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No 15.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin be Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallstr. Nr. 21), sowie von allen königl. Poft- Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Italien.

Die Republik San-Marino.

Berlin, Donnerstag den 4. Februar.

Dieser Miniatur-Freistaat innerhalb des päpstlichen Gebietes, zehn Meilen von Rimini und der adriatischen Küste, besteht aus einem 350 Toisen hohen Berge, dem Monte Titano, mit den ihn umgebenden Thälern und Hügeln. Auf einer Flächenausdehnung von zwei Stunden Länge und anderthalb Stunden Breite zählt sie 7000 Einwohner. Die Hauptortschaften sind: die Stadt San-Marino, Borgo (die Vorstadt), die Schlösser (castelle) Serravalle, Monte-Giardino, Fantano, Fiorentino, Domagnano, Acquaviva. Mit Ausnahme von Serravalle und Borgo find die übrigen nur kleine Gruppen ländlicher Häuser, die keine Straßen bilden, mit einer vereinzelt stehenden Kirche; die Hauptstadt, auf dem Gipfel der Berges, hat beiläufig 1000 Einwohner. Den Winter und einen Theil des Frühlings ist der Berg mit Schnee bedeckt. Der größtentheils felsige Boden ist von geringer Fruchtbarkeit, dem aber dennoch die angestrengte Arbeit der Bauern Cerealien, vortreffliches Obst, Del und Wein abgewinnen; außerdem beschäftigen sich die Einwohner mit Seidenbau, Vieh-, besonders Schwarzviehzucht, fabriziren Töpferwaaren, Spielkarten, Schießpulver. Die legteren beiden Artikel, die in den Kirchenstaat eingeschmuggelt werden, bilden den Hauptzweig der Industrie und des Handels. Die Bevölkerung unterscheidet sich gegenwärtig in nichts von der der Romagna; schlicht, ländlich, ohne höhere Wünsche, vereinigt fie die Liebe zur Freiheit mit der treuen Anhänglichkeit am alten Glauben.

Die Republik ist einer der ältesten Staaten in Europa. Unter der Regierung Diocletian's begab sich ein zum Christenthum überge tretener dalmatischer Soldat, Namens Marinus, mit einigen Gefährten in das Gebiet von Arimonium (Rimini). Nachdem er hier dreißig Jahre als Maurer gearbeitet hatte, nahm er die Priesterweihe und ließ sich auf dem Gipfel des öden Monte Titano nieder; anstatt aber hier ein Kloster zu gründen, hatte er die glückliche Idee, eine bürgerliche Gesellschaft einzurichten. Bald waren die Ansiedler, die sich zufanden, so zahlreich, daß es nöthig wurde, auf dem entgegengeseßten Abhang des Berges Häuser zu bauen. So entstand Borgo (die Vorstadt) oder Mercantale (das Kaufmannsviertel).

Die Organisation von San-Marino als unabhängiger Staat geht mindestens in das fünfte Jahrhundert zurück. Um diese Zeit flüchtete sich der König Berengar vor seinem Nebenbuhler Otto auf den Monte Titano und erließ von hier aus eine Freiheits-Urkunde. In den Streit zwischen dem Priesterthum und dem Kaiserthum nahm San-Marino für die Gibelinen Partei, ohne sich aber thätig in die Feindseligkeiten zu mischen. Unter den Schuß der Montefeltro, der Grafen und Herzoge von Urbino gestellt, wurde dieser kleine Staat oft in den Zwiftigkeiten der benachbarten Fürsten als Schiedsrichter gewählt. Da die Republik nichts durch Waffengewalt erobern fonnte, so suchte sie Alles durch Geld zu erwerben. Im dreizehnten Jahrhundert versuchten es die Päpste, Rechte auf San-Marino geltend zu machen, und verlangten die Bezahlung einer Auflage; sie wurde aber verweigert. Später bewilligte ihr Martin V. in einer Bulle das Recht, ihre Obrigkeiten zu wählen, sich Geseze zu geben und zu verbessern. Dieses Zugeständniß gab dem Papste den Rechtstitel, auch andere zu machen, und es war klar, daß der Stuhl Petri auf diese Thatsache später seine Ansprüche begründen könnte. Die Regierung von San-Marino beging den Fehler, gegen die Einmischung einer fremden Macht in ihre inneren Angelegenheiten nicht zu protestiren. Ein andermal erhielt sie vom päpstlichen Stuhl, als Belohnung für ihre müßliche Dazwischenkunft in die inneren Streitigkeiten Italiens, die Gebiete Serravalle, Fiorentino, Monte Giardino. Erst im siebzehnten Jahrhundert begann die Kirche das Protektorat über SanMarino auszuüben, das sie noch heute ausübt. Der letzte Herzog von Urbino, Franz Maria II., alt und ohne Erben, sah ein, daß seine Domänen nach seinem Tode an den heiligen Stuhl übergehen würden, und veranlaßte daher seine Nachbarn, sich im Freundlichen mit der

1858.

päpstlichen Regierung zu verständigen und zum voraus ein Protektorat zu vermitteln, dem fie früher oder später doch würden verfallen müssen. Rom ging auf die ihm gemachten Eröffnungen ein, achtete sogar die Freiheiten des kleinen Staates, ohne Zweifel aus Furcht, ein durch sein Widerstreben hervorgerufener Aufstand könnte den Unzufriedenen im Herzogthum Urbino zum Stüßpunkte dienen.

Bald wurde der Titel Republik durch den Namen Gemeinde verdrängt. Die Volksversammlung zur Verbesserung der Landesgefeße strich aus dem Bürgereid die Verpflichtung, die Waffen gegen Jedermann zu kehren, der die katholische Religion angreifen würde; seltsam genug von einem Volke, das der weltlichen Gewalt des heil. Stuhls fast unterthan ist und mit Leib und Seele an der Religion seiner Väter hängt. Besonders charakteristisch für die Zeit, in welcher das Gesegbuch umgearbeitet wurde, find die darin aufgenommenen Maßregeln, San-Marino vor jedem fremden Einfluß zu bewahren. Wer einen Fremden herbeiruft, verliert sein Vermögen, das dem Staatsschaß verfällt, wird zum Tode verurtheilt und, an einen Eselsschwanz gebunden, auf den Richtplaß geschleift. Bei Todesstrafe verboten ist der Verkauf einer Wohnung, eines Grundstücks an einen mächtigen Herrn. Keinem übelberufenen Ausländer ist der Zutritt in die Republik zu gestatten. Diese Maßregeln von etwas drakonischer Färbung, die sich übrigens in der Folge durch den Gebrauch und die fortschreitende Civilisation stark abblaßten, konnten dennoch der herannahenden Stunde des Verfalls nicht vorbeugen. Mehrere der ältesten und angesehensten Familien, die sich in großen Städten ansässig machen wollten, um hier eine Rolle zu spielen, verkauften hin und wieder ihre Befißungen in der Republik. In der That genoß der Adel keinerlei Vorrecht in San-Marino. Er zählte hier wenig Mitglieder, die er hauptsächlich unter den Männern vom Schwerte warb, obgleich die gute Führung der höchsten bürgerlichen Aemter Manchem den Anspruch einräumte, auch ohne jemals die Waffen getragen zu haben, eine Stelle in der Aristokratie einzunehmen,

Die politische Organisation von San-Marino ift höchst einfach. Die souveraine Macht eignet dem Gesammtvolfe. Bei, natürlich sehr seltenen, ernsten Umständen ruft die große Glocke der Kathedrale das Volk zu allgemeiner Versammlung (aringo-aringamento). Vertreten wird das Volk durch einen Rath, il principe genannt, ein Name, der für sein Gewicht im Staate bezeichnend genug ist; ehemals bestand er aus sechzig, gegenwärtig aus fünfundvierzig Mitgliedern, die auf Lebenszeit ernannt werden. Sie stimmen durch Kugelung ab über die gefeßgebende Gewalt, entscheiden über alle politische Fragen von einiger Bedeutung und haben das Recht, sich selber zu ergänzen. Dieses Kollegium betraut mit der Erekutive zwei Beamte, die sonst den Titel Consoli (Bürgermeister) führten, dem man aber seit lange schon die Benennung Capitani governatori (regierende Häupter) vorgezogen hat. Ihnen liegt die Leitung der laufenden Geschäfte, die Verwaltung der Republik ob; fie richten über Kriminalfälle und über Angriffe gegen die Sicherheit des Staates. Der eine verwaltet die Stadt, der andere das Land. Der Rath designirt durch Stimmenmehrheit zehn seiner Mitglieder, aus welchen die zwei Capitani durch das Loos gezogen werden. Diese wechseln halbjährlich, im März und September, und sind erst nach einem Zwischenraum von drei Jahren wieder wählbar.

Als vermittelnde Macht zwischen der Legislativen und Erekutiven steht ein Nath von zwölf durch Wahl ernannten Mitgliedern, der an der Verwaltung Theil nimmt und die Würde eines Appellhofes oder Caffationsgerichtes bekleidet. Zwei Drittel dieses Rathes werden alljährlich erneut.

Sehr weise Vorsichtsmaßregeln sind genommen, um den Besprechungen der souverainen Versammlung Gewicht zu geben; erst mit fünfundzwanzig Jahren wird man zugelaffen, und zwei nahe Verwandte dürfen nicht zugleich Theil daran nehmen. Bürger, die den Sizun. gen nicht beiwohnen, ohne einen genügenden Hinderungsgrund nachzuweisen, werden um zwei Bajocchi (etwa 10 Pfennige) gebüßt, mit der ausdrücklichen geseßlichen Bestimmung, daß von dieser Straf

summe nichts erlaffen werden darf, was von dem Werth des Geldes im Lande einen Begriff giebt.

Die richterliche Gewalt ist einem ausländischen Rechtsgelehrten, einem Doktor der Rechte, anvertraut; unter dem Titel Commissario wird er auf drei Jahre ernannt, aber nur Civilsachen gehören zu seiner Gerichtsbarkeit. Die Republik unterhält auch einen Arzt und einen Wundarzt, die alle Bewohner unentgeltlich behandeln müssen.

Salzregale. Es besteht nämlich seit Jahren ein Vertrag zwischen dem Kirchenstaat, wonach sie in diesem alljährlich 160-180,000 Pfund Salz, das Pfund um eine Centime, aus den Salinen von Cervia einzuführen das Recht hat. Nach Abzug aller Kosten ist der Ertrag für den Staat höchstens auf 12,000 Fr. anzuschlagen. Die Tabacks-Fabrication bringt nur 2500 Fr., theils weil der Rohstoff im Auslande gekauft wird, theils weil die Manufakturen der Nachbarstaaten denen von San-Marino eine starke Konkurrenz machen. Eine Art Roulette (Biribisso), das hier die Stelle der Lotterie vertritt, wirft etwa 1700 Fr. ab. Die Grundsteuer (1⁄2 Prozent vom Ertrag), andere indirekte Auflagen, die Domänen, bringen zusammen beiläufig 6600 Fr. Die Hülfsquellen, die auf dem Budget anderer Staaten figuriren, fallen hier weg: San-Marino hat keine Gränzzölle, keine Post-Verwaltung, kein Stempelpapier, keine eigene Münze.

Sonst hatte San-Marino keinen Vertreter an irgend einem europäischen Hofe; allein die Versuche der italiänisch-absolutistischen Regierungen, die Unabhängigkeit des kleinen Staates zu vernichten, brachten den obersten Rath zu dem Entschluß, in Turin und Paris einen Geschäftsführer zu unterhalten, um sich, im Fall der Gefahr, den Schuß Sardiniens und Frankreichs zu sichern. Auch zu Rom hat San Marino einen Repräsentanten; aber der päpstliche Hof nimmt diesen Beamten nur in offiziöser Weise auf, während die Republik Unter den Ausgaben sind die Fächer verhältnißmäßig am stärksten eine offizielle Anerkenntniß beansprucht, indem alle Urkunden beweisen, vertreten, die in anderen Staaten am wenigsten kosten: der öffentdaß sie, troß dem römischen Protektorat, unabhängig ist. Die öffentliche Unterricht und die Sicherheits-Polizei. Eine Uebersicht der lichen Aemter sind, mit Ausnahme derer des Richters, Arztes und sämmtlichen Ausgaben ergiebt: Lehrers, unbefoldet.

Alle wehrfähigen Bürger find Soldaten. Sie find in zwei Corps getheilt: in die Leibwache des großen Rathes und der Capitani, aus vierundzwanzig Mann bestehend, und in die Bürgerwehr, die neun Compagnieen von je 140 Mann, im Ganzen 1290 Mann, mit Inbegriff der Offiziere und Unteroffiziere, zählt. Außerdem sind einige im Auslande geworbene Gendarmen im Dienste. Die Republik be= fist 4 Kanonen, die ihr der General Bonaparte 1797 geschenkt hat.

Die Staatseinkünfte fließen aus keinen direkten Auflagen, sondern aus einer Verbrauchssteuer auf Salz, Taback, Spielkarten 2c.

Die Ereignisse, die im Schoße dieser kleinen Republik vorgehen, find weder zahlreich noch wichtig, sie beschränken sich meist auf einige Banditen-Streifereien, die von den Gendarmen der angränzenden Staaten Toskana und Rom in das unabhängige Gebiet San-Marino's verfolgt werden. Gelingt es jenen nicht, die Räuber zu ergreifen, so werden sie von den Behörden ausgeliefert. Sind es politische Flüchtlinge, so bittet man sie, ein anderes Asyl zu suchen, da man nicht im Stande sei, sie zu schüßen, oder ihretwegen die Unabhängigkeit des Freistaates zu gefährden. So verfuhr dieser in Betreff Garibaldi's nach der Einnahme Roms 1849. Einige derartige Reclamationen und unbedeutende Unterhandlungen, das ist der Inhalt der Geschichte San-Marino's während der jüngsten Zeit.

Deffentlicher Unterricht. In San-Marino ist eine von ber Familie Belluzzi gegründete höhere Schule, unter einem Direk tor - diese Würde bekleidet stets das Haupt jener Familie und einem Vice-Direktor. Hier wird in den klassischen Sprachen, den stren gen Wissenschaften, der Theologie 2c. unterrichtet. Es giebt ein physikalisches Kabinet und eine meteorologische Warte. Außer den Schulen der Hauptstadt zählt man noch zwei, die eine in Borgo, die andere in Serravalle, von etwa neunzig Schülern besucht. Endlich hat San Marino eine Elementarschule für Mädchen, und die Klarissinnen nehmen neun Koftgängerinnen auf.

Bibliotheken. In dem alten Palast Valloni ist eine von der Regierung durch zwei auf Staatskosten angekaufte Privat-BücherSammlungen geschaffene Bibliothek. Sie enthält hauptsächlich Werke der Geschichte und der Rechtswissenschaft. Das Publikum hat freien Zutritt; 1853 ist sie durch ein Geschenk der franzöfifchen Regierung mit einer Anzahl Werke der Kunst und mit Ansichten der Hauptftädte Italiens bereichert worden.

Akademieen. Eine Akademie im eigentlichen Sinne giebt es hier nicht; der große Rath hat jedoch eine congregazione georgica (einen Landwirthschaftlichen Verein) zur Verbesserung der Landwirthschaft, der Hauptbeschäftigung der Einwohner, ins Leben gerufen, der bereits durch eine nüzliche Arbeit, das Statuto agrario, seine Thätigkeit befundet hat.

Welt- und Ordens-Geistlichkeit. Das Bisthum Montefeltro umfaßt sechs Parochieen, also den größten Theil des republikanischen Gebietes; die anderen zwei Parochieen gehören zur Diözese Rimini. In der Stadt, der Vorstadt und den Filialen find zwölf Priester und zwei Kaplane, auf dem Lande sechzehn Priester und zwei Kaplane, acht Pfarrer mit inbegriffen. In den drei Klößtern: der Kapuziner, der Minoriten und der Servienten, find zusammen dreiundzwanzig Mönche mit Inbegriff der Laicnbrüder. Das Klarissinnenkloster zählt zwanzig Nonnen, vierzehn Laienschwestern und neun Schülerinnen.

Bevölkerung. Die Bestandtheile derselben find: 1) eine geringe Zahl patrizischer Familien, die ihren früheren Einfluß verloren haben, da ein Theil erloschen, ein anderer, wie schon bemerkt, ins Aus land gezogen ist; 2) die Geistlichkeit, so weltliche wie klöfterliche, die beiläufig 100 Personen zählt; 3) Ackerbauer und Industrielle, die besonders in den reichen Steinbrüchen beschäftigt sind; 4) Beamte und Handeltreibende, in sehr beschränkter Anzahl.

Finanzen. Die Haupt-Einkünfte der Republik fließen aus dem

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Für sieben vom Staate befoldete Profefforen zusammen.. 4414 Fr. drei Aerzte und einen Wundarzt (jeder Kranke hat das Recht auf kostenfreie Behandlung)..

=

=

=

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4405

Hospital, häusliche Hülfeleistung, Arzneien. . . . 1500
die Capitani governatori zu Repräsentations-Festen. 265
den Briefträger und den Postillon (der dreimal wö-
chentlich, wenn es der Schnee erlaubt, die Briefe in
Rimini holt)...

Gehalt für den ausländischen Civil-Richter
Gehalt für den Bibliothekar. ..

Entschädigungen für die Vertreter der Republik zu Rom,

Florenz und Rimini

Hülfs-Zuschüsse an das Theater

Gehalt für den Kapellmeister

Sold für die Stadtmiliz.

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Sold für den Hauptmann der Gendarmerie. Zu den Kosten des Kultus.

560

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1325 106 =

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Zu den Kosten der öffentlichen Arbeiten. Gehalt für den General-Secretair, eine Art Faktotum.. 318 = Dieser erhält außerdem über die Hälfte des Anzugsgeldes von jedem Fremden, der sich in San Marino häuslich niederlassen will, das 63 Francs beträgt. Man begreift, daß es im Interesse des Secretairs liegt, möglichst viel Personen zu veranlassen, das Bürgerrecht zu verlangen, anzunehmen und, in jedem Falle, zu erhalten. (A. d. d. M.)

Frankreich.

Cousin's,,Philosophischer Spaziergang durch Deutschland“. II. Der Epilog. (Schluß.)

Bei meiner zweiten Anwesenheit in Heidelberg bat ich Hegel vergebens um Erklärungen, deren ich so sehr bedurfte; er wich meinen Fragen aus, ohne zu bedenken, daß er fie eben dadurch genügend beantwortete, indem er zu antworten vermied. Ich fasse recht gut den Sinn und die Tragweite der Ordnung und Eintheilung des Seins, die Hegel feststellt: 1) das reine Sein, 2) das Dasein, 3) das Fürsichsein. Die oberste Stufe: das reine Sein, aus dem sich alles Uebrige entwickelt, ist also des Fürsichseins, d. h. des Bewußtseins und der Persönlichkeit, entblößt und sieht, wie mich dünkt, dem unendlichen und absoluten Sein Spinoza's sehr ähnlich.

Was Schleiermacher betrifft, so ist er augenfällig mehr Spinozist als Platoniker. Er müht sich umsonst, Plato und Spinoza zu mischen; sie schließen einander aus. Ich bitte den gelehrten Ueberseßer des Plato um Verzeihung: Plato's und Spinoza's Gott sind wesentlich verschieden. Ich gebe zu, daß im Plato die Mythen eine ziemlich bedeutende Rolle spielen, nur sind sie das Schmuckwerk, nicht der Kern der Platonischen Philosophie; sie seßen diese in Einklang mit dem Volksglauben, den sie heben und veredeln. Sie bergen aber eine eben so klare, wie erhabene Philosophie, die mit dem Spinozismus nichts gemein hat. Im zehnteu Buche der „Geseze" wirft Plato die Frage auf: Welches ist das erste Sein? Antwort: Der Geist, und die Natur kommt erst nach. An dieser, wie an anderen Stellen seßt er fest, daß der Geist der Urgrund der Bewegung und des Gedankens ist. Die Idee der Nothwendigkeit eines ersten Bewegers ift im Plato so trefflich auseinandergeseßt, daß Aristoteles sie annimmt und vertritt. Der Meister und der Jünger stimmen vollkommen darin überein, daß das Grund-Attribut des Urgeistes das Erkennen Seinerselbst sei. Der Urgeist Plato's und Ariftoteles' wartet nicht auf den Menschen, um in diesem durch diesen zu denken; er denkt sich von Ewigkeit her, vor dem Menschen, vor der Welt, vor der Zeit. Gott ist, sagt Ariftoteles, der Gedanke des Gedankens, und

Plato: Gott ist die Stätte der Ideen. Er ist nur wahrer Gott, infofern er mit diesen Ideen ist. Da nun nach Plato das Gute die höchste Idee ist, so berührt sie zunächst das Wesen Gottes: folglich ist Gott wesentlich gut. Die Liebe ist seines Seins Grund. Aus Güte und Liebe hat er die Welt geschaffen oder gebildet und den Menschen vernünftig und der Liebe fähig gemacht. Daher erkennt die Platonische Psychologie in dem Menschen, was Gott in ihn gelegt: die Vernunft, die fähig ist, sich mittelst der Ideen, hauptsächlich durch die Idee des Guten, zu Gott zu erheben, und die Liebe, die auf Gott, als ihren Urgrund, durch alle Stufen der physischen und moralischen Schönheit hinweist. - Was hat nun diese Philosophie mit dem Spinozismus gemein? Das Menschengeschlecht läßt sich nicht täuschen: es neigt sich jener zu und wendet sich von diesem ab; und ich halte es mit dem Menschengeschlecht.

Wie will man mich glauben machen, daß das Prinzip des Seins nicht das enthalten soll, was unbestritten das Beste im Sein ist, was den Vorzug dieses entstandenen und endlichen Seins, das Mensch heißt, ausmacht, ich meine das Wollen und das Denken? Wie könnte ich, auch nur mit einem Schatten von Vernunft, in die Ursache weniger legen, als in die Wirkung? Der Mensch ist freilich nur ein Schilfrohr, sagt Pascal, aber ein denkendes Schilfrohr, und überragt dadurch das Universum; denn von dem Vorzug der größeren Ausdehnung und der Dauer, den das Universum vor ihm hat, weiß es nichts, während der Mensch das Universum und sich selber weiß. Ebenso behaupte ich, daß, wenn Gott nur das reine Sein ist ohne Persönlichkeit und ohne Bewußtsein, der denkende und freie Mensch ihm tausendfach überlegen ist.

Ich fordere alle Pantheisten in der Welt heraus, mir folgende zwei sehr einfache Thesen auf eine nur einigermaßen verständliche Weise zu beantworten:

1) Wie kann aus dem gedankenlosen Sein das denkende Sein hervorgehen? Und wie kann überhaupt aus einem unbestimmten Sein irgend ein bestimmtes Sein hervorgehen? Hegel sieht recht gut, daß das reine, unbestimmte Sein ein Sein, das kein Sein, ein Sein, das in Wahrheit ein Nichtsein ist; wie will er aber aus dieser Identität des Seins und Nichtseins das Werden, ich meine das reale und wirkliche Werden, herleiten?

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2) Wie kann man dem denkenden Sein das gedankenlose Sein nicht nur als Prinzip, sondern auch als Zweck, nicht nur als Ursache, sondern als Vorbild geben? Denn Gott ist das Alles. Der Gott, den die Menschheit anbetet, ist nicht nur die erste Ursache, aus der fie herstammt, sondern auch das Vorbild, das sie anstreben, mit dem fie in ununterbrochenem Zusammenhange bleiben soll durch die Liebe und durch das Gebet. Wie willst du aber etwas lieben und zu ihm beten, was weder verständig, noch frei, was selbst der Liebe bar ist? Ein Gott ohne Bewußtsein, ohne Verstand, ohne Freiheit, ohne Liebe! Welch ein Gott, Freunde! Sokrates, der mit Wissen und Willen für die Wahrheit stirbt - Cato, der eine freie Stunde einem langen Leben der Knechtschaft vorzieht — was sage ich, die arme Frau, die in einer Dorfkirche auf den Knieen liegt und in dem dunklen Gefühl des heiligen Ideals, dem sie nachstrebt, dem Ideal der Gerechtigkeit, der Güte, der unendlichen Vollkommenheit, das sie nachahmen möchte und das zu erreichen fie verzweifelt, die in diesem dunkeln Gefühl ihre Leiden, ihre inneren Kämpfe, ihrem Gott als Opfer darbringt — was sollen sie mit einem solchen Gott anfangen? Der Gott des Pantheismus mag der Gott des Felsens sein, an dem ich vorbeigehe der Gott der Heroen der Menschheit, mein Gott, der Gott meiner Mutter ist er nicht, er ist mir fremð, er existirt für mich nicht, denn er versteht mich nicht; er steht auf der Wesenleiter tausend Stufen unter mir, wenn, wie ich es fühle, wie ich es weiß certissima scientia et clamante conscientia, die oberste Sproffe jener Leiter von der höchsten Freiheit, dem umfassendsten Verstand, der innigften wie der uneigennützig ften Liebe eingenommen wird.

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Aber dieses Fürsichsein, dieses reine Sein, dieses absolute Sein ohne Eigenschaft, ohne Bestimmung, ist das wohl ein Sein, das ein Prinzip des Seins abgeben kann? Ist es nicht ein beliebig entworfenes Schattenbild, ein Gott der Schule, so hohl und nichtig wie das Reich, über das er herrscht? Es giebt kein reales Sein ohne Eigen schaft und Bestimmung. Ich bin Jch, nicht nur vermöge der Substanz meines Wesens, sondern vermöge der Kräfte, womit diese Substanz begabt ift: Empfindung, Wille, Verstand. Das Sein, das ich bin, erreiche ich nur mittelbar durch die Kräfte, die es tenn zeichnen und offenbaren. Ohne diese Kräfte würde es nicht nur für mich, sondern auch an sich nichts sein; denn es widersteht uns, daß ein Sein nicht so oder so, in dieser oder jener Art zu sein sei. Wer tennt einen Körper an sich, ohne irgendwelche körperliche Beschaffen heit? Wer hat die reine Materie, die Urmaterie der scholaftischen Aristoteliker, geschaut? Die Materie geht nicht ganz in ihren Beschaffenheiten auf, aber sie ist nicht ohne diese Beschaffenheiten. Das ist sicherlich ein Etwas, aber etwas Ausgedehntes, Festes, Geformtes,

Gefärbtes u. f. w. Wohl kann ich durch den Gedanken von diesen Beschaffenheiten abstrahiren, um nur an das inhärente Substrat zu denken; das ist dann aber auch nur eine Abstraction. Und reduziren wir nicht das Sein alles Seins auf eine bloße Abstraction, wenn wir es in den Begriff des bestimmungslosen Seins zwängen?

Treten wir aus der Schule; überlassen wir ihr ihre hohlen Conceptionen, ihre mühseligen Tändeleien. Denken und sprechen wir wie Menschen. Entweder haben Welt und Mensch keinen Urgrund und sie sind sich selber genug, indem der Mensch von der Welt und die Welt von Nichts herkommt, - und das ist die Annahme des Atheis mus; oder die Welt erklärt nicht den Menschen, der Mensch erklärt ebenso wenig sich selber, und dann ist nothwendig eine Ursache, ein Prinzip zu seßen, das von dem Leben und der Bewegung, die ihn beseelen, und von den Geseßen, die dieses Leben und diese Bewegung bedingen, Rechenschaft giebt. Ein Beweger und Gefeßgeber ist nothwendig. Dieser Beweger und Gefeßgeber kann aber keine Abstraction, kein Nichts sein; es ist vielmehr nothwendig das Sein im höchsten Sinne, das Sein mit allen Vollkommenheiten des Seins begabt, folglich mit Verstand, Freiheit und Liebe, die in mir, vermöge meiner abgeleiteten, erschaffenen Natur, beschränkt, in ihm aber in der Fülle seiner unerschaffenen, schaffenden Natur ohne Schranken sind. Das ist der wahre Gott, der allein den wunderbaren Weltbau und hauptsächlich den Menschen mit seinen Empfindungen, feinen Bedürfnissen, seinen Gedanken erklärt; der die Bewegungen meiner Seele, die Entfchlüsse meines Willens, die Bestrebungen meines Geistes, meiner Arbeiten, meinen freudigen Aufschwung, mein trübes Bangen, meine Klagen, meine Hoffnungen mir selber erklärt und rechtfertigt. Dieser Gott versteht mich, und ich verstehe ihn; er liebt mich, und ich liebe ihn; ich rufe ihn an und er erhört mich; er spricht zu meinem Geist und ich fühle ihn in meinem Herzen. Diesen Gott habe ich gelehrt, will ich ferner lehren, und nimmer den Gott Spinoza's oder Schelling's.")

Bleiben wir hier: der Tag bricht an. Mein Körper ist müde, aber meine Seele ist frisch; ich schließe diese lezte Betrachtung auf deutschem Boden mit der Erklärung: Gewiß, Deutschland ist eine große Schule der Philosophie; man muß diese studiren, gründlich kennen lernen, aber nicht dabei stehen bleiben. Die neue französische Philosophie, wenn es mir beschieden ist, nach Royer-Collard, ihr Leiter zu sein, soll ihre Inspirationen ebensowenig in Deutschland wie in England suchen; sie soll sie vielmehr aus einem Quell schöpfen, der lauterer und zuverlässiger ift: aus dem Bewußtsein und aus den Thatsachen, die es bezeugt, aber auch aus unserer großartigen NationalTradition des siebzehnten Jahrhunderts. Schon an sich ist sie stark durch gefunden französischen Sinn; ich werde sie noch ausrüsten mit der Gesammtgeschichte der Philosophie, und so werden wir, mit Gottes Hülfe, dem Skeptizismus Kant's entgehen, durch das Gefühl Jacobi's hindurchkommen und ohne Hypothesen zu einem besseren Dogmatismus, als demjenigen der Naturphilosophie, gelangen.

Griechenland.

Altgriechische Sprüchwörter.

Die Sprüchwörter enthalten die philosophischen Elemente, welche in einem Volke vorhanden sind, und namentlich hat die Weisheit der alten Welt es lange geliebt, in solchen einfachen Sprüchen sich auszudrücken. Sie sind ein Schaß praktischer Lebensweisheit des einzelnen Volkes; aber auch in historischer Hinsicht haben sie für die Kenntniß des Charakters des Volkes, sowie des Grades der jedesmaligen Volksbildung, einen besonderen Werth und einen eigenthümlichen Reiz. In diesen Sprüchwörtern finden sich häufig die Keime von Ueberzeugungen und von Ansichten, welche in dem Leben des Volkes deffen wichtigste. Aeußerungen bedingen; in ihnen liegt der Grund der Politif, der Moral, zum Theil auch der Religion des Volkes. Ebenso haben sich in ihnen oft Erinnerungen an wichtige geschichtliche Begebenheiten erhalten, und man kann aus ihnen gar häufig erkennen, wie das Volk solche Begebenheiten aufgenommen und wie es darüber gedacht hat. Nicht minder läßt sich aus ihnen über einzelne Sitten, Gebräuche, Beschäftigungen und Feste oft die vielfältigste Belehrung schöpfen.

Dies Alles gilt mehr oder weniger auch von den Sprüchwörtern der alten Griechen: sie sind auch für diese ein klarer Spiegel ihres inneren geistigen Lebens und Wesens, und die Kenntniß altgriechischer Sprüchwörter gewährt daher in vielen Beziehungen ein nicht geringes Intereffe, vornehmlich auch insofern, als diese Sprüchwörter Gelegen= heit geben, die Weisheit der alten Griechen in ihren Ansichten über die einzelnen Beziehungen des menschlichen Lebens, über die Verhältniffe des Menschen zu dem höheren und göttlichen Wesen, zur Natur,

*) Cousin bemerkt in einer Note, Schelling fei in der weiteren Entwicke lung seiner Philosophie zu einem mehr oder weniger konsequenten, aber aufrichtigen, ja sogar christlichen Theismus gelangt.

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Glück ist Gottes Gabe. Dies liegt im Schooße der Götter. Ift's Gottes Wille, so kannst du auch auf einem Rohre schwimmen. Gott zu widerstreben ist frevelhaft. - Folge Gott. - Folge der Vernunft. Lerne dich selbst kennen. Nichts zu viel; Maaß zu halten ift gut; die Mittelstraße ist die beste. - Ist kein Fleisch vorhanden, so begnüge dich mit gesalzenen Fischen. Der Nothwendigkeit ge= Der Nothwendigkeit gehorchen auch die Götter. - Verzehre dein eigenes Herz nicht (d. h. mache dir keinen vergeblichen Kummer). Viel besser ist es, den Anfang zu heilen, als das Ende. Vor einem Mächtigeren hüte Vor einem Mächtigeren hüte dich. Lieben muß man, wie wenn man wieder einmal haffen, und haffen, wie wenn man wieder einmal lieben wollte. Viele haffen dich, wenn du dich selbst zu sehr liebst.

Ein Rad ist des Menschen Leben. -Wen das Schicksal schwarz gezeichnet hat, den kann keine Zeit weiß waschen. Wird der Lehm nicht geschlagen, so wird kein Topf daraus; wird der Mensch nicht geschlagen, so kömmt er nicht zu Verstand. Ueberfättigung erzeugt Uebermuth. Einem weisen Manne ist die ganze Erde zugänglich; dem Adler steht die ganze Luft offen. Unter jedem Steine steckt ein Skorpion (d. h. überall ist Klugheit nöthig). — Den Klugen geräth Alles am besten. Wo das Wort nicht trifft, trifft der Stock (unser deutsches Sprüchwort: wer nicht hört, muß fühlen). — Dagegen hatten die alten Griechen auch das Sprüchwort: Wen das Wort nicht schlägt, den schlägt auch der Stock nicht", ein Sprüchwort, das ein Sprüchwort, das allerdings bei einem Volke von solcher Empfindung und von so richtigem ästhetischen Gefühle, wie das griechische, seine volle Berechtigung hatte. Auf der nämlichen Naturanlage ruht auch der Spruch: Gut sind leicht weinende Männer.

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Freundes Gut gemein Gut. - Gleich und Gleich gefellt sich gern; Gleiches zu Gleichem; eine Krähe fezt sich zur anderen; es kennt der Dieb den Dieb, der Wolf den Wolf; gleiches Alter, gleiche Luft.

Das lebendige, warme und frische Gefühl für Liebe und Schönheit drücken die Sprüchwörter aus: Ein Pfeil ist Weibesblick für junges Blut. Das Leben raubt dem Jüngling einer Frauen Stimme. Dem schönen Mann steht Alles an; immer und immer das Schöne!

Für den Gedanken: Etwas Vergebliches, oder Unmögliches, oder Ueberflüssiges unternehmen, finden sich die sprüchwörtlichen Redensarten: Eher wird die Schildkröte dem Hafen vorlaufen; eher wird der Wolf des Schaafes Hüter; du willst ein Seil aus Sand flechten; du willst die Flamme zerschneiden; einen Löwen scheeren; du willst einen Stein kochen; Wolfsflügel suchen; Wolken schlagen; auf Felsen säen; Wind pflügen; den Wind mit Neßen fangen; in den Himmel schieBen; Eulen nach Athen tragen 2c.

Von Jemanden, der sich ganz unmächtig und vernichtet stellte, ohne es zu sein, sagte man: Er hält den Athem an, wie ein Igel, oder: Er stellt sich todt, wie ein Panther (indem man nämlich an diesen Thieren eine solche Kriegslist bemerkt haben wollte); von klugen und vorsichtigen Leuten hieß es: die Kraniche verschlucken Steine; einen Neidischen verglich man einem Hunde am Troge; von einem hülfslosen Armen sagte man: Er ist ärmer als eine Bachstelze (wir sagen im Deutschen: ärmer als eine Kirchenmaus); von einem Feigen und Ehrlosen: Er hat nicht einmal das Ehrgefühl eines Rebhuhns; von einem Schlaflosen: Er schläft nicht einmal so lange als eine Nachtigall. Dem, der sich an eiteln und gefährlichen Dingen ergößte, galt der sprüchwörtliche Zuruf: Du freust dich, wie eine Fliege an der Flamme. Ein atheniensisches Sprüchwort sagte von Jemanden, von dem man nicht wußte, wo er in der Fremde hingekommen sei: Entweder ist er todt, oder er ist Schulmeister geworden; von Athen felbft sagte ein Sprüchwort: Zweimal hat gelebt, wer in Athen ge

lebt hat. Unser Sprüchwort: Der Fisch muß schwimmen, erinnert an das altgriechische: die Melone ohne Wein ist ungesund. R.

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Mannigfaltiges.

Bernhardt Perthes. Das XII. und Schluß-Heft von Petermann's,,Mittheilungen" für 1857 beginnt in würdigster Weise mit einem Nekrologe des Mannes, der in den vier Jahren, die feit dem Tode seines Vaters, Wilhelm Perthes verflossen sind, das bibliopolisch-geographische Institut, das der Leztere und dessen Vater, Justus Perthes, in Gotha gegründet hatten, auf das Großartigste erweitert und ihm einen ehrenvollen Ruf in der ganzen wissenschaftlichen Welt verschafft hat. Bernhardt Perthes, geboren am 3. Juli 1821 und gestorben am 27. Oktober 1857, war von mütterlicher Seite ein Enkel von Friedrich Perthes und ein Urenkel von Mathias Claudius. Von dem Gedanken beseelt, in seinem Institut einen neuen Mittel- und Einigungs-Punkt für die gesammte Erdkunde in allen ihren Zweigen zu schaffen, gewann er für dasselbe die geeignetsten, wissenschaftlichen und technischen Männer, um welche, als anerkannte Meister, eine Anzahl von strebsamen Schülern sich reihte, deren gemeinsamer Vorarbeiter jedoch der praktisch, wie theoretisch, gleich tüchtige Bernhardt Perthes blieb. Nur der kleinere Theil seiner Unternehmungen ist bereits an's Licht getreten, der größere und nicht minder werthvolle noch in der Vorbereitung, wenn auch der Vollendung nahe. Um die mannigfache Thätigkeit und wissenschaftliche Richtung, die in diesem geistig angeregten Kreise herrschte, zu kennzeichnen, genügt es indessen, darauf hinzuweisen, wie nicht nur die berühmten Stielerschen, Berghausschen, v. Sprunerschen, v. Sydowschen Kartenwerke, im Einklang mit den außerordentlichen Fortschritten der Wissenschaften gehalten, zu neuen, den verschiedenen Bedürfnissen, ja verschiedenen Sprachen und Völkern dienenden Gestaltungen verarbeitet wurden, sondern auch Werke, wie Petermann's geographische Mittheilungen, die Atlanten von v. Sydow, die der zeichnenden Methode speziellen Spielraum gewähren, Bach's geognostische Uebersichts- Karte von Deutschland, v. Stülpnagel's Schul-Wandkarten, Barth's weltberühmtes Reisewerk 2c., in rascher Folge zu Tage traten." Außerhalb des geographischen Institutes, doch gleichwohl in beständiger Wechselbeziehung zu demselben, standen die Redaktoren der über ganz Europa verbreiteten, in deutscher und in französischer Sprache erscheinenden, genealogischen und statistischen Kalender und Jahrbücher (Almanacs de Gotha), zwischen welchen und jenem Kreise ein fortdauernder Austausch von Material und anderen Mittheilungen zur gegenseitigen Belebung und Förderung stattfand. Einen solchen Geist verstand aber auch der noch so jugendliche Mann seinem Werke einzuhauchen, daß es, wie uns der Verfasser des Nekrologs, Dr. Alfred Agricola, versichert, auch nach dem Hinscheiden von Bernhardt Perthes in ungeschwächter Kraft fort= bestehen wird.

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Ein deutsches Buch des neunzehnten Jahrhunderts. Die Blätter für literarische-Unterhaltung“ (Nr. 3 vom 14. Januar d. J.) machen auf eine kürzlich in der Form eines Romans er= schienene Karikatur Luther's und Melanchthon's vom ultramontanen Tendenz-Standpunkte aufmerksam, die sie mit Recht als eine Schmach für deutsches Denken und Dichten, als einen Hohn auf die Kultur und die religiöse Gesittung unseres Jahrhunderts bezeichnen.,,Eine Brautfahrt“, ist der Titel dieses sogenannten „historischen Romans aus dem sechzehnten Jahrhundert“; „Konrad von Bolanden“ nennt sich der Verfasser, und,,Pustet in Regensburg" heißt der Verleger dieses sauberen Buches, das jedes ehrliebende deutsche Journal an einer ausdrücklich zu errichtenden Schandsäule ausstellen sollte. Wir dürfen und können allerdings dem konfeffionellen Standpunkte das Recht nicht absprechen, die Geschichte und die Heroen der Vergangenheit in seiner Weise aufzufassen und darzustellen. Wer aber, wie Herr Konrad von Bolanden, in einer für geschichtsunkundige Leser bestimmten Unterhaltungsschrift, an historische Namen, die der großen Hälfte seiner deutschen Landsleute theuer und heilig sind, die mit den religiösen Ideen der halben civilisirten Welt Hand in Hand gehen, die Erfindungen einer unzüchtigen Phantasie, den Schmuß einer rohen Denkund Schreibweise knüpft, der verdient öffentlich an den Pranger ge stellt und von jedem anständigen Menschen, gleichviel, welcher Konfeffion er angehört, verachtet zu werden. Als ein würdiges Seitenstück zu diesem deutschen Buche des Jahres 1857 könnte nur das französische Buch von L. A. Martin: „Wahre und falsche Katholiken“, genannt werden, das wir in Nr. 7 des diesjährigen „Magazin“ an= gezeigt und das von den französischen Tribunalen, wie von französischen Literaturzeitungen, als ein Produkt des Fanatismus und der tiefften geistigen Versunkenheit bezeichnet worden ist.

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und viertel jährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 16.

für die

Bestellungen werden in jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallstr. Nr. 21), fowie von allen königl. Post-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Nord: Amerika.

Berlin, Sonnabend den 6. Februar.

Notizen über die Administration der Vereinigten Staaten. Mit der Botschaft des Präsidenten Buchanan wurden zu Washington in der ersten Hälfte des Dezembers 1857 statistische Jahresberichte der Staats-Secretaire ausgegeben, aus denen ich vorläufig Auszüge über die Finanzen und die Flotte der Vereinigten Staaten mittheilen will.

1. Die Finanzen der Republik.

Am 1. Juli 1856, als am Anfange des Fiskaljahres 1857 (endigend mit dem 30. Juni 1857) betrug der Bestand in der Schazkammer 19,901,325 Dollars 45 Cents. Hierzu kamen die Einnahmen des Schahamtes während des genannten Fiskaljahres im Belaufe von 68,631,513 Doll. 67 C. Die Hauptquellen dieser Einnahmen werden angegeben und für jedes Vierteljahr berechnet, z. B. für das mit dem 30. September 1856 endigende Vierteljahr:

von Zöllen .

von Staatsländereien . . .

20,677,740 Doll. 40 C. 892,380 39 = 57 =

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aus verschiedenen Quellen 355,310 Rechnet man nun den oben aufgeführten Bestand zu der GesammtEinnahme, so betrugen die Mittel für den Dienst der Vereinigten Staaten auf das erwähnte Fiskaljahr im Ganzen 88,532,839 Doll. 12 C. Die Ausgaben während des Fiskaljahres vom 1. Juli 1856 bis zum 30. Juni 1857 beliefen sich auf 70,822,724 Doll. 85 C. Lehtere Summe ward für die verschiedenen Zweige des öffentlichen Dienstes verwendet, wie folgt:

für die Civil-Verwaltung, den Verkehr mit

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72

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16

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69

1858.

Das stärkste ist das Geschwader in den einheimischen Gewässern (Home Squadron). Es besteht aus den Dampf-Fregatten „Wabash" und ,,Roanoke", den Kriegs-Schaluppen,, Saratoga" und ,,Cyane" und den Kriegs-Dampfern,,Susquehanna" und "Fulton" und ist in Folge des unsicheren Zustandes der central-amerikanischen Angelegenheiten verstärkt worden.

Außerdem werden aufgeführt: das Pacific Geschwader, das brafilianische Geschwader, das Mittelmeer-Geschwader, eine Fregatte und zwei Schaluppen an der Küste von Afrika und das ostindische Geschwader, bestehend aus der Dampf-Fregatte,,San Jacinto" und den Kriegs-Schaluppen, Portsmouth“ und „Levant“, von denen aber die legtere nach Boston zurückbeordert ist.

Der Erfolg der Expedition des Ordonnanzschiffes,,Plymouth" zu Versuchen mit der Dahlgreen-Kanone wird als sehr günstig geschildert, und diese Versuche sollen die vorläufige Bestimmung gerechtfertigt haben, mit diesem Geschüß die neuen Dampf-Fregatten zu versehen; auch sei eine weitere Ausdehnung dieser Bewaffnung wünschenswerth.

Zur Verification der Vermessung der Flüsse Atrato und Turando wurden, mit Hinsicht auf die Anlegung eines Kanals zwischen dem Atlantischen und Stillen Meere, am 3. März dieses Jahres 25,000 Doll. bewilligt. Lieutenant Craven, von der Flotte, und Lieutenant Michler, von den topographischen Ingenieurs, wurden mit diefem Auftrage betraut und segelten in dem Schooner,,Varina“ am 12. Oktober nach dem Golf von Darien ab.

Andere 25,000 Doll. wurden ebenfalls am 3. März zur Ausdehnung und Vervollständigung der Erforschung des Paraná und der Flüsse, welche in den Paraguay fließen, bewilligt. Der Dampfer, den

dem Auslande und Verschiedenes . . . . 27,531,922 Doll. 73 C. Herr Forbes in Boston zu dieser Expedition kontraktlich herstellen für den Dienst im Departement des Innern 5,358,274 für den Dienst im Kriegs-Departement.. 19,261,774 für den Dienst im Departement der Marine 12,726,856 Ankauf der öffentlichen Schuld, Kapital, Prämien und Zinsen.

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5,943,896 Summa 70,822,724 Doll. 85 C. Es blieb mithin vom 1. Juli 1857 ein Bestand von. . . 17,710,114 Doll. 27 C. Hiernächst werden noch die vermuthlichen Einnahmen und Ausgaben nicht allein bis zum 30. Juni 1858, sondern auch bis zum 30. Juni 1859 berechnet, eine Berechnung, die ich, als sehr unsicher, hier übergehe.

Die Ausfuhr giebt der Schazamts-Secretair für das mehrerwähnte Fiskaljahr auf 362,949,144 Doll. und die Einfuhr auf 360,800,191 Doll. an; indeß meint er, in diesem Jahre (vom 1. Juli 1857 bis 30. Juni 1858) dürfte die Ausfuhr am 10 Prozent weniger betragen und die Einfuhr um 10 Prozent mehr, auch sei anzunehmen, daß die Zoll-Einnahmen in diesem Jahre weit später eingehen wür den, als in früheren Jahren. Er räth daher die Ausgabe von Schaßamts-Noten im Betrage von nicht über 20 Millionen, die nach einer gewissen Frist zurückzahlbar sein und Zinsen tragen sollen. Eine Bill nach diesem Vorschlage pafsirte mit 31 gegen 18 Stimmen am 19. Dezember den Senat.

Die Schuld der Vereinigten Staaten belief sich am 1. Juli 1847 auf 29,060,366 Doll. Seitdem wurden 3,895,232 Doll. davon abgetragen, und es verbleiben mithin 25,165,152 Doll. (Hierunter sind aber die Schulden der einzelnen Staaten nicht begriffen, die zum Theil sehr beträchtlich sind und sich auf mehr als 200 Millionen belaufen).

In der jezigen Finanzkrisis war mehrfach von einer Erhöhung des Tarifs des Schutzolles - die Rede; der Schazamts-Secretair räth aber nicht zu dieser Maßregel und ist nicht der Meinung, daß eine Befferung der Finanzen dadurch könne herbeigeführt werden.

11. Die Flotte der Vereinigten Staaten. Zunächst zählt der Marine-Secretair die Schiffe auf, welche zu den verschiedenen Geschwadern gehören. Keines derselben ist start.

wird, ist beinahe fertig und wird bald nach dem La Plata abgehen; indeß vermuthet man, daß die Expedition auf Schwierigkeiten stoßen wird, da die Regierung von Paraguay die Beschiffung des gleichnamigen Flusses innerhalb der Gränzen ihres Gebietes fremden Fahrzeugen untersagt hat.

Das Werk zur Bekanntmachung der Vermessungen des nördlichen Stillen Meeres und der Behringsstraße, welche durch die Expedition unter Rodgers bewerkstelligt ward, schreitet rasch vorwärts.

Der Secretair empfiehlt, das Corps der Marine-Soldaten von 1368 auf 2000 Mann zu vermehren und hält leßtere Zahl für erforderlich, um den gewöhnlichen Dienst zu versehen.

Ferner läßt er sich über den Bau eines Kriegs-Dampfers aus, von dem man lange nichts Sonderliches mehr gehört hat. In Hoboken sieht man, New-York gegenüber, am rechten Ufer des Hudson, eine hohe Bretterwand, hinter der geheimnißvoll seit einer Reihe von Jahren an diesem Kriegs-Dampfer gearbeitet wird. Der im vorigen Jahre verstorbene Ingenieur Stevens, der in jener Gegend großen Grundbesiß hatte, übernahm schon 1842 den Bau dieses Schiffes für 586,717 Doll. 84 C. Vielleicht erinnern sich einige unserer Leser, daß im Frühjahre 1850 über diesen Dampfer, über noch ein anderes, wunderbares Schiff, das Stevens bauen wollte, und das, wenn ich nicht irre, in vier Tagen nach Europa gehen sollte, sowie über diesen Stevens selbst, ganz fabelhafte Berichte eines deutschen Literaten von hier aus nach Europa gelangten und in verschiedenen Blättern abge= druckt wurden. Dieselben machten damals bei der großen Leichtgläubigkeit der ,,gründlichen" Deutschen in Allem, was zu den vorgeblichen Wundern der neuen Welt" gehört, nicht geringes Aufsehen. Seit Jahren hat man von jenem Kriegs-Dampfer wenig mehr gehört, als daß eben hinter der Bretterwand in Hoboken immer noch daran gebaut werde. Nun erfährt man nach dem Tode des Ingenieurs Stevens, daß die kontraktliche Summe schon bedeutend überschritten, ohne daß der Dampfer vollendet ist. Am 19. Februar 1856 ward nämlich eine Kommission zur Untersuchung des Baues angeordnet, welche am 7. März desselben Jahres berichtete, daß zu den an Stevens bereits gezahlten 500,000 Doll. noch andere 812,033 Doll. 68 C. erforderlich sein würden, um den Dampfer zu vollenden. Der

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