Billeder på siden
PDF
ePub

groß genug, um vollkommen wahr und zur selben Zeit wirksam auf die große Maffe zu sein. Wir wüßten keinen Anderen, deffen Stücke, nachdem sie lange und im hohen Grade volksthümlich gewesen, sich so fähig erweisen, einen dauernden Plaß in der dramatischen Literatur zu behaupten, während es mehrere Stücke giebt, die auf der Bühne vollständig erfolglos gewesen, und mehrere andere, deren Verfaffer selbst nicht davon geträumt haben, fie auf die Bühne zu bringen, und die dennoch eine Stelle unter den englischen Musterwerken behaupten werden. Wir haben nicht nöthig, umständlicher über den Verfall des vorstellenden Drama's zu sprechen, und dürfen uns mit der Bemerkung begnügen, daß ein völlig ausreichender Grund, ohne auf andere Nebenursachen Rücksicht zu nehmen, in der großen Ausgleichung und Verwischung aller gesellschaftlichen Unterschiede zu suchen ist, die seit einer Reihe von Jahren eingeriffen ist und täglich vollständiger wird. ,,Es ist vielleicht das unvermeidliche Ergebniß fortschreitender Gefittung, daß sie die äußeren scharfen Ecken des besonderen Charakters bedeutend abstumpft und verschleift und somit das Drama eines seiner Hauptnahrungs- und Anzugsmittel beraubt. Böse Naturen und böse Leidenschaften find leider die Begleiterinnen jedes Zeitalters; aber darum stellen sie sich nicht immer gerade in dramatischer Form dar. Die Verbrechen und Jammergeschicke,,alter großer Häuser" berühren in unseren Tagen weder die Jahrbücher der Welt, noch die Leidenschaften des Einzelnen in besonderer Weise. Die Kriege haben ihren ritterlichen Charakter verloren; politische Verhandlungen sind nicht länger mehr Gewebe finsterer Ränke, die erst mit ihrem Gelingen oder Fehlschlagen zu Tage kommen, aber während ihrer Wirksam keit in undurchdringliche Finsterniß gehüllt waren. Die Gesellschaft ist nicht länger in Kasten gesondert oder durch äußere und sichtbare Zeichen der Größe oder der Erniedrigung geschieden. Unsere Gebräuche und Sitten sind gleichförmig und unmalerisch geworden. Ein Richter auf dem Stuhle ist nicht mehr ,,ehrfurchtswürdig;" ein Junker ist nicht mehr, oder höchstens in den Augen eines armen Wilddiebes,,,der kleine Tyrann seines Feldes;" wir machen uns getroft an einen Alderman, und sind ohne ehrfürchtige Verblüfftheit in der Gegenwart eines Mayors; Lords fahren in einer Droschke; die Kutsche mit sechs vlaemischen Roffen, ihren Läufern vor und ihren Lakaien` hinten, ist in unendliche Entfernung verschwunden. Ein Landstand kann der Sohn eines Geldmäklers sein; unsere Börsenmänner haben ihre flachen Kappen und glänzenden Schuhe abgelegt. Die Zehe des Bauers (wie Shakspeare sagt) kommt der Ferse des Höflings nahe. Selbst unsere Gasthäuser haben ihre gemalten Schilder abgelegt; wir schreiben unsere Tavernenheraldik, anstatt sie zu malen. Stadt und Land find ziemlich Eins. Unsere Standeslaunen und Abzeichen sind nahezu vernichtet, und das Drama ist, so weit es davon abhängt, seines täglichen Brødtes beraubt. Der Bühnendichter kann feinen Bobadil nicht mehr in irgend einer Wohnung in Lambeth finden oder seinen Friedensrichter Shallow in Glocestershire und den Fähnrich Pistol in Eastcheap suchen. Das,, Portrait eines Herrn oder einer Dame“ in der Ausstellung kann Vierfünftel unserer gleichartigen Generation vorstellen.

Mit dem Verschwinden dieser malerischen Unterschiede im Leben ist zum großen Theil der Geschmack des Volkes verschwunden, sie dramatisch dargestellt zu sehen, aber die feineren geistigen Elemente, welche den Mangel derselben in unserem geschriebenen Drama erfegen sollen und auch wohl erseßen, sind nicht darauf berechnet, auf der Bühne Wirkung zu machen. Ein Prämium für falschen Effekt wird unseren Dramatikern nicht länger geboten, und demgemäß bilden die Stücke, welche in den lezten Jahren geschrieben sind, einen sehr merkwürdigen und günstigen Kontrast mit einer gleichen Zahl Dramen, die im ersten Viertel dieses Jahrhunderts geschrieben sind, wo die Darstellungsfähigkeit als die Hauptsache bei einem Stücke betrachtet wurde."

[ocr errors]

Mannigfaltiges.

Wissenschaftliche Weihnachts-Literatur. Die Buchhandlung von Otto Spamer in Leipzig, bekannt wegen ihres geschmackvoll illustrirten Verlages von Jugendschriften, hat zur bevorstehenden Weihnachtszeit wiederum zwei Werke dieser Art ausgegeban, die ebenso wegen ihres reichen, belehrenden Inhalts, als wegen ihrer schönen Ausstattung, sehr zu empfehlen sind. Das eine dieser Bücher: ,,Hellas", von Dr. Wilhelm Wägner, beschäftigt sich mit dem für alle Zeiten mustergebenden, den jugendlichen Menschen zur Humanität heranbildenden Land und Volk der alten Griechen, deren Geschichte und geistiges Leben uns in diesem Buche bildlich und graphisch vorgeführt werden.) Nicht blos für die reifere Jugend, sondern auch, wie

*),,Hellas; das Land und Volk der alten Griechen." Bearbeitet für Freunde des klassischen Alterthumes, insbesondere für die deutsche Jugend, von

der Titel besagt, für alle Freunde des klassischen Alterthums ist dieses Buch ein geeignetes, willkommenes Angebinde, Landschaften, Scenerieen und Kostüme find ebenso, wie Architektur-Gegenstände, nac den bewährtesten Vorbildern gezeichnet und dargestellt, doch wundert es uns, daß der in dieser Beziehung sonst immer das Richtige treffende Verleger als Titelkupfer nicht das berühmte Bild Schinkel's: ,,Die Blüthe Griechenlands" (im verkleinerten Maßstab) gewählt hat. Das von Leutemann gezeichnete Bild: „Der Bau des Parthenon“, dünkt uns viel zu bunt und unharmonisch. Dagegen sind andere in den Text gedruckte Abbildungen und Illustrationen wahrhafte, kleine Meisterwerke zu nennen. Der Verfasser des Buches, ein bescheidener treu den klassischen Studien obliegender Jugendlehrer in Darmstadt, ist seiner Aufgabe in anerkennenswerther Weise nachgekommen. Da erste Band umfaßt in seinen sechs Abschnitten eine „Wanderung nac und in Hellas" (wobei auch der jeßigen Bewohner, der Neugriechen, gedacht wird), die,,Sagen der hellenischen Vorzeit", die Zeit de Staatenbildung", "Leben und Kultur", die Zeit der Blüthe" und die Zeit der höchften Blüthe“, von welcher legteren die Periode der Machtentfaltung, des Lebens und der Kultur von Athen den Abschluß bildet.

[ocr errors]
[ocr errors]

Das zweite Buch deffelben Verlages, mit ähnlicher Ausstattung, ist eine Bearbeitung von Livingstone's Reisen in Afrika,°) denen eine ebenfalls mit Jlluftrationen geschmückte Uebersicht der älteren und zeitgenossischen Reisen in Afrika, mit Einschluß derer von Barth, sowie eine graphische Beschreibung von Nord-, Mittel- und SüdAfrika, vorangeschickt ist. Demnächst folgen die Schilderungen von Livingstone's erster Reise zu den Betschuanen und dem Ngami-See, seiner zweiten und dritten Reise nach dem Norden, sowie endlich seiner beiden großen Reisen nach der West- und nach der Ostküste von Afrika. Die beigegebene Uebersichts-Karte vou Livingstone's Reisen umfaßt beinahe den ganzen Welttheil, von der Wüfte Sahara bis zum Vorgebirge der guten Hoffnung.

-

Seit

Friedrich Bülau's „Geheime Geschichten“. Jahresfrist find wiederum zwei Bände der in diesen Blättern bereits mehrfach erwäbnten, von Profeffor Friedrich Bülau herausgegebenen ,,Geheimen Geschichten und räthselhaften Menschen" erschienen. **) Es enthalten dieselben wiederum eine ganze Bildergalerie von CharakterKöpfen, meistens aus dem sechzehnten, siebzehnten und achzehnten Jahre hundert. Wir erwähnen davon, als dem Ausland angehörend, eine vra dem Herausgeber verfaßte Skizze: „ dem Herausgeber verfaßte Skizze:,,Aus dem Hause Medici", welche die Schicksale dieses florentinischen Geschlechtes von 1500—1630 umfaßt; ferner eine der Geschichte des dänischen Hofes entlehnte Darstellung: ,,Der gefährliche Ring".-,,Der zweite Herzog von Marlborough", ebenfalls von Friedrich Bülau, behandelt das Leben des englischen Generals, der im fiebenjährigen Kriege unter dem Herzog von Cumber land diente und dann die englischen Hülfstruppen bei der Armee des Prinzen Ferdinand von Braunschweig kommandirte. Er war von mütterlicher Seite ein Enkel des ersten Herzogs von Marlborough. – Die Biographieen der beiden Waadtländer Jean André Benel und seines Sohnes Henri Venel, von denen der Erfte ein Arzt und der Begründer des orthopädischen Heilverfahrens, der Zweite aber ein verdienter Pädagog war, sind von Eduard Köhler verfaßt. Von derselben Feder rühren auch zwei französische Frauenbilder her: die Herzogin von Chevreuse und Maria von Hautefort, nachmalige Herzogin von Schomberg, Beide nach größeren Originalgemälden von Victor Cousin biographisch skizzirt. Endlich ist in dem neunten Band der,, Geheimen Geschichten" auch noch eine ausführliche Charakterzeichnung unter dem Titel: „Die Signora von Monza“, nach den von T. Dandolo veröffentlichten Prozeßakten bearbeitet von Placidus Plattner. Es ist die Enthüllung eines schon in Manzónis „Verlobten“ eingewebten Schauergemäldes aus dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, dessen Heldin ein verbrecherisches Weid ist: Virginia Maria von Leyva, aus dem Geschlechte der Fürsten von Ascoli.

Dr. Wilhelm Wagner. Erster Band. Mit fünf Tenbildern, nach Originalzeichnungen von H. Leutemann u. A., fowie mit 150 in den Text gedrückten Abbildungen. Leipzig, Otto Spamer, 1859.

*), Livingstone, der Missionair." Erforschungsreisen im Inneren Afrika's. In Schilderungen der bekanntesten, älteren und neueren Reifen, insbesondere der großen Entdeckungen im südlichen Afrika, während der Jahre 1840-1856, 7 Condrucktafeln und einer Uebersichtskarte. Leipzig, Spamer, 1859. durch Dr. David Livingstone. Mit 92 in den Text gedruckten Abbildungen, **) Band VIII und IX. Leipzig, Breckhaus, 1857-1858.

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Brets jährli 3 Tblr. 19 @gt., dal bjährli§ 1 Thlr. 20 Sgr unb vierteljährlich 25 Sgr., wefür dis Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 148.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin be Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann', Rieberwallfir. Nr. 21), sowie von allen königl. Voft-Wemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Afrika.

Afrikanische Reisen.

Berlin, Sonnabend den 11. Dezember.

I. Heinrich Barth's Reisewerk, nach englischer

Beurtheilung.")

Nachdem kürzlich auch in England der vierte und fünfte Band des bekanntlich gleichzeitig in deutscher und in englischer Sprache erscheinenden großen Reisewerkes unseres Landsmannes ausgegeben worden, bringt das Londoner Athenaeum eine Kritik des Werkes, worin namentlich auf die wichtigen Entdeckungen Barth's in Bezug auf den Handel mit Central-Afrika hingewiesen wird. Wir glauben das Werk unseres Landsmannes nicht beffer ehren zu können, als indem wir einen Auszug aus dieser Kritik in unsere Spalten aufnehmen: ,,Dr. Barth enthüllt in seinem Werke dem Handel, dem englischen namentlich, der Länder-, Völker--und Naturkunde im ausgedehntesten Sinne und der Sitten- und Religionsgeschichte eine größtentheils noch unerforschte Welt. Seine Bildung stellt ihn in die erste Reihe wissenschaftlicher Länder-Entdecker. Von umfassendem und gründlichem Wissen, tief eingeweiht in Natur, Sprache, Sitte und Religion des afrikanischen oder arabischen Stammes durch eine vorangegangene dreijährige Reise unter dem Schatten der Palmbäume, auf der Kameele Höcker", in der Gesellschaft und dem Verkehr mit arabischen und tunesischen Sklaven gehörig vorbereitet ausgerüstet mit einer nimmer zu ermüdenden Geduld gegen die Hinterlist verrätherischer Diener, flößt er uns die lebhafteste, achtungsvollste Theilnahme ein, wenn wir sehen, wie er mit seinem Gefährten auf den langsamen Tagereisen immer weiter und weiter von der civilisirten Welt sich entfernt und, um der Menschheit willen, Mühen und Gefahren er trägt, die nur ein Reisender in Afrika kennt. Auf zusammengebundenen Flaschenkürbiffen schwimmen sie über Ströme; die von dem glühenden Dunst angeschwollenen Beine überstreichen sie mit Butterwehr. und schußlos gegen den empfindlichen Stich der Fliegen und Bremsen, gegen die unerträgliche Hige, in lästiger Haft bei den fanatischen Schwarzen unter Fieber und Todesfurcht in engen Hütten schmachtend: das sind die flüchtigen Züge dieses Schauergemäldes. Und als sich die Reisenden trennten, nach einem verabredeten Uebereinkommen, dem zu entsprechen den Einen der Tod hinderte, blieb dem Ueber lebenden nur die traurige Pflicht, das einsame Grab unter einem Feigenbaume aufzusuchen und es durch eine Dornenhecke vor wilden Thieren zu schüßen.

[ocr errors]

Das Reisegebiet umfaßt zwanzig Grad von Norden nach Süden in einem Zeitraum von sechs Jahren. In der ersten Hälfte diefer Zeit besuchte Barth die Gegend im Süden von Tripoli, die furchtbare Hammada, das Berberland Fezzan; durchstreifte den Salzdistrikt von Asben nach Agades, einer Stadt mit 7000 Einwohnern, die Korn handel treiben, und reiste von hier nach Kano, dem Manchester MittelAfrika's.

-

Neste römischer, christlicher, möglich auch karthaginensischer Zeiten begegneten dem Reisenden beim Beginn seines Zuges dann folgen Bruchstücke von Grabmälern, eine verfallene Burg, eine Kirche in Trümmern, und in der Wüste vor Murzuk ein unvollendetes, ein Stockwerk hohes Monument aus den Zeiten Augustus', dem Anschein nach der äußerste verlorene Posten der römischen Herrschaft.

Der Hauptzweck der Expedition war, mit den afrikanischen Häuptlingen Handelsverbindungen anzuknüpfen. Der Reisende erzählt uns nun die Ergebnisse seiner Unterhandlungen mit den Führern der Tuwarek, eines mächtigen Stammes, der von den die füdöftlichen und westlichen Straßen durchziehenden Karavanen Zoll erhebt. Das Miß lingen seiner Sendung schreibt Barth theils der Unzulänglichkeit seiner Mittel, theils einem Taktfehler zu. In dem Augenblick nämlich, wo die Häuptlinge auf dem Punkte standen, den Vertrag zu unterzeichnen, brachte er ein Schreiben der englischen Regierung zum Vorschein, *) Travels and Discoveries in North and Central Africa." By Henry Barth, Ph. D., D..C. L. Vols. IV and V. Longman & Co.

[ocr errors]

1858.

worin die Abschaffung des Sklavenhandels zur Bedingung gemacht wurde. Daran zerschlug sich die Unterhandlung.

Höchst interessant, aber auch gefühlempörend, sind die Thatsachen, die Barth über die Wirkungen des Sklavenhandels beibringt. Es fehlt bei den Einwohnern von Kano nicht an industrieller und ackerbaulicher Thätigkeit: fie weben und färben Baumwollenzeuge, schmelzen Eisen, verfertigen Salz, bewässern ihre Felder; allein überall zeigen sich die verheerenden Fußstapfen der Sklavenjagden. Ein afrikanischer Häuptling gleicht in der Regel den Ausfall in seinen Finanzen durch einen Einfall in Feindes, mitunter auch in Freundes Gebiet aus. Ganze Striche, die Barth bei seinem ersten Besuche blühend und bevölkert fand, waren zwei Jahre später, bei seiner zweiten Durchreise, in traurige Einöden verwandelt; auf den früher reichangebauten Feldern und von Heerden wimmelnden Weide-Angern, in den Stapelpläßen des Handels und Gewerbes keine Spur von thierischem und menschlichem Leben! Das Hauptargument, das der Wesier von Bornu zu Gunsten des Sklavenhandels geltend machte, war, daß er die Leute in den Stand seße, sich Flinten anzuschaffen. Als ihm nun vorgestellt wurde, daß Bornu ja andere Erzeugnisse befiße, um sie gegen Feuerwaffen auszutauschen, erklärte er: wenn Großbritannien sich anheischig mache, ihm tausend Flinten und vier Kanonen zu liefern, er sich gern verpflichten wolle, den Sklavenhandel in seinem Lande abzuschaffen. Der Reisende wich dem Vorschlage flug aus, indem er darauf hinwies, daß zuvor eine ununterbrochene Verbindungsstraße von Bornu nach Benuwe hergestellt werden müßte.

=

[ocr errors]

Der ursprüngliche Plan Barth's war, von Kano, dem Hauptstapelort für Manufakturen in Mittel-Afrika, nach Adamawa vorzudringen, um sich Gewißheit zu verschaffen, ob der Kwara, der östliche Nigerarm, mit dem Tsad See in Verbindung stehe. Allein der Mangel an Mitteln hielt ihn in jener Stadt zurück, seßte ihn aber dafür in den Stand, über Bevölkerung und Handel derselben inter effante Nachrichten zu sammeln. Er schlägt die Bewohnerzahl auf 30,000 an, wovon der sechste Theil aus Sklaven besteht; in der Geschäftszeit jedoch, d. h. in den Frühlingsmonaten, steigert der Zufluß der Fremden jene Zahl auf das Doppelte. Gewänder von seinem dunkelblauen Baumwollengewebe, Frauenröcke mit seidenen Borten von lichtblauem, rothschwarzem, weißschwarzem Ganz oder Halbseiden. zeuge, grüne und blaue seidene Hemden - die Afrikaner bezeichnen diese mit dem malerischen Namen: „Kinder des Marktes“ oder „, Perlhuhnhemden" — werden nördlich von Kano bis nach Murzuk und Tripoli, westlich nach Timbuktu, ja bis an die Küsten des Atlantischen Meeres verführt. Der Werth der jährlichen Ausfuhr diefer Manufakte nach Timbuktu allein beträgt etwa 60 Mill. Kurdi = 4000 Pfund Sterling, und die jährliche Gesammtproduction des Plases dürfte auf 300 Mill. Kurdi = 20,000 Pfund Sterling veranschlagt werden; eine ungeheure Summe in Anbetracht, daß in dieser Stadt eine ganze Familie von 4-5 Pfund Sterling das Jahr auskommlich leben kann. Die Provinz, in welcher die Stadt liegt, zählt eine halbe Million, theils Freigeborener, theils Sklaven. Der Gouverneur fann 10,000 Pferde in's Feld stellen. Die Staatseinkünfte fließen aus der Familiensteuer jede Familie zahlt jährlich 1 Dollar aus den Steuern auf Salz, Sklaven, Boden-Erzeugniffen, Färbekesseln, deren es 2000 in der Stadt giebt.

-

Auf seiner Reise durch die östlichen Gegenden bemerkte Barth wenig hausgeborene Sklaven. Da die Heiraten unter Sklaven nur geringe Aufmunterung finden, so sucht man den häuslichen Ausfall durch Menschendiebstahl zu decken. Zu seinem Erstaunen wurde der Reisende einmal von einem schnurbärtigen Neger romanisch angeredet; der Sklave, hatte früher in Stambul gelebt. Längs der Straße trifft er auf Gruppen sauberer Hütten, auf blühende Meierhöfe, reiche Tabacks. felder und Viehheerden. Unter der Bevölkerung begegnet. ihm ein stattlicher, gesezter Araber, der sich auf den Beinamen,,Konsch" (Schlaf) viel zugute thut: er besigt nämlich die Kunst, die langweilige Zeit der Rhamadan-Fasten zu verschlafen. Ein arabischer Bote bringt ihm hier Briefe von Hause und, zu seiner Betrübniß, die Nachricht von dem Tode Richardson's zu Ngurutuwa. Er gelangt

nach Kunawa, nimmt den Tsad auf; überzeugt sich, daß zwischen dem Tschadda oder Benuwe und dem Echari, den Hauptzuflüffen des afrikanischen Sees, keine Verbindung stattfindet. Die interessantesten Punkte in den drei ersten Bänden sind: Die umständliche Angabe eines bequemen Fahrweges für den europäischen Handel nach Bornu mittelst der zwei großen Arme des Tschadda — die Reise durch das Kotoko-Gebiet, durch die Provinz Logon die Ueberfahrt über den 600 Yard breiten Schari- die Rückreise nach Kukawa, mit dem vom Sultan von Bornu unterzeichneten Vertrag über die Abschaffung des Sklavenhandels- endlich der Tod seines Reisegefährten Overweg. Die spätere Erzählung bewegt sich um die Reise westlich nach Timbuktu, deren Ziel es war, mit dem Sultan von Sokoto in freundlichen Verkehr zu treten und dem europäischen Handel in die füdöftlichen Striche Afrika's Bahn zu machen. Im November 1852 trat Barth mit sieben Dienern und einem Mäkler von Kukawa die Reise nach Timbuktu an; sein nächster Zweck war, den Niger und die Stadt Say zu erreichen. Er hatte von dem kalten Wetter viel zu leiden, da er, den Fußschmerz, den er sich bei der Flußüberfahrt zugezogen, noch nicht losgeworden. Wohlangebaute Felder, dichte Baumpflanzungen und Völker von Perlhühnern belebten die Landschaft, bis er die alte verfallene Hauptstadt von Bornu, sechs (engl.) Meilen im Umfang, erreichte. Von den Seitenflügeln der Moschee, von dem aus Backsteinen erbaut gewesenen Palast, von den sechs oder sieben Thoren sind noch Spuren da; die einzigen lebenden Geschöpfe in den Ruinen aber waren ein Paar Straußen, die durch das üppige Gras davonrannten. Unterweges in der Herberge ftahl man einem Diener das Betttuch unter'm Leibe. Durch Gegenden, wo Affenbrodbäume mit Palmen abwechselten, kam er nach einem kleinen Flecken, genannt:,,Die Süßig keit der Welt", und von dort nach Bundi; in den vereinzelten Dörfern mit Hirsefeldern bemerkte er die Eingeborenen Salpeter graben. Weiterhin, auf dem offenen Lande, find Baumwollenpflanzungen, Gärten, Reihen kegelförmiger Hütten, aus denen die Stadt Gure besteht, die, 8000 Einwohner zählend, einen Granitberg hinanklimmt. Der Sultan des Ortes ist eine mysteriöse Persönlichkeit; keiner seiner Unterthanen hat ihn jemals essen fehen. Wie andere afrikanische Häuptlinge tilgt er seine Schulden durch gelegentliche Menschenjagden bei seinen Nachbaren. Der Reisende betrat die Stadt von der nordöstlichen Seite, wo auf weitausgestreckten Flächen Weizenfelder, Küchengärten, Baumwollenpflanzungen in den verschiedenen Stadien des Anbaues und der Reife mit einander wechselten. Während hier der Weizenboden erst vorbereitet, die Schollen des trockenen Erdreiches gebrochen und angeneßt wurden, schoffen an anderen Stellen schon die Halme auf. Die Zwiebeln wurden fest auf einander gepackt. Das befruchtende Element ist überall zur Hand; Palmenbäume in gesonder ten Gruppen heben ihre Laubkronen in die Lüfte. Schade, daß buschige Hügel den Beschauer hindern, das Ganze mit einem Blick zu umfassen, zumal das Dorf aus vier in beträchtlichem Abstand von einander liegenden Theilen besteht; zusammen haben sie einen Um fang von beiläufig drei (engl.) Meilen mit acht bis neun Tausend Einwohnern. Eine leichte Hecke schließt das Ganze ein. Auf einer kleinen Anhöhe steht, die Gegend beherrschend, das Lehmhaus des Stadtobern. Die Wohnungen find überhaupt fester gebaut, als die leichten Rohr- und Strohhütten in Háüsa, und haben eine Höhe von 10 Fuß. Wuschek ist im Westen Bornu's der Hauptplaß für Weizen bau. Alle Mittwoch ist Weizenmarkt. Gerechnet wird nach Muscheln (kingona): 100 Muscheln = 1 gábagá.

Barth schlug sein Zelt in der Nähe auf und wurde am Abend von den beiden Willama (Stadtoberen) gaftlich bewirthet. Sr. Majestät, Munijoma, die hier residirte, war er so glücklich, einen wesentlichen Dienst zu leisten, indem er ihr mit einigen Packnadeln, die libbedi (Soldatenröcke) zu nähen, ein Geschenk machte.

(Schluß folgt.) Aften.

Die Reisen des Rabbi Benjamin in Afien und Afrika.*) Den Verfasser des unten angezeigten Buches kennen unsere Leser bereits aus der Empfehlung Alexander v. Humboldt's, die wir in Nr. 131 abgedruckt haben. Der große Kosmograph und Kosmopolit, in des Wortes umfaffendstem und edelstem Sinne, dem im Geifte wie im Gemüthe „nichts Menschheitliches fremd ist“, hat auch in dem jüdischen Reisenden, der sich seinem Namensverwandten, Benjamin von Tudela (um die Mitte des zwölften Jahrhunderts), gern zur Seite stellen möchte, die hingebende, aufopfernde Begeisterung für eine Idee, den kühnen Muth, den kein Hinderniß, keine Gefahr abschreckt, die

"

*) „, Acht Jahre in Asien und Afrika, von 1846-1853." Von J. J. Ben jamin aus Foltitscheny in der Moldau. Nebst einem Vorworte von Dr. B. See= mann. Mit einer Karte. Zweite Auflage, mit vergleichenden Notizen aus Benjamin von Tudela, R. Pethachia, Pedro Teixeira, Ritter's Erdkunde".

"

gewonnenen, wenn auch sehr spärlichen, neuen Resultate für Geo graphie, Ethnographie, Statistik, biblische Alterthümer belobend or erkannt. Diesem anerkennenden Urtheil haben sich Männer wie Kar Ritter, Berthold Seemann, Professor Petermann in Berlin, S. Munt in Paris, Dr. Magnus in Breslau u. A. angeschlossen -Aufforde rung genug für uns, näher auf das Buch einzugehen und unseren Lefern einen Ueberblick davon zu geben.

3. J. Benjamin, früher wohlhabender Kaufmann zu Foltitsheny in der Moldau, durch einen Afsocié aber zu Grunde gerichtet, fete den Entschluß, zur Verwirklichung eines früh gehegten Wunsches, in den Orient zu reisen, die Zustände der dortigen Juden kennen zu lernen und das noch immer offene historische Problem: die Auffindung der verlorenen zehn Stämme Israels, zu lösen.

Am 5. Januar 1845 griff er nach dem Wanderstab, reiste durc Desterreich, die europäische Türkei, Rhodus, Aegypten nach Palästina. Ueber Ruinen, Grabftätten, Sagen, unsäglich elende Lage der Juden, namentlich in Jerusalem, berichtet der Reisende nur flüchtig. Um ständlicher beschreibt er ein Fest an der Grabstätte des Rabbi Simon bar-Jochai (im zweiten Jahrhundert v. Chr., angeblichen Verfaffers des kabbalistischen ,,Sohar"), bei dem Dorfe Miram, zwei Stunden von Zephat; es wird unter dem Namen Hillula (Hochzeit) di Rabbi Simon-bar-Jochai in der Nacht vom 17. zum 18. Jjar gefeiert.

Die Reise durch den Libanon führt ihn an den Ruinen von Bil bek, in dem Thale al-Bika (das Thal), zwischen Libanon und Antilibanon, vorbei. Nach Landestradition, rühren sie von einem Palaste Salomon's her, und der Reisende findet, ohne weiteren Beweis, dieses Gebäude identisch mit dem Beth-Juar-h’Lebanon (1. Kön. 7, 2.) Da aber dieses Haus, wie es die Bibel a. a. D. beschreibt, nur von Zedernholz aufgeführt war, so dürften sich die Trümmer schwerlich an die dritthalbtausend Jahre erhalten haben.

Die Unfittlichkeit im geschlechtlichen Umgange bei den Drusen, dem überwiegenden Theile der Bevölkerung, wird als schaudererregend beschrieben. Die Ehe zwischen Geschwistern, ja zwischen Vater und Tochter, ist erlaubt. Weiber und Töchter werden dem Gastfreund preisgegeben. Ein eingeborener Jude - denn es wohnen einzelne Judenfamilien in freundlichem Verkehr unter ihnen, ohne aber ihre Unsittlichkeit zu theilen — erzählte dem Reisenden folgende scheußlichkomische Thatsache: Ein junger Druse bat ihn, den Juden, als Freiwerber um seine leibliche Schwester bei ihrem Vater anzuhalten. Der Vater wies aber den Antrag mit der Erklärung zurück: er sei entschloffen, seine Tochter selbst zu heiraten.

In Damaskus und Aleppo trifft er viele Juden, die er, besonders in der lezten Stadt, als sehr religiös, wohlthätig und talmudisch gelehrt rühmt. Tedif, arabisch Kefil-Asar, acht Stunden von Aleppo, hat eine Synagoge mit einer Grotte, in der die Sage Esra die Thora schreiben läßt; vor dem Wochenfeste wallfahrten die Juden der Umgegend da hin. Von Birdschak — der Sage nach, dem biblischen Aram-Naharajim (1. Mose 24, 10.) — 18 Stunden entfernt, in wüster Gegend, liegt Urfa, in welchem Orte der Reisende mit Teixeira das biblische Ur-Kaßdim (1. Mose 15, 7.), die Nimrodstadt, vermuthet. Eine Grotte mit einer Wiege von weißem Stein gilt für das Geburtshaus Abraham's. Die Araber bringen ihre kranken Kinder dahin und legen fie über Nacht in die Wiege; leben sie noch am anderen Morgen, so erwarten sie mit Sicherheit deren Genesung. Ein mit einem Geländer umgebener Graben wird für den Ofen ausgegeben, in den der Feueranbeter Nimrod den gottgläubigen Abraham, nach einer Midrasch-Tradition, werfen ließ, der aber unversehrt der Flamme entging. Die hier entspringende Quelle, aus welcher Rebekka Elieser und seine Kameele tränkte, nährt zwei Teiche; die darin zahlreich lebenden Fische werden aber für so heilig gehalten, daß Keiner sie bei Todesstrafe fangen darf. Die hier frei und glücklich wohnenden Juden, 150 Familien, find so unwissend, daß nur Wenige hebräisch lesen können. In der Umgegend eines nahen Dorfes, Charam (1. Mose 10, 11.), find, wie der Reisende sagt,,,die beni-harammachim, Bergbewohner, ansässig, von welchen im Buche Esther 8, 10. gesprochen wird."?! Dort ist aber bekanntlich von Maulthieren oder Dromedaren die Rede.

-

In Diarbekr, am Tigris, mit 250 jüdischen Familien, Fah er in der Synagoge einen auf Pergament in den üblichen Quadratcharakteren geschriebenen Pentateuch, der, als ein Autograph Esra's, sehr hoch und heilig gehalten und nur am Versöhnungsvorabend auf dem Vorbeterpult ausgelegt und von den Gemeindegliedern devot geküßt wird. Indeß hätte dem Reisenden schon der Umstand, daß es „ein schöner Band in gewöhnlicher Größe“ war, das Alterthum des Manuskripts sehr zweifelhaft machen müssen, da bekanntlich die ältesten Eremplare auf Rollen geschrieben waren, und es scheint demnach die ganze sagenhaft ausgeschmückte Geschichte dieser Handschrift in Nichts zu verfallen.

Von Nifibin, an einem Nebenfluß des Euphrat, wo ihm das Grab des Rabbi Jehudah-ben-Bthera gezeigt wurde, zwei Stunden entfernt iff

hier in großem Ansehen als Gebieter herrscht. In der Umgegend liegen noch mehrere Dörfer, hauptsächlich von Juden bewohnt, die aber so unwissend sind, daß nur der Chacham allsabbatlich hebräisch vorbetet und aus einem gebruckten Pentateuch den Abschnitt vorliest. Sie trei ben Ackerbau und Viehzucht und vertheidigen sich gemeinsam mit den übrigen Einwohnern tapfer gegen die oft einfallenden Kurden.

Von der Art, wie der (Volks-) Glaube, für den die Gedankenformen: Zeit und Raum, keine Geltung haben, Berge verseßen kann, bringt der Reisende einige Beispiele. Den Gebirgszug Djebel-Sandjack, von Thelma aus, halten die Juden für das Gebirge Sëir, das im Südosten von Palästina liegt, und Djesireh am Tigris für das Erez-Geserah, wohin der Sündenbock (3. Mose 16, 22.) am Versöhnungstage geführt wurde! Aus dem Djebel-Djudi, an deffen Fuße die Stadt liegt, machen sie ganz konform den Berg Tschuk (el Nischna, Jona 6, 4. Zut, der nach dortiger Angabe 12,000 Schritte von Jeru falem entfernt war).

Sechs Stunden von Sachur, am Chabur, halten die Juden die Spigen einer an das kurdistanische Gebirge sich anschließenden Kette für den Ararat (1. Mose 8, 4; der Targum Onkelos überträgt hare-ararat mit turé-kardu, was allerdings kurdistanische Berge heißen könnte). Die Kurden besteigen alljährlich am Ende Juni den Gipfel, wo sie unter Fackeln einen Gottesdienst halten und beim Herabsteigen Holz scheite von der angeblichen Arche Noah's mitbringen, die, wie sie sagen, tief in den Boden versenkt ist. Am Fuße des Berges stehen vier steinerne Säulen; nach dem Volksglauben die Reste des Altars, den Noah beim Austritt aus der Arche erbaut hat (1. Mose 8, 20.).

In fünf Kapiteln (S. 66-100) berichtet Benjamin über seine drei Reisen durch die Gebirge Kurdistans. Nach seiner Behauptung find die hier in unsäglichem Elend, grausamer Unterdrückung von Seiten der Kurden, tiefster Unwissenheit außer dem Glaubensbekenntniß Schewa, verstehen nur Wenige das Hebräische zerstreut lebenden Jude Nachkömmlinge jener durch Tiglath-Pileser (2. Kön. 15, 29.) aus dem Reiche Israel entführten Stämme. Zu ihnen rechnet er mit dem amerikanischen Missionar Grant auch die Neftorianer, die das christliche Symbol des Kreuzes nicht kennen, keine Glocken haben und wie die Juden den Sabbath feiern. Benjamin fügt noch sein Dafürhalten hinzu, daß die Nestorianer von Sebulun und Naphtali (mit Bezug auf 2. Kön. 15, 29. und Jef. 8, 33.) abstammen. Er gründet seine Meinungen, deren Stichhaltigkeit auf sich beruhen möge, auf Schrift und Tradition.

In Alkusch ist am angeblichen Grabe des Propheten Nahum eine 1000 Menschen fassende Synagoge, in der aber nur am Wochenfeste Gottesdienst gehalten wird. Die Juden aus einem Rayon von acht Lagereisen versammeln sich 8 Tage vor besagtem Feste und bringen hier 14 Tage mit Andachtsübungen zu. Wir geben der Seltsamkeit wegen und als Stilprobe des Buches mit dessen eigenen Worten die Beschreibung einer Hauptfeier:

,,Am ersten Abend des Wochenfestes, 5. Siwan, versammelt man sich in der Synagoge, welche von wohl 1000 Lampen erhellt ist, tritt dann in das Gemach des Propheten, und der Gottesdienst beginnt. Diejenigen, welche lesen können, beten, die Uebrigen hören zu. Diese feierliche Handlung hat nichts besonders Wichtiges an sich; sobald fie beendigt ist, begiebt man sich ohne weitere Ceremonien in das Gotteshaus, wo eine festliche gegenseitige Bewirthung stattfindet, namentlich ist dabei viel Kaffee gebräuchlich. Bei Tagesanbruch wird das Morgengebet verrichtet, und nun ziehen die Männer, den Pentateuch voraus, mit Flinten, Pistolen und Dolchen bewaffnet, zu einem naheliegenden Gebirge, in Erinnerung der Verkündigung des Geseßes, welches an diesem Tage vom Berge Sinai verkündet wurde, um dort in der Thora zu lesen und das Musaph-Gebet abzuhalten. In demselben kriegerischen Aufzuge steigt man den Berg wieder herab. Die ganze Versammlung bricht zu Fuß auf, und es beginnt eine arabische Phantasie, ein Kriegesspiel. Die malerische Verwirrung, in der die Kämpfer und ihr Kampfgeschrei die Dampfwolken durchbringen, das Waffengeklirr und das ganze nachgeahmte Schlachtgetümmel bieten ein phantastisches Schauspiel dar, das nicht ohne eine gewiffe Erhabenheit (!) ist und auf den Zuschauer einen wundersamen Eindruck macht. Dieses Kriegesspiel soll ein Bild des großen Kampfes sein, den die Juden, nach dem dort herrschenden Glauben, dereinst bei der Ankunft des Messias gegen die Völker zu bestehen haben, welche sich ihrem Einzuge in das gelobte Land und der Bildung einer unabhängigen, selbständigen Nation widerseßen werden"... Doch scheint der Reisende sich an der Feier von einer gewiffen Erhabenheit" eben nicht erbaut zu haben, denn er fährt fort: „Ich war Anfangs von dem Getümmel und der Aufregung der tobenden Menge beinah betäubt und später ganz nach denkend geworden, als ich sah, bis zu welchem Grade Unwissenheit und Landesgebrauch eine religiöse Feier entstellen können und das Wesentlichste ihrer Prinzipien®) angreifen mögen.“

"

*) Darunter versteht der Reisende vermuthlich das Handhaben und den Gebrauch der Waffen, was talmudisch am Feste streng verboten ist.

Wir müssen hier abbrechen und können bei bem uns zugemeffenen Raum unseren Reisenden nicht weiter auf seinen Zügen begleiten. Doch möchten wir ihn bitten, künftig etwas vorsichtiger bei Namenvergleichen zu sein und zum Beispiel nicht in dem indischen Ganges, -er heißt eigentlich Ganga alle Buchstaben des hebräischen Gofen zu finden. Und gestatten auch (S. 138) die Entdeckungen berühmter Reisender die Behauptung, daß damit (nämlich mit den ije-bajjam, Jes. 11, 11.) die westindischen Inseln gemeint seien, so protestiren doch Kontert und gesunder Menschenverstand dagegen. Er hätte sich auch (S. 204) die Talmudstelle (Gittin 45a) genauer ansehen und dem kundigen Leser nicht Anlaß geben sollen, ihn des Nichtverständniffes zu zeihen, wenn er von,, Geheimnissen der Entbindung" spricht.

Fände Herr Benjamin überall, wie er ihn bereits in Frankfurt am Main, Berlin, Hannover, Breslau, Königsberg, Posen, Glogau und a. D. gefunden, hinlänglichen Absaß für sein Werk und dadurch Unterstüßung genug, um, wie er beabsichtigt, eine zweite Reise nach dem Orient, namentlich nach China antreten zu können; würde er sich neben den Erfahrungen, die er auf seiner ersten Reise gewonnen, besonders auch durch Erlernung der Schriftsprache der Araber — er ist nur des Vulgärarabischen kundig -gehörig vorbereiten; richtete er sein Augenmerk auf die Punkte, die Fachmänner wie Munk, Goldenberg, Derenbourg in Paris, Joft zu Frankfurt a. M., Geiger und Schnezler zu Breslau u. A. in einer Art Instruction hervorgehoben und seiner sorgfältigen Beachtung empfohlen haben; vertraute er endlich das gesammelte Material der Fassung geschickter Hände: so dürfte sich seine Reise namentlich für biblische Archäologie und Eregese als gewinnreich ergeben.

[ocr errors]

Belgien.

Das geistige Eigenthumsrecht und der Kongreß zu Brüffel. (Schluß.)

Run entsteht aber eine andere Frage. Wie man sieht, machen wir den Autor und sein geistiges Eigenthumsrecht zum festen Ausgangspunkte. Welches Recht hat der Autor auf das materielle Vehikel, mag es nun aus einem Buche, aus einer Partitur, oder einer mit bunten Farben bestrichenen Leinwand, oder einem kunstmäßig behauenen Steine bestehen? So lange er es nicht veröffentlicht und dem Publikum mitgetheilt, so lange er keine Bezahlung in geistiger Weise empfangen, ohne Zweifel ein unbedingtes. Er kann sein Manuskript in's Feuer werfen, sein Gemälde überpinseln, seine Bildsäule zerschlagen.

Anders dagegen stellt sich die Sache nach der Veröffentlichung. Durch dieselbe ist der Autor ein Verhältniß mit dem Publikum eingegangen, welches sein ursprünglich unbedingtes Recht beschränkt. Waswürden wir z. B. zu einem Maler sagen, dessen Bild auf der Kunstausstellung bedeutenden Beifall gefunden, und der es sich hernach beikommen ließe, daffelbe zu vernichten? Nach dem äußeren, bürgerlichen Rechte steht ihm das unbedingt zu, aber wie würde das Publikum eine solche Handlungsweise aufnehmen, würde nicht ein Schrei der Entrüftung und des Unwillens darüber laut werden? Ganz gewiß, der betreffende Künstler würde, wie wir Alle fühlen, ein Unrecht an dem Publikum begehen, das ihn bewundert und gerühmt hat; er würde eine moralische Verbindlichkeit brechen, die er eingegangen, indem durch die Veröffentlichung das Publikum unbedingt Mitbesiger geworden ist. Ich darf ein Buch beurtheilen, ein Gemälde, eine Musik abschäßen und ihren Werth bestimmen, ohne das Buch oder Kunstwerk kaufen zu müffen. Hieraus folgt, daß ich durch die Veröffentlichung allein ein Mitrecht erlangt habe, ein Miteigenthumsrecht an den Gedanken, Vorstellungen, an dem Genusse, den das Werk erweckt und gewährt. Die Bezahlung dieses geistigen Besißes ist also wieder, was auch ganz in der Natur der Sache liegt, ganz geistiger Beschaffenheit: Anerkennung, Bewunderung u. f. w., und hierfür hat zu allen Zeiten das wahre Genie gearbeitet. Wem daran nichts gelegen ist und wer nur den blanken Gewinn zu schäßen weiß, der sollte überhaupt von einem geistigen Eigenthum schweigen. Ein Gedanke, der schägbar ist, der mit einem oder mit tausend Thaler bezahlt werden kann, ist jedenfalls in der Wirklichkeit keinen Heller werth.

Doch der Künstler, der Dichter, Schriftsteller u. f. w. ist ein Mensch, der leben muß, es ist billig, daß man ihm auch die materielle Arbeit bezahlt, und zwar gut, man wird ihn nicht wie einen ThürenAnstreicher oder Bogenschreiber besolden können; es wird billig sein, daß er nicht blos für Bereicherung seines Verlegers arbeite. Wollen Autoren in dieser Hinsicht ihren materiellen Gewinn sichern, so liegt auf der Hand, daß sie am allerschlechtesten fahren, wenn sie Verleger und Kunsthändler zu ihren Advokaten machen. Sie haben vor Allem das Benußungsrecht (nicht Eigenthumsrecht) ihrer Werke gegen dieselben festzustellen, und dies könnten sie nur erreichen, wenn der Staat Gefeße erließe, welche die kontraktlichen Verhältnisse zwischen Beiden feststellten oder den Verlegern u. s. w. pofitive Vorschriften über

Prozentsäße machten, die sie bei besonders guten Erfolgen zu zahlen hätten eine Sache, die wohl unausführbar und eher hinderlich sein dürfte, da fie die persönliche Freiheit beschränken würde. Noch ein anderes Mittel gäbe es: Corporationen, Zünfte der Schriftsteller, Maler, Musiker. Warum nicht? Auch Homer war ein zünftiger Dichter, Albrecht Dürer ein zünftiger Maler. Nenne man es heute Association; es kommt auf Eins heraus. Actien-Vereine zur Selbstherausgabe, Verlagsrecht der Schriftsteller - Innung, KunsthändlerKonzession der Maler- und Bildhauerzunft! Das wären praktische Vorschläge, wenn Künstler Geld und Weltverftand hätten. Das erstere haben sie meist nicht; das zweite glauben sie nicht haben zu dürfen, also Verleger und Kunsthändler! Daß Leßtere ihre Kapitalien zu sichern streben, wird ihnen Niemand verübeln, nur ist es ein trauriges Zeichen von Verwirrung der Begriffe, wenn man da von geistigem Eigenthumsrechte deklamirt, wo der eigentliche geistige Eigenthümer unter Umständen der Frohnbauer, Pensionair oder Mündel seines Verlegers ist.

Das geistige Eigenthumsrecht des Autors und sein materielles Benußungsrecht sind zum Theil sogar einander entgegengeseht. Nach dem ersteren muß ihm daran gelegen sein, so Vielen als möglich zu gänglich und bekannt zu werden, um den verdienten Lohn zu ärndten; nach dem zweiten muß er das Mittel, durch welches das erstere erreicht werden soll, so viel als möglich dem Publikum entziehen und feine Mittheilung von blanker Münze abhängig machen. Als Dichter wünscht er z. B. sehnlich, Einfluß auf die Nation zu gewinnen, Alles zu begeistern und zu elektrisiren, von den Niedrigsten des Volfes bewundert und gepriesen zu werden; als Geschäftsmann stellt sein Verleger vielleicht den Preis des Buches höher als gewöhnlich, weil er den Dichter ungewöhnlich hoch honoriren muß. Selbst im Falle, daß der Autor sein Eigenthumsrecht (wir wollen es so nennen) für sich behielte und als Selbstverleger aufträte, der das Verlagsrecht seinen Nachkommen vererbte, würde ein Verlöschen desselben früher oder später geboten sein, wenn sich nicht manche bedeutende Uebelstände herausstellen sollen. Man denke sich z. B. einen solchen Erben oder eine Verleger Firma, die das ausschließliche, nie erlöschende Recht hätte, einen Autor zu ediren; nach funfzig oder hundert Jahren sind alle alten Ausgaben vergriffen und eine neue dringend nothwendig. Könnte es nicht kommen, daß ein Sonderling die ganze Nation schi kanirte? Solche Dinge sind vorgekommen. Ein Engländer hat die Originalplatten meisterhafter Kupferstiche vernichtet, um den schon abgezogenen, alten Exemplaren Antiquarwerth zu geben. Oder man denke sich, ein solches Verlegerrecht käme in den Konkurs; es würde einer Mehrzahl von Erben zugesprochen, die zu gemeinsamer Zuftimmung nicht gebracht werden könnten u. dgl. Jedermann sieht ein, daß die Geisteswerke, die einem ganzen Volke und allen Zeiten gehören, nicht in die tausend Zufälligkeiten menschlichen Formenkrames und menschlicher Erbärmlichkeit hinabgedrückt werden dürfen.

Das sogenannte geistige Eigenthumsrecht ist also, wie die Sachen liegen, durchaus nur auf den praktischen Zweck des Kapital- und Industrieschußes der Verleger zurückzuführen. Diesen hat der Staat bereits vielfach gewährleistet, und wünschenswerth wäre es, wenn in ganz Europa darüber eine möglichst große Gleichförmigkeit erzielt würde. Er würde sich dabei nur wesentlich auf Dinge erstrecken, die der Vervielfältigung unterliegen und eine mögliche, nach Umständen erneute Rente bringen, also Rentenschuß.

Bücher, Kupferstich, Photographieen, Lithographieen, Abformungen aller Art würden dazu gehören; bei Verkauf von Bildern oder Statuen müßten die Künstler sich das Recht, z. B. Photographieen davon zu machen, vorbehalten oder mitverkaufen.

Kopirung durch Kupferstiche oder Lithographie müßte Jedem frei stehen, da hierdurch freiwillig von fremder Seite der Ruhm des Künstlers gefördert wird und ein neues Kunstwerk entsteht, deffen Herstellung blos durch das rein Geistige des Originals angeregt wird. Kupferstecher und Lithograph nehmen von dem Materiellen nicht das Geringste ab, sondern übertragen den reinen körperlichen Gedanken, der über aller materiellen Schäßung liegt, in einen anderen Körper. Photographiren dagegen ist eine bloße mechanische Fertigkeit, die mit dem Abdruck einer gestochenen Platte oder eines gesezten Schriftfaßes auf gleicher Stufe steht. Das Recht, von Kupferstichen u. f. w. Photographieen zu machen, müßte allerdings unter strenger Kontrole ftehen; denn wenn dies geschieht, um damit Handel zu treiben, ist es reine Industrie, und der Besißer der Originalplatte müßte seines Schußes gewiß sein.

Nun noch ein Beispiel, wie dieses geistige Eigenthumsrecht des Autors und Verlegers zum Unrecht gegen das Publikum umschlagen kann. 3. B. ein englischer Schriftsteller schreibt ein ausgezeichnetes

Werk, veröffentlicht es und gewinnt in Deutschland, um auch bei uns berühmt zu werden, einen Ueberseger, von dem er vorausseßt, daß er der Aufgabe völlig gewachsen sei. Ein Buchhändler übernimmt den durch das Gefeß für Ueberseßungen privilegirten Verlag. Nun er scheint die Ueberseßung, ist aber so schlecht, unbeholfen und verfehlt, wie nur möglich. Was ist die Folge? Eine ganze Nation ist verurs theilt, diese schlechte Ueberfeßung zu lesen oder auf den Geruf, den das Werk zu gewähren im Stande ist, zu verzichten. Warum? weil die schlechte Ueberseßung privilegirt ist, weil der Autor durch den Ueberfeßer und der Ueberseßer durch den Autor, der Verleger mitten. inne, vertragsmäßig gebunden ist. Ganz dieselbe Geschichte, wie wenn man in Flachsenfingen nur Flachsenfinger Bier trinken darf. De Original-Autor zieht sein Honorar für die Abtretung der Uebersegung ein, läßt aber dafür sein besseres Selbst mißhandeln und schlägt seinen Namen bei einem ganzen Volke in die Schanze.

Es ist also die mit der Gabel hinten hinausgetriebene Natur, die zur Vorberthür wieder hereinkommt; es ist Zunft, Jnnung, Gilde, Privilegium, was unter fremdem Namen wieder Einlaß begehrt. Der Himmel gesegne es Dichtern und Romanschreibern, Malern und Musikern, Verlegern und Kunsthändlern, und gebe uns nach einer Zeit unverständiger Romantik und hungernder Genialität eine Zeit weifer Berechnung greifbarer Vortheile, eine Zeit der Industrie und des ehrlichen Handwerkes, zu dem wir bereits ausgesprochene Hinneigung zeigen.

Mannigfaltiges.

-,,Das Buch von der Königin Luise". Kaum kann es ein zu literarischen Weihnachtsgeschenken für deutsche Frauen und Jungfrauen sich mehr eignendes Buch geben, als die soeben erschienene dritte, umgearbeitete Ausgabe der Lebensgeschichte der Königin Luise von Preußen.) Das Andenken an diese hohe Frau, deren Geist und Gedächtniß in den Tagen von 1813 das preußische Volk zu unsterblichen Thaten anfeuerte, ist ohnedies in unseren Tagen, wo abermals einer ihrer Söhne durch Wort und That an das ungeschmälerte, mütterliche Erbtheil erinnerte, von neuem recht lebhaft im Volke ge= weckt worden. Eine deutsche Frau, Karoline Friederike v. Berg, geborene v. Häfeler, ist bekanntlich die ursprüngliche Verfasserin dieser bereits im Jahre 1814 erschienenen Lebensgeschichte, deren zweite Auflage zwar im Jahre 1849 durch vielfach hinzugekommene neue Materialien erweitert wurde, deren Kern aber, als dem Herzen und der sinnigen Beobachtung einer treuen Freundin der Königin ents stammt, auch jezt immer noch den anziehendsten, liebenswürdigften Theil des Buches bildet. Als im Jahre 1814 diese erste Lebensskizze der unvergeßlichen Fürstin erschienen war, schrieb ein Hohenzollern, der damalige Fürstbischof von Ermeland, an die Verfasserin:,,Den lieblichsten und unverwelklichsten Kranz um St. Luisens Todes-Urne zu winden, war allein der Hand ihrer zartsinnigften und gemüth vollsten Geistes- und Herzensverwandtin vorbehalten". Es ist dies gewiß die beste Charakterisirung der Liebesworte der Frau v. Berg. Man erkennt sie heraus auch aus dieser dritten Auflage, obwohl das, was der neue Herausgeber, der von dem verewigten Direktor Dr. Hißig (dem ursprünglichen Verleger der Schrift der Frau v. Berg) zu dieser Arbeit empfohlene Herr Friedrich Adami, über die Jugendzeit der Königin, sowie nach Darstellungen von Bischof Borowsky, Eylert u. A., hinzugefügt hat, keine unwürdige Ergänzung des lieblichen Bildes ist. des lieblichen Bildes ist. Man darf übrigens die eben erschienene neue Auflage des Buches nicht mit der Volks-Ausgabe" deffelben verwechseln, welche die Verlagshandlung vor einigen Jahren veran staltete. In letterer war Vieles gekürzt und Manches volksmäßiger erzählt, was in der neuen Auflage, die auch äußerlich auf das Würdigste geschmückt ist, in seiner ursprünglichen, edeln Ausführung hergestellt worden. „Und so möge denn“, wie es in dem Vorworte des Buches heißt, „die reine hohe Gestalt der Königin Luise, ein hohes Vorbild weiblicher Fürstentugend und deutscher Seelengröße, fich für und für neu aufrichten im Herzen ihres treuen Volkes, für dessen Heil ihr Herz so treu geschlagen hat! Sie verdient es, die Heißbeweinte, daß sie unvergeßlich bleibe in der Geschichte nicht allein in der Geschichte Preußens, sondern in der Geschichte des gesammten deut schen Vaterlandes!"

*),,Luise, Königin von Preußen. Dem deutschen Volke gewidmet". Dritte, umgearbeitete Ausgabe. Berlin, Ferd. Dümmler's Verlagsbuchhand lung. 1859.

« ForrigeFortsæt »