel, war, daß fast alle Gäste nach dem Mahle aufzustoßen begannen und durch den Mund und die Kehle förmlich detonirten; noch auffallender war es und ging in's Lächerliche, daß jedesmal der Hausherr sich verneigte. Dies ist bei ihnen so Sitte; es bedeutet den eklatantesten Dank, daß man sich bis an die Kehle satt gegessen hat, und darum dankt auch jedesmal der Hausherr für das Kompliment." (Fortsetzung folgt.)

Afrika.

Afrikanische Reisen.

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Barth kam bei seiner Weiterreise an zwei merkwürdige Seen, der eine, ein Natronfee mit dunkelem, meergrünem, der andere mit tief. blauem, füßem Gewäffer. Nachdem er in Sinder, der Hauptstadt des westlichen Bornu, Einkäufe von Baumwolle und Seide gemacht und vielen Kranken Rezepte verschrieben, sezte er seinen Zug fort und be trat das Gebiet von Sokoto. Der Fürst desselben äußerte gegen Barth sein Bedauern über das Schicksal Clapperton's und gewährte ihm bereitwillig den Durchzug nach Timbuktu. Ein Paar reichaus gelegte Pistolen gewannen ihm des Häuptlinges Herz. Zu Sokoto besuchte er das Haus, worin Clapperton gestorben war. Von hier reiste er durch ein Thal, das ein ununterbrochenes Reisfeld bildet, nach Say am Niger. Ein gewiffer Grad von Gewerbefleiß und die Eigenthümlichkeiten des häuslichen Lebens machten auf den Reisenden einen freundlichen Eindruck. Auf dem Markte ist Alles theuer, namentlich Butter, die faum zu bekommen ist. Alles wird in Muscheln bezahlt. Für den englischen, wie für den europäischen Handel im Allgemeinen, ist Say in diesem ganzen Flußgebiet der wichtigste Plas, wenn es gelingt, die Stromschnelle oberhalb Rabba, und namentlich zwischen Buha und Jaúri, zu überwinden und das schöne, offene Gewäffer, die große Fahrstraße des westlichen Mittel-Afrika, zu erreichen. Der Lauschverkehr der Eingeborenen längs dem Fluffe ist nicht unbeträcht

lich, obgleich auch dieser Handelszweig unter den Aufständen der anliegenden Provinzen natürlich sehr gelitten hat, so daß gegenwär. tig die Kähne nicht über Kiro Taschi, einen bedeutenden Ort am westlichen Flußufer, hinausgehen.

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In dem Jagha-Gebiete bemerkte der Reisende die kunsilofen Schmelzöfen die glühende Holzasche wird auf das Erz gelegt, bis das Metall zu Fluffe kommt; das Metall zu Flusse kommt; - in den niedlichen Hütten hängen die Stöcke zum Weben von den Balken herab; es werden lederne Schreibe mappen und Körbe zum häuslichen Gebrauch verfertigt.

In dem Songha-Gebiete, das er dann betritt, trifft er mit einem Araber zusammen, unter deffen Schuß er sich zur Reise nach Timbuktu rüstet. Auf Anrathen seines neuen Reisegefährten giebt er sich für einen Scherif aus, der aus dem Osten Bücher für den Scheith bringt, eine List, welche die Spißen von 150 gegen ihn gehobenen Lanzen zu Boden senkt, ihn jedoch nöthigt, auf die Häupter der eben nicht sehr reinlichen Lanzenträger seine segnenden Hände zu legen. Durch Geschenke an Packnadeln gewinnt er die Gunst der Eingeborenen; er macht Fortschritte in der Songha-Sprache. Um dem Verdacht, den sein verrätherischer Gefährte erweckt hatte, zu entgehen, wiederholte er häufig das Einleitungsgebet des Koran. Im September 1853 betrat er Timbuktu. Den Tag nach seiner Ankunft erfuhr er, daß Hammadi, der Rival des Scheikh, unter den Fubbe (den eingeborenen Bürgern) die Kunde verbreitet habe, der Fremde sei Christ, und daß sie den Entschluß gefaßt, ihn umzubringen. Er durfte sich nicht aus seiner Wohnung rühren. Um nun den übeln Folgen des Mangels an Bewegung möglichst vorzubeugen, die frische Luft zu genießen und um zugleich die Hauptzüge von dem Stadtbilde in fich aufzunehmen, bestieg er, so oft er nur konnte, das Plattdach. Hier hatte er einen herrlichen Ueberblick der nördlichen Stadtviertel. Die massive Moschee von Saukore, die soeben, unter dem Betrieb des Scheikhs von Bekay, in ihrer vollen früheren Größe wieder hergestellt worden, gab dem Ganzen einen imposanten Charakter. Aber weder die Moschee Sidi Jahia, noch die große Moschee" Jindschere-ber waren von diesem Standpunkte sichtbar; dagegen dehnte sich die Aussicht nach Often über die weite Wüste und füdlich über die hochliegenden Landhäuser der Ghadamsije - Kaufleute. Der Baustil ift mannigfach. Neben niedrigen und unscheinbaren Lehmhäusern, erhoben sich andere bis zu zwei Stockwerken, ja manche nahmen einen Anlauf zu architektonischen Verzierungen; hin und wieder zeigten sich auch runde Hütten von Flechtwerk. Von dem Verkehr in den Straßen konnte er, bei der Enge derselben, mit seinem Blicke nur wenig erfassen. Seine Haft gab ihm hinreichende Muße, einen Abriß der Stadt zu entwerfen und sich von der Ungenauigkeit der Zeichnung, die Caillié davon gegeben hatte, zu überzeugen; denn diese bringt den Beschauer auf den Gedanken, daß die Stadt aus zerstreuten und abgesonderten Häusern bestehe, während doch die Wohnungen der geschlossenen Straßen in ununterbrochenen Reihen fortlaufen.

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Die Stadt liegt unter 17° 37' N. Br. und 3° 5' westlich von Greenwich und hat eine feste Bevölkerung von 10,000 Einwohnern. Nur wenige Fuß über dem Normalwasserstand des Flusses und etwe sechs Meilen von dessen Hauptarm gelegen, bildet sie gegenwärtig ein Dreieck, dessen Basis die gleiche Richtung mit dem Fluffe nimmt, während die Epiße nach Norden ausläuft; in der Mitte ragt die Moschee Saukore. Auf dem Gipfelpunkte ihrer Macht erstreckte fich die Stadt noch 1000 Yard weiter nach Norden, so daß sie das Grab Faki Mahmud's in sich schloß, das damals in ihrer Mitte lag. Der gegenwärtige Umfang mag auf 21 oder, die vorspringenden Winkel hinzugerechnet, auf drei (engl.) Meilen angeschlagen werden. Trog ihrer unbedeutenden Größe darf sie, im Vergleich zu den kümmerlichen Negerwohnplägen im Allgemeinen, sich immerhin eine Stadt, Medina nennen. Gegenwärtig ist sie offen. Ihre früheren Mauern, die eben von keiner beträchtlichen Größe gewesen zu sein scheinen, wurden von den Fulbe, bei ihrem ersten Einzug in die Stadt Anfangs 1826, niedergeriffen. Die Straßen, bald rechtwinkelig, bald geschlängelt einander durchschneidend, sind ungepflastert, aber größtens theils von festgetretenem Sande oder Kies geebnet, und einige haben in der Mitte eine Art Rinnftein. Außer dem großen und kleinen Markt giebt es wenig offene Pläße, und nur vor der Moschee Jahia befindet sich ein kleines freies Viereck, Tumbutu-Bottema genannt. Klein wie die Stadt ist, ist sie doch ziemlich bevölkert, und die Häuser sind fast alle in baulichem Stande. Man zählt etwa 980 Lehmhäuser und einige hundert kegelförmige Geflechthütten, welche leßtere die Stadt in Norden und in Nordosten umfäumen.

Die Ankunft des Scheikh el Belay in der Stadt flößte dem Reisenden höheres Vertrauen ein, obgleich der obengenannte Häuptling noch immer auf seinen Tod sann. Aus einer Unterredung mit El Bekap ergab sich, daß Major Laing, nachdem er von den Tuwarek ausgeplündert worden, ein Gast bei dem Vater des Scheith gewesen. Von den Papieren des unglücklichen Reisenden war, soweit er sich Gewißheit verschaffen konnte, keine Spur vorhanden. Es wurden allerlei

Versuche gemacht, den Reifenden zum Jelam zu belehren, im De zember aber kam die Nachricht, daß Berabisch, der Mörder Laing's, plöglich gestorben fei, was auf das Volk einen tiefen Eindruck machte, den El Bekay zu Gunsten des Christen zu steigern suchte,

Das Fest der Geburt Muhammed's brachte einen großen Zufluß von Fremden in die Stadt, unter Anderen den Häuptling Awab, der, in Begleitung seines Mallem, dem Reifenden einen langen Besuch machte und ihm von Mungo Park, der vor funfzig Jahren in einem großen Kahn den Fluß herabgekommen, sowie über die wiederholten Angriffe der Tuwarek auf den unerschrockenen Reisenden, manche intereffante Einzelheit mittheilte und das außerordentliche Aufsehen, das die geheimnißvolle Erscheinung des Fremden in seinem einsamen Boote unter den anwohnenden Stämmen, hervorgerufen hatte; nur bestätigte.

richteten Zelte weilte. Ich wollte mich entfernen, Belay aber bat mich, zu bleiben. Allein erzürnt über die beleidigende Sprache des Zoghos ran, verließ ich rasch das Zelt, obgleich feine Schmähungen weniger den Engländern oder irgend einer anderen europäischen Nation, als unmittelbar den Franzosen oder vielmehr den Franzosen und den zwieschlächtigen Handelsleuten am Senegal galten. Er sprach mit tieffter Verachtung von den Chriften: sie hockten wie die Weiber in ihren Dampfern und thäten nichts, als rohe Eier effen; die gößendienerischen Bambara wären viel besser und weiter in der Bildung, als die Christen. Die seltsame Vorstellung, daß die Europäer auf rohe Eierdie ekelhafteste Koft für einen muhammedanischen Gaumen — so happig sind, wie schon Mungo Park erfahren hatte, ist durch das ganze Negerland verbreitet und läßt sich theilweise aus der großen Vorliebe der Franzosen für gesottene Eier erklären.'

Wohin er in westlicher Richtung kam, waren die Leute vor dem Anmarsch der Franzosen in Angst und der Häuptling schrieb Leßteren einen Brief, worin er ihnen das Vordringen in das Binnenland untersagte.

Die antiquarische Notiz mag hier noch Plaß finden, daß, nach Barth, die ganze Geschichte Songhay's auf Aegypten hinweise; die Züge der Nasamonen,) wenn sie richtig gezeichnet sind, neigen dahin. Es sei demnach leicht begreiflich, wie Herodot, auf die Kunde hin, daß ein großer Strom unter beinahe 18 Grad nördlicher Breite oftwärts fließe, auf den Einfall kommen konnte, es sei das der Obers Nil. Auch in späteren Zeiten, seit dem elften Jahrhundert, finden wir ägyptische Kaufleute in der Stadt Biru oder, Walato, neben Ghada

Von dem guten El Bekay giebt der Reisende folgendes Bild: Einen Theil des Tages las und rezitirte der Scheikh seinen Schülern Kapitel aus der Hadith des Bokhari, während sein Sohn seine Lection aus dem Koran laut wiederholte. Abends, bis spät in die Nacht, san gen die Schüler mit lieblicher Stimme einige Surat (Kapitel) aus dem heiligen Buche. Nichts ging mir über die bezaubernde Wirkung, wenn ich in der freien, öden Landschaft, im Kreise um das Abendfeuer, diese schönen Verse von wohltönenden Stimmen fingen hörte, die, durch kein Geräusch gestört, von den Abhängen der Sanddünen gegenüber sanft wiederklangen. Ein Christ muß Zeuge solcher Scenen gewesen sein, um Moslemin und Islam gerecht zu beurtheilen. Vergessen wir nicht, daß ohne den Streit um Bilderverehrung und um den dümmsten Aberglauben, der im siebenten Jahrhundert die christliche Kirche zer- ́mes und Tafilet; der Haupthandel von Gagha und Kukia nahm seine riß, die Gründung eines neuen Glaubens auf den Schwellen des Monotheismus und im offenen feindlichen Gegensaß zum Christenthum unmöglich gewesen wäre. Bringen wir auch das in Anschlag, daß die widerwärtigsten Züge in der Moral der Muhammedaner von den Mongolenstämmen aus Mittel-Afien hineingetragen worden und einen unberechtigten Abscheu gegen den Stifter der Religion hervorgerufen haben."

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Den höchsten Wasserstand erreicht der Niger bei Timbuktu im Januar eine Abnormität, die Barth dem geringen Fall und den langen Windungen des Flusses zuschreibt. Die einzigen Handwerker der Stadt find Hufschmiede und Lederarbeiter. Für Gold, Salz und Kola-Nüsse sind große Niederlagen. Alle Messerschmiedewaaren sind aus englischen Fabriken. Alle Kattune tragen ebenfalls die Etikette einer Manchester-Firma in arabischen Buchstaben. Die Handelsausfichten in Betreff Europa's namentlich faßt der Reisende in folgender Betrachtung zusammen:

,,Die Schwierigkeiten, die ein Plaz, wie Timbuktu, dem freien Handelsverkehr mit den Europäern darbietet, sind sehr groß. Abgesehen von der Lage der Stadt am Saum der Wüste, an der Gränze so mannigfaltiger Stämme, die bei der gegenwärtigen Verkommenheit der heimischen Königreiche eine kräftige Regierung sehr schwierig, wo nicht unmöglich macht - ist ihre Entfernung von der Westküste, wie von der Mündung des Niger, allzubeträchtlich. Andererseits aber hat ihre Lage an der nördlichen Krümmung des majestätischen Fluffes, der in einer gewaltigen Windung die ganze südliche Hälfte Nordmittel Afrika's umfaßt und dichtbevölkerte, üppig fruchtbare Landstriche umschließt, eine zu große Wichtigkeit, um es nicht höchft wünschenswerth zu machen, fie dem europäischen Handel zu öffnen, da überdies der Fluß selbst den bequemsten Weg dazu bahnt. Denn, obgleich die Stadt Algerien einer, und dem Senegalgebiet andererseits näher liegt, so ist sie doch von dem Ersteren durch einen furchtbaren Wüsten strich und von Legterem durch einen zum Theil nicht unbedeutenden Höhenzug getrennt. Ferner haben wir hier eine Volksfamilie, die lange vor der französischen Eroberung Algeriens, ihre freundliche Gesinnung gegen die Engländer kundgab, und im Augenblick ist das angesehenfte Glied dieser Familie eifrig darauf bedacht, mit den Engländern in freien Verkehr zu treten. Und selbst bei dem glücklichsten Fortgang der französischen Politik in Afrika wird ihr die Eroberung dieser Gegend nimmer gelingen. Faßt nun andererseits eine verständige Regierung festen Fuß, kommt ein kräftiger Lenker an's Steuer, der sich von den Fulbe der Hamadi-Allahi, den geschworenen Feinden alles Verkehrs mit den Europäern überhaupt, unabhängig zu machen weiß, so dürfte sich dem europäischen Handel ein unermeßlicher Spielraum aufthun und auch diesem Gliede unseres Erdkörpers der gesunde Blutumlauf zugeführt werden.“

Nach einem Aufenthalt von sieben Monaten mußte endlich der Reisende, den überwiegenden Ränken seiner Feinde weichend, die Stadt verlaffen. Die Nachricht von einem Siege der Franzosen und der Verdacht, der Fremde stehe mit ihnen in Verbindung, fteigerten die Gehäffigkeit gegen ihn. Von der herrschenden Meinung der Afritaner über Christen erzählt Barth folgenden Zug:

"Ein Zoghoran, Kriegsgefährte Férreji's, brachte einen Rapport, während ich mit den drei Brüdern in dem für Sidi Muhammed er.

Richtung nach Aegypten, und der große Suk Stapelplat — des Tademekka-Stammes, an 100 Meilen von Burrum, ist augenscheinlich zu demselben Zwecke gegründet worden.

Noch einen Ausflug machte der Reisende nach Gogo und verließ dann mit seinem ftandhaften Freunde El Bekay das Songhay-Gebiet. Am Ausgang des Waldes von Bundi begegnete er dem Dr. Vogel mit den beiden englischen Korporalen. Zu Kukawa, Anfange 1855, verglichen die beiden Reisenden ihre Aufzeichnungen und Pläne. Mit der Beschreibung der Rückreise nach Tripoli ist der Rest des Werkes ausgefüllt.

Griechenland.

Die Times und die Jonischen Inseln.

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Die Sendung des Herrn Gladstone nach den Jonischen Inseln, mag der eigentliche Grund und der wahre Zweck dieser Sendung selbst sein, welcher er wolle, giebt der Times von neuem die Gelegenheit, um die Jonier sich wieder einmal zu bekümmern, aber nicht etwa im Intereffe dieser selbst und im Intereffe der Wahrheit und Gerechtig keit, sondern nur in einer Art und Weise, welche die konsequente Folge der falschen, ebenso ungerechten als unklugen Politik der englischen Regierung gegen die Jonischen Inseln ist, welche die Times vertritt. Schon vor Jahr und Tag erging sich die lettere bei irgend einer Gelegenheit in den verleßendsten und erniedrigendsten Ausfällen gegen die Jonier, und wenn schon diese Ausfälle von verschiedenen Seiten her die gebührende Abfertigung und eine verdiente Zurechtweisung erfuhren, hat doch seitdem die Times - nichts gelernt, am wenigsten hat sie ihr Unrecht und die Ungerechtigkeit jener Politik eingesehen, der sie das Wort redet. Sie kommt vielmehr auf ihr altes Thema in der alten abgedroschenen Weise zurück und erhebt die nämlichen Anklagen und Beschwerden gegen die Jonier. In erster Reihe steht da natürlich die Behauptung, daß diese für liberale Juftitutionen nicht gemacht seien und daß sie ihre conftitutionellen Einrichtungen gemißbraucht" hätten. Da muß man nun freilich vor Allem die Times fragen, wo die liberalen und conftitutionellen Institutionen der Jonier sein sollen, und ebenso mag man sie daran erinnern, wie einst die Jonische Constitution selbst zu Stande gekommen, und wie der damalige Lord-Oberkommissär Maitland diejenigen drei Jonier, welche gegen diese Constitution gestimmt hatten, behandelte und charakterisirte, nämlich — als „alberne und verdorbene" Menschen.

Seitdem das englische Protektorat über die Jonischen Inseln besteht, ist die gesammte Gewalt in unbeschränkter Weise in den Händen der Oberkommissäre gewesen, und diese haben ihre Gewalt, mit wenigen Ausnahmen, in unbeschränkter Weise benußt. Sie achteten oft nicht einmal die Unabhängigkeit der Civilgerichte. Die Preßfreiheit auf den Jonischen Inseln ist mindestens in Einer Beziehung eine grausame Fronie. Kann man auch dort drucken laffen, was man will, so hat doch auch die hohe Polizei das Recht, oder vielmehr sie ninkit sich das Recht, lebenslängliche Kerkerftrafe für Preßvergehen zu verhängen, ohne irgend Gründe dafür angeben zu müssen.

*) Ein alter nomadischer Stamm in Afrika, südwestlich von Kyrenaika, von Flaccus unter Domitian (80 n. Chr.) überwunden.

Demnächst werden die Jonischen Griechen sammt und fonders als eine Art zusammengelaufenes Gesindel von der Times charakterisirt und behandelt. Ob die Times von der Ordnungsliebe, Arbeitsamkeit, Sparsamkeit und Mäßigkeit, die auch die Jonier auszeichnen, nichts weiß, mag das englische Blatt sich selbst beantworten; aber es sollte wenigstens nicht so absprechend und wegwerfend urtheilen, und besonders sollte es die Jonier nicht mit der im Oriente verachteten Klasse der Malteser in eine Rubrik ftellen. Wenn die Jonier unter dem englischen Protek. torate in der moralischen, geistigen und politischen Bildung wirklich Fortschritte gemacht haben, so ist das in der That nicht das Verdienst der englischen Regierung und der Verwaltung der Lord-Oberkommisfäre der Jonischen Inseln.

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Während das englische Volk in der Anwendung und Ausübung seiner freien Inftitutionen eine seltene Geschicklichkeit besißt, hat man auf den Jonischen Inseln, statt für das Gesammtwohl aller Bewohner in gleicher Weise wahrhaft und ernstlich zu sorgen, in geistiger Hinsicht vielmehr alles Mögliche 'gethan, sie absichtlich niederzuhalten. Gegen einen jeden Versuch zur Organisation des öffentlichen Unterrichtes auf den Jonischen Inseln legte die aufgeklärte und freifinnige Regierung Großbritanniens fortwährend ein entschiedenes Veto ein, und wenn in den zwanziger Jahren die ses Jahrhunderts durch die raftlosen Bemühungen Lord Guilford's eine Universität in Korfu errichtet ward, so ist doch auf diesem Grunde nicht weiter fortgebaut worden; man hat im Gegentheile nach Guilford's Tode Alles wieder eingehen laffen, was durch ihn und unter feinem Schuße in jener Beziehung gefchehen war. Die Univerfität in Korfu besteht gegenwärtig fast nur dem Namen nach, und mit dem Elementar-Unterrichte auf den Jonischen Inseln sieht es noch traurig genug aus. Für die systematische Gleichgültigkeit der engli» schen Regierung in Ansehung der National-Erziehung des Volkes der Jonischen Inseln spricht deutlich genug der Umstand, daß sie sich der Einführung der griechischen Sprache auf den Jonischen Inseln, als der offiziellen, bis zum Jahre 1849 mit aller Entschiedenheit widerfeßte, und daß diese Einführung damals erst nach tausend Schwierigkeiten durchgesezt wurde. Allerdings hat man auf den Jonischen In feln unter der Herrschaft Großbritanniens für die materiellen Intereffen des Landes und des Volkes in manchen Beziehungen aufrichtig Sorge getragen, und man hat z. B. gar herrliche Straßen daselbst gebaut; aber jedenfalls haben die Jonier noch auf etwas mehr, als nur auf die materielle Wohlfahrt, einige Ansprüche. Wie die englische Regierung über die politischen und nationalen Intereffen, wie sie über die Unabhängigkeits- und Selbständigkeits-Bestrebungen der Jonier denkt, die man ihnen unter den vorliegenden Umständen am wenigsten verdenken und nicht zum Verbrechen anrechnen kann, das weiß ein Jeder, der des Verkaufs von Parga an den Todfeind der Griechen, Ali Pascha von Janina, und des Verfahrens von Maitland fich erinnert, der während des griechischen Freiheitskampfes die Sympathieen der Jonischen Griechen für die wider die türkische Tyrannei aufgestandenen Griechen mit den schreiendsten Gewaltthätigkeiten beftrafte, aber dabei ohne alle Konsequenz und ohne Beobachtung der aus gesprochenen Neutralität die Häfen der Jonischen Inseln der türkischen Flotte öffnete, als diese vor den Schiffen des Miaulis floh, und sogar die Griechen verhindern wollte, das Jonische Meer zu befahren!

Man müßte die Geschichte ändern können und wollen, wenn man der englischen Regierung in ihrem Verhältniße zu den Joniern und in Ansehung der Beschwerden der Leßteren gégén jene Recht geben, und die Politik Englands gegen die Jonischen Inseln als gerecht betrachten, dagegen die Beschwerden der Jonier unbedingt als unbegründet ansehen wollte. Der ehrenwerthe Herr Gladstone, wenn er ebenso gerecht und unparteiisch, als klassisch gebildet und kenntnißreich ist, wird sich durch Nichts, weder durch Vorurtheil noch durch Abneigung und Haß, irre machen lassen, die Wahrheit an Ort ́und Stelle felbft zu erkennen, damit unter dem Einfluffe eines an und für sich unnatürlichen Verhältnisses nicht noch länger die natürlichen Rechte und nationalen Ansprüche der Jonischen Griechen zu ihrem Nachtheile und zur Schande Englands ihnen vorenthalten werden. Remota justitia quid sunt regna nisi magna latrocinia.

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vorstellend; von allerlei symbolischen Thieren, namentlich einem Hirsche, mehreren Pfauen u. f. w. umringt, giebt uns einen Begriff von jener wahrhaft alt-fränkischen Kunst, die dieses Handbuch des großen Kaisers ausschmückte. Eine Reise, die der gelehrte Verfasser im verfloffenen Sommerhalbjahre unter den Aufpizien Sr. Majestät des Königs nach England, Frankreich und Piemont zum Behufe archäologischer und liturgischer Studien unternahm, bot ihm Gelegenheit, den liturgischen Urkunden der griechischen und lateinischen Kirche, namentlich ihren Kalendarien und Lectionarien, nachzuforschen. Unter diesen Urkunden nimmt das Kalendarium, das mit der dazu gehörigen Ostertafel aus der Pariser Handschrift zum erstenmal abgedruckt vor. liegt, die erste Stelle ein. Es befindet sich am Schluß der berühmten Evangelien-Handschrift, welche im Jahre 781 auf Befehl Karl's des Großen von Godeschalk angefertigt worden ist.

An die Erläuterung der Oftertafel aus der Handschrift Karl's de Großen schließt der Verfaffer eine Abhandlung über die lateinischen Ostertafeln an, für welche aus späterer Zeit bis zum Ausgange des Mittelalters sieben Handschriften in den Bibliotheken zu Berlin, Lon don und Orford benußt worden sind. Den Beschluß macht eine Ge schichte der griechischen Oftertafeln seit dem Nicäischen Konzil im Jahre 325 n. Chr. bis auf die Gegenwart. Das Material dazu ift aus neunundzwanzig Handschriften zur Oxford, Paris, Turin, Hamburg, Wien, Rom, Venedig und anderen Orten entnommen. darien und Oftertafeln sind eine wichtige Quelle für die Geschichte des Kultus, ja für die Geschichte überhaupt. So ist z. B. nur durch einen Kalender die Künde von Karl's des Großen Geburtstag auf uns gekommen. Dabei gewähren die Oster-Cyklen, die erst vor kurzem von Böckh und Tycho Mommsen in ihrer Wichtigkeit für den metonischen und andere Cyklen alter Aftronomen erkannt worden sind, eine chronologische Zurechtweisung über das Alter der Handschriften, in denen sie sich finden, was namentlich bei griechischen Bibelhandschriften in Bezug auf Kritik u. s. w. von Wichtigkeit ist. Die Art und Weise, wie die darin aufgenommenen Heiligennamen abweichen, wie sich diese Verzeichnisse erweitern, beschränken oder umgestalten, ist für die Kirchengeschichte nicht ohne Bedeutung, und lassen sich daraus manche innere Vorgänge erkennen. Das Kalendarium findet sich, wie gesagt, in einer kostbaren Handschrift, welche auf Befehl Karl's des Großen und seiner Gemahlin Hildegard geschrieben ist und gegenwärtig zu Paris im Louvre in dem neuerrichteten Musée des Souverains auf bewahrt wird. Die Handschrift, 11 Zoll hoch und 8 Zoll breit, it trefflich erhalten und besteht aus purpurgefärbten Pergamentblättern, worauf der Tert durchgängig in Gold, die Ueberschriften in Silber ausgeführt find. Sie wird ungenau ein „Gebetbuch“ Karl's des Großen genannt (heures de Charlemagne). Voran gehen sechs Miniaturbilder, welche jedes die ganze Folioseite einnehmen; erstens die vier Evangelisten mit den symbolischen Thieren, dann die Vorftellung des thronenden Chriftus, zulegt jener Brunnen unter einem Kuppeldach, der bereits erwähnt worden. Die Erläuterung dieses Werkes und der verwandten Erscheinungen ist von dem Verfasser mit umfangreicher Gelehrsamkeit und ungemeiner Genauigkeit geschehen, so daß das Buch für die betreffenden Wissenschaften von bleibendem Werthe sein wird.

Alfred v. Reumont. In Florenz ist soeben eine italiänische Ueberseßung von Reumont's,,Jugend der Katharina von Medici" erschienen.") Das Mailänder,, Crepuscolo" fagt mit Bezug darauf: Die Lebensgeschichte der berühmten Königin von Frankreich wurde bereits mehrfach bearbeitet, am vollständigsten und gründlichsten aber von Eugenio Alberi, der durch seine Forschungen beftrebt war, ihren Ruf von den Beschuldigungen zu reinigen, welche die Geschichte auf ihre Regierung gehäuft hat. Wenig Neues blieb daher zu ermitteln übrig in Bezug auf hinlänglich bekannte Personen und Dinge, und in der That bietet auch das jezt erschienene Buch sehr wenig Neues dar. Gleichwohl ist daffelbe anerkennenswerth wegen seiner historischen Kritik und nicht ohne Anziehungskraft der Darstellung, wenn es auch hier und da in den Details etwas zu breit ift. Der Verfaffer, der für ein mit den italiänischen Verhältnissen nicht bekanntes Publikum schreibt, hält sich gern bei einer ausführlichen Darlegung derselben auf und theilt dabei auch manches Nebensächliche mit. Die Erzählung geht nicht über das Jugendalter Katharina's hinaus und verläßt sie bei ihrer Besteigung des Thrones von Frank reich."

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No 150.

für die

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Literatur des Auslande s.

Süd-Amerika.

Berlin, Donnerstag den 16. Dezember.

Die Kezerbraut, von Don Vicente Fidel Lopez®). „Die Braut des Kezers", ein kühner Titel für den Roman eines Süd-Amerikaners! Wir sind sonst gewöhnt, jede Neigung zum Keßerthum seit Philipp II. in Spanien und im spanischen Amerika für erstickt zu halten. Versteigen sich ja selbst die berühmten spanischen Schriftsteller höchstens, und zwar noch selten, zur Stufe allgemeiner Menschlichkeit, niemals bis zur Vertheidigung des Protestantismus. Hier ist nun gar ein Keßer der Held des ganzen Werkes; gestehen wir es nur, daß wir dies nicht aus dem erzkatholischen Spanien erwartet hätten. Noch mehr: der Kezer ist nicht etwa zufälliger Held, sondern er ist es absichtlich als Bekämpfer der Inquisition in Peru; es ist also förmlich Tendenz des Süd-Amerikaners, den Keger auf Kosten dieser katholischen Institution mit einer Glorie zu umgeben. Wir brauchen wohl nicht erläuternd beizufügen, daß diese Verherrlichung nicht auf Kosten der katholischen Kirche geschieht, welche viel mehr auf das ehrwürdigste repräsentirt wird; allein es muß uns schon wundern, daß eine solche Tendenz einem Buche unterlegt wird, welches seiner Natur nach auf einen größeren katholischen Leserkreis berechnet ift; ja, das ursprünglich im Feuilleton einer Zeitung erschien, somit Jedermann in die Hände kam. Der Verfasser, der dies wagen durfte, mußte also wissen, daß fein Thema keine Widersacher, sondern wohl wollende Lefer finden werde, mit anderen Worten, daß seine Gefinnungen mehr oder weniger mit denen seines Publikums übereinstimmten. Dies ist nun auch wirklich der Fall. Der Süd-Amerikaner hat in Beziehung auf politische wie auf religiöse Aufklärung ungleich größere Fortschritte gemacht, als das Mutterland Spanien, insbesondere aber ist ihm das eigentliche Pfaffenthum und die Inquisition, unter der seine Väter so viel gelitten haben, verhaßt, England aber, als Quelle moderner Freiheit, ehrwürdig und theuer.

Es ist begreiflich, daß solche Gesinnungen unter den Gebildeteren noch eine geläutertere Färbung erhalten, und so ist es zu erklären, daß ein englischer, keßerischer Seeheld das Ideal eines spanischen Dichters werden konnte.

Was den Roman als solchen betrifft, so sucht er in dem Genre Walter Scott's füdamerikanische Geschichte und füdamerikanische Kulturzustände im Gewande der Novelle zu schildern. Daß er die Inquisition als Brennpunkt seiner Erzählung wählte, war ein glücklicher Gedanke, denn in der That gingen alle Strahlen des dortigen öffentlichen und privaten Lebens vor der Vernichtung jenes Instituts von seinem Schooße aus. In ihm war die Quelle der öffentlichen Händel wie der Privat-Intriguen zu suchen. Diese Inquisition nun wird in zwei Männern personifizirt, wovon der Eine durch seine Energie, seine Leidenschaften, seinen Verstand als das Ideal eines gewaltthätigen Inquisitors erscheint, während der Andere in seiner Pedanterie, seinem lächerlichen Dünkel neben großer Verschmißtheit eine geringere aber nicht minder gefährliche Sorte dieser Spezies darstellt. Ihnen gegenüber repräsentirt ein greiser, durchaus ehrwürdiger, wahrhaft chriftlicher Erzbischof die wahre katholische Kirche, welche selbst unter dem Drucke der Inquisition leidet. Ein gutmüthiger, ehrgeiziger, eitler Vizekönig, der den Intriguen der Inquifition nicht gewachsen ist, zeigt die leidende Stelle, welche die weltliche Macht damals zu spie len verdammt war. Der eigentliche Liebesroman spielt zwischen einem jungen, feurigen englischen Lord, einem Begleiter Franz Drake's auf deffen Piratenzügen, welcher Lesterer selbst handelnd in dem Roman auftritt, und einer höchst liebenswürdigen Spanierin, die der Engländer auf einer seiner Kreuzfahrten auf kurze Zeit als Gefangene mit sich führt, wobei sich zwischen Beiden das zärtlichste Liebesver hältniß entspinnt. Allein diese Spanierin hat einen Bräutigam, eine widrige, intrigante Schreiberseele, der aus Eifersucht und aus Habgier zugleich die Inquisition von jenen verdammenswerthen Beziehungen zu *), La novia del hereje, o la inquisicion de Lima" (Die Braut ses Kezers, oder die Inquifition zu Lima).

1858.

dem Keger in Kenntniß seßt und dadurch die Verhaftung Maria's und ihrer Dienerin herbeiführt. Während der erste Theil des Romans das Liebesverhältniß bis zu dieser Katastrophe behandelt, dreht sich der zweite um die Befreiung dieser beiden Schlachtopfer, welche endlich durch einen kühnen, von einem Erdbeben unterstüßten Handstreich des Engländers gelingt.

Außer den genannten Persönlichkeiten spielt hier noch der strenge Vater Maria's mit, ein am Hofe Philipp's II. und in den Intriguen des Perez ergrauter, ungemein schlauer Hidalgo; ferner ein scheinbar harmloser Apotheker, der aber ein Abkömmling der italiänischen Procida ist und, von der Inquisition verfolgt, sich hier in Lima, Allen unbekannt, niedergelaffen hat, ganz Lima vermöge seines Berufes und der Verderbniß, die sich bei ihm Hülfe erholt, am Zügel führt, dabei als Spion der Engländer Alles thut, wodurch er seinen Rachedurft an den Pfaffen sättigen kann; endlich die Eingeborene Mercedes, einem alten, vornehmen Indianergeschlechte entsproffen, ehedem die Geliebte des Inquisitors, jeßt die Kupplerin von Lima, ein Weib von großer Charakterstärke und eingewurzeltem Haffe gegen ihren früheren Verführer. Die Zeichnung dieser Charaktere ist durchweg gelungen, nur häufig zu sehr in's Detail gemalt, wodurch der Gang der Erzählung selbst manchmal schleppend wird; ebenso breit und weitschweifig find einzelne Schilderungen pfäffischer Anschauungen und Formen gehalten, die dadurch allerdings abgerundeter erscheinen, aber in rascher auf einander folgenden Zügen gegeben, anziehender geworden wären. Doch gewinnt das lebendige Vorwärtsschreiten der Geschichte wieder dadurch, daß der Verfasser sich weder mit langen Naturschilderungen - überhaupt nicht die Sache romanischen Gemüths — noch mit philosophischen Betrachtungen aufhält, sondern den ganzen Roman größtentheils in charakteristischen Dialogen abspinnt. Das bisher Gesagte läßt schon beurtheilen, daß dieses Buch wesentlich eine kulturhistorische Färbung hat. In der That lernen wir hierdurch nicht nur die Stellung und Macht der Geistlichkeit in Peru und Süd-Amerika überhaupt kennen, sondern auch die Beziehungen des See- und Binnenhandels, das Beamtenthum und seine Stellung zu Kirche und Handel, die öffentlichen Sitten in Lima, die Gebräuche innerhalb der Familien und die damalige eigenthümliche Stellung der Familienglieder zu einander, die Sitten, Gebräuche und Denkweise der niederen Volksklaffen, die Beziehungen der verschiedenen Raçen gegen einander, namentlich den Einfluß der unterdrückten eingeborenen Rage, die durch Hinterthüren wieder zu gewinnen trachtet, was sie öffentlich verloren.

Zu diesem Lebendigen Gemälde war der Verfaffer nicht nur durch einen längeren Aufenthalt in Lima befähigt, wo jene Züge noch nicht alle durch den Geist der Neuzeit verwischt sind, sondern er ergänzte auch das Fehlende durch fleißiges Studium der einschlagenden Chroniken und zeitgenössischen Schriftsteller, so daß der Leser die weitere Genugthuung hat mit Ausnahme der eigentlichen Liebesgeschichte — nur wirklich Geschehenes und Gewesenes vorgeführt zu erhalten, somit in der That mit der Lektüre des Romans eine Studie südamerikanischer Zustände zu machen. Schade nur, daß der Verfasser seinen ursprünglichen Plan, uns das Leben fämmtlicher südamerikanischen Staaten in den bedeutendsten Phafen ihrer Entwickelung in einem Cyklus von Romanen zu schildern, nicht ausgeführt hat. Hierdurch würde die Aufmerksamkeit, das Intereffe der gebildeten Welt in ungleich erhöhtem Maße nach diesen Ländern, die namentlich auch für den deutschen Handel und Gewerbefleiß von noch nicht gehörig gewürdigter Bedeutung find, hingelenkt worden sein. Die Verbindung zweier einander fern liegender Länder wird sehr häufig durch das, was sie auf die Stufe der allgemeinen Menschenbildung erhebt, durch ihre Dichtkunst und ihre Dichter, angebahnt und der schwere Ballaft der Civilisation folgt dann allmählich auf diesem Pfade nach. Allein dazu bedarf es mehr als eines vereinzelten Buches, das gewissermaßen nur eine erste Entdeckungsreise macht und zur ziellosen Fahrt des Abenteurers wird wenn nicht zum zweiten, dritten und öfteren Male Schiffe denselben Weg befahren und ihn so nach und nach zur Verkehrsstraße gestalten

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