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Inseln England und Irland, und seinen Glauben, daß beide, Vogel und Infel, ihren Ursprung einer großen schaffenden Ursache ver danken. Sehen wir zu, daß wir bei dem Bestreben, die zoologischen Urprovinzen des Erdenrundes zu bestimmen, nicht in ein Erkenntniß gebiet gerathen, das über unsere gegenwärtige Fassung hinausliegt und nach dem Urtheil Bacon's zu den mortua principia rerum”. gehört.

Betreffend das Erlöschen und Verkümmern gewiffer Thier geschlechter, nimmt der Redner Bezug auf seine früheren Abhandlungen, worin er nachgewiesen, wie diese Vorgänge mit örtlichen Umständen und mit der Körpermaffe der Thiere zusammenhängen. Wenn die trockene Jahreszeit, z. B. sich über. Gebühr verlängert und auf die Pflanzenwelt schädlich einwirkt, so werden die maffigen, grasfressenden Thiere nachtheiliger von der geschmälerten Koft berührt, als die kleineren; wenn neue Feinde auftreten, dann werden ihnen die großen und ansehnlichen Vierfüßer zur Beute, während die kleineren Arten fich leicht verbergen und dem Tode entgehen. Kleinere Thiere sind endlich meistens fruchtbarer, als größere. Wenn also in gewiffen Gegenden die Nachkommen mancher Arten schwächer sind, als ihre Ahnen früherer Zeiten, so ist das keine Folge einer stufenweisen Ab nahme in der Größe dieser Art, sondern das Ergebniß von Umständen, die in der bekannten Fabel: „Die Eiche und die Buche“, beleuchtet werden; die kleineren und schwächeren Thiere fügten sich in die Veränderungen, denen die größeren unterlagen. Jeder Typus einer Art ist unbezweifelt derjenige, der den Existenzbedingungen zu einer Zeit angemessen ist: er bleibt so lange unverändert, wie diese unverändert bleiben; die Varietäten treten zugleich in gleichem Verhältniß mit den veränderten äußeren Bedingungen der Existenz ein, und die Abart wird dann wieder zum Typus für eine spätere und in dem selben veränderten Zustand der Dinge existirende Art. Die Beobachtung der Thiere im Naturzustand ist erforderlich, um den Grad ihrer Plastizität, oder den Umfang ihrer Varietäten zu bestimmen. Ebenso nothwendig ist die Beobachtung der fossilen Ueberreste zur Erkenntniß des Urtypus, in welchem die, den vorhandenen Varietäten analogen Varietäten vielleicht zusammengelaufen sind, um solchen extremen Formen, wie die Giraffe 3. B., das Dasein zu geben.

In das ursprüngliche Geseß der geographischen Vertheilung der Pflanzen und Thiere hat der Mensch störend eingegriffen. Auf seinen vielseitigen Wanderungen nahm er die ihm nüßlichen Pflanzen und Thiere mit sich, und sie blühten und mehrten sich fernab von ihrer Urheimat. Er ist auch die mächtigste und bekannteste Ursache für die Ausrottung gewiffer Arten innerhalb der historischen Zeiten. Er und noch ein Thier, das er gezähmt hat der Hund- find die einzigen Weltbürger. Die Menschenart wird durch wenige, scharfmartirte Varietäten vertreten und es ist zwischen ihren Oertlichkeiten und allgemeinen zoologischen Provinzen eine gewiffe Wechselbeziehung nicht zu verkennen. Doch das greift zu sehr in das weite und fruchtbare Gebiet der Ethnologie über, um, sagt der Redner, auch nur einen flüchtigen Abriß von den Fortschritten derselben zu wagen. Er verweist auf Agassiz? Abhandlung in Gliddon's und Nott's:,,Varietäten des Menschengeschlechtes".

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Für ein weit höheres Alter des Menschengeschlechtes, als ihm Geschichte und Genealogie anweisen, bringt der Redner das Zeugniß Leonard Horner's. In zwei Denkschriften an die k. Gesellschaft von den Jahren 1855 und 1858 wird das Ergebniß von 95 senkrechten Boh rungen durch die Anspülung des Nils aufgeführt. In den Bohrlöchern. nahe beim Koloß Rameses' H. zu Memphis war zwischen der 8 Zoll dicken obersten Schicht und dem untersten Boden der Grundfläche, worauf die Bildsäule geftanden hatte, ein 9 Fuß dicker Nil-Niederschlag. Angenommen, die Grundfläche sei in der Mitte der Regierung jenes Königs, also 1361 v. Chr. gelegt worden, so giebt diese Zahl, zu 1854 addirt, die Summe von 3215 Jahren, in welchen sich der vorerwähnte Niederschlag angehäuft hat, ober einen Durchschnitts-Anwachs von 34 Zoll auf ein Jahrhundert. Die ganze Tiefe des durchbohrten Geschichtes unterhalb der Grundfläche betrug 32 Fuß, und nach Abzug von 2 Fuß der untersten Fläche, die aus Sand, also vielleicht nicht aus Nil-Niederschlag bestand, blieben noch: 30 Fuß unbezweifeltes Sediment. Hatte sich nun dieses nach dem Verhältniß von 34 Zoll auf ein Jahrhundert angehäuft, so ergiebt sich für die unterfte Schicht bis zum Jahre 1854 ein Alter von 13,500 Jahren. Es müssen also, schließt Horner, damals hier Menschen, und zwar in einem gewiffen Grad des Kulturstaates gelebt haben; denn man hatte aus der unterften Schicht jenes Bohrloches von 39 Fuß unter der obersten Fläche Scherben von Töpferwaaren heraufgebracht.

Eine ähnliche Fernsicht in eine weit ältere, als die gewöhnlich angenommene Zeit für die Geschichte des Menschengeschlechtes eröffnet uns Profeffor Mar Müller in der Sprache. Die Wahrnehmung und Anwendung der Analogieen in der Bildung der modernen, wie der antiken, der lebenden, wie der todten Sprachen führen auf Eine Sprach-Mutter zurück. In allen Kindern ist dem Auge des Forschers

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der gemeinsame Familienzug unverkennbar. Wer aber ermißt den Zeitraum, der sich von dem einheitlichen Ausgangspunkt bis zu der überwältigenden Mannigfaltigkeit der äußerlich so verschiedenen Ab zweigungen und Mundarten erstreckt?

Der Redner verweilt bei der Wichtigkeit der naturgeschichtlichen National-Museen für die Sanitätswissenschaft und den Ackerbau und fährt dann fort:

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In den Operationen der Natur zeigt sich im Allgemeinen eine Aufeinanderfolge von Prozessen für ein gegebenes Resultat: eine Erbse entwickelt sich nicht als solche unmittelbar aus ihren Elementen; der Same würde von vornherein keinen Begriff geben von dem Baum, der Baum keinen von der Blüthe, die Fruchtkeime dieser Blüthen keinen von dem Fleisch, das den Samen birgt. Wunderbar gekennzeichnet wird die schöpferische Weisheit, jenes Fern- und Vorsehen eines Endergebnisses, durch eine auf einanderfølgende Reihe koordinirter, scheinbar sehr verschiedener Bedingungen. Je schärfer nun ein Mensch in einer Reihe von Bedingungen ihre Koordinirung unterscheidet, um ein gegebenes Resultat zu erzielen, desto näher kommt er obgleich der Abstand stets unermeßlich bleibt der göttlichen Weisheit.. Ein Philanthrop baut ein Krankenhaus, ein anderer leitet die fieberausathmende Nässe von der Stadt ab. Der Eine, den Verbrechen vorbeugend, erzieht den Knaben, der Andere hängt den Mann; der eine Staatsmann möchte durch Vermehrung der alten, oder durch Auflage neuer Steuern Geld schaffen, und findet, daß die Einkünfte nicht in dem erwarteten Maaße zugenommen; der andere vermindert diese Steuer, schafft jene ab, und durch ein folgerichtiges Verfahren verbessern sich die Einkünfte. Waffer ist das wohlfeilste und wirksamste Mittel zum Transport der Absonderungen; man sollte aber bedenken, daß die Anwendung auf das, was aus dem Innern der Wohnung kommt, zu beschränken sei; denn nur das kann praktisch und ersprießlich für den Ackerbau verwendet werden. Was aber von der Außenseite der Häuser abfließt, sowie die Gesammtinaffe des Regens, der in der Stadt fällt, müßte in den nächsten Fluß durch Kanäle geleitet werden, die in durchaus keiner Verbindung mit den hydraulischen Kloaken stehen. Der Ackerbau hat, wie schon bemerkt, große und ermuthigende Fortschritte gemacht und macht täglich weitere; allein noch bleibt viel zu thun... Schiffe auszusenden, um von Peru's Küften phosphorhaltigen Dung zu holen, während man diesen Stoff in der Heimat vergeuden, und den edlen, die Metropole durchströmenden Fluß damit verpesten läßt - giebt ein schreiendes Zeugniß von der Vernachlässigung eines Gebietes, wo Wissenschaft und Praxis gemeinsam zur öffentlichen Wohlfahrt arbeiten müssen....

Einige Zweige der Naturwissenschaft sind bei dem Plan, Gleichförmigkeit in Maß und Gewicht durch die ganze civilisirte Welt herzustellen, tief betheiligt. Wie wünschenswerth wäre es für die Chemiker und Naturkundigen der verschiedenen Länder, wenn jene für ihre zarten Waagen, diese für die Flächendimensionen einen gleichförmigen Ausdruck hätten!

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Der Redner ergeht sich nun in begeistertem Lob auf die englische Regierung, die mit Wort und That der Wissenschaft bei allen ihren Bestrebungen unter die Arme greift, in der Ueberzeugung, daß jede praktische Anwendung ihrer Entdeckungen mit einer erleuchteten Staatswissenschaft dasselbe Ziel im Auge hat: Wachsthum der öffentlichen Wohlfahrt. Die Dampfmaschine in ihren mannigfaltigen Anwendungen, das Gaslicht, der Blizableiter, der elektrische Telegraph, das Gefeß der Stürme und die daraus abgeleiteten Regeln für den Seefahrer, das Vermögen, chirurgische Operationen schmerzlos zu machen, die Maßregeln zur Erhaltung der öffentlichen Gefundheit, Epidemicen vorzubeugen oder ihre Gewalt zu schwächen sie gehören zu den praktischen Resultaten der reinen wiffenschaftlichen Forschung, wodurch die Menschheit gesegnet und Staaten bereichert worden. Freilich fordert die reine Wissenschaft ein gewisses Maß Glauben von Seiten des praktischen Staatsmannes. Wer Black zusah, über die abstrakte Natur des Wärmestoffes experimentiren, konnte schwerlich vorhersehen, daß deffen Entdeckung der gebundenen Wärme der Erfindung Watt's, die Dampflraft zu einem praktischen Werkzeug zu verwenden, als Grundlage dienen werde. Bei Dersted's kunstvollen Vorrichtungen, die Elektrizität in Magnetismus zu verwandeln, ließ man es sich nicht träumen, daß durch diese Entdeckung Menschen über ungeheure Abstände ihre Gedanken bligschnell austauschen werden. Einige ärztliche Zeitgenossen John Hunter's bemitleideten ihn, daß er, wie sie meinten, seine Zeit damit verschwendete, das Wachsthum eines Hirschgeweihes zu beobachten. Und doch hat ihn die auf diesem Wege gewonnene Einsicht in die rasche Regeneration der Arterien zu Versuchen an aneuristischen Personen veranlaßt und eine neue Heilmethode bei dieser Krankheit eingeführt, die Taufende seiner Mitmenschen von einem langsamen und schmerzhaften Tode rettete. Die Chloroformirung mit ihren preiswürdigen Wirkungen zur Verminderung der menschlichen Dualen bei Operationen ist das Ergebniß der finnreichsten Experimente der neueren Chemie. Und doch war die wohlthätige Anwen

dung dem Geiste des wissenschaftlich vertieften Chemikers ebenso we nig gegenwärtig, wie die gaserleuchtete Stadt dem Geifte Priestley's, oder die dampfverdichtende Maschine dem Geißte Black's. Aus dem ursprünglich lauteren, himmlischen Quell der Wissenschaft führen Kameele dem praktischen Leben früher oder später die irdische Nahrung zu.

Rußland.

Die Ruffen am Amur.

Die Sjéwernaja Pischelà enthielt vor kurzem ein Schreiben ihres daurischen Korrespondenten, in welchem intereffante Details über die Besißnahme des Amurlandes durch die Ruffen und die gegenwärtigen Zustände deffelben mitgetheilt wurden. Sie werfen ein bedeutendes Licht auf die ersten Operationen Rußlands in jenen Gegenden, die durch den neulichen Vertrag von Aihun ihren einstweiligen Abschluß. erreicht haben, deren Anfänge aber bisher wenig bekannt waren, und wir laffen sie daher hier im Auszuge folgen.

„Um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts berichtete Jeroféi Pawlowitsch Chabarov) an den Zaren:,,Dies daurische Land, Sire, wird für Dich ein zweites sibirisches Königreich sein." Die Prophe zeiung dieses ungewöhnlichen Menschen hat sich nach zweihundert Jahren erfüllt. Die Ruffen befeßten den Amur und hätten sich dort behauptet, wäre der Stolnik Golowin, der den Traktat mit den Beamten des Reiches der Mitte abschloß, nicht von den Jesuiten bearbei. tet und von einem mandjurischen Heere umringt worden. Im Jahre 1689 zogen wir uns vom Amur zurück und verließen die an seinen Ufern errichteten Befestigungen. Ungern kehrten die Russen heim, sich oft umsehend nach dem gelobten Lande, das sie aufgeben mußten. „Und doch soll der Amur unser werden!" wiederholten sie. Viele Versuche wurden seitdem gemacht, den Besiß des Flusses zu erlangen, aber es blieb bei halben Maßregeln oder Worten. Endlich erhielt. Oftsibirien einen unternehmenden, thätigen und entschlossenen Gene ral- Gouverneur. Kaiser Nikolaus wandte seine Aufmerksamkeit auf die Wichtigkeit eines Stromes, der das füdliche Sibirien mit dem öft lichen Weltmeer verbindet. Ein russisches Kriegsschiff fuhr in die Mündung des Amur ein, wo die Giläken, ein unabhängiger Volksftamm, lebten, und am Ufer des Meeres errichtete man das befestigte Winterlager Petrowskoje. Bald entstanden am Amur zwei ruffische Forts, Nikolajevsk und Maríinsk. Die Engländer erklärten den Krieg; man mußte die Küften Oftfibiriens nach Möglichkeit in Vertheidigungsstand sehen, und General Murawjev entschloß sich, unseren Posten Verstärkungen zu Waffer auf dem Amur zuzuführen. Man ließ die Chinesen davon benachrichtigen, aber ihre Anwort abzuwarten fehlte es an Zeit. Beim Schilkinskji Sawod, an der Schilka, einem Neben fluffe des Amur, lag eine Flotille mit Truppen und Material, den Mitgliedern der fibirischen wissenschaftlichen Expedition und einer Kauffahrtei-Barke; in der Mitte des Fluffes ankerte der am Baikal gebaute Dampfer „Argun“ von sechzig Pferdekraft. Am 14. Mai 1854, Abends, begab sich die Expedition auf den Weg, unter Musikklang, Kanonenschüssen und Hurrahgeschrei, der General-Gouverneur voran, ihm nach die ganze Flotille. Am 18. Mai erreichte man den Amur; der General - Gouverneur schöpfte mit einem Glase Wasser aus den Fluthen desselben und wünschte Allen Glück zum Beginn der Fahrt auf dem Amur. Es waren hundertfünfundsechzig Jahre vergangen, seitdem die legten russischen Fahrzeuge ihre Kriegsvorräthe und Habseligkeiten von diesem Flusse wegführten; während der ganzen Zwischenzeit hatten nur Jäger insgeheim deffen Ufer besucht, ohne sich jedoch weiter als zu den Ruinen Albasins, unferer alten Stadt, zu wagen. Dem General Murawjev war es beschieden, das wieder gut zu machen, was seine Vorgänger versäumt hatten. Die Fahrt der Erpedition ging glücklich von statten; die Uferbewohner flohen beim Anblick der russischen Schiffe; der Befehlshaber von Sachalin-Ula aber, der einzigen chinesischen Stadt am Amur, nahm die Russen freundlich auf und gab ihnen Führer. **) Von der Mündung des Amur kehrte der General-Gouverneur zu Lande über Ajan und Jakutsk nach Irkutsk zurück, während der Dampfer mit dem von Japan kommenden Admiral Putjatin den Amur wieder bis zur Schilka hinauffuhr.“

Wir bemerken bei dieser Gelegenheit, daß der General-Gouverneur von Oftfibirien, Nikolai Nikolajewitsch Murawjev, der jezt den Titel: Graf Murawjev vom Amur führt, nicht mit dem aus dem leßten orientalischen Kriege bekannten, ehemaligen Statthalter Kaukasiens zu verwechseln ist, der zwar gleichfalls Nikolai Nikolajewitsch Murawjev *) Ueber den Zug des Kosakenhetmans Chabarov nach dem Amur und seine Kämpfe mit den Chinesen findet sich Näheres in Müller's Sibirischer Geschichte". D. R. **) Wozu auf einem Flusse Führer (проводники) nöthig gewesen, ist nicht recht ersichtlich, es müßten denn Lootsen gemeint sein, die mit den Windungen des Stromes bekannt waren. D. R.

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heißt, aber mit ihm nur weitläufig verwandt sein foll... Ueber das gegenwärtige Leben und Treiben im Amurlande sagt der „daurische Korrespondent" unter Anderem:,,Unsere Gegend bietet das Schauspiel einer Völkerwanderung dar. Alles geht, fährt und schwimmt nach dem Amur. Es ist, als ob man die Fahne der Kreuzzüge wieder aufgepflanzt hätte. Jm Maimonat glich Bjankina (ein kleines Städtchen an der Schilka) einem Hafen, aus welchem ein Landungsheer abfegelt. Prahme, Kähne und Barken bedeckten den Fluß, von welchen sechsundfunfzig mit Artillerie beladen waren. Längs dem rechten Ufer ftanden Prahme mit Auswanderern; auf einen Raum von zwei Werft hörte man nur das Summen menschlicher Stimmen und das Gebrüll der Viehherden. Alles zog an den Amur. Die Fahrzeuge, welche die Schilka hinunterschifften, nahmen kein Ende. Die Ufer des Fluffes, ober- und unterhalb Bjanking, waren mit Volk, Proviantfäcken und anderem Gepäck versperrt. Ueberall wogte ein geschäftiges Leben, es mischten sich die verschiedensten Physiognomieen: Ruffen, Kleinrussen, Sibiriaken, Mongolen, und was die Sprachverwirrung betrifft, so hatte man im Kleinen ein Bild des babylonischen Thurmbaus." Die Handels-Aussichten, hinsichtlich deren man sich in Rußland so überspannten Hoffnungen hingiebt, führt der Brieffteller indeß auf ein ziemlich bescheidenes Maß zurück. Er macht darauf aufmerksam, daß ganz Mandjurien kaum eine halbe Million Einwohner zählt und daß das Land nichts weiter produzirt als Holz, welches die unermeßlichen Waldungen allerdings im Ueberfluß liefern. Erst in der Folge, wenn Ackerbau und Viehzucht im größeren Maßstabe betrieben und die Bevölkerung durch den Zuzug von Kolonisten vermehrt wird, könne von regelmäßigen und lukrativen Handels-Verbindungen nach Amerika, Japan u. s. w. die Rede sein.

Mannigfaltiges.

Eduard Munk's römische Literatur-Geschichte. Von Dr. Eduard Munk, dem Verfaffer einer auf vielen Gymnafien und Realschulen, sowie beim Selbstunterrichte, außerordentlich beliebten Geschichte der griechischen Literatur") ist soeben der erste Band einer nach ähnlichem Plane bearbeiteten Geschichte der römischen Literatur“ erschienen. °*) Der Verfaffer, ein ebenso klaffisch geschulter, als mit der neueren Bildung und Literatur vertrauter und daher von allem philologischen Pedantismus entfernter Gelehrter', befißt gerade diejenigen Vorzüge des Geschmackes und der Schreibart, welche ein Buch, das uns mit den Eigenthümlichkeiten und Schönheiten der literarischen Welt der Alten bekannt machen will, zu einer anziehenden Lektüre machen. Auch die gegenwärtige römische Literaturgeschichte ist, wie die griechische desselben Verfassers, kein bloßes Lehrbuch, sondern ein an der Hand der alten Schriftsteller selbst uns in die Gedanken welt derselben einführendes und mit ihr innig befreundendes Lesebuch. Der bisher erschienene erste Band umfaßt die archaistische Literatur, von den ersten, bekannten Anfängen der römischen Volkspoesie und Kunstliteratur bis zur Entwickelung der historischen Schreibart, der Beredtsamkeit und der Wissenschaften; der zweite Band wird die eigent lich klassische Literatur der Römer und ein dritter endlich ihre nachklassische Literatur behandeln. klassische Literatur behandeln.,,Ueberall ist besonders das hervorgehoben, was an den römischen Schriftstellern, bei ihrer Abhängigkeit von den Griechen, als echt Römisches oder Italisches sich kundgiebt. Bei der Mittheilung der Fragmente verlorener Schriften in diesem ersten Theile sind vorzugsweise diejenigen berücksichtigt, die Cicero anführt, und die Stellen des Horaz, die sich auf die Beurtheilung der älteren Dichter beziehen, werden wörtlich mitgetheilt. Unter die überseßten Stellen ist der lateinische Tert gefeßt, damit der Leser im Stande sei, eine Vergleichung der Uebertragung mit dem Original anzustellen und der Schüler eine Kenntniß der archaistischen Sprache gewinne. In den Ueberseßungen ist der Grundsaß der Alten befolgt, das fremde Original dem eigenen Geiste so nahe als möglich zu bringen.“. Wir zweifeln nicht, daß auch das gegenwärtige, mit Fleiß und Liebe geschriebene Werk sich einer gleich großen Verbreitung und einer ebenso günftigen Aufnahme, wie das über die griechische Litera= tur desselben Verfassers, zu erfreuen haben werde. Aeltere Schriften. von Dr. Eduard Munk, wie namentlich die über das Metrum der Alten, haben die Auszeichnung gehabt, in's Englische überseßt zu werden und sind in Nord-Amerika in allen höheren Lehranstalten eingeführt.

*) 2 Bde. Berlin, Dümmler, 1849-1850.

Bildungs-Anstalten, von Dr. Eduard Munk. Erster Theil, Geschichte der **),,Geschichte der römischen Literatur". Für Gymnasien und höhere archaistischen Literatur der Römer. Berlin, Ferd. Dümmler's Verlagebuchhandlung, 1858.

Må Sentli & ref-beinen 3 Rummern. Brets fährlich 3 tir. 10 gr., Balbiibeli & 1 Thlr. 20 Sqz und vierteljährlich 25 Sạt., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 147.

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Literatur des Auslandes.

Griechenland.

Berlin, Donnerstag den 9. Dezember.

Literaturberichte aus Griechenland.

1. Neuere Vaterlandsreden der Griechen. Wenn man die Stellung des gesammten griechischen Volkes, troß der im Laufe der Jahrhunderte stattgefundenen sittlichen und geistigen Verkommniß und der noch immer über dasselbe zum Theil verhangenen politischen Abhängigkeit, aus dem richtigen Gesichtspunkte betrachten will, so muß man doch immer davon ausgehen, daß dieses Volk mag man es nun Romäer, Gräfen der Neuzeit, oder wie sonst nennen wollen, — von den alten Griechen abstammt. Hierin darf man sich weder von Fallmerayer, noch von Fraas, noch von sonst wem, auch nicht durch irgend welchen in der Geschichte des Volkes und in seiner Gegenwart erkennbaren Umstand, so wie namentlich durch die Zustände desselben, zu denen es im Laufe der Jahrhunderte herabgekommen ist, irgendwie irre machen lassen. Auch liegt in dieser Erwägung und in der ganz objektiv gehaltenen Anerkennung eines thatsächlichen Verhältnisses nichts weniger als ein Kompliment (wenn anders Jemand so etwas darin finden könnte und wollte!); wohl aber liegt darin, insoweit die Griechen der Gegenwart selbst auf diese Abstammung ein Gewicht legen, sie sich vielleicht etwas darauf einbilden und stolz darauf sind, eine um so mächtigere Aufforderung an sie, sich ihrer Abftammung würdig zu machen, je weniger sie bereits in der Gegenwart sich felbst auf solche Würdigkeit zu beziehen und zu berufen im Stande find. Alle ihre Bestrebungen können und müssen nur darauf gerichtet sein, ihre Zustände zu verbessern, aus ihrer Verkommenheit sich aufzuraffen und - jener Würdigkeit mit allen Kräften nachzueifern, und nur diese Bestrebungen selbst sind es, nach denen man das griechische Volk der Gegenwart in seinem Verhältnisse zu den alten Griechen betrachten und beurtheilen muß.

In dieser Hinsicht kann man nichts Besseres thun, als den Griechen der Gegenwart einen Spiegel vorhalten, worin sie erkennen, was das griechische Volk der Vergangenheit in den verschiedenen Epochen der Geschichte gethan habe, und welche Stellung ihm in der Geschichte der Menschheit gebühre, namentlich und vor allen Dingen, daß das griechische Volk es gewesen ist, das einst die europäische Kultur und Civilisation vor dem asiatischen Despotismus und der asiatischen Theokratie geschüßt und gerettet hat.

Einen solchen Spiegel hielt ihm vor kurzem in Athen selbst, an der dortigen Universität, der Profeffor der Staatsökonomie, G. Soutsos, bei einer feierlichen Gelegenheit vor, als er am 20. Mai 1858, dem Jahrestage der Thronbesteigung des Königs Otto, die Festrede hielt, in welcher er über mehrere wichtige Bestimmungen der StaatsVerfaffung des alten Athen in intereffanter und geistreicher Weise sich verbreitete. Er sagt dabei zum Schlusse seiner Rede über die Stellung des griechischen Volkes in der Geschichte der Menschheit Folgendes:

„Das griechische Volk hat für alle Zeiten die Trennung in Kasten, diese unnatürliche und schwer zu beseitigende Grundlage der Ungleichheit der Menschen, von Europa ferngehalten.

Aus ihm erblühten die Wissenschaften, eine gesunde Philosophie, die Dichtkunst, die Geschichte, die wahre Beredtsamkeit und die schönen Künste, welche die Seele auf die ewige Schönheit und auf die unwandelbare Harmonie der göttlichen Weltregierung hinlenken.

Im griechischen Staate fanden die heilsamen Grundsäße der freien Erörterunng und der Oeffentlichkeit der Staatsangelegenheiten sowie der Verantwortlichkeit der Regierenden ihre ausdrückliche Anerkennung. Die Griechen waren die Ersten, welche ein vollkommenes Muster volksthümlicher Regierungen fanden und aufstellten. Ihnen zuerst verdankt man weise Gefeße, die naturgemäßen Grundlagen einer gefeßlichen und wohlgeordneten Verfassung des Staates. Sie gaben zu erst das Beispiel einer echten und in Thaten mächtigen Vaterlandsliebe, einer religiösen Aufopferung für das Vaterland.

1858.

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Darum hatte sich auch im Staate die Gewaltthätigkeit in ihrer häßlichsten Gestalt, nämlich in der Sklaverei, eingenistet, und diese Sklaverei zerfraß und zerstörte, wie ein krebsartiges Geschwür, den Körper des Staates, und der Krieg erstreckte sich sogar bis weit über die Entwaffnung der Feinde hinaus. Wehe den Besiegten! Als nun aber das heilsame Wort von der Religion der Liebe in der bezaubernden Sprache Griechenlands der Welt verkündigt worden war, fanden in ihr auch die göttlichen Rathschlüffe und Gebote Eingang bei den Menschen.

Auch nach diesem, da die Zeit erfüllet und die leßte Stunde gekommen war und die Schaaren der Barbaren, die uns umgaben, mit der Gewalt des Sturmes über unsere entkräfteten Körper hereinbrachen, auch da noch wirkte das Feuer, das unsere Nationalfreiheit durchdrang und die Kaiserkrone von Byzanz schmückte, zur Erleuchtung und zur geistigen Wiedergeburt Europa's.

Hat nun aber das durch göttliche Fügung und durch die gewaltigsten Opfer nach anhaltenden und schweren Kämpfen wie ein Phönir aus der Asche wiedergeborene griechische Volk allenthalben seine Bestimmung erfüllt? Ift in der Kette unserer Notional-Ueberlieferungen auch bereits der leßte Ring hinzugefügt worden? Kann der Freiheitskampf der Griechen, dem durch seine Kühnheit, durch seine nationale und religiöse Parole (Vaterland und Glaube!) und durch seine Großthaten das Glück zu Theil ward, die Aufmerksamkeit und die Theilnahme der gebildeten Welt auf sich zu ziehen, als eine einzeln stehende Begebenheit, als eine abgeschlossene Thatsache angesehen werden, gleich den Nationalitäten innerhalb offiziell abgesteckter Gränzen? Oder ist er nur wie ein heller Morgen, der danach den glänzendsten Tag weiffagt? Ift er der Triumph des Nechtes und der chriftlichen Bildung in der Welt des Orients? Wäre das: wann endlich wird die menschenfreundliche, chriftliche, europäische Idee des griechischen Kampfes, die von den nämlichen Mächten, welche sie erst bekämpft hatten, nachmals gutgeheißen und ausdrücklich anerkannt worden war, mit der Kraft der Gefeße umgeben? Wann wird das Recht auch in den Ländern des Drients Gefeß, Sitte und That werden?

Europa richtete noch vor kurzem seine Blicke nach dem Oriente, und während es mit der Tiefe seines Verstandes und seiner Erfahrung die kommenden Geschicke erkennt, ist es voll Unruhe und Ungewißheit, zaudert es und geht zurück. Welches sind seine geheimen Gedanken und Erwägungen? Was beschließt es? Was will es?

Vielleicht liegt die Lösung dieser Ungewißheit in jenem leßten Worte Alexander's des Großen, als seine Getreuen ihn fragten, wem er das Reich überlaffen wolle, und er antwortete:,,Dem Besten". So wollen wir denn mit Achtung und Ehrfurcht diesen leßten Willen des großen Alexander begrüßen und im Besiße eines freien und unabhängigen Königreichs dahin streben, uns als ,,die Besten" in der Welt des Orients zu erweisen, ebenso durch die Einheit unserer Nationalität, als durch wahre Bildung, durch Gefeßlichkeit und durch die Beförderung unserer materiellen Intereffen! Und wie wir im Stande sind, durch friedliche Kämpfe und mit den Waffen des Friedens, deren Gefeßlichkeit die gesammte gebildete Welt fegnen wird, unserem schönen Vaterlande zu der hohen Stellung zu verhelfen, die ihm Gott angewiesen hat, so wollen wir das königliche und inhaltreiche Gebot des Macedoniers muthig auf uns nehmen und, wenn wir dann die Besten geworden, von neuem den allgemeinen Intereffen der Menschheit dienen und wollen die nicht immer mit Erfolg gekrönten Bestrebungen Europa's, feine Civilisation dem Oriente mitzutheilen, zu unterstüßen uns bemühen“.

Wir erwähnen demnächst einer in ausgezeichnetem Griechisch geschriebenen Rede über Alexander den Großen, von dem Pro

feffor Kouft. Afopios in Athen.") Er hatte dieselbe bei der Uebernahme des Rektorates an der Universität Athen im September des Jahres 1856 gehalten. Der Redner geht davon aus, daß, wenn diejenigen, welche gegenwärtig die Geschicke Europa's leis ten und bestimmen, in edlem Eifer bemüht sind, die Kultur und Civilisation Europa's nach dem Oriente zurückzuführen, von wo sie einst nach dem alten Hellas gekommen, sie nichts Anderes unternehmen, als was in alten Zeiten der griechische Alexander gethan, der die Schäße der griechischen Bildung nach Asien und Afrika verpflanzte. Denn der Hellenismus der alten Welt war für die damalige Zeit das, was jezt die europäische Kultur und Civilisation ist, welche sich aus den bisherigen Kulturzuständen und Civilisationen in einem weiteren und breiteren Umfange und mit der Bestimmung entwickelt hat, die Civilisation der Welt zu werden. Sodann kommt der Redner auf die verschiedenen Urtheile alter und neuer Schriftsteller über Alerander den Großen zu sprechen, die so entgegengesetter Art sind und so weit auseinandergehen, daß sie geradezu die Vermuthung veranlassen könnten, es handele sich dabei um zwei Personen, oder es seien in dem nämlichen Individuum die Tugenden und die Laster so überwiegend gewesen, daß diejenigen, welche die ersteren vergöttern, und die, welche die zweiten verdammen, den unerfahrenen Kenner der Geschichte darüber in Ungewißheit und in Zweifel laffen, ob ein bestimmtes Urtheil über ihn bereits entschieden habe, oder ob noch ein solches streitig sei. Die Bewunderer Alexander's nennen ihn einen großen Mann, einen Wohlthäter der Menschen und ein Wesen fast göttlicher Art, seine Ankläger dagegen heißen ihn einen Räuber, einen Bezwinger und Verder ber der Völker. Mit Hülfe der durch die neuesten Forschungen und Untersuchungen erleuchteten Kritik prüft der Redner diese verschiede nen Urtheile, weist ihnen ihre richtige Stellung an und führt sie auf ihr rechtes Maß zurück. Als einer der heftigsten und leidenschaftlichsten Gegner Alerender's wird unter den älteren Schriftstellern der Philosoph Seneka mit seinen Urtheilen zurückgewiesen, unter den neueren dagegen der Geschichtsschreiber Niebuhr. Zur Erklärung des heftigen, leidenschaftlichsten Tadels des Lezteren wird die Vermuthung ausgesprochen, als habe Niebuhr, der ein guter Deutscher war, Alexander genannt, aber den Feind seines Vaterlandes, Napoleon, gemeint, und er habe dadurch um so sicherer auf diesen und die Deutschland drohenden Gefahren aufmerksam machen wollen.**) Besonders günstig äußert sich der Grieche Asopios über Drøysen und über dessen Beurtheilungen Alexander's, die zu den Urtheilen Niebuhr's den geraden Gegensatz bilden. Bei dieser Gelegenheit rühmt Ersterer im Allgemei nen das Werk Droysen's: „Geschichte des Hellenismus“ (2 Bde., Hamburg, 1836-1843) und spricht den Wunsch aus, daß es Jemand in Griechenland unternehmen möchte, daffelbe in's Griechische zu übersehen. Den gleichen Wunsch hat er in Ansehung des Werkes des Franzosen Theodor Jouffroy: „, Mélanges philosophiques", namentlich des Abschnittes:,,Du rôle de la Grèce dans le developpement de l'humanité."

Asopios selbst stellt Alexander den Großen dar als Griechen, als einen großen und starken Charakter, voll Adel des Herzens, mit kräftigem Geifte und von Klarheit des Verstandes, sowie von festem Willen, von politischem Scharfsinn und kluger Voraussicht in die Zukunft, von wissenschaftlicher Bildung und von seltenem Geistesreichthum, der von der Weisheit der göttlichen Vorsehung zur rechten Zeit auf die Bühne der Welt berufen worden sei, als ein Apostel der hellenischen Bildung, der diese Bildung habe zu den Barbaren bringen sollen, um zugleich auf diese Weise die Entwickelung und Verbreitung des Christenthumes im Oriente vorzubereiten. Dies bewirkte er durch seine politischen Maßregeln, durch die Verpflanzung des hellenischen Geistes und der hellenischen Kultur nach Asien und Afrika, namentlich auch durch die Verbreitung der griechischen Sprache in jene Länder. Wenn Alerander in dieser Hinsicht dazu beitrug, daß in Folge dieser Verbreitung der griechischen Sprache die in dieser Sprache verfaßten Bücher des neuen Testaments die chriftliche Lehre um so weiter verbreiteten, so kann, so muß man ihn nicht blos als ein einflußreiches Werkzeug in der Hand der Vorsehung, sondern man muß ihn geradezu als einen Vorläufer des Christenthumes, als einen Vorgänger der Evangelisten, als einen Mitdiener am Worte Gottes und Gehülfen der Apostel ansehen und betrachten. Das thut auch Asopios, und ebenso wenig unterläßt er es, zu bemerken, wie selbft die prophetischen Bücher des alten Testaments, namentlich des Jesaias, auf die Thaten Alexander's des Großen und auf deren weltbewegende Folgen, die dem Worte Gottes die Bahn ebenen, hinweisen. Daher hat auch, was wir hier nebenbei erwähnen wollen, der in Deutschland bekannte und als begabter Dichter sowie als geistreicher Gelehrter geachtete Grieche, G. Terßetis in Athen, in einem Gedichte: „Oi ráμoi tov Meɣálov

رو

» Περί Αλεξάνδρου τοῦ Μεγάλου". Εν Αθήναις, 1857. Gine nicht geringe Bestätigung dieser Vermuthung findet sich in der Vorrede von Friedrich Jacobs zur zweiten Ausgabe von,,Demosthenes' Staatss

'Ahe§ávógov xaì Twv Muzɛdóvar soarnywr", welches in Athen 1856 erschien, Alexander den Großen mit dem Christenthume in eine solche unmittelbare Verbindung gebracht, daß er bei der feierlichen Hochzeit deffelben in Susa auch den Evangelisten Johannes mit auftreten läßt, der dem Alexander die Geheimnisse des neuen Reiches offenbart und ihn selbst als einen in diese Geheimnisse Eingeweihten, als einen Christgewordenen darstellt. Nach dem, was Asopios in seiner Rede über den inneren Zusammenhang zwischen der weltbewegenden Er. scheinung Alexander's des Großen und dem Christenthume sagt, ist jene Fiction in dem Gedichte des Tergetis erklärt und gerechtfertigt, und sie dient um so mehr dazu, jenen geistigen Zusammenhang in einem um so klareren Lichte erscheinen zu lassen, je erhabener der Standpunkt ist, von welchem aus Tergetis und Asopios die großer Begebenheiten der Weltgeschichte betrachten. Auch Droysen fagt irgendwo:,,In der That, es war eine Weltsprache, in der die Apostel predigten."

„Wir müssen“, sagt Afopios gegen das Ende seiner Rede,,,wir müssen das Werk vollenden, das wir begonnen haben, wir müssen vorwärts, wir können nicht anders, auch wenn wir nicht wollten. Vorwärts gezogen und rückwärts gestoßen, von der Civilisation getrieben und aufgestachelt, müssen wir weiter schreiten, damit wir nicht getreten werden. treten werden. Bei der Ausdehnung, welche die europäische Kultur bereits gewonnen hat, ist es auch unsere, des Griechenvolkes, heiligste Pflicht, den Ring in der großen Kette der Kultur zu schließen, indem wir nach allen Seiten hin das Gute uns aneignen und, so weit möglich, das Schlechte fernhalten, immer aber dabei unseren NationalCharakter uns bewahren. Es ist unrecht, wenn Griechenland in dem Streben nach der Civilisation und Kultur, deren erste Heimat es einst war, hinter anderen zurückbleibt. Ein Jeder von uns muß sein Scherflein, sei es groß oder klein, zu dem Gebäude der griechischen Wiedergeburt beitragen, und weder die gegenwärtige, noch die zukünftige Geschichte wird es versäumen, den Namen und die einzelne That in ihren Büchern zu verzeichnen. Wohl weiß ich, daß viele und verschiedenartige Schwierigkeiten uns umgeben und unsere Schritte hemmer, aber es liegt in der Natur der Schwierigkeiten, daß der Mensch sie durch Kampf besiege, und ohne Kampf vermögen wir Güter weder zu erwerben, noch zu erhalten. Auch sind Schwierigkeiten noch keine Unmöglichkeiten, die Niemand verlangt, und wenn es gilt, das gesunkene Vaterland durch Bildung zu erheben und es fähig zu machen, daß es gleich anderen ruhmgekrönten Nationen Geltung erlange und Sig und Stimme habe im Rathe der Völker, so mag das Unternehmen ein großes und schwieriges sein, aber es ist kein unmögliches."

Belgien.

Das geistige Eigenthumsrecht und der Kongreß zu Brüffel. (Fortseßung.)

Das Comité hatte vielleicht geglaubt, die Hauptfrage umgehen zu müssen, oder gemeint, sie sei gelöst und fast allgemein augenommen; die Thatsache bewies das Gegentheil und zeigte, daß es unumgänglich nothwendig sei, wenn man zu einem greifbaren Ergebniß kommen wolle, das Prinzip zuerst festzustellen. Es entstand eine babylonische Verwirrung, denn es gab allerdings eine bedeutende Partei, welche ein geistiges Eigenthumsrecht leugnete. Berardi, der Redacteur der Indépendance Belge, rügte freimüthig in der zweiten Sißung diese Unordnung, die aus dem offenen Widerspruch zweier Prinzipien entstehe, und wies darauf hin, daß man erst dann mit Erfolg über diese Dinge handeln und beschließen könne, wenn die Grundfrage gelöst sei, ob ein wirkliches geistiges Eigenthumsrecht sich aus der Idee des Rechtes überhaupt ableiten lasse, oder ob dasselbe vielmehr nur eine Konzession an zeitweise Zustände und Verhältnisse sei? Soviel wir errathen können, nahm die für ein wirkliches Eigenthumsrecht, gewonnene und sich begeisternde Mehrheit dasselbe als feststehende Thatsache an und versuchte vorwärts zu kommen, ohne der Meinung und Ansicht der Minderheit Rechnung tragen zu wollen. Da diese indeß nicht überstimmt und durch Beschluß beseitigt war, so hatte sie Gelegenheit genug, die weiteren Verhandlungen zu unterbrechen und zu verwirren. In dieser zweiten Sizung sollte über die Dauer des Eigenthumsrechtes verhandelt werden, ob daffelbe dreißig, oder funfzig, oder auch mehr Jahre, oder für immer dauernd, ob diefe von der Veröffentlichung eines Werkes oder von dem Tode des Verfassers ar gerechnet werden sollten u. f. w. Natürlich hatten die Gegner des Eigenthumsrechtes leichtes Spiel, die Sache durch Einsprachen zu ver wirren. An Rednern fehlte es nicht, schier zwei Drittel der Kon greß-Mitglieder, deren Hunderte waren, hatten sich zum Reden einschreiben lassen, und die Sißung währte ungewöhnlich lange. Natürlich, leeres Stroh war da genug zu dreschen. Wenn es wirklich ein geistiges Eigenthumsrecht giebt, so versteht es sich von selbst, daß daffelbe entweder allein an die Person des Autors ober auch an feine

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funfzig, hundert Jahren u. f. w. eine reine Willkürlichkeit ist, die man burch nichts Prinzipielles begründen kann. Der Präsident Faider beging den Fehler, die Entscheidung, ob es ein geistiges Eigenthumsrecht gäbe oder nicht, von der Beschlußfaffung abhängig zu machen, je nachdem man für die immerwährende oder zeitlich beschränkte Dauer des Rechtes sich entschied. Sehr charakteristisch für den philosophischen Geist, der in der Versammlung herrschte, und ein neuer Beweis dafür, daß solche Kongreffe nicht der Ort find, wo tiefe Probleme gelöst und Grundlagen zu festen Gesezgebungen gelegt werden!

Eine bedeutende Zahl, darunter, wie es scheint, besonders die Italiäner, ftritten für die Unverlöschlichkeit des Rechtes; die Gegner behaupteten, diese sei praktisch unausführbar. Mit Recht! Bei der Wahl des Präsidenten für diese Sigung kam es bereits zu Mißhellig keiten, indem Faider den französischen Staats-Dekonomen Wolowski zu dieser Würde vorschlug und eine einstimmige Annahme des Kandidaten eifrig befürwortete. Da indeffen Wolowski als eifriger Gegner der immerwährenden Dauer berufen war, so wurde seine Wahl nicht ohne bedeutenden Widerspruch durchgesezt. Seinem Versprechen der Unparteilichkeit, das er bei dem Betreten des Präsidentenstuhles gab, foll er nicht ganz nachgekommen sein; er nahm an der Diskussion pro und contra mit Lebhaftigkeit Theil. Desto unparteiischer soll sich Hachette, der bekannte Pariser Verleger, als Vicepräsident benommen haben. Er ist Anhänger des immerwährenden Rechtes.

Troß einer glänzenden Rede des Moralphilosophen Jules Simon wurde in der Fortseßung die Unverlöschlichkeit des Rechtes mit 58 Stimmen gegen 38 abgelehnt; Berichterstatter war Victor Foucher, ein entschiedener Gegner derselben. In der General-Versammlung kam es noch einmal zu Verhandlungen darüber, da die überstimmte Partei sich nicht zufrieden geben wollte. So z. B. brachte der Advokat Breullier einen Antrag ein, wo er die Immerwährendheit praktisch fallen lassen, dagegen das Prinzip anerkannt wiffen wollte. Als derselbe abgelehnt war, tauchten noch eine Anzahl ebenso unglücklicher Amendements von Blanc, Garnier, Pascal Duprat und dem StaatsDekonomen de Molinari auf. Als Beschluß wurde angenommen, daß Literarisch-artistisches Eigenthumsrecht nach dem Tode des Autors auf die Erben übergehen und noch funfzig Jahre dauern solle. Das ist die Gränze, die auch das spanische und russische Geseß macht, während der Kongreß anfangs nur dreißig Jahre vorgeschlagen.

So weit unser Gewährsmann. Sollen wir den allgemeinen Eindruck wiedergeben, den dieser Kongreß nach der freilich gewiß nicht erschöpfenden Schilderung machen muß, so ist es vor Allem der der Verwirrung, wie überhaupt die ganze Sache diesen Charakter an sich trägt. Praktische Uebelstände, Billigkeitsfragen und Rechtsbegriffe find in einen wüsten Knäuel gewirrt, und nun zerrt der Eine hierhin, der Andere dorthin. Man sieht, daß die Frage erst in den ersten Stadien der Entwickelung steht und nur tumultuarisch und ohne leitende Grundsäße angegriffen wird.

Ist es nicht eine Gedankenlosigkeit sonder gleichen, daß die Annahme, als wären die Intereffen des Produzenten, d. h. des Schriftstellers und Künstlers, und die des Verlegers und Kunsthändlers identisch, ganz unschuldig und ohne Weiteres acceptirt wird? Ift denn wirklich der Buch- und Kunsthändler so unbedingt der Mandatar und Sachwalter des Autors, daß Leßterer sich vertrauensvoll unter seine Flügel begeben kann? Vermischen sich ihre beiderseitigen Intereffen wirklich in dem gemeinsamen Rechte des geistigen Eigenthums? Wir dächten doch, Beide hätten sehr verschiedene Intereffen, und ihr beiderseitiges Verhältniß wäre nicht immer das einer rosenfarbenen Gemüthlichkeit. Was Buch- und Kunsthändler für ein Intereffe haben, ein geistiges Eigenthumsrecht zu wünschen und festgestellt zu fehen, liegt auf der flachen Hand. Kapital- und Industrieschuß; ganz daffelbe, was man früher Privilegium nannte. Das Wort geistiges Eigenthumsrecht" ist nichts als eine Etikette im Geschmacke unserer Zeit und heißt auf deutsch,,Privilegium eines Verlegers u. s. w. auf einen nußbaren Autor". Wäre der Leßtere wirklich im freien Besige feines geistigen Eigenthums, so bedürfte es eines so vorsorglichen Geseßes nicht, welches der Dauer deffelben Fristen sezt. Ein Schrift fteller z. B., der entweder seine Werke selbst herausgiebt oder seinem Verleger immer nur Eine Auflage verkaufen würde, bleibt von selbst im immerwährenden Besige seines Rechtes und könnte das felbe testamentarisch an Kinder oder jeden beliebigen anderen Erben vermachen. Hier wäre wirklicher Besit vorhanden, der auf keine Weise streitig gmacht werden könnte. Andererseits kann aber derselbe Schriftsteller sein Werk und sein Eigenthumsrecht dem Verleger für eine runde Summe dergestalt abtreten, daß er allen weiteren Ansprüchen entsagt; natürlich ist dann der Verleger der Besizer, und sein Recht auf Herausgabe des Buches, so oft und wann er will, kann keinem Bedenken unterliegen. Hier ist aber nicht mehr von einem geistigen Eigenthumsrechte die Rede, das ja mit dem Rücktritte des wirklichen geistigen Eigenthümers erlischt, sondern von dem Benußungsrechte einer Sache. Nicht das Geistige gilt

etwas, sondern das materielle Buch, so und so viel Loth ober Pfund bedrucktes Papier u. f. w. Schiller's und Goethe's Werke rangiren hier vollständig mit Schuhen, Stiefeln, Seife, Pomade u. s. w.; der Buchhändler handelt nicht mit Geist, sondern mit bedrucktem Papiere. Was den Preis uud Markt desselben macht, ist völlig gleichgültig. Homer's, Dante's Geist mag unschäßbar sein; aber Thatsache ist, daß ich unter Umständen ihre sämmtlichen Werke für fünf Silbergroschen und noch weniger erkaufen kann. Das Publifum andererseits tauft nicht bedrucktes Papier blos, sondern (der Regel nach) den Geist des Werkes; diesen bezahlt es nicht dem Buchhändler, sondern dem Autor, und es bezahlt ihn auch nicht mit Geld, sondern mit der entsprechenden Münze, mit Bewunderung, Liebe, Anerkennung, Ruhm, unter Umständen auch mit dem Gegentheil.

Die Gegner der immerwährenden Dauer des Rechtes haben angeführt, daß auch das Publikum Rechte an den Autor habe, nicht blos er auf das Publikum; daß endlich seine Werke Gemeinbesit desselben werden müßten u. s. w. Auch eine glänzende, aber hohle Redensart; als ob das Publikum nicht immer im Gemeinbesiß des Autors wäre, oder, wenn man will, auch das Gegentheil davon, im freten Nichtbesize. Ich z. B., um als ein Theil des Publikums zu reden, entsinne mich nicht, daß ich je einen berühmten oder unberühmten Autor umsonst bekommen hätte; immer (abgesehen von Bibliotheken) habe ich das Buch kaufen und die Erlaubniß zum Eintritt in ein Konzert oder eine Kunstausstellung bezahlen müffen. Bei Benuzung eines Werkes ist es ganz gleichgültig, ob es die rechtmäßige Ausgabe oder ein Nachdruck sei. Praktisch würde nur entscheiden, welches die beffere und wohlfeilere Ausgabe sei. Man kann also das Publikum und die Großmuth gegen dasselbe getroft aus dem Spiele laffen; es handelt sich um ganz andere Dinge, und zwar um eine Sache, die dem geistigen wahren Eigenthumsrechte schnurstracks entgegengesezt ist.

Es eristirt allerdings ein geistiges Eigenthumsrecht, dieses aber nur in dem Geifte und der Person des Autors, und ist vollkommen geistiger Natur, unveräußerlich und unzerstörbar; dieses kauft kein Buchhändler und sonstiger Verleger weg; es ist das Recht des betreffenden geistigen Schöpfers auf Anerkennung, Bewunderung, Ruhm. Es kann kein Anderer kommen und sagen z. B., Leffing's Werke gehören jest mir; ich bin in seine Stelle getreten und bitte euch, das, was ihr bisher gegen Leffing gefühlt habt, auf mich zu übertragen. Was der Autor verkauft, ist nicht sein Geist, sondern nur eine Berkörperung, Veräußerlichung deffelben, in einem materiellen Vehikel, Kunstwerke, Buche u. s. w., und von diesem Vehikel gilt ganz daffelbe, was von jeder anderen Waare gilt; auch bestimmt sich sein Geldwerth ganz nach denselben Grundsäßen, nach Zeitaufwand, Zuthat, Herstellungskosten und andererseits nach Zeitumständen und äußeren Konjunkturen. Wie man nun das Recht auf Ausnußung dieses Vehikels ein geistiges Eigenthumsrecht" nennen könne, will uns nicht recht einleuchten; wir dächten doch, es wäre nur ein sehr materielles Benugungsrecht. (Schluß folgt.)

England.

Das Drama im heutigen England.

Es wird vielleicht manchen unserer Leser nicht uninteressant sein, etwas über die Art und Weise zu erfahren, wie die heutigen Engländer in ihrer Art Aesthetik treiben, und namentlich, mit welchen Augen sie Shakspeare und die Zukunft ihrer Bühne betrachten. Ein Artikel aus der North British Review, der in England selbst durch seine kühnen Paradoren Aufsehen und zum Theil auch Widerspruch erregt hat, soll uns als Ausgangspunkt dienen.

Der Verfasser fängt damit an, die Dramen in drei Klaffen zu theilen: 1) in das einfache rhythmische, oder epische Drama (wir würden es das ,,klassische" nennen), 2) in das harmonische oder Shafspearische Drama, und endlich 3) in das gemischte, welches an den Eigenschaften der beiden ersten Klassen theilnimmt. Zu der ersten Art rechnet er die Griechen, zur zweiten Shakspeare allein, zur dritten die besten englischen neueren Dramatiker, einschließlich z. B. Jonson und Massinger. Dann geht er zu der Bemerkung über, daß, da das griechische Drama zur Darstellung auf einer anderen Bühne nicht geeignet, da ein zweiter Shakspeare unmöglich geworden und die mitt lere Schule von Dramatikern durch und durch fehlerhaft sei, wir mit Recht annehmen können, das vorstellende Drama sei todt, und es sei gut, wenn dem nicht anders wäre.

"Wir glauben", fährt er fort,,,daß der Tag des vorstellenden (aufgeführten) Drama's in Großbritannien für immer vorüber ist, und sind überzeugt, daß weder die Gesellschaft noch die dramatische Literatur eigentlich daran Schuld find. Die ungeheure Mehrheit einer großen britischen Zuschauerschaft muß (ganz wie bei uns!) immer mehr durch starke, als durch fanfte Mittel zur Theilnahme angeregt werden. Von allen neueren Dramatikern war Shakspeare allein

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